Auch Mali, das
soeben als Einsatzort für einen der nächsten
Bundeswehreinsätze ausgewählt wurde (konkret ist die
Entsendung von 650 deutschen Soldaten geplant), bleibt
von jihadistischer Gewalt ebenso wenig verschont wie
andere Länder des afrikanischen Kontinents. Am Freitag,
den 20. November 15 attackierten Terroristen, deren
Gesamtzahl – die Angaben variieren bislang, nach
Augenzeugenberichten sowie Darstellungen lokaler
Zeitungen, zwischen zwei und mindestens vier – ebenso
umstritten bleibt wie ihre Zugehörigkeit zu einer
Organisation, das Hotel Radisson Blu in der Hauptstadt
Bamako.
Das Etablissement
zählt zu den Hotels der gehobenen Preisklasse.
Normalerweise steigen dort Teams der
französischen Fluggesellschaft Air France sowie von Turkish
Airlines ab; an jenem Freitag kamen zudem Delegationen
algerischer sowie chinesischer Geschäftsleute hinzu. Die
Attacke ab sieben Uhr früh wurde zunächst als eine
versuchte Geiselnahme dargestellt, doch Augenzeugen
widersprechen dieser Sichtweise. Ihnen zufolge schossen die
Eindringlinge, von denen zumindest ein Teil nicht älter als
zwanzig gewesen sein soll, im Eigangsbereich sowie auf
ihrem Weg zum Restaurant im ersten Stock sofort wild um
sich. Demzufolge ging es ihnen eher darum, zu töten, als
über die Erfüllung konkreter Forderungen zu verhandeln.
Ein Ende setzte
der Geiselnahme nach einigen Stunden das Eingreifen nicht
allein der malischen Sicherheitskräfte, sondern vor allem
von französischen Sondereinsatzkommandos. Vier französische
Gendarmen, die sich in Bamako aufhielten, wurden alsbald
durch fünfzig Soldaten einer für Kampfeinsätze vorgesehenen
Spezialeinhheit der französischen Armee ergänzt, die Im
Nachbarland Burkina Faso stationiert sind und binnen
weniger Stunden eingeflogen worden. Es handelt sich um das
COS (Commando des operations speciales),dessen Anwesenheit
in Ouagadougou unter dem alten Präsidenten Blaise Compaoré
zunächst lange Jahre geheim gehalten worden war.
Zwanzig Menschen unter den Hotelgästen
sowie die beiden (oder zwei der) Angreifer waren tot, als
das Hotelgebäude erstürmt wurde. Bereits am 02. November 15
hatte die französische Regierung zudem, zunächst ohne
öffentliche Ankündigung, die Anzahl der im Rahmen der
Sahel-Streitkraft “Opération Barkhane” stationierten
Truppen für die Region von zuvor 3.000 auf 3.800 Mann
erhöht. Denn Mali will, auch gut zwei jahre nach dem
offiziellen Ende der Operation – damals unter dem
militärischen Codenamen “Serval” – gegen Jihadisten in Mali
, die im Sommer 2013 zunächst für erfüllt erklärt wurde,
nicht zur Ruhe kommen. Der notorische Vertrauensverlust
weiter Teile der Bevölkerung in die politische Klasse, die
primär ebenso für korrupte Eigeninteressen wie für
ausländische – besonders französische – Interessen tätig
ist, trägt dazu bei, dass die Rekrutierung für
jihadistische Gruppen nicht nachlässt . Nach dem Skandal um
de,n Import von Tausenden Tonnen abgelaufenen und
verdorbenen Düngers im Mai kam i m Herbst jener um die
Einfuhr von 1.000 nicht funktionierendeN Traktoren hinzu.
Auf jeden Tiefpunkt im Vertrauen der Bevölkerung gegenûber
den Regierenden, Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (IBK)
eingeschlossen, folgt der nächste.
Infolge des
Attentats wurde der Notstand verhängt, ähnlich wie genau
eine Woche zuvor auch in Frankreich.
Zwei
konkurrierende Jihadistengruppen bekannten sich in der
Folgezeit beide zu dem Attentat, was wenig zur Erhellung
beiträgt. Ein erstes Bekennerschreiben kam von der
Organisation Al-Mourabitoun (benannt nach einer
mittelalterlichen Dynastie, auf deutsch Almoraviden). Diese
basiert auf der Vorläufergruppe der “Unterzeichner des
Blutes”, die von dem algerischen Jihadisten Mokhtar
Belmokhtar – immer wieder von den französischen Truppen
totgesagt, und doch wieder lebendig – angeführt wird. Diese
Organisation sickerte nach der Niederlage der Islamisten im
algerischen Bürgerkrieg ab 2003 in Nordmali ein. Im August
2013 fusioniert sie mit Teilen der vormaligen
Jihadistenbewegung MUJAO (“Bewegung für die Einheit des
Jihad in Westafrika”), vgl. unten.
Am Wochenende kam
dann jedoch ein zweites Bekennerschreiben hinzu, dieses Mal
von der In ZEntralmali operierenden “Nationalen
Befreiungsfront von Macina”. In ihrem Namen bezieht sie
sich auf ein untergegangenes Königreich der vorkolonialen
Epoche. Sie mimt in ihren Selbstdarstellungen eine
antikoloniale Befreiungsbewegung und kooperierte laut
eigenen Angaben bei der Attacke auf der Hotel mit derv or
allem aus malischen Staatsbürgern bestehenden
Jihadistengruppen Ansar ed-Din (arabisch für “Anhänger der
Religion”). Am 07. August 15 hatten die Jihadisten der
“Macina-Front” bereits einen spektakulären Angriff auf ein
Hotel in Mopti, rudn 600 Kilometer nördlich dre Hauptstadtr
Bamako, unternommen und dabei zivile Mitarbeiter der
UN-Truppe für Mali MINUSMA getötet.
Augenzeugen
berichten jedoch von englisch sprechenden Angreifern im
Radisson Blu, was auf die Anwesenheit von Staatsbürgern aus
dem englischsprachigen Nigeria hindeutet. Solche befanden
sich vor allem in den Reihen einer dritten in Mali aktiven,
bewaffneten Islamistenbewegung, der “Bewegung für die
Vereinigung des Jihad in Westafrika” (MUJOA). Letztere hat
zum Teil offiziell die Waffen niedergelegt und unterstützt
den Friedensprozess für Nordmali, der seit Mai 2015
zwischen der Zentralregierung und den dort ebenfalls
aktiven Tuareg-Rebellen eingeleitet wurde; teilweise ging
sie in der oben genannten Organisation Al-Mourabitoun auf.
Doch an der Basis verschwimmen die Grenzen zwischen den
verschiedenen bewaffneten Bewegungen, deren Kombattanten
oft hin- und herwechseln – je nachdem, wer bessere
Bezahlung in Aussicht stellt.
Am Vormittag des
Freitag, 27. November starb zudem ein französischer Soldat
in Nordmali, nachdem e rim Raum Tombouctou (Timbuktu) auf
eine Mine augelaufen war. Auch in Nordmali sind die
Kampfhandlungen nicht vollständig vorbei.
|