Beiträge auf dem 21. Parteitag der DKP  

Thanasis Spanidis

12/2015

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung [kamue]: Am 14./15. November fand in Hannover der 21. Parteitag der DKP statt. Die November-Ausgabe von TREND dokumentierte Texte aus dem Vorfeld des Parteitags sowie schwerpunktmäßig Stellungnahmen der Parteiminderheit, die gegen den Leitantrag des Parteivorstands gerichtet waren. Diese waren erstveröffentlicht auf deren Website www.kommmunisten.de. Ende November erschienen auf der Seite der Mehrheitsfraktion DKP-News, eine Auswahl von Redebeiträgen, die auf dem Parteitag im Hinblick auf den strittigen Leitantrag gehalten wurden. Wir spiegeln aus Gründen der Ausgewogenheit nun diese Beiträge, sofern sie nicht schon in der letzten-Ausgabe von TREND dokumentiert worden sind.

Liebe Genossinnen und Genossen

Der 20. Parteitag der DKP war ein wichtiger Schritt hin zur Wiederherstellung des kommunistischen Charakters unserer Partei. Bei vielen Genossinnen und Genossen war in der Zeitspanne seitdem eine Art Aufbruchsstimmung zu bemerken und das ist gut so! Gleichzeitig bemerke ich aber, dass viele von uns sich in der Gewissheit wähnen, endlich wieder Teil einer marxistisch-leninistischen Partei zu sein und dass sie dabei dazu tendieren, die Größe und Komplexität der vor uns liegenden Aufgaben zu unterschätzen.

Aus meiner Sicht ist es mitnichten so, dass die Partei jetzt lediglich wieder zu flächendeckender Handlungsfähigkeit und Mitgliederwachstum zurückfinden muss. Auch über grundlegende Fragen unserer Weltanschauung und Politik herrschen teilweise Unklarheit, teilweise aber auch falsche Auffassungen vor.

Dies wird auch im Leitantrag des PV deutlich. Die Probleme berühren dabei verschiedene Politikbereiche, hängen aber meines Erachtens allesamt mit einer defizitären Gegenwartsanalyse zusammen. Viele der Anträge und im Vorfeld geführten Diskussionen lassen ein verkürztes Imperialismusverständnis erkennen, wonach „Imperialismus“ eher als eine „Eigenschaft“ einer Handvoll Staaten verstanden wird statt als weltumspannende historische Gesellschaftsformation, als das kapitalistische Weltsystem in seinem monopolistischen Stadium. Dies äußert sich im Leitantrag zum ersten in einer problematischen Haltung gegenüber aufsteigenden kapitalistischen Mächten wie Russland und China. Kommunisten kommt hier die doppelte Aufgabe zu, einerseits die antirussische bzw. antichinesische Propaganda der westlichen imperialistischen Zentren als aggressive Hetze zu entlarven, andrerseits aber auch über den Klassencharakter dieser Staaten aufzuklären. Indem Russland eine Friedenspolitik attestiert wird und China gar eine „sozialistische Orientierung“, bleibt der Leitantrag einseitig. Letztlich fördert er damit Illusionen, dass der Kapitalismus selbst in seinem imperialistischen Stadium unter bestimmten Bedingungen friedfertig sein kann. Besonders angesichts der tendenziell aktiver (und damit potenziell auch aggressiver) werdenden weltpolitischen Rolle Russlands und Chinas weisen solche Einseitigkeiten in die falsche Richtung. Zweitens wird von der Antragskommission ein Antrag zur Annahme empfohlen, der eine grundsätzlich falsche Analyse der Abhängigkeitsverhältnisse in Europa beinhaltet. Die Rede ist von einer „völligen Abhängigkeit Griechenlands“. Warum ist diese Theorie falsch? 1) Es werden zwei gänzlich verschiedene Beziehungstypen, die es unter imperialistischen Bedingungen gibt, miteinander identifiziert: Die militärische Besetzung, Kolonisierung oder Unterwerfung eines Landes durch direkten Zwang auf der einen Seite mit der ungleichmäßigen, aber gegenseitigen Abhängigkeit innerhalb des imperialistischen Systems auf der anderen Seite. Es gibt unter imperialistischen Bedingungen aber immer nur relative Abhängigkeit souveräner Staaten, ebenso wie es immer nur relative Unabhängigkeit gibt. 2) werden dadurch die Kräfteverhältnisse innerhalb der relativ (!) abhängigen Länder völlig unterschlagen, vor allem die Tatsache, dass die aktuelle Politik sich auf starke Klassenkräfte in Griechenland selber stützen kann.

Diese „Kolonialismustheorie“ ist in Bezug auf Griechenland und andere südeuropäische Länder nicht nur falsch, sie bedient auch durchaus die Interessen der Bourgeoisie dieser Länder, die durch die einseitige Fokussierung auf die ausländische Dominanz aus der Schusslinie genommen wird. Auch hier macht sich implizit eine Imperialismustheorie bemerkbar, die nur „imperialistische“ und „abhängige“ Länder kennt und das komplexe, asymmetrische internationale Beziehungsgeflecht, in dem es viele Abstufungen gibt, auf diese beiden Pole reduziert.

Drittens schließlich äußert sich die Schwäche in der Analyse auch in Problemen der Strategie, wie die Begründung der Antragskommission zur Ablehnung des Antrags zum Thema „Übergänge zum Sozialismus“ zeigt.

Mir geht es dabei nicht an sich um den Begriff des „Übergangs“, denn natürlich ist es gewissermaßen trivial, dass es von einer Produktionsweise zu einer anderen irgendeine Form des „Übergangs“ geben muss. Meines Erachtens werden hier aber Differenzen in der strategischen Herangehensweise deutlich, die in den nächsten Jahren Gegenstand einer breiten Diskussion sein müssten. Der Begriff der „Übergänge“ ist aus meiner Sicht deswegen unglücklich, weil er weitgehend interpretationsoffen ist, also sowohl eine revolutionäre, als auch eine reformistische Auslegung zulässt.

Die Antragskommission spricht sich klar für ein Bündnis mit den nichtmonopolistischen Teilen des deutschen Kapitals aus. Das ist wohlgemerkt etwas grundsätzlich anderes als ein Bündnis mit den kleinen Selbstständigen. Hier geht es um ein Bündnis mit einem Teil der herrschenden Klasse, wenngleich dieser Teil keine führende Rolle innerhalb der Bourgeoisie spielt. Und ein Bündnis im strategischen Sinne ist etwas anderes als eine punktuelle Überschneidung von Interessen. Eine solche Auffassung läuft letztlich auf eine in Wahrheit utopische „Zwischenphase“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus oder einen parlamentarischen Weg zum Sozialismus hinaus.

Entsprechend problematisch ist die Auffassung, es sei möglich, einen Teil der Staatsmacht zu erobern und so eine Zwischenphase auf dem Weg zum Sozialismus einzuleiten. Die bürgerliche Staatsmacht ist nach der marxistischen Auffassung, im Gegensatz etwa zu der im Feudalismus, einheitlich, durch den Charakter des Staates als ideeller Gesamtkapitalist. Die Vorstellung, man könnte gleichsam eine Parzelle der Macht nach der anderen erobern, ist tendenziell reformistisch und unterschlägt, dass die Staatsapparate eben keine neutralen Instrumente sind sondern selbst schon gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse.

Und zum Schluss: Es ist richtig und wichtig, dass sich eine kommunistische Partei klar zum Marxismus-Leninismus als ihrer weltanschaulichen Grundlage bekennt. Wichtiger ist aber, dass konkret ausdiskutiert wird, was damit gemeint ist. Und hierbei darf auch das bestehende Parteiprogramm kein Dogma sein. Die DKP hat sich seit 2006 weiterentwickelt und es ist Sache des Parteitags, dieser Entwicklung auch entsprechend inhaltlich festzuhalten und perspektivisch auch problematische Passagen im Programm zu ändern.

Quelle: http://news.dkp.suhail.uberspace.de/