Beiträge auf dem 21. Parteitag der DKP  

Jörg Miehe (Göttingen)

12/2015

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung [kamue]: Am 14./15. November fand in Hannover der 21. Parteitag der DKP statt. Die November-Ausgabe von TREND dokumentierte Texte aus dem Vorfeld des Parteitags sowie schwerpunktmäßig Stellungnahmen der Parteiminderheit, die gegen den Leitantrag des Parteivorstands gerichtet waren. Diese waren erstveröffentlicht auf deren Website www.kommmunisten.de. Ende November erschienen auf der Seite der Mehrheitsfraktion DKP-News, eine Auswahl von Redebeiträgen, die auf dem Parteitag im Hinblick auf den strittigen Leitantrag gehalten wurden. Wir spiegeln aus Gründen der Ausgewogenheit nun diese Beiträge, sofern sie nicht schon in der letzten-Ausgabe von TREND dokumentiert worden sind.

Liebe Genosseninnen und Genossen!

Mein Name ist Jörg Miehe, ich bin von meiner Parteigruppe in Göttingen delegiert worden – einer Gruppe mit über 20 Mitgliedern, in einer kleinen Stadt mit 120 Tausend Einwohnern und 28 Tausend Studenten. Einer Gruppe die beinahe je zur Hälfte aus Anhängern der beiden Strömungen der Partei besteht und auch einige jüngere Mitglieder hat. Die gesamte Parteigruppe trägt u.a. ein kommunalpolitisches Bündnis linker Gruppen, einschließlich der Partei die Linke – die Göttinger Linke – die mit 3 Mandaten im Rat der Stadt sitzt. Der größte Betrieb in der Stadt ist die Universitätsklinik mit rund 7 Tausend Beschäftigten ein in Göttingen ansässiger Industrie Konzern, Sartorius, der in seinen Sparten Weltmarktführer und auf allen Kontinenten vertreten ist, hat in seiner Göttinger Zentrale und dortigen Produktionsstätten gerade mal 2 Tausend Beschäftigte.

Dass die Verhältnisse in Wolfsburg und Salzgitter gänzlich anders aussehen, ist uns natürlich bewußt und dass Hannover mit 500 Tausend Einwohnern nicht nur eine Mischung aus diesen beiden Extremen darstellt, wie viele andere Großstädte in der BRD, ebenso. Dies nur stichwortartig zum Hintergrund meiner Praxis und der Verhältnisse um die es geht.

Ich habe in der Diskussionstribüne für diesen Parteitag in der UZ vom 8.Mai dieses Jahres Folgendes geschrieben, “Der Parteitag sollte beide, damals vorliegenden Papiere mit Nicht-Befassung bescheiden. “Ihm bliebe danach die schwierige Aufgabe zu beschließen: – die weitgehend ähnliche Praxis der Gruppen auch publizistisch und organisatorisch zu unterstützen, – die gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfe – ebenso wie die Anti-Kriegs- und Anti-Rechts-Aktivitäten zu unterstützen (dies stand an etwas anderer Stelle) – kohärente und verständige Reformkataloge für die anstehenden Wahlen zu entwickeln, – die theoretische Auseinandersetzung über die kontroversen Fragen für die heutige Situation in der BRD und den Stand der Formation in der Welt im Rahmen des historischen Materialismus, in produktive Bahnen zu lenken, – und die Schulungen zur Einführung in den historischen Materialismus und die Kritik der politischen Ökonomie für alle Mitglieder auf ihrem jeweiligen Kenntnisstand auszuweiten und zu intensivieren.”

Ich habe das damit begründet, dass ein aktueller Leitantrag auf jeden Fall – die gegenwärtige politische Lage in der Bundesrepublik skizzieren, – und neue politische, ökonomische und militärische Verhältnisse, die relevant sind, in der BRD, in Europa und in der Welt bestimmen müsse; – wobei die Verhältnisse in der BRD weiter von der neoliberalen lohndrückerischen Politik der Bundesregierungen mit der Agenda 2010 und daraus der Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses und staatlicher Austeritätspolitik unter Schröder und Merkel geprägt sind, – die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise diese Bedingungen verschärft und die BRD-Regierung ihre Politik nicht geändert, – sie vielmehr mit ihrer Politik in der EU und der Eurozone nach der Krise die Verhältnisse, besonders im Süden noch massiv verschärft hat – und dies weiter tut..

Diese Lage, dass die Krise, auch in der BRD, nicht beendet ist, sondern nach dem kurzfristigen Wiederaufstieg aus dem tiefen Tal die Industrieproduktion und die Durchschnittslöhne stagnieren, aber der Export und die Profite blühen, schlägt sich nicht in einer Stärkung linker Kräfte nieder. Im Gegenteil “Rund 90 Prozent der Wähler stimmen für deutlich pro-kapitalistische Parteien. Rund 10 % haben eine oppositionelle linke Wahlpraxis – ein verschwindend geringer Teil davon neigt zu offenem Anti-Kapitalismus und davon wiederum nur ein kleiner Teil zur Bereitschaft, dies aktiv bei Kundgebungen und Demonstrationen zu vertreten.” “Andererseits gibt es in der Bevölkerung fast mehrheitlich eine tiefe Skepsis über den „unsozialen“ Zustand der Gesellschaft und die Gangart des weltweiten (Finanz-) Kapitalismus, was sich in Vokabeln wie “Soziale Ungerechtigkeit” und “Soziale Spaltung” niederschlägt – trotz der Medien. “

Schon diese Aufgabe, sich auf die aktuelle politische Lage der BRD einzulassen und den offenbaren Widerspruch zwischen ökonomisch-sozialer Lage und politischer Reaktion der Bevölkerung wahrzunehmen, versuchen zu erklären, sowie Taktiken und Strategien zu entwickeln, um dem entgegen zu wirken, hätten den Vorstand, die Vorbereitung des Parteitages und diesen Parteitag selber, mehr als ausgelastet, um trotz der Schwäche unserer Partei ein wenig politische Handlungsfähigkeit zu gewinnen.Stattdessen hat uns die jetzige Mehrheitsströmung in eine Fundamentaldiskussion verwickelt, mit der die unausgetragenen Differenzen und Gegensätze, die im Programm von 2006 enthalten sind, mit einem Leitantrag – vermeintlich ein für alle Mal – entschieden werden sollen. Es ist vom Vorgehen her das gleiche Manöver, dass die vorherige Parteiführung mit ihren Thesen versucht hat. Nur dass damals der Vorstand den Durchmarsch verhindert hat!

Ich habe an den Thesen damals parteiöffentlich schärfste Kritik geübt. Und zusammen u.a. mit der Genossin Beate Landefeld in einem offiziellen Gespräch mit dem Genossen Leo Meyer Einspruch gegen das Vorgehen eingelegt. Die weitere Entwicklung hat dann auf dem folgenden Parteitag eine Wende in den Mehrheitsverhältnissen herbeigeführt. Und nun – macht diese neue Mehrheit das gleiche Manöver – vielleicht mit einer größeren Unterstützung in der Partei als damals. Aber dadurch wird die Sache nicht besser – und ich sage voraus: das wird der Partei nach einiger Zeit heftig auf die Füße fallen. Die für die Lage der Partei und die Situation in der BRD, in Europa und der Welt völlig überflüssige Frage, ob wir eine marxistisch-leninistische Partei sein und den Marxismus-Leninismus als theoretische Fahne voranflattern lassen wollen, wird zum Knackpunkt dieses Parteitages. Und ich fürchte, dass es hier eine große Mehrheit dafür geben wird.

Ich habe mich in mehreren Aufsätzen, die Mehrzahl davon in den Marx-Blättern, mit beiden Thesen beschäftigt und bin schon in der ersten Arbeit für ein Bildungsheft 1999-2000 im Auftrag der Genossin Nina Hager, zu dem Schluß gekommen, dass beide Positionen “Globalisierung oder Imperialismus” als Hauptkennzeichen der Weltentwicklung, nicht zureichen, um diese richtig zu erfassen. Ob sie theoretisch haltbar sind, ist eine tiefergehende Frage. In meinem kurzen Beitrag in der UZ-Diskussionstribüne habe und konnte ich das nicht einmal skizzieren – und hier innerhalb von 8 Minuten natürlich auch nicht. Mein Appell in der UZ-Tribüne, nicht strömungsgebundene Genossen möchten sich zu Wort melden, hat nur wenige Reaktionen gezeitigt, daher habe ich keinen eigenen Antrag in diesem Sinn gestellt und mich nur jetzt zu Wort gemeldet.

Dieser Parteitag wird also wohl mit Mehrheit diesen vorgezeichneten Weg gehen – und ich fürchte, es wird auf Dauer nicht helfen. Zum Schluß ein Wort zur Vorbereitung und Organisation des Parteitages: Ich bin voller Bewunderung für die Arbeit, die die Beteiligten hier investiert und trotz unserer Schwäche einen solchen Parteitag auf die Beine gestellt haben. Das gilt auch für die Arbeit der Antragskommission, die all die Anträge (ich habe sie alle gelesen), wie ich finde, in einer fairen und lösungsorientierten Weise bearbeitet hat. Trotz unserer tiefgreifenden Differenzen, meine Hochachtung und mein Dank.

 

Quelle: http://news.dkp.suhail.uberspace.de/