StamoKap
Kritik der Monopoltheorie

von Margaret Wirth

12/2015

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.......Die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus geht von zwei zentralen Theoremen aus:

1. Der Kapitalismus bewegt sich nicht mehr seiner eigenen Basis gemäß; er ist sterbender, verfaulender Kapitalismus, Kapitalismus, der seine letztmögliche Form erreicht hat und deshalb bald „abtreten“ muß. Dr. Katzenstein hat dies verschiedentlich zum Ausdruck gebracht: der Kapitalismus„befindet sich im Stadium seiner Ablösung“; „das Kapitalverhältnis wird direkt und unmittelbar zu einer Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte.“

2. Die gegenwärtig zu beobachtende „zunehmende Rolle des Staates“ ist ein Indiz für diese Tatsache; d.h. die Staatseingriffe bringen zum Ausdruck, daß der Kapitalismus ihm selbst fremde Elemente in sich aufnehmen muß. Als solche fremden Elemente werden die ökonomischen Funktionen des Staates begriffen: der Staat durchbricht „die sich aus dem eigentlichen inneren Mechanismus des Kapitalismus ergebende Verteilung des Nationaleinkommens." Weil sich „das Kapitalverhältnis als absolute Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte" zeigt, muß der Staat eingreifen.

Ich möchte diesen Theoremen zwei Gegenthesen entgegenstellen:

  1. Logisch, aus dem Kapitalbegriff heraus, gibt es keine „absolute" Schranke des Kapitalismus, gibt es keinen Punkt, an dem gesagt werden kann, er könne sich nicht mehr weiterentwickeln. Die „objektive Schranke des Kapitals" ist das Kapital selbst, als Herrschaft der toten über die lebendige Arbeit. Das ist aber ein Satz, der abstrakt immer gilt: konkret werden kann diese Schranke nur in der revolutionären Aktion der Arbeiterklasse. Solange diese revolutionäre Aktien nicht stattfindet, entwickelt sich der Kapitalismus weiter, wenn sich auch die Formen dieser Entwicklung ändern. Will man eine andere historische Schranke des Kapitals ableiten, so gerät man zwangsläufig in den Widerspruch, in dem sich auch die Theorie des stamoKap befindet: auf der einen Seite die Überlebtheit des Kapitals konstatieren zu müssen, auf der anderen Seite festzustellen, daß die Arbeiterklasse dies gegenwärtig nicht in ausreichendem Maße realisiert. Damit kommt die Theorie in den Zwang, einen deus ex machina einführen zu müssen, der die tatsächlich schon notwendige und mögliche Aufhebung des Kapitalverhältnisses verhindert. Begreift man allerdings das Bewußtsein der Arbeiterklasse wie diese selbst als Teil des Kapitalverhältnisses, wird man darauf verwiesen, die konkreten Bedingungen der Überwindung des Kapitalismus immer neu zu untersuchen, statt sich auf das Postulat der „objektiven Überlebtheit" zu berufen.
  2. Die ökonomischen Funktionen des Staates sind nicht dem Kapitalismus „fremde" Elemente, sondern unter bestimmten historischen Bedingungen notwendige Formen der Durchsetzung des Kapitalverhältnisses, also Bestandteil des Kapitalverhältnisses. Die Vorstellung, die Funktionen des Staates lägen irgendwo „außerhalb" des „eigentlichen" Prozesses der Kapitalverwertung begreift den Staat schon als von der „Wirtschaft" getrennte Organisation politischer Herrschaft. Der Staat als bürgerlicher Staat ist aber integraler Bestandteil des Kapitalverhältnisses; nur deshalb kann er auch überhaupt in die Ökonomie „eingreifen". Diese Form des Staates selbst und die sich daraus ergebenden Bezüge zur Ökonomie müssen also zuerst entwickelt werden, bevor konkret-historische Erscheinungsformen des Staatseingriffs analysiert werden können.

Zu 1.:

Die These, das Kapital befinde sich im Stadium seiner Ablösung, könne sich nur noch mittels außerökonomischer Gewalt am Ruder halten — „das System kann sich nur noch auf politische Gewalt stützen und verlangt daher die politische Aktion zu seiner Überwindung" (3) — geht zurück auf die Imperialismusanalyse Lenins. Da die Grundstruktur der Argumentation, basierend auf dem Monopolbegriff, sich seit Lenin nicht geändert hat, — wenn auch die Schlußfolgerungen heute andere sind — stelle ich sie an seiner Analyse dar. (4)

Lenin faßt den Imperialismus als Phase des Kapitalismus in folgenden Bestimmungen:

„1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, daß sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen; 2. Verschmelzung des Bankkapitals zum Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie ...; 3. der Kapitalexport ... gewinnt besonders wichtige Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände ..., und 5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet." (5)

Das Monopol ist Folge und Form der Konzentration des Kapitals, die Zusammenfassung großer Kapitalmassen in der Hand weniger Kapitalisten, die damit die Möglichkeit erhalten, den Markt zu beherrschen und die Preise zu diktieren: „es ist dem Allgemeinbewußtsein inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden, daß große Teile des Wirtschaftslebens der freien Konkurrenz regelmäßig entzogen sind." (6) „Die Kartelle und Truste vereinigen vielfach 7 bis 8 Zehntel der Gesamtproduktion des betreffenden Industriezweiges in ihren Händen ... Das auf diese Weise entstehende Monopol gewährleistet Riesengewinne ..." (7) „Durch die Monopolinhaber werden alle diejenigen abgewürgt, die sich dem Monopol, seinem Druck, seiner Willkür nicht unterwerfen." (8) „Das Herrschaftsverhältnis und die damit verbundene Gewalt — das ist das Typische für die „jüngste Phase in der Entwicklung des Kapitalismus" (9). „... das Monopol, das in einigen Industriezweigen entsteht, verstärkt und verschärft den chaotischen Charakter, der der ganzen kapitalistischen Produktion in ihrer Gesamtheit eigen ist." (10)

Zwei Bestimmungen des Monopols lassen sich dieser Analyse entnehmen:

I a) das Monopol wird als Gegensatz zur freien Konkurrenz, wenn auch nicht diese 1 beseitigend, begriffen; b) das Monopol wird als Herrschaftsverhältnis bestimmt, i aufgrund dessen das blinde Wirken des Wertgesetzes partiell aufgehoben werden ; kann.

Es stellt sich nun die Frage, auf welcher Ebene der Logik des Kapitals der Begriff „Monopol" angesiedelt ist. Als Gegensatz zur Konkurrenz scheint Lenin ihn als allgemeine Kategorie der ökonomischen Analyse zu verwenden. Als Bezeichnung eines Herrschaftsverhältnisses kann dieser Begriff nur der Ebene zugeordnet

werden, auf der die Charaktermasken des Kapitals tatsächlich als Subjekte des ökonomischen Prozesses erscheinen, d.h. der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft.

a) Monopol als ökonomische Kategorie

Im 3. Band des „KAPITAL" erscheint das Monopol immer als Ausnahmefall des Durchbrechens der „reinen Formen", in denen sich das Wertgesetz durchsetzt — immer unter der von Marx für seine Analyse im „KAPITAL" gemachten Voraussetzung: „In solcher allgemeinen Untersuchung wird überhaupt vorausgesetzt, daß die wirklichen Verhältnisse ihrem Begriff entsprechen ..." (11) Diese reine Form, in der sich das Wertgesetz durchsetzt, ist nun in der Tat die „freie Konkurrenz" als Abstraktion von allen Hindernissen, die der Herstellung der Durchschnittsprofitrate im Wege stehen könnten. Das heißt: um darstellen zu können, was „Konkurrenz" allgemein heißt, d.h. wie unter der Voraussetzung der vielen Kapitale diese in ihrer Bewegung die Gesamtreproduktion des Kapitals leisten, muß Marx von der Annahme ausgehen, daß diese Kapitale sich in der Tat „frei" aufeinander bewegen können. Die „freie Konkurrenz" ist also eine Abstraktion, die reine Form der Bewegung der Kapitale. Allgemein bezeichnet der Begriff Konkurrenz aber diese Bewegung überhaupt; nämlich den Zwang des Kapitals, sich zu verwerten, seine Abhängigkeit vom Gesamtzusammenhang der Reproduktion und die Form, der sich das einzelne Kapital auf diesen Gesamtzusammenhang bezieht: indem es versucht, für sich möglichst viel herauszuschlagen, darin aber durch die anderen Kapitale beschränkt wird.

Einerseits meint Konkurrenz also die Form, in der die Einzelkapitale aufeinander wirken; zugleich aber ist in der Herstellung der Durchschnittsprofitrate vorausgesetzt, daß die Einzelkapitale tatsächlich „frei" aufeinander wirken. Innerhalb dieses Prozesses kommt es immer wieder zu „zufälligen" Monopolen, d.h. „das Monopol, das dem Käufer oder Verkäufer erwächst aus dem zufälligen Stand von Nachfrage und Angebot." (12)

Der Begriff „freie Konkurrenz" bezeichnet also eine spezifische Art dieses Aufeinanderwirkens, nämlich die, in der real wird, daß auf jedes Kapital nur der Durchschnittsprofit fällt. Nun ist die Herstellung der Durchschnittsprofitrate ohnehin nur als Tendenz zu fassen, deren Durchsetzung nur in der reinen Darstellung — also unter Abstraktion von möglichen anormalen Verläufen — wirklich erscheinen kann. Diese Tendenz ergibt sich aber schon aus dem Begriff des Kapitals als selbstverwertendem Wert, nicht erst aus der Konkurrenz als nach außen gekehrte Natur des Kapitals. Denn Kapital als Wert kann überhaupt nur quantitativ gefaßt werden; das Beziehen des Kapitals auf sich selbst als Wert hat zur Folge, daß jedes Kapital beansprucht, mindestens sich ebenso gut zu verwerten wie jeder andere Teil des gesellschaftlichen Wertes. Was sich historisch ändert, sind die Formen, in denen jedes Kapital versucht, den Durchschnittsprofit zu erreichen oder sich der Reduktion seines Profits auf den DP zu entziehen; subjektiv stellt sich die Tendenz gleicher Verwertung immer dar in dem Versuch, mehr zu ergattern als die anderen.

Das Monopol ist eine Form dieses Versuchs, ist eine Erscheinungsform der Konkurrenz und ist außer durch die Konkurrenz auch nicht zu klären.

Die Aussage, das Monopol löse die „freie Konkurrenz" ab, stehe im Gegensatz zu ihr, ist also zumindest mißverständlich; sie impliziert, daß die „freie Konkurrenz" nicht eine logische Abstraktion, sondern eine tatsächliche historische Phase der Kapitalentwicklung ist, daß also Marx im 3. Band nicht die allgemeinen Bestimmungen des Kapitals als Kapital entwickelt habe, sondern eine Phase des Kapitalismus real analysiert habe, so daß nun diese Analyse ergänzt werden müsse durch neue Bestimmungen auf der allgemeinen Ebene.

Wenn Konkurrenz = Ausdruck des Wertgesetzes gleichgesetzt wird mit Konkurrenz = reale Aktionsweisen der Einzelkapitalisten auf dem Markt, und dann noch die „ideale Form" der Durchsetzung des Wertgesetzes verwechselt wird mit einer Phase des Kapitalismus, dann steht das Monopol in der Tat „neben und außerhalb" der freien Konkurrenz. Dann kann man auch, wie Lenin, zu der Aussage kommen: „Auf der Arbeit des Kleinproduzenten beruhendes Privateigentum, freie Konkurrenz, Demokratie ... liegen weit zurück." (13)

b) Monopol als Herrschaftsverhältnis

Lenin begründet die „Verwandlung von Konkurrenz in Monopol" (14) damit, daß die Anzahl der Großbetriebe zunimmt; diesen aber „fällt es leicht, sich untereinander zu verständigen." (15) Damit wird die Aufhebung der Konkurrenz als abhängig vom Willen der Subjekte statt als Form der Durchsetzung des Wertgesetzes begriffen. Das Monopol wird als Ergebnis bewußter Organisation der Produktion — wenn auch noch „im Privatinteresse" — gefaßt. Offensichtlich steckt dahinter die Vorstellung, daß das „blinde Wüten des Wertgesetzes" nicht seinen Grund in der Herrschaft des Tauschwertes über den Gebrauch wert hat, sondern darin, daß in der zersplitterten Produktion von Kleinkapitalisten „der Markt" nicht überblickt werden kann. Entscheidende Grundlage der Krisen im Kapitalismus ist demnach die „Anarchie des Marktes"; Lenin leitet also „im Widerspruch zu Marx die Krisen nicht aus dem tendenziellen Fall der Profitrate her, ... sondern aus der Unordnung der Produktion": (16)

„Es ist davon auszugehen, daß Lenin Monopol und Finanzkapital in seiner Imperialismusanalyse deshalb als Zeichen der Überlebtheit des Kapitalismus und als Grundlage seines Übergangs zu einer neuen Gesellschaftsformation bezeichnet, weil er an diesen Formen des Kapitals entscheidende Momente der Aufhebung des anarchischen Charakters der Produktion und Zirkulation der Waren zu entdecken glaubt." (17)

Wie kommt Lenin nun zu dieser Betrachtungsweise der kapitalistischen Entwicklung?

In seiner Auseinandersetzung mit den Narodniki will Lenin nachweisen, daß „das Phänomen der Überproduktionskrisen nicht aus der Schwierigkeit der Realisierung, sondern aus der Planlosigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems abgeleitet werden müsse." (18) Er bedient sich dazu der Reproduktionsschemata. Dabei verwechselt er die dort entwickelten abstrakten Gleichgewichtsbedingungen mit einer Darstellung des realen Prozesses der Realisierung und reduziert damit das Problem der Krisen im Kapitalismus auf die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung als Disproportionalität zwischen verschiedenen Kapitalzweigen. Diese Ungleichmäßigkeit umfaßt auch die Notwendigkeit des begrenzten Konsums der Massen, die damit zu einem Unterfall der Disproportionalität wird. Da Lenin die Reproduktionsschemata als „Beweis" für die mögliche proportionale Entwicklung im Kapitalismus begreift, liegt für ihn der Grund für die tatsächlich disproportionale Entwicklung in der isolierten Organisation der Einzelkapitale, ihrer Unfähigkeit, den Markt zu überblicken und ihrem „privaten" Interesse an möglichst hohem Profit.

Nicht, daß das Kapital ständig gezwungen ist, die Produktivkraft der Arbeit zu erhöhen, um sich zu verwerten, auf der anderen Seite aber beschränkt ist durch die gesellschaftliche Konsumtionskraft, ist hier die Schranke des Kapitals, sondern die Anarchie des Marktes. Tatsächlich ist aber diese Anarchie des Marktes nicht Ursache der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus, sondern nur ihr Ausdruck; die Ursache liegt in den Schranken, die das Kapital als sich verwertender Wert sich selbst setzt: „da nicht Befriedigung der Bedürfnisse, sondern Produktion von Profit Zweck des Kapitals, und da es diesen Zweck nur durch Methoden erreicht, die die Produktionsmasse nach der Stufenleiter der Produktion einrichtet, nicht umgekehrt, so muß beständig ein Zwiespalt eintreten zwischen den beschränkten Dimensionen der Konsumtion auf kapitalistischer Basis und einer Produktion, die beständig über diese ihre immanente Schranke hinausstrebt." (19)

Bei Lenin erscheint das „Interesse" des Einzelkapitals an Profit nicht mehr als Ausdruck des Hinausstrebens über die immanenten Schranken des Kapitals, sondern nur noch als individuelles Motiv; denn die Konkurrenz zwischen den Einzelkapitalen erscheint nur noch als Ergebnis ihrer äußerlichen Getrenntheit, nicht mehr als Ausdruck der inneren Natur des Kapitals, aus Wert mehr Wert zu machen. Da die Anarchie des Marktes Ausdruck der Zersplittertheit der Produktion ist, wird diese dann notwendig auch tendenziell überwunden, wenn die einzelnen Kapitale größere Teile des Marktes überblicken können. In diesem Zusammenhang gewinnt dann auch die Kategorie der „Herrschaft der Monopole" ihre Bedeutung. Lenin schreibt: „Wenn aus einem Großbetrieb ein Riesenbetrieb wird, in dem planmäßig, aufgrund genau errechneter Massendaten, die Lieferung des ursprünglichen Rohmaterials ..., die Beförderung dieses Rohstoffs..., die Verarbeitung des Materials..., die Verteilung dieser Produkte ... nach einem einzigen Plan geschieht ..., — dann wird es offensichtlich, daß wir es mit einer Vergesellschaftung der Produktion zu tun haben ..., daß privatwirtschaftliche und Privateigentumsverhältnisse eine Hülle darstellen, die ihrem Inhalt bereits nicht mehr entspricht und die daher unvermeidlich in Fäulnis geraten muß, wenn ihre Beseitigung künstlich verzögert wird." (20) Diese Hülle ist aber nicht das Wertgesetz, sondern die „Privatproduktion", d.h. die noch „privat" zusammengefaßten Teile einer schon gesellschaftlichen Produktion. Damit wird zum Hauptwiderspruch der Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung: „Ihrem Inhalt nach aber ist diese Verteilung der Produktionsmittel keineswegs „allgemein" sondern „privat", sie ist den Interessen des großen — in erster Linie des allergrößten, monopolistischen — Kapitals angepaßt, das unter Verhältnissen operiert, wo die Masse der Bevölkerung ein Hungerdasein fristet ..." (21)

Die Erscheinungsform — immer weniger verfügen über immer mehr — wird zum Inhalt der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus; die Schrecken des Imperialismus werden zum Resultat individueller Bösartigkeit von Personen, die die Produktion beherrschen. Der Begriff der „Privatheit" ist nicht mehr subjektiver Ausdruck der Verkehrung des Zwecks der Produktion, sondern eigentliches Konstituens des Kapitalverhältnisses; nicht das Kapital herrscht — auch noch über die Monopole in der Konkurrenz — sondern die Monopole herrschen.

In dieser Subjektivierung des Kapitalbegriffs ist die Differenz zwischen der erscheinenden, und in den angegebenen Grenzen mich, realen, Entscheidungsfreiheit des Subjekts und der Möglichkeit, mittels dieser Entscheidungen auch tatsächlich die Ziele des Subjekts erreichen zu können, verschwunden. Wenn nicht mehr das Kapital herrscht, sondern die Monopole, und damit implizit die Monopolisten, geht der in dieser Entscheidungsfreiheit immanente Widerspruch zwischen den sich hinter dem Rücken der Produzenten durchsetzenden Notwendigkeiten der Gesamtreproduktion — wie oben entwickelt — und dem individuellen Interesse an Profitmaximierung verloren. Der Widerspruch muß dann diesen Monopolen äußerlich hinzuaddiert werden, als allgemeiner, inhaltsleer gewordener Widerspruch Produktivkräfte — Produktionsverhältnisse oder als Gegensatz Monopole — Volk; der aber nicht mehr aus dem Kapital selbst — als begrifflichem Widerspruch von lebendiger und toter Arbeit — sondern nur noch aus „allgemeinen gesellschaftlichen Tendenzen" abgeleitet werden kann.

Deutlich wird dies m.E. an der in der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus verbreiteten These, eine kleine Gruppe von Finanzoligarchen be! herrsche das ganze übrige Volk. Basis der Herrschaft dieser weniger ist das zinstragende Kapital; also die von Marx entwickelte „letztmögliche" Form des Kapitals.(22)

Die damit einhergehende Verwandlung der Masse der Bevölkerung in Lohnabhängige biete zugleich die Möglichkeit der Überwindung des Kapitalismus; erleichtert werde diese Überwindung dadurch, daß in den im Staatsapparat konzentrierten ökonomischen Funktionen schon Vorformen gesellschaftlicher Planung enthalten seien, die es im Interesse der Arbeiterklasse auszunutzen gelte.

Nun ist sicherlich das zinstragende Kapital die „logisch" letztmögliche Form des Kapitals: als höchste Form der Abstraktion von der realen Basis des Reichtums, der Produktivkraft der Arbeit:

„Der Zins an sich drückt gerade das Dasein der Arbeitsbedingungen als Kapital, in ihrem gesellschaftlichen Gegensatz zur Arbeit, und in ihrer Verwandlung in persönliche Mächte gegenüber der Arbeit und über die Arbeit aus. Er stellt das bloße Kapitaleigentum dar als Mittel, sich Produkte fremder Arbeit anzueignen. Aber er stellt diesen Charakter des Kapitals dar als etwas, daß ihm außerhalb des Produktionsprozesses zukommt und das keineswegs das Resultat der spezifisch kapitalistischen Bestimmtheit dieses Produktionsprozesses selbst ist. Er stellt es dar, nicht im direkten Gegensatz zur Arbeit, sondern umgekehrt, ohne Verhältnis zur Arbeit..."(23)

Daß aber das Kapital diese höchste Form des abstrakten Werts herausbildet, also die schärfste Trennung der Bewegung des Wertes vom Gebrauchswert, sagt über den historischen Zeitpunkt, zu dem die im Gefolge dieser Trennung produzierten Krisen zur Expropriation der Expropriateure führt, zunächst nichts aus.

Es ist nämlich keineswegs so, daß mit der Entfaltung des Widerspruchs zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, der Ablösung der Bewegung des Werts von seiner Basis, auch notwendig das Bewußtsein dieses Widerspruchs wächst. Im Gegenteil: je mehr Formen des Kapitals zu seiner logisch ursprünglichen Form im unmittelbaren Produktionsprozeß hinzu entwickelt werden, desto mehr verschleiert sich den Akteuren die reale Basis der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums. Paradigmatisch findet sich dies von Marx dargestellt an den Folgen, die die Trennung des Kapitaleigentümers von der Verfügungsgewalt für das Bewußtsein der Produzenten hat: in seiner letzten Form, als zinstragendes Kapital, produziert das Kapitalverhältnis der Schein der Trennung des auf technisch rationaler Basis' ablaufenden Arbeitsprozesses von den abgehobenen „Kapitalverwertungsinteressen" eines Häufleins von Kapitalmagnaten; zugleich erscheinen alle, die ein Einkommen aus ihrer Tätigkeit in diesem Arbeitsprozeß erhalten, als gleichberechtigte Einkommensbezieher. (24) Es scheint also nur mehr nötig zu sein, dies Häuflein Finanzkapitalisten zu beseitigen, um den Arbeitsprozeß in seiner technisch rationalen Form zu etablieren. Im Begriff des Monopols als Herrschaftsverhältnis reproduziert die Theorie des stamoKap diese von Marx dargestellte letzte Form der Kapitalmystifikation. (25) Tatsächlich allerdings stellt sich hierin nur dar, daß das Kapital de facto zu einer anonymen Macht wird, die sich an Personen nicht mehr festmachen läßt; denn selbst der fungierende Kapitalist wird zum Lohnarbeiter des Kapitaleigners. Dem Kapital als selbstverwertendem Wert ist aber die Form am adäquatesten, in der tatsächlich nicht mehr Personen „das Kapital" repräsentieren, sondern die Totalität der auf der Basis der Herrschaft des Wertes über den Gebrauchswert sich reproduzierenden gesellschaftlichen Verhältnisse, die es dann ebenso in ihrer Totalität — und nicht durch Auswechseln der Spitze - abzuschaffen gilt. Die „Herrschaft" des Finanzkapitals ist also selbst noch Schein; realer Schein deshalb, weil es tatsächlich über die abstrakten Formen des gesellschaftlichen Reichtums verfügt; aber dennoch Schein, weil dies nicht die bewußte Verfügung über die Zusammenhänge der Gesamtreproduktion impliziert, in denen sich dieser Wert verwerten muß.

Da sich mit der Herausbildung der verkehrten Formen der Konkurrenz auch die Vorstellungen der Menschen über die gesellschaftlichen Zusammenhänge verkehren, kann kein linearer Zusammenhang hergestellt werden zwischen der „Verschärfung der Widersprüche" und einem wachsenden Bewußtwerdungsprozeß der Arbeiterklasse; vielmehr sind die Bedingungen dieses Bewußtwerdungsprozeß selbst noch zu untersuchen.

„Logisch" also bringt das Kapital zugleich mit seinen „letzten Formen" die falschesten Vorstellungen über sich selbst hervor. Tatsächlich aber erscheint das Kapital nie in dieser logisch fertigen Gestalt. Die tatsächliche Durchsetzung der Durchschnittsprofitrate, der tatsächliche Akkumulationsprozeß des Kapitals läßt die in ihm verborgenen Widersprüche immer wieder ans Licht treten: „... gewisse,

‘ dieser Produktionsweise eigentümliche Bedingungen ... des normalen Verlaufs der Reproduktion, sei es auf einfacher, sei es auf erweiterter Stufenleiter, schlagen in ebenso viele Bedingungen des anormalen Verlaufs, Möglichkeiten von Krisen um, da das Gleichgewicht — bei der naturwüchsigen Gestaltung dieser Produktion — selbst ein Zufall ist." (26) in dem Realwerden der Krise steckt die Möglichkeit, den falschen Schein als Schein zu erkennen. Die „letzte Phase" des Kapitalismus TsF damit nicht deterministisch vorweg zu bestimmen. Solange der Kapitalismus noch besteht, ist der Marxist immer wieder neu auf die zu leistende historischempirische Analyse verwiesen, die mehr leisten muß als die Zuordnung von Phänomenen zu vorweg gewonnenen Phasenbestimmungen.

Mit der Feststellung der allseitigen Verschärfung der Widersprüche ist also nicht viel gewonnen. Sie enthebt uns nicht der Aufgabe, zu untersuchen, welche Form diese Widersprüche jeweils historisch konkret annehmen, wie sie sich im Bewußtsein der Produzenten darstellen und warum so und nicht anders. Um ein Ereignis als „notwendig" definieren zu können, muß man angeben können, warum welche anderen Ereignisse ebenso notwendig nicht eingetreten sind.

In einem solchen Herangehen an die Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus löst sich auch ein für die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus unüberwindlicher Widerspruch: daß, obwohl der Kapitalismus angeblich in seine historisch „letzte" Phase gelangt ist, von einem Anwachsen des revolutionären Bewußtseins zumindest in den europäischen kapitalistischen Ländern nur partiell gesprochen werden kann. Der Verweis auf die manipulative Funktion sozialdemokratischer Ideologien beantwortet die Frage noch nicht, warum denn diese Ideologien so breiten Anklang in der Arbeiterschaft finden.

Die Aussage, der Kapitalismus bewege sich nicht mehr seiner eigenen Basis gemäß, er sei niedergehender, sterbender Kapitalismus, impliziert, daß es eine dem Kapitalismus „gemäße" Form seiner Bewegung gegeben habe, die nun vorüber sei. Dem entspricht die Identifikation des Kapitalismus „an sich" mit seiner „konkurrenzkapitalistischen" Form; also die Annahme, daß die von Marx rein dargestellten Formen des Ausgleichs der Profitrate die Darstellung einer historischen Epoche beinhalten, d.h. realanalytische Aussagen. (27)

Wenn allerdings, wie versucht wurde aufzuzeigen, die heute bestehenden Formen von Konzentration und Zentralisation des Kapitals durchaus noch innerhalb der allgemeinen Kategorien der Kapitalanalyse erklärbar sind, besteht keine Veranlassung, die Geschichte des Kapitalismus schematisch in eine Phase des Aufstiegs und Niedergangs zu unterteilen. Damit stellt sich aber auch die Frage nach der heutigen Rolle des Staates im Kapitalismus, von der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus als Anzeichen der Überlebtheit des Systems gewertet, in anderer Weise.

Damit komme ich zu meiner zweiten These: daß ebenso wie das Monopol als Form des Kapitals, also nicht als wesensmäßig neue Bestimmung der gegenwärtigen Produktionsverhältnisse zu bestimmen ist, ebenso die heutige Erscheinungsweise des Staates nicht irgendeiner Übergangsphase, nicht dem Niedergang des Kapitalismus geschuldet ist, sondern aus dem Kapitalverhältnis selbst erklärt werden kann......

Anmerkungen

3) Peter Hess, Der Kapitalismus -und das Problem des gesellschaftlichen Fortschritts, In: Wirtschaftswissenschaft Jg. 15/1967, Heft 6, S. 999
4) Um einem Mißverständnis vorzubeugen: es geht hier nicht um eine vollständige Erstellung und Interpretation der Leninschen Imperialismustheorie, sondern um den Ausweis einiger Punkte, an die die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitaüsmus - zu Recht oder Unrecht - anknüpft.
5) W. I. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in: Lenin, Werke Bd. 22, S. 189-309, S. 270 f.
6) a.a.O., S. 206
7) a.a.O., S. 207
8) a.a.O., S. 210
9) a.a.O., S. 211
10) a.a.O., S. 212
11) Karl Marx, Das Kapital, Bd. 3, MEW Bd. 25, S. 152 Die Kontroverse mit der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus muß an der Frage ansetzen, was Marx hier mit „wirklichen Verhältnissen“ meint: die realhistorische Situation des „Konkurrenzkapitalismus“, die dem Begriff der „freien Konkurrenz“ entsprechen, so daß der Monopolkapitalismus eben nicht mehr „dem Begriff1 des Kapitals entspricht; oder die „wirkliche“ innere Natur des Kapitals, die es zunächst allgemein darzustellen gilt, bevor historische Besonderheiten analysiert werden können.
12) a.a.O., S. 187
13) Lenin, Del Imperialismus ..., a.a.O., S. 195
14) a.a.O., S. 201
15) ebda.
16) Christel Neusüss, Imperialismus und Weltmarktbewegung des Kapitals, S. 88, Erlangen 1972
17) a.a.O., S. 90f.
18) Roman Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen „Kapital“, Bd. II,FFM
1968, S. 557
19) Karl Marx, Theorien über den Mehrwert Bd. III, MEW 26,2, S. 285
20) L
enin, Der Imperialismus, a.a.O., S. 308
21)
a.a.O., S. 220
22) vgl. Karl Marx, Das Kapital Bd. III, MEW Bd. 25, S. 383 ff.
23) a.a.O., S. 395
24) „Vom Kapital getrennt, ist aber der Produktionsprozeß Arbeitsprozeß überhaupt. D industrielle Kapitalist, als unterschieden vom Kapitaleigentümer, erscheint daher als einfacher Träger des Arbeitsprozesses überhaupt, als Arbeiter, und zwar als Lohnarbeiter.“ a.a.O., S. 395
25) vgl. Michael Mauke, Die Klassentheorie von Marx und Engels, FFM 1971 1, S. 99ff.
26) Karl Marx, Das Kapital, Bd. II, MEW 24, S. 491
27) Um noch einem Mißverständnis vorzubeugen: es geht hier nicht um den Nachweis, daß sich „im Kapitalismus gar nichts verändert“ habe. Natürlich setzt sich das Gesetz der Durchschnittsprofitrate anders durch, wenn das Kapital sich veränderte Organisationsformen schafft. Es geht darum, aufzuzeigen, daß sich diese Veränderungen erst dann wirklich erklären lassen, wenn man sich über die Implikationen des Wertgesetzes im klaren ist; z.B. über die Implikation der Feststellung, daß sich die Kategorie der Durchschnittsprofitrate auf das gesellschaftliche Gesamtkapital bezieht. Untersuchungen über veränderte Durchsetzungsformen der Durchschnittsprofitrate, die sich auf die Marxsche Analyse beziehen, müssen sich also zunächst mit der Frage auseinandersetzen, welche Formen des Abweichens des individuellen Profits vom Durchschnittsprofit von Marx schon entwickelt sind, bevor sie eine „neue Qualität“ des Monopol konstatieren. Soweit ich sehen kann, ist das von der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus nicht geleistet worden. Andererseits bleiben die Bestimmungsgründe für diese „neue Qualität“ des Monopols recht vage; sie reduzieren sich im wesentlichen für die Aussage, daß der Monopolprofit nicht mehr „allein“ nach dem Wertgesetz zu erklären sei, sondern noch das Element „ökonomischer Macht“ (was immer das sei) hinzukomme. Konsequenz dieser Position ist allerdings, daß es für die Höhe der individuellen Profite im Zyklendurchschnitt keine allgemeinen Bestimmungsgründe mehr geben kann. Wenn das so ist, kann man sich in seinen Analysen auch nicht mehr auf das Wertgesetz, also nicht auf Marx beziehen. Das muß man ja auch nicht; aber die Konsequenz muß wenigstens klar sein.

Editorische Hinweise

Margaret Wirths Text war ursprünglich ein Referat, das auf der konstituierenden Sitzung des Arbeitskreises Politische Ökonomie der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft am 11. Mai 1973 im Fachbereich 15 (Otto-Suhr-Institut) der Freien Universität Berlin gehalten wurde.

Der Nachdruck erfolgte in der Zeitschrift Probleme des Klassenkampfs Nr. 8/9, wo er in der vollständigen Fassung online zu lesen ist. Wir übernahmen von dort die Seiten 20-29.