Klassische Imperialismustheorien der II. Internationale

von Hans-Holger Paul

12-2014

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Verfolgt man den Entstehungsprozeß der klassischen Imperialsmustheorie im Zeitraum von der Jahrhundertwende bis kurz vor Kriegsbeginn, so läßt sich das Gros dieser Theorien von der besonderen Entwicklungsgeschichte der deutschen Sozialdemokratie und im besonderen der deutschen Linken innerhalb der Partei nicht trennen.

Die beiden Schlüsselwerke, Hilferdings »Finanzkapital« und Rosa Luxemburgs »Akkumulation des Kapitals« wurden daher auch von ihren Autoren nicht nur als Beitrag zur Weiterentwicklung der Marxschen Theorie(169) und als Versuch, »... die ökonomischen Erscheinungen der jüngsten kapitalistischen Entwicklung wissenschaftlich zu begreifen«(170), gewertet, sondern sie dienten zugleich als Grundlage ihres politischen Handelns im jeweiligen Bereich ihres sozialdemokratischen Wirkungsfeldes(171).

Die Tatsache, daß sie gemeinsam mit anderen zeitgenössischen marxistischen Imperialismusanalysen ferner Etappen auf dem Weg zur Herausbildung der Leninschen Imperialismustheorie darstellen, resultiert aus der gemeinsamen Quelle einer über Engels' Marxismusverständnis vermittelten Kapitalrezeption und dem Versuch, bestimmte gemeinsam historisch festgestellte kapitalistische Phänomene als integrierte, teilweise auch konstitutive Elemente in den eigenen neuen Entwurf marxistischer Theorie aufzunehmen.

Der Grund, weshalb nahezu alle Imperialismustheorien vor dem Kriege im Zusammenhang mit der deutschen Sozialdemokratie entstanden sind, liegt wesentlich in den unangefochtenen theoretischen Vormachtstellung der deutschen Marxisten innerhalb der Internationale und der Schlüsselrolle, die der Imperialismustheorie als Revolutionstheorie für die Linke und als Legitimationstheorie für den pazifistischen Attentismus des Parteizentrums der deutschen Sozialdemokratie in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch zukam(172).

Paul Louis: Der Imperialismus als letzte Karte des Kapitalismus

Eine gewisse Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang die Imperialismusanalyse von Paul Louis, dessen erste Studien bereits in das Jahr 1897 fallen(173), der seine ausgereifte Theorie nach zahlreichen Veröffentlichungen aber erst im Jahre 1905 herausgebildet hatte(174).

Louis begriff seine ausführlichen wirtschaftspolitischen und kolonialgeschichtlichen Studien und die Erarbeitung einer theoretischen Beurteilung der Kolonialexpansion als Beitrag zu einer Theorie-Diskussion dieser Frage unter den internationalen Sozialisten, deren Resultate den Parteien als gemeinsame Handlungsgrundlage bei ihren Beratungen auf den internationalen Kongressen dienen sollte(175).

In seinen ersten Arbeiten, die dem Herausarbeiten des Zusammenhangs von Kapitalismus, Militarismus und Kolonialismus gewidmet sind176, kommt Louis zu dem Resultat, daß sowohl die wachsende Bewaffnung der kapitalistischen Staaten als auch die Kolonialexpansion auf den schrankenlosen Ausdehnungsdrang der kapitalistischen Produktionsweise zurückzuführen seien(177). Die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Staaten habe die Weiterentwicklung der Produktivkräfte nur forciert, die kapitalistischen Gegensätze verschärft(178) und die Überproduktion gesteigert, so daß letztlich alle Nationen angesichts der Überfüllung ihrer eigenen Märkte zur gewaltsamen Erschließung neuer Absatzgebiete getrieben worden seien(179). Gerade auch England habe sich angesichts der Stagnation seiner Industrie und aus Furcht, die Wirtschaftskrisen könnten zu einer Revolutionierung des Proletariats führen, in die imperialistische Politik gestürzt(180).

Die Kolonialexpansion, verfochten von einer kleinen Clique von Großindustriellen, Börsianern und Spekulanten diene vor allem zu deren Bereicherung und zur Steigerung der kapitalistischen Profite(181). Sie bedeute aber für die Staatskasse und damit für die gesamte steuerzahlende Bevölkerung zu­sätzliche finanzielle Belastungen, insbesondere in Gestalt wachsender Mili­tärausgaben(182). So sei es eine Illusion zu glauben, daß die Kolonialpolitik immer den Wohlstand des Mutterlandes hebe(183). Allerdings bestehe unter bestimmten Umständen für die herrschende Klasse zeitweilig die Möglich­keit, mit Hilfe des Kolonialismus die Schärfe der Überproduktionskrisen abzuschwächen und das Proletariat durch Aufrechterhaltung, eventuell so­gar kurzfristige Erhöhung der Löhne auf ihre Seiten zu ziehen: »La caste possedante, en etendant le domaine de ses placements, poursuit une double fin et pense servir doublement sa cause. Attenuant, supprimant meme pour un temps les maux de la surproduction, eile limite les crises industrielles et accelere son popre enrichissement; d'autre part, multipliant ses ventes, eile peut legerement accroitre, ä titre provisoire et tout au moins, maintenir les salaires. Or eile compte bien (et pendant des annees l'evenement a justi-fie ses previsions)(184), que le relevement, si insignifiant soit-il, de la main-d'oeuvre, perpetuera sa domination sur le Proletariat et que celui-ci admet-tra la relation etroite de ses interets ä ses maftres.«(185)

Dies gelinge jedoch nur zeitweilig, da die kapitalistische Produktions­anarchie bestehen bleibe(186) und mit der Durchkapitalisierung neuer Staa­ten(187) die Konkurrenz sich erneut verschärfen müßte, mit dem Resultat neuer weit katastrophalerer Krisen(188).

Daß die Durchkapitalisierung Chinas eine solche gewaltige Krise hervor­rufen mußte, davon war Louis überzeugt. Zugleich signalisierten das Ende der wirtschaftlichen Vorrangstellung Englands, der Abschluß des Zeitalters seiner ökonomischen Prosperität(189) und die weltweiten Auseinandersetzun­gen der kapitalistischen Staaten um die Erschließung der letzten großen Ko­lonialgebiete für Louis um die Jahrhundertwende das Heranreifen weltwei­ter Konflikte zwischen den kapitalistischen Staaten, im Vergleich zu denen die Kolonialkriege unbedeutend gewesen waren(190).

Diese bis zur Jahrhundertwende entwickelte Imperialismusanalyse ver­tiefte Louis in den folgenden Jahren noch, indem er stärker die Aktivitäten der unterdrückten Kolonialvölker in seine Untersuchungen einbezog und seine Analyse mit einer revolutionstheoretischen Perspektive verband.

So zeigte sich, daß die Kolonialpolitik für die Bevölkerung in den erober­ten Gebieten verheerende Auswirkungen hervorbrachte, daß die extreme Ausbeutung der Eingeborenen, ihre gewaltsame Unterdrückung und un­menschliche Behandlung zu immer neuen Erhebungen und Revolten führ­te(191). Die gewaltsam erschlossenen Gebiete konnten auch nur mit Gewalt re­giert und kontrolliert werden(192).

Die Kolonialexpeditionen wurden von den kapitalistischen Staaten mit chauvinistischen Parolen vorbereitet und von nationalistischen Kampagnen begleitet(193), so daß der wachsende Antagonismus der Kolonialinteressen der verschiedenen kapitalistischen Staaten und die Herausbildung der Kolo­nialreiche »... Gefühle traditioneller nationaler Feindschaft und Möglich­keiten eines Weltkriegs«(194) heraufbeschworen.

Eine derartige politische und ökonomische Existenzbedrohung des Kapi­talismus signalisierte, daß es sich bei seiner aggressiven militaristischen Ko­lonialexpansion um den letzten Versuch handelte, seinem notwendigen Schicksal, dem Untergang zu entgehen(195): »L' imperialisme, qui est la der-niere carte du monde capitaliste, qui lui semble un supreme abri contre la banqueroute et la dislocation spontanee, qui s'impose ä lui avec une invin-cible fatalite, est aussi un merveilleux, un incomparable artisan de revolu-tion.«(196)

Imperialismus und Sozialismus bildeten bereits den Hauptgegensatz der Gegenwart(197), da die aus den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus resultie­rende Kolonialpolitik, entfesselt durch die Expansionsgelüste und Konkur­renzzwänge der Herrschenden, den Zusammenbruch der existierenden Ge­sellschaft beschleunige und die sozialen Konflikte steigere und verallgemei­nere(198).

So füge sich der antiimperialistische Kampf in den antikapitalistischen Kampf des internationalen Proletariats ein mit dem Ziel, daß ein einziger Gegenschlag in einem Strom der Solidarität alle Leidenden und Unter­drückten gleichgültig welcher Rasse und Hautfarbe oder Nationalität gegen den Kapitalismus vereinige(199).

Es war Louis' Argumentation, die dem kleinen linken Flügel unter den französischen Sozialisten, der sich seit dem Stuttgarter Kongreß in schar­fen Artikeln — vor allem in der Zeitung »Le Socialsme«(200)gegen die Befür­worter einer friedlichen Kolonialpolitik wandte201, die theoretische Grund­lage lieferte(202) für eine Solidarisierung mit dem Unabhängigkeitskampf der Kolonialvölker203 und für die Forderung nach einer revolutionären Über­windung des Kapitalismus im Augenblick des Hereinbrechens der Krise(204).

So war dieser Kreis um Bracke und Rappoport als einzige sozialistische Gruppierung in Frankreich dazu in der Lage, in der Agitation gegen Kolo­nialismus und Kriegsgefahr einen theoretischen Zusammenhang zum Kapi­talismus herzustellen(205), ohne allerdings seine Isolierung innerhalb der S.F.I.O. zu überwinden.

Bemüht man sich um eine kritische Würdigung des Werkes von Paul Louis, so kommt man zu dem Schluß, daß dieser in der Theoriegeschichte der internationalen Arbeiterbewegung ähnlich wie Parvus weitgehend un­beachtete Imperialismustheoretiker der II. Internationale, auch ohne eine in sich völlig abgeschlossene neue Theorie entwickelt zu haben, eine Aus­nahmeerscheinung unter den theoretisch meist wenig geschulten französi­schen Sozialisten darstellte.

Im Gegensatz zu Guesde und Lafargue, deren Kampf gegen Imperialis­mus und Kriegsgefahr fast immer von allgemeinen Prinzipien ausgehend abstrakt und häufig unverständlich blieb(206), gelang es Louis, die neuen his­torischen Phänomene auf kapitalistische Gesetzmäßigkeiten zurückzu­führen.

Daß er mit seiner Argumentation ebenso wie fast alle Theoretiker der II. Internationale in der Tradition der historisierenden Kapitalrezeption stand, erscheint hierbei weniger erstaunlich als die Tatsache, daß er als einer der ersten europäischen Linken ein neues, letztes Stadium des Kapitalismus heranreifen sah und dies im Zusammenhang mit der Kolonialexpansion auch theoretisch zu belegen versuchte.

Sein Fehler, die historisch besondere ökonomische Situation nicht als bestimmte Durchsetzungsform der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungstendenzen zu erfassen, sondern als ihre unmittelbare Ausdrucksform, hinderte ihn allerdings nicht daran — ebensowenig wie später Lenin mit seiner hieran anknüpfenden Argumentation(207) — revolutionstheoretische Konsequenzen zu ziehen, anstatt der sich politisch und ökonomisch zuspitzenden Situation vor dem Weltkrieg in abwartender Passivität gegenüberzutreten.

Rudolf Hilferdings »Fortsetzung des Marxschen Kapital«208: »Das Finanzkapital« als theoretische Grundlage zentristischer und revolutionärer Politik

Rudolf Hilferding, führender Theoretiker des Austromarxismus, der be­reits in seinen Studienjahren zur sozialistischen Bewegung gestoßen war(209), begann ab 1902 für Kautskys »Neue Zeit« Artikel zu verfassen.

In einem seiner ersten Aufsätze entwickelte er 1903 ausgehend von einer Analyse des Funktionswandels des Schutzzolls bereits die meisten wesentli­chen Elemente seiner Imperialismustheorie.

Offensichtlich ohne Kenntnis der Engelsschen Beurteilung der neuarti­gen weltweit in Erscheinung tretenden Schutzzölle210 kommt er wie dieser zu dem Resultat, daß die Schutzzollpolitik der bereits international kon­kurrenzfähigen Staaten in Europa durch Vertreibung der ausländischen Konkurrenz vom Binnenmarkt infolge wachsender Kartellierung der Pro­duktion den Kapitalisten Extraprofite durch Erhöhung der Preise im In­land sichere, mit der Folge, daß die Industriellen einen Teil ihrer Waren auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen verschleuderten(211).

Notwendiges Ergebnis dieser neuen Schutzzollpolitik sei zum einen die »...Verschärfung des Klassengegensatzes im Innern der Staaten durch Be­förderung der Kartellierung, durch Beschleunigung der Konzentration, durch Verteuerung der Lebenshaltung. Aber noch mehr. Der Kampf um den Weltmarkt, besonders um die neutralen Märkte, wird jetzt mit ganz anderer Wucht geführt. Entscheidend in diesem Kampfe werden jetzt auch die Exportprämien, die die Kartelle gewähren können. Ihre Höhe aber hängt ab von dem Extraprofit auf dem inländischen Markte. Seine Erhöhung durch Erhöhung des Zolles wird jetzt zum Interesse jeder natio­nalen Kapitalistenklasse. Und hier gibt es kein Zurückbleiben. Der Schutzzoll des einen Landes zieht mit Notwendigkeit den des anderen nach sich, und um so sicherer, je entwickelter der Kapitalismus in diesem Lande, je mächtiger und verbreiteter die Kartellbildung. Die Höhe des Schutzzolls wird entscheidendes Moment im internationalen Konkurrenzkampf.«(212)

Da der Wettbewerb auf dem Weltmarkt immer schwieriger, kostspieliger und unsicherer werde —- und in diesem Punkt geht Hilferdings Analyse über die Engelssche Argumentation hinaus(213) — sei eine aggressive Kolonial- und Weltpolitik notwendiges Resultat dieses Prozesses, indem die kapitalisti­schen Länder danach strebten, durch politische Mittel die Konkurrenz des Auslands zu beseitigen und sich neue Teile des Weltmarkts gewaltsam an­zueignen und ihrem eigenen Herrschaftsbereich anzugliedern. Ein solches Vorgehen erfordere Vermehrung der staatlichen Gewalt und folglich auch erhöhte Rüstungsausgaben(214).

»Ökonomisch aber bedeutet dieses System den stärksten Ansporn zur Überproduktion. Die Konkurrenz, die sich abgespielt hat zwischen den einzelnen Kapitalisten, erscheint jetzt in höherer Potenz als Konkurrenz zwischen den großen Kapitalistenvereinigungen der einzelnen Staaten, hin­ter denen nicht nur alle wirtschaftlichen, sondern auch alle politischen Hilfsmittel der Nation stehen. Die Profite, die zu gewinnen sind im Siege über die fremde Konkurrenz, rechtfertigen die größten Anstrengungen. Immer größere Warenmassen zu immer billigeren Preisen werden auf den Markt geworfen, um die fremde Ware zu vertreiben. Rasch wird die Gren­ze der Aufnahmefähigkeit erreicht, die Märkte sind überfüllt, die Krise tritt ein, die wieder mächtigstes Stimulanz wird, durch Beseitigung der Konkur­renz, durch Herstellung des Monopols, die Verluste wettmachen, also aufs neue den Gegensatz zwischen den nationalen Kapitalistenklassen bis ins Unerträgliche steigert. Im Innern aber bedeutet die Depression Einschrän­kung der Produktion, Vermehrung der industriellen Reservearmee, erneute Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse.«(215)

Im modernen Schutzzollsystem vollziehe sich das Handeln der Kapitalisten nicht mehr vermittelt über zahlreiche divergierende Einzelinteressen, son­dern es zeige sich jetzt, wie die Kapitalisten in organisierter, einheitlicher, bewußter Aktion sich der staatlichen Mittel bedienten, um den eigenen Profit zu vergrößern216: »Die Kapitalistenklasse ergreift unmittelbar, un­verhüllt, handgreiflich Besitz von der staatlichen Organisation und macht sie zum Werkzeug ihrer Exploitationsinteressen, in einer Weise, die auch dem letzten Proletarier fühlbar wird.«(217)

Das Schutzzollsystem leitet für Hilferding unübersehbar die letzte Phase des Kapitalismus ein. Um dem Fall der Profitrate Einhalt zu bieten, beseiti­ge das Kapital die freie Konkurrenz(218) und unterwerfe die gesamte Bevölke­rung dem Profitstreben der herrschenden Klasse: »Alle Machtmittel, über die die Gesellschaft verfügt, werden bewußt zusammengefaßt, um sie in Ausbeutungsmittel der Gesellschaft durch das Kapital zu verwandeln. Es ist direkte Vorstufe der sozialistischen Gesellschaft, weil es ihre vollstän­dige Negation ist: bewußte Vergesellschaftung aller in der heutigen Gesell­schaft vorhandenen wirtschaftlichen Potenzen, aber eine Zusammenfas­sung nicht im Interesse der Gesamtheit, sondern um den Grad der Ausbeu­tung der Gesamtheit auf eine bisher unerhörte Weise zu steigern.«(219)

Dieser Vergesellschaftungsprozeß des Kapitals, die Durchsichtigkeit und Klarheit der kapitalistischen Herrschaft erwecke gegenüber der Aktion der Kapitalistenklasse »...die Aktion des Proletariats, das sich seiner Macht nur bewußt zu werden braucht, um sie unwiderstehlich zu machen.«(220)

Mit dieser Argumentationskette hatte Hilferding bereits den Kern seiner nur zwei Jahre später im großen und ganzen abgeschlossenen Analyse des Finanzkapitals herausgearbeitet(221).

Das Finanzkapital enthält im wesentlichen eine politökonomische Ablei­tung dieser Gedankengänge, ihren Rückbezug auf das Marxsche Kapital und zugleich den systematischen Versuch einer stringenten Weiterentwick­lung der Marxschen Theorie zu einem eigenständigen Theoriengebäude(222). So bildet der Prozeß der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, wie ihn Marx entwickelt hat, den Ausgangspunkt der Hilferdingschen Ableitung.

Dabei interessiert ihn aber im Gegensatz zu Marx nicht primär der dieser Bewegung zugrundeliegende Prozeß der Kapitalakkumulation, sondern ihm geht es um die Formen, die die fortschreitende Akkumulationsbewe­gung des Kapitals hervorbringt(223).

So knüpft er an die Marxsche Bestimmung des Kreditwesens in seiner doppelten Funktion an, »... einerseits die Triebfeder der kapitalistischen Produktion, Bereicherung durch Ausbeutung fremder Arbeit, zum reinsten und kolossalsten Spiel- und Schwindelsystem zu entwickeln und die Zahl der den gesellschaftlichen Reichtum ausbeutenden Wenigen immer mehr zu beschränken; andererseits aber die Übergangsform zu einer neuen Produk­tionsweise zu bilden.«(224)

In den Aktiengesellschaften als dem über den Kredit vermittelten Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion ist die Kapi­talfunktion bereits getrennt vom Kapitaleigentum(225), indem hier »... das Kapital, das an sich auf gesellschaftlicher Produktionsweise beruht und eine gesellschaftliche Konzentration von Produktionsmitteln und Arbeits­kräften voraussetzt, ... hier direkt die Form von Gesellschaftskapital (Ka­pital direkt assoziierter Individuen) im Gegensatz zum Privatkapital«(226) erhält.

Diese Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalfunktion bedeutet für Hilferding »... eine Verwandlung des industriellen Kapitalisten zum Aktio­när, zu einer besonderen Sorte von Geldkapitalisten, wobei die Tendenz besteht, den Aktionär immer mehr zum reinen Geldkapitalisten zu machen.«(227)

Habe Marx vor allem die wirtschaftspolitischen Wirkungen der Aktien­gesellschaft betrachtet(228), so gelte es jetzt in Weiterentwicklung der Marx-schen Analyse, den Strukturwandel des Kapitalismus ausgehend von der Entfaltung des Aktienkapitals aufzuzeigen.

Im Gegensatz zum Privatkapitalisten, der seine Akkumulation nach Maßgabe von individuellem Eigentum und Profit zu vollziehen habe(229), könne sich die Expansion des Aktienkapitals losgelöst von allen Schranken des Privateigentums ausschließlich nach Maßgabe der technisch-ökonomi­schen Gesetzmäßigkeiten vollziehen.«(230)

Da den Aktiengesellschaften für ihre Gründung ebenso wie für ihre Ver­größerung das freie Geldkapital des Marktes zur Verfügung stehe(231), sie sich durch Ausgabe von Aktien leichter Anlagekapital verschaffen könn­ten, und ihre Organisationsform die Überwachung des Finanzgebahrens erheblich erleichtere, würden sie bei der Kreditvergabe von den Banken be­vorzugt(232), denn »... es besteht nicht die Gefahr, daß der in Anspruch ge­nommene Kredit immobilisiert wird.«(233)

Zugleich seien die Banken bereit, ihre Kreditvergabe auszudehnen, in­dem sie als Sammelstellen für das gesamte freie Geldkapital Anlagekredite in Gestalt von Emissionskrediten gewährten. Für diese Kreditvergabe er­halte die Bank statt Zins den sogenannten Gründergewinn, die Differenz zwischen Zins und Durchschnittsprofit(234), die infolge des Auseinander­fallens des Aktienkapitals in fiktives Kapital, das in Gestalt der Dividende auf Aktien nur Zins abwerfe(235) und in das eigentliche industrielle Kapital, das den Durchschnittsprofit realisiere, entstehe.

Da auch die Kapitalaufstockung bereits existierender Aktiengesellschaf­ten zu Gründergewinnen führen könne(236), die entsprechende Emmisionskre­dite langfristige Laufzeiten hatten, existiere vielfach bereits eine Beteili­gung des Bankkapitals an den Aktiengesellschaften: » Je stärker die Bankenmacht, desto vollständiger gelingt die Reduktion der Dividende auf den Zins, desto vollständiger fällt der Gründergewinn der Bank zu. Umge­kehrt wird es starken und gefestigten Unternehmen gelingen, bei Kapitals­erhöhungen selbst einen Teil des Gründergewinnes dem eigenen Unterneh­men zu sichern. Es entspinnt sich dann eine Art Kampf um die Verteilung des Gründergewinnes zwischen der Gesellschaft und der Bank und damit ein neues Motiv für die Bank, ihre Herrschaft über das Unternehmen zu si­chern.«(237)

Da die Aktiengesellschaften jedoch von der Bereitschaft der Bank zur Kreditvergabe abhängig seien, diese die Kreditgewährung dadurch ein­schränken könne, daß sie statt Gewährung eines Zirkulationskredites nur einen Kapitalkredit vergebe, so daß dem Unternehmen durch Neuemission von Aktien oder Obligationen neues Kapital zugeführt werde, wachse die Kontrolle der Banken über die Aktiengesellschaften, zumal die Banken selbst einen Teil ihres Geldkapitals zeitweise in Aktien anlegen könnten(238).

Die Kontrolle des Finanzgebahrens der Aktiengesellschaften durch Präsenz der Banken im Aufsichtsrat und die Möglichkeit durch Halten eines Drittels, u. U. sogar nur eines Viertels der Aktien als Großaktionär die Gesellschaften beherrschen zu können, eröffneten den Großbanken neue Wege zur Beherrschung der Aktiengesellschaften(239).

Allgemein führen nach Hilferdings Ansicht die Entfaltung des Kreditwe­sens und die Anhäufung von Geldkapital aufgrund wachsender industriel­ler Reserveeinlagen und Geldeinlagen der breiten Bevölkerung bei fort­schreitender kapitalistischer Entwicklung zu einer zunehmenden Abhängig­keit der Industrie von den Banken(240): »Ein immer wachsender Teil des Ka­pitals der Industrie gehört nicht den Industriellen, die es anwenden. Sie er­halten die Verfügung über das Kapital nur durch die Bank, die ihnen gegen­über den Eigentümer vertritt. Andererseits muß die Bank einen immer wachsenden Teil ihrer Kapitalien in der Industrie fixieren. Sie wird damit in immer größerem Umfang industrieller Kapitalist. Ich nenne das Bankka­pital, also Kapital in Geldform, das auf diese Weise in Wirklichkeit in indu-stielles Kapital verwandelt ist, das Finanzkapital.«(241)

Mit der Verbindung von Großbanken und Industrie ändere sich auch die kapitalistische Konkurrenz. Richtete sich das Interesse der Unternehmer in der Vergangenheit darauf, durch technische und ökonomische Überlegen­heit den Konkurrenten zu verdrängen, den eigenen Anteil am Markt zu ver­größern und nach Ausschaltung des Gegners für längere Zeit Extraprofite zu realisieren, so führe die Ausschaltung der schwächeren Kapitalisten im Zuge wachsender Kapitalkonzentration zu einer ruinösen, die Profitrate ständig senkenden Konkurrenz unter gleichstarken industriellen Unter­nehmungen, der diese in wachsendem Maße durch Zusammenschlüsse zu Kartellen und Trusts zu entgehen versuchten(242).

Diese Tendenz wurde verstärkt durch die Interessen des Bankkapitals, da die Großbanken an einer ruinösen Konkurrenz großer Industrieunterneh­mungen nicht interessiert seien, denn der Niedergang eines starken Kon­kurrenten bedeute in dem Moment, wo er auch Kunde der Bank sei, eine Gefährdung der eigenen erteilten Kredite(243). Hilferding schlußfolgert: »Daher ist das Streben der Banken nach Ausschaltung der Konkurrenz zwischen den Werken, an denen sie beteiligt ist, ein absolutes. Jede Bank aber hat auch das Interesse an möglichst hohem Profit. Dieser wird unter sonst gleichen Umständen wieder den höchsten Stand erreichen bei völliger Ausschaltung der Konkurrenz in einem Industriezweig. Daher das Streben der Banken nach Herstellung des Monopols. Es treffen so die Tendenzen des Bankkapitals mit denen des Industriekapitals nach Ausschaltung der Konkurrenz zusammen.«(244)

Mit der Herstellung von Kartellen und Trusts und der damit verbunde­nen Eleminierung der für manche Betriebe lebensgefährlichen Konkurrenz, wodurch eine größere Sicherheit und Gleichmäßigkeit des Kapitalertrages gewährleistet sei, gehe einher die Ausdehnung des jetzt weitgehend risikolo­sen Kredits, so daß die Abhängigkeit der industriellen Unternehmen von den Banken weiter wachse(245). Zugleich vollziehe sich parallel zum Prozeß der Kartellierung der Industrie der Konzentrationsprozeß des Bankkapitals, da die Banken über eine immer größere Kapitalkraft verfügen müßten, um den wachsenden Ansprüchen der Großindustrie entsprechen zu kön­nen(246).

So vollziehen sich nebeneinander auf der einen Seite die Tendenz zur Herausbildung einer riesigen Bankengruppe oder Zentralbank, die per­spektivisch die Kontrolle über die ganze gesellschaftliche Produktion aus­üben werde(247) und auf der anderen Seite die Tendenz zur Herstellung eines Generalkartells (248). Beide »...treffen zusammen und aus ihrer Vereinigung erwächst die gewaltige Konzentrationsmacht des Finanzkapitals. Im Finanzkapital erscheinen alle partiellen Kapitalformen zur Totalität verei­nigt ... Das Kapital erscheint als einheitliche Macht, die den Lebensprozeß der Gesellschaft souverän beherrscht, als Macht, die unmittelbar entspringt aus dem Eigentum an den Produktionsmitteln, den Naturschätzen und der gesamten akkumulierten vergangenen Arbeit, und die Verfügung über die lebendige Arbeit als unmittelbar entspringend aus den Eigentumsverhält­nissen. Zugleich erscheint das Eigentum, konzentriert und zentralisiert in der Hand einiger größter Kapitalassoziationen, unmittelbar entgegenge­setzt der großen Masse der Kapitallosen. Die Frage nach den Eigentumsver­hältnissen erhält so ihren klarsten, unzweideutigsten, zugespitztesten Aus­druck, während die Frage nach der Organisation der gesellschaftlichen Ökonomie durch die Entwicklung des Finanzkapitals selbst immer besser gelöst wird.«(249)

Zu dieser Annahme konnte Hilferding aufgrund zweier theoretischer Prämissen gelangen. Einmal aufgrund seiner der Marxismusrezeption der II.Internationale folgenden historisierenden Interpretation verschiedener Gesetzmäßigkeiten der Marxschen Theorie, die er wie z. B. im Falle der Konkurrenz lediglich in ihren Erscheinungsformen faßt, so daß sie für ihn auf dem Boden des Kapitalismus durch den Evolutionsprozeß des Kapitals selbst außer Kraft gesetzt werden, die Konkurrenz z. B. durch das Monopol abgelöst wird(250).

Zum anderen, weil Hilferding seiner Analyse die Möglichkeit eines rei­bungslosen Ablaufs des kapitalistischen Reproduktionsprozesses zugrun­delegt, indem er — ähnlich wie zuvor die ökonomische Schule der legalen Marxisten in Rußland(251) — von einer harmonischen Auslegung der Marx­schen Reproduktionsschemata ausgeht(252). Für ihn zeigen die Marxschen Schemata, »... daß in der kapitalistischen Produktion sowohl Reproduk­tion auf einfacher als auch auf erweiterter Stufenleiter ungestört vor sich gehen kann, wenn nur diese Proportionen (zwischen Produktionsmittel-und Konsumtionsmittelindustrien in ihrer Gesamtheit, d.V.) erhalten blei­ben.« Da Krise auch im Falle einfacher Reproduktion bei Verletzung der Proportionen eintreten könne, ließen die Reproduktionsschemata den Schluß nicht zu, »... daß die Krise in der der kapitalistischen Produktion im­manenten Unterkonsumtion der Massen ihre Ursachen haben muß. Eine allzu rasche Ausdehnung der Konsumtion würde an sich ebenso wie Gleich­bleiben oder Verringerung der Produktion der Produktionsmittel zur Krise führen müssen.Ebensowenig folgt aus den Schematen an sich die Möglich­keit einer allgemeinen Überproduktion von Waren, vielmehr läßt sich jede Ausdehnung der Produktion als möglich zeigen, die überhaupt bei den vor­handenen Produktivkräften stattfinden kann.«(253)

Indem für Hilferding der Zusammenhang von Akkumulationsbewegung und Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals zerreißt, und er seine Analyse im wesentlichen auf die Zirkulationssphäre beschränkt(254), vermag er die Krisenhaftigkeit kapitalistischer Produktionsweise nicht mehr aus der widersprüchlichen Akkumulationsbewegung des Kapitals ab­zuleiten.

Er begreift somit Krise nicht als notwendiges Resultat kapitalistischer Produktionsweise, als Folge widersprüchlicher Kapitalakkumulation, in der sich die Einheit von Produktion und Zirkulation gewaltsam durchsetzt, sondern er faßt sie nur in ihrer Erscheinungsform. Sie bedeutet für ihn le­diglich eine Zirkulationsstörung(255), eine Verletzung des Reproduktions­gleichgewichts, der Proportionen zwischen den einzelnen Produktions­sphären.

Erklärbar nur »... aus den spezifisch kapitalistischen Bedingungen der Warenzirkulation«(256) wird die Krise als Disproportionalitätskrise seiner Auffassung nach im Verlauf der zyklischen Kapitalbewegung durch eine Störung in den Preisgestaltungen hervorgerufen, die aus der Verschieden­heit der organischen Zusammensetzung der Kapitale, den Reproduktionsf formen des fixen Kapitals, aus natürlichen Umständen oder dem Wech­sel des Verhältnisses von Produktion und Konsumtion resultieren kön­nen(257): »Denn all die erwähnten Momente bedeuten Abweichungen der Marktpreise von den Produktionspreisen und dadurch Störungen in der Regulierung der von der Preisgestaltung in ihrem Ausmaß und ihrer Rich­tung abhängigen Produktion. Daß diese Störungen schließlich zur Absatz­stockung führen müssen, ist klar.«(258)

Indem alle diese Krisenursachen jedoch nicht aus der Widersprüchlich­keit kapitalistischer Produktionsweise resultieren, sind sie letztlich — und dieser Schluß ist aus Hilferdings Argumentation ohne weiteres ziehbar — auf dem Boden des Kapitalismus der Möglichkeit nach zu beseitigen259.

Hilferdings spätere Konzeption des organisierten Kapitalismus hatte auf diese Weise bereits im Finanzkapital ihre theoretische Grundlegung gefun­den(260).

Mit der Tendenz zur Herausbildung weniger großer Kapitalassoziationen glaubt Hilferding auch eine Veränderung des Verhältnisses von Staat und Kapitalistenklasse feststellen zu können(261), die sich anhand des bereits früher entwickelten Funktionswandels des Schutzzolls in aller Deutlichkeit zeige (262), insofern sich die Kapitalisten nicht mehr gegen eine Staatseinmi­schung wendeten(263), sondern sich jetzt der staatlichen Macht in Gestalt der Hochschutzzollpolitik bedienten, da diese Politik durch Fernhalten der ausländischen Konkurrenz den Bestand der Kartelle sichere und es ermög­liche, die Waren auf dem inländischen Markt mit einem Extraprofit zu ver­kaufen(264).

Die hieraus resultierende Möglichkeit der Kartelle, auch unter ihrem Produktionspreis zu verkaufen, habe dazu geführt, daß sie einen Teil ihres Extraprofits dazu verwendeten, ihre Absatzgebiete im Ausland durch Un­terbieten der Konkurrenten auszudehnen(265). So sei aus dem Schutzzoll »... ein Mittel der Eroberung der fremden Märkte durch die einheimische Industrie geworden, aus der Verteidigungswaffe des Schwachen die An­griffswaffe des Starken.«(266)

Die Entwicklung zum Finanzkapital ziehe die Herausbildung neuer, im­mer größerer Betriebseinheiten nach sich, die ihrerseits ausgedehnter Wirt­schaftsgebiete bedürfen, um günstige Standortbedingungen für eine opti­male Entfaltung der Produktion vorzufinden. So sei zusammen mit dem durch die Kolonialleidenschaft entfachten aktiveren Eingreifen in die Welt­politik das Bestreben entstanden, das durch Schutzzollmauern umgebene eigene Wirtschaftsgebiet so umfangreich wie möglich zu gestalten(267).

Dort, wo die Überwindung fremder Schutzzollmauern durchAusdeh­nung des eigenen Wirtschaftsgebietes oder eigene Zollerhöhungen nicht möglich gewesen sei, habe sich »... der Kapitalexport in Form der Errich­tung von Fabriken im Ausland«(268) herausgebildet. Handele es sich bei den neuen Märkten aber nicht mehr bloß um Absatzgebiete, sondern in wach­sendem Maße um Anlagesphären von Kapital, so ziehe dies automatisch eine Änderung der politischen Haltung der kapitalexportierenden Län­der nach sich.

Das größere Risiko, im Ausland Infrastruktur und Produktionsstätten zu errichten, erzeuge auf Seiten des Exportkapitals den Ruf nach staatli­chem Schutz: »Am wohlsten fühlt sich aber das Exportkapital bei völliger Beherrschung des neuen Gebietes durch die Staatsmacht seines Landes. Denn dann ist der Kapitalexport anderer Länder ausgeschlossen, es genießt eine priviligierte Stellung, und seine Profite erhalten womöglich noch die Ga­rantie des Staates. So wirkt auch der Kapitalexport für eine imperialistische Politik.«(269)

Gleichzeitig bedeute die Errichtung von Produktionsanlagen in den neuen Gebieten die Revolutionierung ursprünglicher Produktionsstruk­turen, die Zerstörung alter Reproduktionsgrundlagen und die Überwin­dung rückständiger Rechtsverhältnisse(270), ohne daß damit aber eine Durch­kapitalisierung und die Erlangung der Konkurrenzfähigkeit für diese Staa­ten verbunden sei(271). Vielmehr gehe es darum, in diesen Regionen oder neu erworbenen Kolonien überschüssiges Kapital anzulegen, durch Ausbeu­tung der von ihren Reproduktionsgrundlagen getrennten Arbeiter Extra­profite zu erzielen und den natürlichen Reichtum dieser Gebiete für die eigene Rohstoffversorgung auszunutzen(272).

Der Prozeß der Erschließung dieser Regionen führe zwangsweise zu wachsenden Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung und deren staatlicher Organisation und ziehe häufig die Vernichtung der einheimi­schen Staatsgewalt nach sich(273).

»In den neu erschlossenen Ländern ... steigert der importierte Kapitalis­mus Gegensätze und erregt den immer wachsenden Widerstand der zu natio­nalem Bewußtsein erwachenden Völker gegen die Eindringlinge, der sich leicht zu gefährlichen Maßnahmen gegen das Fremdkapital steigern kann ...Diese Unabhängigkeitsbewegung bedroht das europäische Kapital gerade in seinen wertvollsten und aussichtsreichsten Ausbeutungsgebieten, und immer mehr kann es seine Herrschaft nur durch stete Vermehrung sei­ner Machtmittel erhalten.«(274)

Zugleich bringe die Konkurrenz um die neu eröffneten Anlagesphären des Kapitals neue Gegensätze und Konflikte zwischen den entwickelten ka­pitalistischen Staaten hervor. Diese Konkurrenz werde ständig verschärft durch die Erschließung der unterentwickelten Gebiete mit modernsten ka­pitalistischen Produktionsanlagen, so daß der Kapitalismus bereits auf seiner vollendetesten Stufe in die neuen Länder importiert werde und seine revolutionierende Wirkung mit entsprechend größerer Wucht und in gerin­gerer Zeit ausüben könne als es früher der Fall gewesen sei(275).

Da der Konkurrenzkampf auf den internationalen Warenmärkten — forciert durch die Dumpingpreispolitik der europäischen Schutzzollstaa­ten(276) — immer ruinöser werde, verlagerten die Industrienationen die Kon­kurrenz auf den Kapitalmarkt, wo nicht mehr die Warenpreise über den Absatz entschieden. Man biete den unterentwickelten Ländern Leihkapital unter der Bedingung späterer Warenübernahme an, mache damit diese Länder zu Abhängigen, denen man die Bedingungen vorschreiben könne und sichere zugleich auf Zukunft den eigenen Warenabsatz(277). Allerdings versuchten letztlich alle Industriestaaten, dieses Verfahren zu praktizieren.

»Der Kampf um den Warenabsatz wird zum Kampf um die Anlagesphä­ren des Leihkapitals zwischen den nationalen Bankgruppen, und da wegen des internationalen Ausgleichs der Zinssätze die ökonomische Konkurrenz hier innerhalb relativ enger Schranken gebannt ist, so wird der ökonomi­sche Kampf rasch zu einem Machtkampf, der mit politischen Waffen ge­führt wird.«(278)

Das Streben der Industrie nach Aufhebung der Konkurrenz finde sei­nen Niederschlag in einer expansiven Kolonialpolitik, die es ermögliche, durch Einverleibung fremder Gebiete neue Teile des Weltmarkts in den ei­genen nationalen Markt einzubeziehen(279).

Die Politik des Finanzkapitals verfolge somit drei Ziele: »... erstens Her­stellung eines möglichst großen Wirtschaftsgebietes, das zweitens durch Schutzzollmauern gegen die ausländische Konkurrenz abgeschlossen und damit drittens zum Exploitationsgebiet der nationalen monopolistischen Vereinigungen wird.«(280)

Für die Durchsetzung dieser Ziele bedürfe das Finanzkapital eines star­ken Staates, der ihnen durch Zoll- und Tarifpolitik den inländischen Markt sichere, seine politische Macht einsetzen könne, um den kleineren Staaten günstige Lieferungs- und Handelsverträge abzunötigen und der vor allem dazu in der Lage sei, überall in der Welt einzugreifen, durch Expansionspo­litik und Kolonialeroberungen ständig neue Anlagesphären selbst erschlies-sen könne(281).

Das Verlangen der Kapitalisten nach staatlicher Expansion führt nach Hilferding zu einer Revolutionierung der Weltanschauung des Bürgertums, das an die Stelle der Harmonie kapitalistischer Interessen, der freihändleri­schen Ideale von Frieden und Humanität, den Konkurrenzkampf als politi­schen Machtkampf gesetz habe, mit dem Anspruch, »... der eigenen Nation die Herrschaft über die Welt zu sichern.«(282)

In der Rassenideologie entstehe eine naturwissenschaftlich verkleidete Begründung des Machtstrebens des Finanzkapitals, das auf diese Weise die Notwendigkeit seiner Handlungen naturwissenschaftlich zu begründen ver­suche(283). Umfasse dieses Ideal auf dem Gebiet der auswärtigen Politik scheinbar die ganze Nation — die Klassengegensätze scheinen im Dienst für die Gesamtheit aufgehoben zu sein(284) — so schlage es im Bereich der In­nenpolitik um in die Betonung des Herrenstandpunktes gegenüber der Ar­beiterklasse(285). Ihrer zunehmenden Macht gegenüber bemühe sich das Ka­pital, »... die Staatsmacht als Sicherung gegen die proletarischen Forderun­gen noch weiter zu verstärken.«(286)

Dieses Ideal des Bürgertums, das mit fortschreitendem Zersetzungspro­zeß der kapitalistischen Gesellschaft immer größeren Widerhall finde(287), entspreche einer Expansionspolitik des Finanzkapitals, die als unerläßliche Bedingung für die Aufrechterhaltung kapitalistischer Gesellschaft(288) zwangsweise die internationale Kriegsgefahr erhöhen müsse(289).

In den hochindustrialisierten Staaten seien die Gegentendenzen gegen eine kriegerische Entwicklung zwar am stärksten ausgeprägt(290), aber die Ent­scheidung über Krieg und Frieden liege nicht allein in Händen der am wei­testen entwickelten Nationen: »Das kapitalistische Erwachen der Nationen des östlichen Europas und Asiens ist von Machtverschiebungen begleitet, die auf die Großstaaten zurückwirkend auch hier die vorhandenen Gegen­sätze zur Entladung bringen können.«(291)

Als Resultat seiner Analyse des Finanzkapitals sind es für Hilferding konsequenterweise auch nicht wirtschaftliche Krisen, die zum Zusammen­bruch des kapitalistischen Systems führen, sondern letztlich kriegerische Entwicklungen im Konnex mit politischen und sozialen Krisen, die auf Ba­sis sich ständig verschärfender Klassengegensätze(292) zur Auslösung revolu­tionärer Stürme führen und die Ergreifung der politischen Macht durch das Proletariat bewirken(293).

Engels' These, daß mit der Vergesellschaftung der Produktion in den Aktiengesellschaften und der partiellen Ersetzung der Konkurrenz durch das Monopol in einzelnen Produktionszweigen der Expropriation durch die Gesamtgesellschaft aufs erfreulichste vorgearbeitet worden sei(294), weitet Hilferding aus zu der Behauptung, das Finanzkapital bedeute der Tendenz nach die Herstellung der gesellschaftlichen Kontrolle über die Produktion und erleichtere somit die Überwindung des Kapitalismus außerordentlich.

Indem er von der irrtümlichen Dominanz des Geldkapitals über das in­dustrielle Kapital ausgeht(295), die Konkurrenz durch das Monopol abgelöst sieht(296), kommt er zu dem illusionären Schuß: »Sobald das Finanzkapital die wichtigsten Produktionszweige unter seine Kontrolle gebracht hat, ge­nügt es, wenn die Gesellschaft durch ihr bewußtes Vollzugsorgan, den vom Proletarier eroberten Staat, sich des Finanzkapitals bemächtigt, um sofort die Verfügung über die wichtigsten Produktionszweige zu erhalten.«(297)

Die Tatsache, daß sich das Geldkapital, verselbständigt, in Gestalt von Großbanken, immer wieder auf den Produktionsprozeß rückbeziehen muß, daß es über den Kredit die Expansion des industriellen Kapitals ver­mittelt, den kapitalistischen Produktionsprozeß als einzigen Ort der Mehr­werterzeugung optimal ausdehnt und anspannt, seine Kontinuität als Re­produktionsprozeß gewährleistet(298), all' dies bleibt Hilferding in seiner Analyse des Finanzkapitals verborgen(299).

Indem er — der historisierenden Kapitalrezeption folgend — eine Reihe neuer, durch die fortschreitende kapitalistische Entwicklung hervorge­brachter Tendenzen verabsolutierend festhält, gerät sein Werk aufgrund des von der Oberfläche direkt vollzogenen Rückschlusses auf einen neuen über Herrschaft vermittelten Zusammenhang »kapitalistischer« Gesell­schaft, tatsächlich zur Darstellung eines neuen Gesellschaftssystems(300).

Das Ausmaß dieser Revision der Marxschen Theorie wurde allerdings von den Zeitgenossen Hilferdings sowohl auf dem linken wie rechten Par­teiflügel der Sozialdemokratie nicht gesehen.

Während Bernstein in seiner Kritik des Finanzkapitals lediglich behaup­tete, Hilferding hätte die innen- und außenpolitischen Aspekte der kapitali­stischen Entwicklung aufgrund mangelnder empirischer Analysen zu pessi­mistisch beurteilt und im Gegensatz zu ihm daran festhielt, daß die kapita­listischen Gegensätze sich tendenziell immer mehr abschwächten(301), lobte ein politökonomisch versierter Vertreter der Linken wie der polnische Emigrant Julian Marchlewski das Finanzkapital als »... ein Werk von gro­ßer Bedeutung, an dem niemand mehr wird vorbeigehen können, der über theoretische Nationalökonomie mitsprechen will.«(302)

Zwar kritisierte Karski Hilferdings harmonische Kriseninterpretation(303), aber ebenso wie später Lenin304 folgt er — ganz in der Tradition der Engels-schen Kapitalrezeption stehend — den Hilferdingschen Thesen über die Ablösung der Konkurrenz durch das Monopol(305) und die Abhängigkeit der Großindustrie von einigen wenigen Großbanken(306).

Für Kautsky, dessen praktisch politische Position Hilferding mit Beginn seiner redaktionellen Tätigkeit in der »Neuen Zeit« konsequent unterstützt hatte(307), diente das Finanzkapital als theoretische Basis der Parteipolitik, soweit es sich mit den eigenen Theorievorstellungen verbinden ließ.

Daß er dabei die Hilferdingschen Forschungsresultate sehr einseitig aus­legte, verweist auf das instrumenteile Theorieverständnis des deutschen So­zialdemokraten, der es — wie zuvor bereits im Fall der Parvusschen Welt­wirtschaftsanalysen(308) — verstand, neue theoretische Erkenntnisse über die kapitalistische Gesellschaft aufzugreifen und für die eigene Politik nutzbar zu machen.

So interpretierte er einmal das Hilferdingsche Werk in seiner Rezension ganz im Sinne seines abgeschwächten und zeitlich relativierten Zusammen­bruchsverständnisses309, wobei er die von Hilferding angesprochenen Ten­denzen zur Verschärfung der Klassengegensätze hervorhob310 und ganz im Gegensatz zu dessen harmonischer Auslegung die Reproduktionsschemata als Nachweis für das Ungleichgewicht kapitalistischer Entwicklung heran­zog(311).

Auf der anderen Seite bemühteer sich, im Rahmen seiner Interpretation der Hilferdingschen Analyse, die historisch immer stärker hervortretende Ten­denz der imperialistischen Politik, die internationale Kriegsgefahr zu ver­schärfen, dadurch zu relativieren, daß er ihr ein wachsendes Friedensbe­dürfnis der Bourgeoisie als Gegentendenz zur Seite stellte(312).

Als Beleg für diese These diente ihm die Furcht der Bourgeoisie vor der Auslösung einer Revolution durch den Krieg(313) und ihre widersprüchliche Haltung gegenüber dem Militarismus, dessen Wachstum für eine Ausdeh­nung der Produktion vieler Unternehmen sehr förderlich sei, während »... es aber andererseits im Interesse jedes einzelnen Kapitalisten und jeder ein­zelnen kapitalistischen Nation« liege, »... von den Lasten des Militarismus möglichst wenig getroffen zu werden. Sie wollen möglichst viel für ihn pro­duzieren und liefern, aber möglichst wenig für ihn zahlen.«(314)

Mit dieser Haltung war Kautsky nach den Jahren politökonomischer Be­einflussung durch Parvus, in denen er ausschließlich den historischen Zwangscharakter des Imperialismus, den Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg und die Tendenzen zur Verschärfung der Kriegsgefahr hervorge­hoben hatte(315), im Jahre 1909 wieder völlig zu seiner früheren von der Ana­lyse eines friedlichen am Freihandel orientierten Handelskapitalismus aus­gehenden Auffassung zurückgekehrt, daß die räuberische und kriegerische Kolonialexpansion kein notwendiges Resultat kapitalistischer Produktions­weise sei(316). Diese Haltung ermöglichte es ihm, gemeinsam mit Ledebour(317) Partei für eine Friedens- und Abrüstungspolitik und für die Forderung nach einer »Vereinigung der Staaten der europäischen Zivilisation«(318) zu er­greifen, mit dem Ziel, durch Verhinderung eines Krieges für das kontinuier­lich fortschreitende Wachstum der Sozialdemokratie Zeit zu gewinnen und sich ganz — dem Engelsschen Testament folgend — der sogenannten Nie­derwerfungsstrategie, der Ermattung des Kapitalismus im parlamentari­schen Kampf zu widmen(319).

Der sich an der Auseinandersetzung um Ermattungsstrategie und Mas­senstreik entzündende und sich über dieser Friedenskonzeption vertiefende Bruch zwischen der Parteiführung und dem Gros der Parteilinken führte im Verlauf der 1911/12 ausgetragenen Abrüstungskontroverse(320) zwischen Kautsky und dem Parteizentrum auf der einen und den Linksradikalen um Anton Pannekoek, Paul Lensch und Karl Radek auf der anderen Seite zur Herausbildung und Vertiefung unterschiedlicher imperialismustheoreti­scher Ansätze.

Anknüpfend an seine früheren Imperialismusanalysen versuchte Kaut­sky nachzuweisen, daß die Erschließung agrarisch-rückständiger Länder ein notwendiger Prozeß der Kapitalbewegung sei, um auf diese Weise die Disproportionalitäten kapitalistischer Entwicklung, die aus der Akkumula­tion resultierten, auszugleichen(321).

Demgegenüber sei der Imperialismus, den er entsprechend seiner frühe­ren Untersuchungen mit der von der Reaktion ins Leben gerufenen expan­sionistischen räuberischen Kolonialpolitik identifizierte, »... nicht gleich­bedeutend mit dem naturnotwendigen Streben des Kapitals nach Ausdeh­nung, nach Erschließung neuer Märkte und Anlagemöglichkeiten, er bil-de(t) nur eine besondere Methode dieses Streben durchzusetzen, die Metho­de der Gewaltsamkeit. Deren Geist erwächst wohl notwendigerweise aus der ökonomischen Entwicklung, aber die Gewaltsamkeit stellt keineswegs eine notwendige Bedingung des ökonomischen Fortschritts dar.«(322)

Daneben gebe es auch noch die pazifistische Form der Expansion: die Politik der offenen Tür und des freien Verkehrs auf dem Weltmarkt, die zwar die Kriegsgefahr aufgrund der Beibehaltung der antagonistischen Wirtschaftsstruktur nicht ausschalten könne, sie jedoch durch freien Zu­gang zu Märkten und Rohstoffquellen auf ein Mindestmaß reduziere(323).

Die gewaltsame Kolonialexpansion, die auf einem bestimmten Entwick­lungsstand des Kapitalismus einmal als bequemste Methode der Markter­weiterung erschienen sei, habe zwar zum Wettrüsten geführt, sie sei aber ebensowenig wie dieses Wettrüsten eine ökonomische Notwendigkeit(324).

Vielmehr bedeuteten die Kolonialexpansion und die Rüstungspolitik häufig ein »Bleigewicht«, das die wirtschaftliche Entwicklung behindere(325).

In Weiterentwicklung der Hilferdingschen Analyse über die Monopoli­sierungstendenzen des Kapitals vertrat Kautsky die Auffassung, parallel zur Herausbildung von Kartellen und Trusts, zur Ablösung der freien Kon­kurrenz durch das Streben nach dem Monopol auf den Binnenmärkten werde sich auch das Verhältnis der kapitalistischen Staaten untereinander verändern: »Sie alle streben nach Expansion, sie alle genieren dabei immer mehr den anderen, stören und hemmen sich gegenseitig, vermehren daher ihre Streitkräfte und steigern die Kosten des Expansionsgeschäftes in einer Weise, daß alle Profite darob flöten gehen. Nichtsdestoweniger wird diese Methode fortgesetzt, solange einzelne glauben können, durch ihre Rüstun­gen ein Stadium zu erreichen, in dem sie die Konkurrenz niederwerfen und den Weltmarkt monopolisieren. Je mehr diese Aussicht schwindet, je kla­rer es zutage tritt, daß die Fortsetzung des Konkurrenzkampfes alle Betei­ligten ruiniert, desto näher rückt das Stadium, in dem der Konkurrenz­kampf der Staaten durch ihr Kartellverhältnis ausgeschaltet wird. Das be­deutet nichts weniger als den Verzicht auf die Expansion des heimischen Kapitals, sondern nur den Übergang zu einer wohlfeileren und ungefährli­cheren Methode.«(326)

Mit dieser Perspektive der Möglichkeit, die Gewaltkompetente des Impe­rialismus ausschalten zu können, war durch Kautskys nachträgliche theore­tische Fundierung die Forderung des sozialdemokratischen Zentrums nach Abrüstung nicht nur mit dem Wesen des Kapitalismus vereinbar, sondern sogar eine entwicklungsgeschichtliche Notwendigkeit geworden(327).

Demgegenüber vertraten die Linksradikalen direkt im Anschluß an das pazifistische Auftreten der deutschen Delegation in Kopenhagen, das Ra­dek bereits auf dem Kongreß kritisiert hatte328, die Auffassung, die Forde­rungen nach allgemeiner Abrüstung und Schiedsgerichten enthüllten eine utopische, die ökonomische und politische Wirklichkeit nicht berücksichti­gende Politik der Parteimehrheit(329).

Tatsächlich sei der Kapitalismus aufgrund der ihm immanenten Gesetzmä­ßigkeiten gezwungen, zur Eroberung neuer Märkte das Wettrüsten voran­zutreiben(330), denn im gegenwärtigen Zeitalter des Finanzkapitals sei die überseeische Expansion notwendige Folge der Flucht des Kapitals vor der sich mindernden Profitrate in den Mutterländern331. Ebenso wie die Schutz­zollpolitik und die Unternehmerkartelle(332) sei auch das Wettrüsten not­wendiges Produkt der kapitalistischen Verhältnisse(333), so daß die herr­schenden Klassen der Aufforderung, die Rüstungen einzustellen, entgegnen müßten: »Es ginge wohl, aber es geht nicht! Gerade weil das Wettrüsten so viel Geld kostet und eine ungeheure Vergeudung von Produktivkräften darstellt, gerade deshalb ist es für den Kapitalismus unentbehrlich: denn der Kapitalismus bedarf der Vergeudung von Produktivkräften, weil er sonst in seinem eigenen Fette erstickt.«(334)

So führe die Flucht vor den unvermeidlichen Resultaten des kapitalisti­schen Wirtschaftssystems zum Versuch der Monopolisierung auswärtiger Märkte durch Schaffung von Kolonien, um dem fortschreitenden Konkur­renzkampf auf dem Weltmarkt zu entgehen(335), mit dem Resultat ständig wachsender Kriegsgefahr(336).

Der Imperialismus als Politik des krachenden Kapitalismus(337) erweise sich als »die einzig mögliche Weltpolitik« der gegenwärtigen Epoche, um dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu entgehen(338). Damit habe er aber selbst die Alternative des Alles oder Nichts geschaffen: »Sozialismus oder Wüten des imperialistischen Brandes«(339), so lautet die objektive Alternative der Wirklichkeit: »Will er nicht der freien Entwicklung der sozialen Kräfte, daß heißt dem Sozialismus Raum lassen, so muß er sich durch Syndikate, Trusts, Schutzzölle, Kolonien, daß heißt durch Imperialismus zu fesseln ver­suchen. Er schafft dabei Gegensätze, die ihn in der Luft sprengen können. Da er aber nicht zurück kann, so bleibt uns nur eines zu tun: durch den Kampf um Demokratie uns im Kampfe gegen den Imperialismus zu stärken und durch Agitation und Aktion gegen den Imperialismus uns für den Au­genblick vorzubereiten, in dem wir ihm, wenn er durch die Explosion zu Boden geworfen ist, das Genick brechen können.«(340)

Ausgehend von der Erkenntnis, daß der parlamentarische Weg der Machteroberung für das Proletariat nicht gangbar war, propagierten die Linksradikalen die Initiierung und Unterstützung von Massenaktionen des Proletariats gegen den Imperialismus. Angesichts ständiger Verschärfung der Klassengegensätze und eines steigenden Drucks auf die Arbeiterklasse in Gestalt hoher Steuern, wachsender Teuerung und ständiger Kriegsdro­hung bringe der Imperialismus breiteste Volkskreise in Bewegung. Durch Aufklärung über den Charakter des Imperialismus und Erfahrungen gemeinsamen Handelns ließen sich auch kleinbürgerliche Volksschichten mo­bilisieren und dazu bringen, sich den Massenaktionen des Proletariats ge­gen den Imperialismus anzuschließen(341), Massenaktionen, die erste Schrit­te, Etappen auf dem Wege zur sozialen Revolution seien(342). Jede erfolgrei­che Aktion, verbunden mit Agitation und revolutionärer Propaganda wür­de der Arbeiterklasse neues Selbstbewußtsein verleihen(343), so daß am Ende der Auseinandersetzungen »... das ganze Proletariat als organisierte, ein­sichtsvolle, zum Herrschen fähige Klasse«(344) die Macht ergreifen könne.

Damit waren bereits 1911 die wesentlichen Unterschiede in der Beurtei­lung des Imperialismus und der daraus gezogenen Konsequenzen für die Politik der Sozialdemokratie herausgearbeitet worden.

Kautskys Vorstellungen vom Imperialismus als einem systemwidrigen, noch im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft aufhebbaren Atavismus stand die Imperialismusauffassung der Linksradikalen vom krachenden, auf die kriegerischen Auseinandersetzung hintreibenden Kapitalismus ge-gegenüber, dem es statt der vom Zentrum propagierten Abrüstungspolitik und Parlamentsstrategie die revolutionären Massenaktionen des immer bewuß­ter werdenden Proletariats entgegenzusetzen galt(345).

Der von Rosa Luxemburg anläßlich der zweiten Marokkokrise im Som­mer 1911 unternommene Vorstoß gegen die Passivität des Parteivor­stands(346), der sich sogar bemühte, die Initiativen des I. S. B.-Sekretärs und der französischen Sozialisten für das Tätigwerden des I. S. B. in der Ma­rokkofrage zu verhindern(347), endete in einer scharfen Kontroverse mit Kautskys, ohne daß die starren Fronten aufgebrochen wurden und die Par­teiführung ihre fatalistische Passivität aufzugeben bereit war(348).

Nachdem es der Parteiführung gelang, die Linksradikalen und Rosa Lu­xemburg auf dem Parteitag in Jena 1911 zu isolieren(349), zogen sich die Lin­ken teilweise aus der Pressekontroverse zurück und begannen, sich, wie beispielsweise Rosa Luxemburg, auf die Erarbeitung ihrer Imperialismus­theorien zu konzentrieren(350).

Was sich im taktischen Verhalten einzelner Vertreter der Linken, wie Karski und K. Liebknecht bereits anläßlich der Abrüstungskontroverse of­fenbart hatte(351), der Differenzierungsprozeß innerhalb der ohnehin kleinen Gruppe der Parteilinken, trat jetzt noch deutlicher hervor in Gestalt unter­schiedlicher Imperialismustheorien.

Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang Karskis Versu­che, ausgehend von Hilferdings Analyse des Finanzkapitals zu einer theore­tischen Bestimmung des Imperialismus zu gelangen, die in vielen Punkten die Leninsche Imperialismustheorie vorwegnahm.

Bereits vor dem Erscheinen des Hilferdingschen Werks hatte sich Karski als wirtschaftspolitischer Redakteur der Leipziger Volkszeitung in Ausein­andersetzung mit Bernstein und den Revisionisten über deren These einer Demokratisierung des Kapitals durch Aktiengesellschaften(352) mit dem Pro­zeß der wachsenden Kapitalkonzentration und der Monopolbildung be­schäftigt. Er sah in den Aktiengesellschaften einen wesentlichen Bestandteil zur allgemeinen Monopolisierung der Wirtschaft, indem gerade in ihnen die Konzentration des Kapitals in schärfster Form in Erscheinung trete:

»Die Magnaten der Hochfinanz kommandieren nicht nur das eigene Ka­pital, sie kommandieren ebensogut das fremde Kapital der kleineren Aktio­näre. Mehr noch: sie sind tatsächlich Eigentümer des Löwenanteils jenes Kapitals, das uns in anonymer Form als Aktienkapital erscheint(353)

Hand ind Hand mit dem Konzentrationsprozeß in der Industrie vollziehe sich die Konzentration der Banken zu einigen wenigen Großbanken, die diese Industrie kommandierten(354). Durch diese Entwicklung werde »... aber die Gefahr von wirtschaftlichen Katastrophen riesig erhöht, denn eine solche Konzentration bedeutet nicht Aufhebung der Anarchie in der kapitalistischen Wirtschaft, sondern nur Auslieferung des ganzen Wirtschaftsgetriebes an den Willen einer kleinen Gruppe, deren Interessen natürlich nicht mit den Interes­sen der Allgemeinheit zusammen fallen, sondern ihnen in den meisten Fällen direkt zuwiderlaufen.«(355)

Aufgrund dieser Forschungsergebnisse erstaunt es nicht, daß Karski die Forschungsresultate Hilferdings bei deren Veröffentlichung im Finanzka­pital weitgehend als Bestätigung der eigenen Analysen begriff und sie sei­ner eigenen 1912 herausgegebenen Imperialismusschrift zugrundelegte(356).

Gleichwohl unterscheidet sich Karskis Analyse in einigen wenigen Punk­ten grundsätzlich von Hilferdings Werk.

Vor allem suchte er die Grundlagen des Imperialismus im Gegensatz zu Hilferdings nicht in der Zirkulationssphäre, im Reproduktionsprozeß des Kapitals, sondern in der Sphäre der Produktion(357), die in der neuen Periode der Welteroberung des Kapitals durch Veränderungen im inneren Aufbau der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse gekennzeich­net sei(358).

So beherrschen für Karski zwar — ebenso wie für Hilferding — die Großbanken das Wirtschaftsleben in wachsendem Maße und vereinigen sich mit den mächtigen Kartellen zum Finanzkapital(359), aber sie verändern nicht grundlegend den kapitalistischen Charakter der Produktion: »Alle Machtmittel, über die die Gesellschaft verfügt, werden vom Kapital zusam­mengefaßt. Es organisiert die Produktion in Kartellen und Trusts, vereinigt seine Macht in den Unternehmerverbänden, beherrscht mit seinen Organi­sationen die politischen Parteien wie die Regierungen und stellt die Staats­macht in den unbedingten Dienst seiner Ausbeutungsinteressen im Innern und seines Ausbeutungsbedürfnisses nach außen. So faßt das Kapital alle wirtschaftlichen Potenzen der heutigen Gesellschaft bewußt zusammen, aber nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern um den Grad der Ausbeu­tung der Gesellschaft auf eine bisher unerhörte Weise zu steigern(360)

Indem die Schutzzollpolitik die Kartellierung der Industrie treibhaus­mäßig vorangetrieben habe, so daß die monopolistischen Industrien nach Ausschaltung der ausländischen Konkurrenz in Höhe der Zölle indirek­te Steuern auf ihre Waren von der Bevölkerung erheben konnten(361), sei durch die enorme Steigerung der Produktion eine gewaltige »... Reich­tumsansammlung in den Händen des konzentrierten Großkapitals, der Kartelle und Trusts«(362) vor sich gegangen, für deren Produktionsmittel und Waren der nationale Markt zu eng sei, da das Kapital ständig danach stre­be, »... die Arbeiter auf das zur Erhaltung ihres Lebens Notwendige zu be­schränken.«(363)

Die Resultate dieses Prozesses, Überproduktion und in der Folge Krise resultieren damit für Karski aus bestimmten, dem Kapital immanenten Wi­dersprüchen. Sie werden für ihn im Gegensatz zu Hilferding nicht durch die Kartelle beseitigt oder abgeschwächt sondern im Gegenteil verschärft(364).

Um hohe Profite zu realisieren, seien die Kapitale infolge der gewaltigen Produktionssteigerungen und der daraus resultierenden hohen organischen Zusammensetzung des Kapitals zur Kompensation der niedrigen allgemeinen Profitrate gezwungen, Kapitalexport zu betreiben(365), also neben neuen Märkten und Absatzgebieten auch neue Ausbeutungsgebiete jenseits der ei­genen nationalen Grenzen zu erschließen(366). So stehe im Mittelpunkt der neuen Kapitalexpansion anstelle des Warenexports in zunehmenden Maße der Kapitalexport, die Errichtung neuer Produktionsstätten im Ausland durch das eigene Industriekapital und die hiermit verbundene Umwälzung der ursprünglichen Produktionsstrukturen in den neu erschlossenen Gebie­ten(367).

Damit resultiert für Karski der Kapitalexport aus den immanenten Geset­zen der kapitalistischen Produktionsweise, ist Ergebnis widersprüchlicher Kapitalbewegung, der Akkumulation und dem daraus sich ergebenden Fall der allgemeinenProfitrate einerseits und der Tendenz des Kapitals, die Kon­sumtion der Arbeitermassen im Inland durch niedrige Löhne auf das Nö­tigste zu beschränken andererseits(368).

Die Kriegsgefahr ergibt sich für ihn aus der besonderen Situation auf dem Weltmarkt. Da sich die meisten Industriestaaten durch ihre Schutz­zollpolitik gegenseitig aus dem Weltmarkt auszusperren versuchten, nehme die kapitalistische Expansionspolitik zwangsweise die Form kolonialer Er­oberungspolitik an(369), in der alle danach strebten, sich einen möglichst großen Teil des Weltmarktes anzueignen(370).

Dem wachsenden Interessengegensatz zwischen den kapitalistischen Staaten, der geschürt werde durch die mit der Expansionspolitik einherge­hende Verherrlichung von Gewalt und Krieg(371), entspreche die neue Saat der Gewalt, die die Kolonialeroberung mit sich bringe: »Der Kapitalismus dringt immer tiefer ein in die alten Agrarstaaten des Orients, er zersetzt al­le alten sozialen Verhältnisse, schafft eine moderne bürgerliche Klasse, und diese wird die Trägerin revolutionärer Umgestaltungen, sei es, daß diese sich wie in Japan, der Türkei, Persien und China gegen die alte Staats­macht richtet, sei es, daß sie wie in Indien oder Ägypten als nationale Bewe­gung gegen die Fremdherrschaft auftritt... Bei den tiefen Gegensätzen in­nerhalb der kapitalistischen Welt bilden diese revolutionären Staaten so neue Krisenherde, verschärfen die Kriegsgefahr oder führen selbst zu gro­ßen Kriegen.«(372)

Gleichwohl räumte Karski dem sozialdemokratischen Kampf für die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa Chancen ein, da die Furcht vor der sozialen Revolution im Moment des Krieges die imperialistischen Staa­ten bisher von der Entfesselung eines Krieges in Europa abgehalten habe(373).

Korrespondierend hierzu maß er auch den Forderungen nach Rüstungs­beschränkung eine wichtige Funktion im Gesamtzusammenhang der sozial­demokratischen Agitation bei: einerseits weil die Kapitalisten zwar den Mi­litarismus, die Armee als Waffe gegen das Proletariat benötigten, nicht aber eine schrankenlose Ausdehnung der Kriegsmacht, da eine zeitweilige Verständigung der internationalen Bourgeoisie über ihre Raubpolitik — wie im Fall der Aufteilung Chinas — durchaus möglich sei, zum anderen, weil die nationalistische Kriegshetze ein Haupthindernis der sozialdemokrati­schen Propaganda sei(374) und die Sozialdemokratie in Deutschland noch zu­nächst das Erbe der demokratischen Revolution zu verwirklichen habe, nämlich im Kampf gegen Junkertum und Kapitalmagnaten, Militarismus und Rüstungswahnsinn zunächst im demokratischen Kampf »... die Sache des gesamten werktätigen Volkes« zu vertreten habe(375). Daß dieser Kampf für bürgerlich-demokratische Freiheiten zugleich ein Schritt im Kampf für den Sozialismus war(376), verdeutlicht Karskis Antwort auf die Frage, was die Sozialdemokratie tun müsse, wenn sie den Kriegsausbruch nicht verhindern könnte: »Aus diesem entsetzlichen Chaos gäbe es nur ein Entrinnen: die so­ziale Revolution, die Diktatur des Proletariats. Diese Diktatur würde den Frieden herstellen, würde alle verfügbaren Kräfte mobilisieren, nicht für die Menschenschlächterei, sondern für das soziale Wohl.«(377)

So propagierte Karski Abrüstung und parlamentarische Initiativen eben­so wie Massenaktionen gegen die Kriegsgefahr(378) und nahm damit — ähnlich wie Karl Liebknecht — eine mittlere Position zwischen der radikalen Hal­tung der Linksradikalen und der Parlamentsstrategie des Zentrums ein, durch die ihm bis zu seinem Bruch mit Kautsky im Frühjahr 1912(379) der Publi­kationsapparat der Partei noch zur Verfügung stand(380).

Daß er seine antiimperialistische Politik immer als Bestandteil der revolutionären Überwindung des Kapitalismus begriff, verdeutlichte er noch einmal im Frühjahr 1912, wo er im Gegensatz zur sozialdemokrati­schen Parlamentsfraktion und der Parteimehrheit festhielt, daß es im Kampf gegen Imperialismus, Militarismus und Kriegsgefahr nicht darum gehen könne, den existierenden Staat zu demokratisieren, in ihn hineinzu­wachsen, sondern nur um das eine: »Vernichtung des kapitalistischen Staa­tes, Sozialismus.«(381)

Karskis Versuch, Hilferdings Analyse im Sinne einer revolutionären Im­perialismustheorie weiterzuentwickeln, kommt trotz des bruckstückhaften Charakters, den seine Imperialismusdeutung noch besaß — insbesondere weil er die Notwendigkeit der Kapitalexpansion nicht im einzelnen aus den Ge­setzen der Akkumulation ableitete — der späteren Imperialismusanalyse Le­nins sehr nahe(382), da er wie dieser die Ursachen des Imperialismus im Be­reich der kapitalistischen Produktion und ihrer Widersprüche aufzufinden suchte(383) und die Möglichkeit einer harmonischen Entwicklung des Kapita­lismus ausschloß(384).

Die Ursache dafür, daß sich Karski nach der Veröffentlichung von Rosa Luxemburgs »Akkumulation des Kapitals« zusammen mit Mehring als einziger hinter deren Analyse stellte(385), obwohl sie — wie Hilferding — vom Reproduktionsprozeß des Kapitals ausgehend den Imperialismus abzulei­ten versuchte, ist sicher nicht ausschließlich auf die Solidarität zurückzu­führen, die Luxemburg, Mehring und Karski miteinander in den letzten Jahren vor dem Krieg verband, sondern auch auf die bei Karski, ebenso wie bei den anderen Theoretikern der Internationale existierende mangelnde Klarheit über die systematischen Bestimmungen im Marxschen Kapital(386), die eine Vermittlung von Akkumulationsbewegung und Reproduktion des Kapitals nicht ermöglichte(387).

Rosa Luxemburgs »Akkumulation des Kapitals« — Die »Weiterentwicklung« des Marxismus als Revolutionstheorie

Die Grundlage des im Jahre 1912 entstandenen ökonomischen Hauptwerks von Rosa Luxemburg bildete der zweite Band des Marxschen Kapital, anhand dessen sie sich bemühte, »... den Gesamtprozeß der kapitalisti­schen Produktion in ihren konkreten Beziehungen sowie ihre objektive ge­schichtliche Schranke mit genügender Klarheit darzustellen.«(388)

Das Ziel der Analyse, die ökonomische Ableitung des Imperialismus aus den Gesetzen der kapitalistischen Produktionsweise glaubte Rosa Luxem­burg angesichts der in der deutschen Partei immer verbreiteteren Ablehnung des Zusammenbruchsgedankens und einer wachsenden neohar­monischen Interpretation der Marxschen Theorie — wie beispielsweise hin­sichtlich der Krisen der Reproduktionsschemata bei Rudolf Hilferding und Otto Bauer(389) — nur dadurch verwirklichen zu können, daß sie der dem Kapital immanenten Zusammenbruchstendenz über Marx hinausgehend gesetzmäßigen Zwangscharakter verlieh, um so die Notwendigkeit der proletarischen Revolution auch ökonomisch nachzuweisen(390).

»Und tatsächlich führt die Entwicklung des Kapitalismus selbst bei nähe­rem Zusehen zu seinem eigenen Untergang und über ihn hinaus ... Dazu brauchen wir die eigenen inneren Gesetze der Kapitalherrschaft nur in ihrer weiteren Wirkung zu verfolgen. Sie sind es selbst, die sich auf einer gewis­sen Höhe der Entwicklung gegen alle Grundbedingungen kehren, ohne die die menschliche Gesellschaft nicht bestehen kann.«(391)

So glaubte sie, die Notwendigkeit des kapitalistischen Zusammenbruchs anhand der Gegenüberstellung von den Bedingungen allgemeiner gesell­schaftlicher Reproduktionen und den Gesetzen kapitalistischer Repro­duktion nachweisen zu können(392), indem sie unter Zuhilfenahme der Marx­schen Reproduktionsschemata aufzeigte, daß in einem geschlossenen kapitalistischen System Kapitalakkumulation unmöglich sei.

Zwar führe die Vereinigung von Wert- und Sachform bei der Betrach­tung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals dazu, daß die Bestimmungen der einfachen Reproduktion nur in Wertverhältnissen ausdrücken, »... was Grundlage nicht nur der kapitalistischen Reproduktion, sondern der Reproduktion jeder Gesellschaft«(393) sei, aber sobald man die Akkumulation als realen Faktor der Reproduktion betrachte, es also um die erweiterte Reproduktion gehe, sei »... ausgeschlossen, daß die Arbeiter und Kapita­listen selbst das Gesamtprodukt realisieren können. Sie können stets nur das variable Kapital, den verbrauchten Teil des konstanten Kapitals und den konsumierten Teil des Mehrwerts selbst realisieren, auf diese Weise aber nur die Bedingungen für die Erneuerung der Produktion in früherem Um­fang sichern. Der zu kapitalisierende Teil des Mehrwerts hingegen kann un­möglich von den Arbeitern und Kapitalisten selbst realisiert werden. Die Realisierung des Mehrwerts zu Zwecken der Akkumulation ist also in einer Gesellschaft, die nur aus Arbeitern und Kapitalisten besteht, eine unlösbare Aufgabe.«(394)

Indem sie auf die in den Reproduktionsschemata entwickelte Bewegung von Wert- und Stoffersatz zwischen den beiden Abteilungen der gesell­schaftliche Produktion gar nicht eingeht(395), sondern mit der Frage nach der Realisation eine äußerliche Bestimmung an die Darstellung der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals bei Marx heranträgt(396), kommt sie zu dem Schluß, die Reproduktionsschemata könnten den Prozeß der Kapi­talakkumulation nicht erklären.

Die in ihnen getroffene Voraussetzung, daß Kapitalisten und Arbeiter die einzigen Repräsentanten der gesellschaftlichen Konsumtion seien, ent­spräche nicht der Wirklichkeit. Eine sich selbst genügende kapitalistische Gesellschaft mit ausschließender Herrschaft der kapitalistischen Pro­duktion habe es bisher nie gegeben(397). Die kapitalistische Produktions­weise setze notwendigerweise das Vorhandensein nichtkapitalistischer Schichten innerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs(398) und nichtkapi­talistischer Räume in der Weltwirtschaft voraus(399), damit der Akkumu­lationsprozeß überhaupt fortgesetzt werden könne: »Der Akkumula­tionsprozeß des Kapitals ist durch alle seine Wertbeziehungen und Sachbe­ziehungen: konstantes Kapital, variables Kapital und Mehrwert an nichtka­pitalistische Produktionsformen gebunden. Letztere bilden das gegebene historische Milieu jenes Prozesses. Die Kapitalakkumulation kann so wenig unter der Voraussetzung ausschließlicher und absoluter Herrschaft der kapi­talistischen Produktionsweise dargestellt werden, daß sie vielmehr ohne das nichtkapitalistische Milieu in jeder Hinsicht undenkbar ist.«(400)

In seinem Evolutionsprozeß habe das Kapital drei Phasen zu durchlau­fen, die sich in der historischen Entwicklung als Kampf mit der Natural­wirtschaft, der Warenwirtschaft und schließlich als »... Konkurrenzkampf des Kapitals auf der Weltbühne um die Reste der Akkumulationsbedingun­gen« erwiesen hätten(401).

Da der Akkumulationsprozeß mit unerbittlicher Konsequenz danach strebe, die kapitalistische Produktion als einzige und ausschließliche Pro­duktionsweise in sämtlichen Ländern und Produktionszweigen zur absolu­ten Herrschaft zu bringen, treibe das Kapital seiner objektiven historischen Schranke entgegen: »Das Endresultat einmal erreicht — was jedoch nur theoretische Konstruktion bleibt —, wird die Akkumulation zur Unmöglich­keit: die Realisierung und Kapitalisierung des Mehrwerts verwandelt sich in eine unlösbare Aufgabe. In dem Moment, wo das Marxsche Schema der erweiterten Reproduktion der Wirklichkeit entspricht, zeigt es den Aus­gang, die historische Schranke der Akkumulationsbewegung an, also das Ende der kapitalistischen Produktion. Die Unmöglichkeit der Akku­mulation bedeutet kapitalistisch die Unmöglichkeit der weiteren Entfal­tung der Produktivkräfte und damit die objektive geschichtliche Not­wendigkeit des Untergangs des Kapitalismus. Daraus ergibt sich die wider­spruchsvolle Bewegung der letzten, imperialistischen Phase als der Schluß­periode in der geschichtlichen Laufbahn des Kapitals.«(402)

Spezifische Operationsmethoden des Kapitalismus in dieser letzten Phase der Weltkonkurrenz — gekennzeichnet durch die Industrialisierung der bis­her noch unterentwickelten Länder und Regionen — seien auswärtige Anlei­hen, Eisenbahnbauten, Revolutionen und Kriege(403).

So erweise sich der Imperialismus als»... der politische Ausdruck des Pro­zesses der Kapitalakkumulation in ihrem Konkurrenzkampf um die Reste des noch nicht mit Beschlag belegten nichtkapitalistischen Weltmilieus.«(404)

Der Militarismus als Begleiter der Akkumulation initiiere hierbei einen doppelten Prozeß. Je energischer er als Instrument eingesetzt werde, um die Arbeitskräfte und Produktionsmittel nichtkapitalistischer Regionen dem Kapital unterzuordnen und zu assimilieren, desto gewaltiger trage er durch die Abwälzung seiner Kosten auf die breite Masse der Bevölkerung zur Zersetzung der nichtkapitalistischen Schichten und zur Reduzierung der Kaufkraft der Arbeiterklasse im kapitalistischen Mutterland bei. Von außen und innen müßten daher die Bedingungen der Akkumulation auf einer gewissen Höhe der Entwicklung in Bedingungen des Untergangs für das Kapital umschlagen und die revolutionäre Umwälzung durch das Pro­letariat einleiten:

»Je gewalttätiger das Kapital vermittelst des Militarismus draußen in der Welt wie bei sich daheim mit der Existenz nichtkapitalistischer Schichten aufräumt und die Existenzbedingungen aller arbeitenden Schichten herab­drückt, um so mehr verwandelt sich die Tagesgeschichte der Kapitalak­kumulation auf der Weltbühne in eine fortlaufende Kette politischer und sozialer Katastrophen und Konvulsionen, die zusammen mit den perio­dischen wirtschaftlichen Katastrophen in Gestalt der Krisen die Fortset­zung der Akkumulation zur Unmöglichkeit, die Rebellion der internatio­nalen Arbeiterklasse gegen die Kapitalherrschaft zur Notwendigkeit ma­chen werden, selbst ehe sie noch ökonomisch auf ihre natürliche selbstge­schaffene Schranke gestoßen ist.«(405)

Mit dieser eigenwilligen Deutung des Imperialismus, die den Zusammen­hang des Marxschen Theoriegebäudes verwarf, um den Kern seiner Theorie, den Zusammenbruchsgedanken und die Revolutionstheorie zu retten und hervorzuheben, bot Rosa Luxemburg ihren politischen Gegnern in der Sozialdemokratie zahlreiche Ansätze der Kritik, vor allem deshalb, weil sie letztlich für deren harmonische Auslegung der Reproduktionssche­mata das Marxsche Werk selbst mit verantwortlich machte(406).

Der festen Überzeugung, daß sich aus den Schemata der erweiterten Re­produktion im Kapital tatsächlich die Möglichkeit einer schrankenlosen Akkumulation ad infinitum, im Kreise ganz im Sinne der Interpretation Tugan Baranowskys(407) und Hilferdings ergebe(408), glaubte sie die Gesetz­mäßigkeiten der Akkumulation retten zu müssen, indem sie praktisch in Ergänzung des siebten Abschnitts des Kapitals (Band l)(409) unter Berück­sichtigung des ihrer Ansicht nach ungelösten Problems der erweiterten Reproduktion und der im dritten Band des Kapitals skizzierten Krisen­problematik, einen weiteren Entwicklungsabschnitt der bürgerlichen Ge­sellschaft entwarf(410).

Wie zu erwarten, stieß ihre Ableitung des Imperialismus bei den partei­offiziellen Marxismus-Interpreten des Zentrums, zu denen sich neben Hil­ferding inzwischen die Austromarxisten Fritz Eckstein und Otto Bauer ge­sellt hatten, auf prinzipielle Ablehnung(411).

Die Neoharmoniker — allen voran Otto Bauer —- versuchten ihrerseits die von Marx entwickelten notwendigen Bedingungen der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals — ganz wie zuvor Rosa Luxemburg — als exakte Darstellung des wirklichen Verlaufs kapitalistischer Reproduktion zu interpretieren(412) und eigene, scheinbar der kapitalistischen Wirklichkeit entsprechende Schemata zu entwerfen, wobei sie glaubten, mit einem Kunst­griff die von Marx entwickelte notwendige Disproportionalität zwischen den beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion im Fall fort­schreitender Akkumulation für den Nachweis einer möglichen unbegrenz­ten Entwicklung des Kapitalismus ausnutzen zu können.

So fällt beispielsweise im Bauerschen Schema die bei Marx unterstellte notwendige Voraussetzung für die Kontinuität der gesellschaftlichen Re­produktion, der wechselseitige Austausch der respektiven Produkte zwi­schen Abteilung I und Abteilung II, der sich bei erweiterter Reproduktion als Disproportionalität, Überproduktion in Abteilung II erweist, einfach unter den Tisch. Stattdessen läßt er die Produzenten in Abteilung II, in der bei fortschreitender Akkumulation ständig ein Warenüberschuß existiert, gerade diesen Überschuß in Geld einfach in Abteilung I investieren, damit deren Produzenten im folgenden Jahr der Reproduktion dann den realen Wert aus Abteilung II abnehmen könnten(413).

Auf diese Weise bestehe die Möglichkeit, daß beide Abteilungen wachsen und akkumulieren, ohne daß jemals eine Diskrepanz im Wert der von ihnen auszutauschenden Produkte entstünde(414).

Bauer hatte damit die Schrankenlosigkeit der Akkumulation aus den Re­produktionsschemata entwickelt, deren Begrenzung er nur in den perio­disch wiederkehrenden Krisen sah, die die Akkumulation immer wieder in die jeweils bestimmten Grenzen der Proportionalität zurückführten(415).

Bauers Fehler, den die meisten Luxemburg-Kritiker der II. Interna­tionale nach vollzogen, liegt darin, daß er völlig die von Marx beim Ent­wurf der Reproduktionsschemata getroffene Unterstellung übersieht, daß sich die Produkte Stoff- und wertmäßig auszutauschen haben, eine will­kürliche Verwandlung in Geld bzw. wechselseitige Benutzung als Pro­duktionsmittel und Konsumtionsmittel, Übertragung in sachlicher Form oder Geldform von vornherein durch Marx ausgeschlossen worden war(416).

Wie sehr die neoharmonische Interpretation der Reproduktionsschemata fast alle Theoretiker der II. Internationale beherrschte, offenbarte die Hal­tung der meisten Linken in der deutschen Sozialdemokratie, die sich mit Ausnahme von Karski und Mehring(417) der Kritik Bauers an Rosa Luxem­burgs Interpretation der Marxschen Reproduktionsschemata anschlössen(418).

Auch Lenin, den Rosa Luxemburg in ihrem Werk explizit kritisiert hat­te(419), begrüßte die allgemeine Ablehnung von Rosa Luxemburgs Buch.

Ähnlich wie nun Bauer hatte er bereits in der Vergangenheit hervorgeho­ben, daß »... die Frage des äußeren Marktes absolut nichts mit der Frage der Realisation gemein« habe(420) und glaubte jetzt in der Argumentation der Neoharmoniker seine eigene Kritik an den Volkstümlern wiederzufinden(421).

Tatsächlich hatte er aber, ausgehend von der Marxschen Voraussetzung von Wert- und Stoffersatz bei der Darstellung des Austauschs zwischen den beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion festgehalten, daß Abteilung I gegenüber Abteilung II im Falle der erweiterten Reproduktion rascher wachsen müsse, wobei er allerdings zur Begründung die Gesetze der Kapitalakkumulation heranzog(422), um so — wie alle anderen Interpreten — die Reproduktionsschemata unmittelbar als Erklärungsgrundlage für die kapitalistische Reproduktion benutzen zu können(423).

Allgemein gab Pannekoek mit seiner grundsätzlichen Kritik auch die Haltung Lenins wieder, wenn er konstatierte, daß Rosa Luxemburgs Werk die Ursachen der gegenwärtigen Expansion nicht erfasse. Der Imperialis­mus finde »... seine ökonomische Erklärung nicht in der Notwendigkeit neuer Absatzmärkte, nicht im Interesse des Warenabsatzes, sondern in dem Kapitalexport.«(424)

Das Gros der Linken hatte sich damit den Hilferdingschen Begründungs­zusammenhang des Imperialismus zu eigen gemacht, daß der Kapitalexport als Instrument zur Kompensation der fallenden Profitrate im kapitalisti­schen Mutterland, die wesentliche Triebkraft der Expansionspolitik bil­de(425).

Aber im Gegensatz zur attentistischen Haltung des Parteizentrums zogen die Linksradikalen in Deutschland revolutionäre Konsequenzen und leite­ten wie Radek die politische Notwendigkeit internationaler Konflikte aus der ökonomischen Notwendigkeit des Kapitalexports ab und setzten sich für eine internationale Mobilisierung des Proletariats gegen den Imperialis­mus ein(426), dem es — falls eine Verhinderung des Kriegsausbruchs in Euro­pa nicht gelänge — der Krieg ermögliche, die kapitalistische Zwangsherr­schaft zu beseitigen(427).

Damit trat der ökonomische Zusammenbruchsgedanke bei den Linksra­dikalen zurück gegenüber der politischen Mobilisierung der Massen zu fortschreitenden antikapitalistischen Aktionen mit dem Ziel, im entschei­denden Moment des politischen Zusammenbruchs — wie im Falle des Kriegs — die Herrschaft zu ergreifen.

Daß Rosa Luxemburg gleichwohl mit ihrer eigenen Marx revidierenden Zusammenbruchstheorie den entscheidenden Kern der revisionistischen Theorie des Austromarxismus getroffen hatte, die sich auch in der reformi­stischen Haltung seiner wichtigsten Vertreter niederschlug und die Georg Lukacs so treffend als wirtschaftliche und ideologische Kapitulation vor dem Kapitalismus bezeichnete(428), offenbarte Otto Bauers Bericht über »Die Teuerung«(429), den dieser für den Wiener Kongreß der Internationale vor­bereitet hatte.

Ausgehend von einer Analyse der Preisbewegung in der »Großen De­pression« und der Konjukturphase seit 1896, die er als Ausdruck der Dyna­mik des Kapitalismus begreift, schließt er auf eine ununterbrochene wirt­schaftliche Weiterentwicklung, da die Preise auch 1914 noch steigende Ten­denz aufwiesen(430). Zwar verschärfen sich nach Bauers Auffassung die Klas­sengegensätze, da die Teuerung die Lebenshaltung der Volksmassen ver­schlechtert habe und weiter verschlechtere(431), aber nicht mehr die ökonomi­sche Krise schafft die Voraussetzungen für die Ergreifung der Macht durch das Proletariat, sondern die politische Krise eines wirtschaftlich fortschrei­tenden, prosperierenden Kapitalismus, dessen Vergesellschaftungstenden­zen auf seine Überwindung verweisen(432).

Wie sehr Bauers Kapitalismusanalyse, die im wesentlichen dem Argu­mentationsgang in Hilferdings Finanzkapital folgte, die Grundgedanken der meisten Vertreter der II. Internationale widerspiegelte, dokumentieren die Kongreßberichte von Hugo Haase und dem Holländer Vliegen(433), deren Inhalt an Bauers Bild eines fortschreitenden Kapitalismus anknüpfte und dieses mit Kautskys Imperialismusdeutung verband.

Konnte der Kapitalismus seine ökonomischen Widersprüche von sich aus selbständig lösen, so mußte er letzlich auch in der Lage sein, die Ursachen der von ihm ständig heraufbeschworenen Kriegsgefahr zu beseitigen, zumal auf kapitalistischer Seite wirkliche, greifbare Interessen, die einen Krieg rechtfertigen könnten, fehlten(434). So war die von Vliegen erhobene Forde­rung nur konsequent, »... die Friedensbewegungen im eignen Lande der­maßen zu unterstützen, daß ihr Einfluß auf die Regierung möglichst groß sei. Der Gegensatz: hier das friedfertige Proletariat, dort das kriegerische Bürgertum muß sowieso fallengelassen werden, indem es falsch ist, daß die nichtproletarischen Klassen im ganzen von irgendwelchem Krieg Nutzen ha­ben sollten.«(435)

Vom ehedem antikapitalistischen Kampf war in diesen Entwürfen nichts mehr zu finden. Das Urteil, das Lukäcs über die Theoretiker des Austro­marxismus fällte, galt auch für die letzten theoretischen Dokumente der II. Internationale vor dem Krieg und deren Verfasser: Sie waren nur noch »ideologische und wirtschaftliche Anhängsel des Ka­pitalismus.«(436)

Anmerkungen

169) vgl. R. Luxemburg, Vorwort zu dies., Die Akkumulation . . ., a.a.O.,o.S. und R. Hilferding, Vorwort zu ders., Das Finanzkapital, a.a.O., S. 18-19.
170) Ebenda, S. 17.
171) vgl. R. Luxemburg, Vorwort . . ., a.a.O.; Hilferding spricht es nicht explizit.aus, obwohl dieser Zusammenhang auch für ihn Gültigkeit besitzt, vgl. unten, Kap. 6. Rudolf Hilferdings...
172) vgl. D. Groh, Negative ..., a.a.O., S. 249-258, 289-304.
173) vgl. P. Louis, La colonisation sous la Troisieme Republique, in: La Revue Socialiste 25, 1897, 1, S. 24-38, 155-173, ders., La politique exterieure de la Troisieme Republique (1891-1897), in: La Revue Socialiste 26, 1897,2, S. 129-153, ders., L'eveil industriel et commercial de l'Extreme Orient, in: La Revue Socialiste 25,1897,1,572-594.
174) vgl. ders., Le colonialisme, a.a.O.
175) vgl. ders., Le socialisme et l'expansion coloniale contemporaine, in: La Revue So­cialiste 29,1899,1,S. 554.
176)  vgl. ders., La colonisation . . ., a.a.O., ders., La crise Sud-Africaine, in: La Revue Socialiste 30,1899,2, S. 541-547, ders., L'Imperialisme Anglo-Saxon, in: La Revue Socialiste 29,1899,1, S. 257-274 sowie die umfangreiche empirische Studie La Guerre Economique, a.a.O., S. 335-347.
177) vgl. ebenda S. 335, sowie ders., La crise..., a.a.O., S. 543.
178) vgl. ders., La Guerre..., a.a.O., S. 335-336.
179) vgl. ders., La crise . . ., a.a.O., S. 543: »La guerre anglotransvaalienne n'est qu'un episode, plus ou moins interessant,dela lutte internationalepermanente, qu'entretiennent les appetits commerciauxdechainesparlasurproductionetranarchieindustrielle.«Ähnlich auch ders., Le Socialisme ..., a.a.O., S. 559-561: »La colonisation sort de l'infrastructure du Systeme contemporain. La classe capitaliste au pouvoir, aux Etats-Unis comme en France, en Angleterre comme en Italie, ne peut perpeteur sa domination que par la cfoissance meme de son industrie et e ses Behanges. En une etude publiee par la Revue Socialiste, au mois de mars, nous montrions que la ddcadence commerciale des neuf der-nieres annees suspend la ruine sur la feodalite bourgeoise de la Grande-Bretagne. Plus la coneurrence s'intensifie sur toute la surface du globe, plus les puissancesproduetrices re-cemment entrees en lice multiplient leurs ressources et leurs conquetes, plus la nöcessite de marches nouveaux apparait urgente,vitale,aux vieilles nations... Les memeshommes qui ont impose ä l'Amerique le protectionisme ecrasant de Mac-Kinley et de Dingley, l'ont poussee ä l'expansion au dehors, afin de placer dans des annexes ä forte densite le trop-plein de leurs magasins. Ainsi, en tous pays, la colonisation n'est autre chose que la soupape de sürete de l'inevitable surproduetion capitaliste.«
180) vgl. ders., L'Imperialisme Anglo-Saxon, a.a.O., S. 265-269; Louis zeigt den Zwang zur Kolonialexpansion und zum Kapitalexport anhang des Niedergangs der englischen Handelsbilanz im Vergleich zu den anderen kapitalistischen Staaten, vgl. ebenda, S. 265-267, zusammenfassend auch H. W. Kettenbach, a.a.O., S. 204-205,der Louis' Imperialismusauf­fassung nur anhand dieses Artikels wiederzugeben versucht und so zu verkürzten Argumen-tations7usammenhiingen kommt.
181) vgl. P. Louis, Die Kolonialpolitik Frankreichs und der Sozialismus, in: NZ 18, 2, 1899-1900, S. 683.
182) vgl. ebenda, S. 679-680.
183) vgl. ders., Lepartage de la Chine, in: La Revue Socialiste 27,1898,1, S. 391.
184) Louis verweist hier vor allem auf die Entwicklung in England, wo es lange Zeit gelang, die Arbeiter durch Stabilisierung der Gehälter auf die Seite der Kapitalisten zu ziehen, vgl. ders., Le Socialisme..., a.a.O., S. 560.
185) Ebenda; ähnlich auch ders., L'Imperialisme Anglo-Saxon, a.a.O., S. 272-273. Louis knüpft hier an die These von Marx und Engels ganz ähnlich wie später Lenin 1907 im Aus­gangspunkt seiner Arbeiteraristokratiethese an, vgl. oben,Fußn. 99.
186) vgJ.P. Louis, L'Imperialisme Anglo-Saxon, a.a.O., S. 273.
187) vgl. entsprechende Prognosen für die Entwicklung Chinas und Japans, ders., Le partage ..., a.a.O.,S. 393-395.
188) vgl. Louis' Beurteilung der Erschließung Chinas, die durchaus den Einschätzungen von Parvus ähnelt. Auch seiner Ansicht nach bringt die Erschließung Chinas zunächst eine Erleichterung. »Mais ce ne sera lä qu'un Stade relativementcourt. Une premiere atteinte sera portee ä la prosperite renouvelee de l'industrie americano-europeenne par la con­eurrence qui s'exaspdrera sans treve entre toutes les puissances. Au für et ä mesure que les besoins de la Chine s'aecroitront, les rivalites s'öleveront plus apres, plus fievrieuses, et la baisse des prix, que susciteront ä coup sür les perpeties du trafic d'une contree aussi populeuse viendra frapper cruellement les usines de produetion des vieux Etats. L'entree des provinces du Fils du Ciel dans le cycle industriel constituera alors une catastrophe sans pröeödents.« Ders., Le partage ..., a.a.O., S. 393.
189) vgl. ders., Le Socialisme ..., a.a.O., S. 560.
190) vgl. ders., La crise..., a.a.O., S. 545-547; Louis schließt mit den Sätzen: »Ce siecle de fer s'ouvre sur un autre siecle de fer oü eclateront des guerres aupres desquelles Celles du passe ne seront rien. A quand le grand conflit entre la Grande-Bretagne et l'Empire Ger-manique? Que le socialisme se häte d'accomplir son ceuvre de dissolution et de recon-struetion.« Ebenda, S. 547.
191) vgl. ausführlich ders., Le Colonialisme, a.a.O., S. 35-46.
192) vgl. ebenda, S. 41.
193) vgl. ders., Pourquoi l'on colonise, in: Revue Blanche vom 1.2.1901, abgedruckt bei Ch.-R. Ageron, L'Anticolonialisme . . ., a.a.O., S. 77, vgl. auch P. Louis, Die Kolonial­politik ..., a.a.O., S. 683.
194) Ebenda, vgl. auch ders., Pourquoi..., a.a.O., S. 78, ders., Le Socialisme..., a.a.O., S. 563.
195) vgl. ders., Le Colonialisme, a.a.O., S. 34: »Le colonialisme est la derniere carte du capitalisme: or, - et la consequence est decisive pour la bourgeoisie, - le colonialisme aboutit finalement ä repandre le capitalisme sur toute la surface des terres, c'est ä dire ä surexciter la coneurrence, et la surproduetion, c'est ä dire aussi ä supprimer les garanties qu'il semblait contenir, et ä porter ä l'extreme le peril qu'il devait ecarter ou attenuer.«
196) Ders., Essai sur rimperialisme, in: Mercure de France 15,1904,50,S. 114;Leninhat den vorliegenden Aufsatz im Rahmen seinerVorbereitungen für die Imperialismusschrift »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus« exzerpiert, vgl. ders., Hefte zum Imperialismus, a.a.O., in: LW 39, S. 240-242; eine ähnliche Bemerkung von Louis befindet sich auch noch in dessen Aufsatz, Les Bases de rimperialisme, in: La Renaissance Latine 2,1903, S. 675: »L'imperialisme... inaugure un Stade nouveau de l'histoire univer­selle. II est l'expression derniere, nette, puissamment delimit^e, de la tendance des peuples ä la plus grande agglomeration.«
197) vgl. ders., Essai..., a.a.O., S. 100.
198) vgl. ders., Le Colonialisme, a.a.O., S. 7: »Le colonialisme, issu du mecanisme capi-
taliste, dechafne' par les convoitises et par les besoins pressants des possddants, häte
l'effondrement de la societe actuelle,exaspere et universalise les conflits sociaux.«
199) vgl. ebenda, S. 110; zusammenfassend auch F. Bedarida, a.a.O., S. 30, R. Thomas, La politique socialiste et le Probleme colonial de 1905 ä 1920, in: Revue Francaise d'Histoire d'Outre-Mer 47, 1960, S. 216, 219-220, Ch.-R. Ageron, L'Anticolonialisme . . ., a.a.O., S. 22-23.
200) Herausgeber der von Ende 1907 bis 1913 wöchentlich in Paris erscheinenden Zeitung war Jules Guesde. Als Autoren wirkten neben Guesde vor allem Bracke, Charles Bonnier, Charles Dumas und Charles Rappoport, aber auch Pannekoek und Christian Racovski veröffentlichten Artikel in diesem Organ der Linken.
201) vgl. exemplarisch Bracke, Politique Coloniale, in: Le Socialisme vom 5.4.1908 und Ch. Rappoport, Le Banditisme Colonial, in: Le Socialisme vom 29.3.1908.
202) vgl. R. Thomas, a.a.O., S. 222; so schrieb beispielsweise Bracke, das 20. Jahrhundert sei der Beginn der Periode von Krieg und Revolution, zit. ebenda, S. 239.
203) vgl. Ch. Rappoport, Le Banditisme..., a.a.O.: »Tous, tant que vousetes, reactionaires republicains et republicains reactionaires et meme socialistes dits independants, vousavez tous vote la guerre contre les patriotes marocains defendants l'independance de leur sol contre le conquerant etranger. Vous vous etes faits les complices de l'assassinat des innocents .. . Ce n'est donc pas seulement pour nous un devoir d'humanite de protester de toutes nos forces, contre le banditisme colonial, mais c'est encore un interet elementaire de conservation pour la classe ouvriere. Proletaires et demoerates, si vous ne voulez pas partager un jour le sort des marocains, protestez!« Während Rappoport seine Solidarität aber eher zurückhaltend äußert, unterstützt Herve den Unabhängigkeitskampf der Kolo­nialvölker bedingungslos und empfiehlt den Befreiungsbewegungen ausgehend von seinem radikalen Revolutionarismus: » . . . les soudards francais soient jetes ä la mer.« Zit. bei G. Haupt/M. Reberioux, a.a.O., S. 141.
204) vgl. Bracke, Contre la guerre pendant la paix, in: Le Socialisme vom 7.12.1912: »Et vienne alors la crise: ce n'est pas seulement partiellement, de facon precaire et incertaine, que tu la surmonteras. Ce sera definitivement, par la revolution.«
205) vgl. Brackes Kritik an den Sozialreformern, ders., L'Internationale contre la Guerre, in: Le Socialisme vom 23.11.1912: »C'est la produetion grandissante qui, par la concen-tration,la centralisation, l'accumulation des capitaux.transforme le marche mondial en un immensechamp de bataille. C'est le mecanisme desechanges qui contraint, ä mesure meme que les facilitds de transport et de circulation s'aecroissent, les interets capitalistes ä se heurter et ä entrer en collision. C'est le besoin de debouches qui transporte pour ainsi dire, dans I'Europe meme l'ancienne politique d'extension coloniale . . . C'est, enfin, le capi­talisme sous sa forme financiere qui, apres avoir modifie le colonialisme ancien dans les terres neuvesde l'Afrique et des pays d'outre-mer, dresse dans une attitude de defiance et d'hostilite' reeiproques les puissanceseuropeennes sur les vieilles terres d'Asie-Mineure...II faut seulement dire aux gouvernants la volonte de paix de la classe ou vriere; il faut aussi leur montrer ce qu'il y aurait pour eux, pour la classe qu'ils defendent et representent, de danger ä violenter cette volonte.«

206)
vgl. exemplarisch die Resolution gegen den Krieg auf dem Stuttgarter Kongreß, wo Guesde unverbindlich und allgemein feststellt, » . . . daß das beste Mittel gegen den Militarismus und für den Frieden, wenn es nicht eine Utopie und Gefahr sein soll, darin bestehen muß, daß man die Arbeiter der ganzen Welt sozialistisch organisiert und daß man in der Zwischenzeit durch Verkürzung des Militärdienstes, durch Ablehnung aller Kredite für Heer, Marine und Kolonien, durch Propaganda für allgemeine Volksbewaffnung alle internationalen Kämpfe möglichst unmöglich macht, und zwar ist es Aufgabe des Inter­nationalen Bureaus, im Falle ein politischer Konflikt droht, gemäß seiner Statuten zu­sammenzutreten und die notwendigen Maßnahmen zu treffen." Prot.lnt. Stuttgart 1907, S. 87; allgemein zurHaltungGuesdes vgl. auch R. Thomas, a.a.O., S. 239.
207)
vgl. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium.. „a.a.O., in: LW 22, S. 307; vgl. entsprechende Hinweise auf Louis in seinem Plan zur Imperialismusschrift, ders., Hefte zum Imperialismus, in: LW 39, S. 225,240-242 (Exzerpt).
208)
vgl. die außergewöhnlich positive Besprechung Kautskys, ders., Finanzkapital und Krisen, in: NZ29,1,1910-1911, S. 765: „Unter den neuen Schöpfungen der marxistischen Literatur, ja unter den Schöpfungen dieser Literatur überhaupt ist eine der bemerkenswer­testen Erscheinungen das Buch, das Hilferding über das Finanzkapital geschrieben hat. Man kann es in gewissem Sinne eine Fortsetzung des Marxschen,Kapital' nennen. »Ähn­lich auch ebenda, S. 883.

209)
 vgl. W. Gottschalch, a.a.O., S. 15.
210) So findet sich in Hilferdings Aufsatz »Der Funktionswechsel des Schutzzolles« kein Hinweis auf die entsprechenden Engelsschen Schriften, und im Finanzkapital bezieht Hilferding sich bei der Darstellung des Zusammenhangs von Schutzzoll und Kartellpolitik lediglich auf Engels' Anmerkung zum Kapital, wobei er dessen Hinweis auf die neue, allgemeine » . . . Schutzzollmanie, die sich von der alten Schutzzöllnerei besonders dadurch unterscheidet, daß sie gerade die exportfähigen Artikel am meisten schützt« (Engels, Anmerkung zu Marx, Das Kapital, Bd. 1, a.a.O., S. 130, Fußn. 16), kritisch ergänzt: »Die Tatsache ist sehr richtig, aber ihre Erklärung findet sie nur, wenn man den modernen
Schutzzoll im Zusammenhang mit den Kartellen betrachtet.« Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 276, Fußn. 22; genau dies hatte Engels aber in seinen Schriften über den Schutzzoll getan, vgl. ders., Schutzzoll und Freihandel (1888), a.a.O. sowie oben, Kap. 3. Die neue Qualität von Schutzzoll...; vgl. auch den Hinweis von H.-Chr. Schröder, Sozialismus ..., a.a.O., S. 96, Fußn. 378.
211)
vgl. R. Hilferding, Der Funktionswechsel..., a.a.O., S. 276-277.

212)
Ebenda, S. 277.
213) Engels sah zwar die Überfüllung der Märkte und damit den Zwang zum Außenhandel voraus, vermochte diese Ergebnisse seiner Analyse aber noch nicht auf die gerade neu ein setzende Kolonialexpansion zu beziehen, vgl. oben, Kap. 3. Die neue Qualität von Schutzzoll ...
214)
vgl. R. Hilferding. Der Funktionswechsel..., a.a.O., S. 278.
215)
Ebenda.
216)
vgl. ebenda, S. 279.

217)
Ebenda, S. 280. Ähnlich wie früher bereits Engels ist Hilferding davon überzeugt, daß durch die direkte kapitalistische Kontrolle der staatlichen Gewalt die Klassenherrschaft für die Arbeiter unmittelbar durchschaubar werde: »Die Aktion der Kapitalistenklasse, wie sie sich in der neuen Handelspolitik darstellt, weist auch das Proletariat mit Notwendigkeit auf den Weg, der nur mit der schließlichen Überwindung des Kapitalismus überhaupt enden kann. Solange als der Grundsatz des laisser faire herrschte, die Intervention des Staates in die wirtschaftlichen Angelegenheiten und damit der Charakter des Staates als einer Organisation der Klassenherrschaft verhüllt war, gehörte ein verhältnismäßig hoher Grad von Einsicht dazu, die Notwendigkeit des politischen Kampfes und vor allem die Notwendigkeit des politischen Endziels, die Eroberung der Staatsgewalt, zu begreifen.«
218)
vgl. ebenda.
229)
Ebenda, S. 280-281.

220)
Ebenda, S. 281.
221) Einen Hinweis in diese Richtung - ohne es im einzelnen aber inhaltlich nachzu weisen - gibt Irene Petit, Le Socialisme et la Question Coloniale avant 1914. La Social-Democratie Allemandede 1884ä 1910, in: LeMouvement Social 1963,45,S. 108, Fußn. 31. Aus der umfangreichen Literatur, die sich mit den theoretischen Grundlagen des Hilfer-dingschen Werks kritisch auseinandersetzt, seien hier nur die wichtigsten Titel genannt: R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezeption . . ., a.a.O., S. 173-211, W. Gottschalch, a.a.O., S. 94-148, Cora Stephan, Geld-und Staatstheorie in Hilferdings »Finanzkapital«. Zum Ver­hältnis von ökonomischer Theorie und politischer Strategie, in: H.G. Backhaus u.a.(Hrsg.), Gesellschaft. Beiträge zur Marxschen Theorie 2, Frankfurt/M. 1974, S. 111-154, G. Van-dewalle, Situering van Hilferdings Boek »Das Finanzkapital« in de geschiedenis van het economisch denken van het begin dezer eeuw tot de grote depressie, in: Tijdschrift voor Sociale Wetenschappen, 12, 1967, S. 275-316; unter der älteren Literatur sind neben der grundlegenden Arbeit von H. Grossmann, Das Akkumulations-..., a.a.O., vor allem zu nennen: Walter Guggenheimer, Der Imperialismus im Lichte der marxistischen Theorie, München 1928, S. 74-103, Ginda Gigus. Probleme des Produktions- und Zirkulations­prozesses bei Rudolf Hilferding und Rosa Luxemburg als Fortbildung des Marxschen Ge­dankenganges. Phil. Diss. Gießen 1928. S. 28-67 und Hellmuth Craezer, Das Finanzkapital. Eine Kritik des »Finanzkapitals« von Rudolf Hilferding, Phil.Diss. Jena 1923.
222)
Entsprechend analysiert Hilferding neue Erscheinungsformen des Kapitals und unternimmt zugleich den Versuch, spezifische Bewegungsgesetze des Finanzkapitals theo­retisch zu begründen und auf diese Erscheinungsformen zu beziehen, vgl. R. Schim­kowsky, Zur Marx-Rezeption ..., a.a.O., S. 178.
223)
Entsprechend stellt er an den Anfang seiner Untersuchung im ersten Abschnitt die Analyse von Geld und Kredit, ohne aber den Zusammenhang zwischen derWertbestim-mung, der gesellschaftlich notwendigen Arbeit als Substanz des Werts, und dem Geld als der allgemeinen Ware, die Träger von Wert ist, zugrundezulegen, vgl. die Kritik von Kautsky, Finanzkapital..., a.a.O., S. 771-772 und entsprechende Bemerkungen Lenins, ders., Hefte zum Imperialismus, in: LW 39, S. 181, 331 sowie im Anschluß hieran Fred Oelßner, Vorwort zur Neuausgabe des »Finanzkapital«, Berlin 1947, S. XXI-XXVI, neu abgedruckt in: Giulio Pietranera, R. Hilferding und die ökonomische Theorie der Sozial­demokratie, Berlin 1974.
224)
Marx, Das Kapital, Bd. 3, a.a.O., S. 457.
225)
vgl. ebenda, S. 453.
226)
Ebenda, S. 452.
227)
R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 146.
228)
vgl. ebenda.
229) vgl. ebenda, S. 166: »Der Privatunternehmer muß aus dem Erträgnis seinen Lebensunterhalt bestreiten; sinkt sein Profit unter eine gewisse Grenze, so werden ihm die Betriebsmittel ausgehen, da er einen Teil seines Kapitals zu seinem Unterhalt verbraucht. Er macht Bankerott. Anders die Aktiengesellschaft. Sie hat das Bestreben, das Aktienkapital zu verzinsen ... Der Zwang, mit Reinertrag zu arbeiten, besteht für sie überhaupt nicht.nämlichein unmittelbar zur Katastrophe führender Zwang, der für den Einzelkapitalisten in der Verringerung seines Kapitals existiert. Dieser Zwang wirkt vielleicht auf den Aktionär und zwingt ihn, die Aktie zu verkaufen. Aber dieser Verkauf läßt das fungierende Kapital unbeührt.«
230) vgl. ebenda, S. 168.
231) vgl. ebenda, S. 162: »Die Aktiengesellschaft appelliert unmittelbar an das vereinigte Kapital der Kapitalistenklasse.«
232)
vgl. ebenda, S. 164-165.
233)
Ebenda.
234)
Es handelt sich um den » ... Betrag... zwischen dem Kapital, das die Durchchnitts-profitrate, und dem, das den Durchschnittszins abwirft. Es ist diese Differenz, die als .Gründergewinn' erscheint, eine Quelle des Gewinns, die nur der Verwandlung des profit­tragenden in die Form des zinstragenden Kapitals entspringt.« Ebenda, S. 142.
235)
Nach Hilferding ist der »... Preis der Aktie keineswegs bestimmt als Teil des Unter­nehmungskapitals; er ist vielmehr der kapitalisierte Ertragsanteil. Als solcher bestimmt nicht als aliquoter Teil des in der Unternehmung fixierten Gesamtkapitals und also eine relativ fixe Größe, sondern nur der zum herrschenden Zinsfuß kapitalisierte Ertrag. Da­her ist der Preis der Aktie abhängig nicht vom Wert (respektive Preis) des wirklich fun­gierenden industriellen Kapitals, denn die Aktie ist nicht Anweisung auf einen Teil des im Unternehmen tatsächlich fungierenden Kapitals, sondern Anweisung auf einen Teil des Ertrages und daher abhängig erstens von der Größe des Profits (also einer viel variab­leren Größe, als es der Preis der Produktionselemente des industriellen Kapitals selbst wäre) und zweitens von dem herrschenden Zinsfuß.« Ebenda, S. 140-141.
236) vgl. ebenda, S. 171.
237) Ebenda.
238) vgl. ebenda, S. 158.
239) vgl. ebenda, S. 154-159.
240) vgl. ebenda, S. 308.
241)  Ebenda, S. 309 (Hervorh. v.V.).
242 vgl. ausführlich ebenda, S. 266-274; im Anschluß an Marx hält Hilferding allerdings an der Abhängigkeit der Entwicklung solcher Zusammenschlüsse vom Stand des industriellenZyklus noch fest »Die EinschränkungderKonkurrenzistam leichtesten möglich, wenn sie am wenigstens nötig ist, weil der Vertrag nur den bestehenden Zustand sanktioniert, nämlich während der Prosperität. Umgekehrt ist während der Depression, wo die Einschränkung der Konkurrenz am nötigsten, der Abschluß des Vertrages zugleich am schwierigsten. Dieser Umstand erklärt, warum sich die Kartelle viel leichter inder Prosperitätsepoche oder wenigstens nach Überwindung der Depression bilden und in der Depression, namentlich wenn sie nicht straff organisiert sind, so oft zusammenbrechen. Ebenso ist klar, daß die monopolistischen Vereinigungen in Zeiten guter Konjunktur den Markt viel wirksamer beherrschen werden als in Depressionszeiten.« Ebenda, S. 259-260.
243) vgl. ebena, S 257.
244) Ebenda.
245) vgl. ebenda, S. 307-308.
246) vgl. ebenda; empirische Belege dieser Entwicklungstendenz in Deutschland liefert H. Craezer, a.a.O., S. 142-144; er verweist aber zugleich auf die Gegentendenzen, vgl. ebenda, S. 144; zum Bedeutungsverlust der Banken im Verlauf der historischen Entwick­lung des Kapitalismus vgl. mit zahlreichen Hinweisen R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezep­tiona.a.O., S. 208-209.
247) vgl. R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 243; zur Kritik an dieser Verkehrung des Verhältnisses von Produktion und Zirkulation vgl. R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezeption ..., a.a.O., S. 208: »Nicht mehr die gesellschaftliche Produktion der Werte ist der Ausgangspunkt für die Bewegungdes Kapitals, sondern seine Erscheinungsform, das Geld. Hilferding hat die Bedeutung des Kreditwesens für den Reproduktionsprozeß des Kapitals - wie sie im Kapital entwickelt wird - nicht begriffen. Soweit das Kapital überhaupt Aus­gangspunkt seiner Studie ist, isoliert er einzelne Bestimmungen, setzt sie absolut, ohne ihren Zusammenhang zu beachten. Weil er sich nur auf die Bedeutung der Banken für die Industriekapitalisten bezieht und die umgekehrte Beziehung nicht untersucht, kommt er zwangsläufig zu einer Überbewertung der Zirkulationssphäre.«
248) vgl. R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O.,S.321-322; zur Kritikseiner Auffassung des Generalkartells vgl. grundlegend H.Grossmann, der nachweist, daß Hilferding mit dieser Gedankenkonstruktion den Boden der Marxschen Werttheorie verlassen hat, ders., Das Akkumulations-..., a.a.O., S. 607-619; Grundlage des Hilferdingschen Fehlers ist ein verkürztes Verständnis der Konkurrenz, die - lediglich in ihrer Erscheinungsform aufgegriffen - über den Kartellierungs- und Monopolisierungsprozeß für Hilferding durch das Monopol abgelöst wird. Damit verliert die Konkurrenz ihre von Marx dargelegte Be stimmung, den gesamten Bewegungsprozeß des Kapitals zu vermitteln, vgl. R. Schim kowsky, Zur Marx-Rezeption . . ., a.a.O., S. 191; zum Verhältnis von Konkurrenz und
Monopol, vgl. ausführlich oben, Kap. 3, Die Ablösung der Konkurrenz...
249) R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 322-323.
250) vgl. R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezeption . . ., a.a.O., S. 191, siehe auch oben, Fußn. 248.
251) Hilferding selbst verweist bei seiner Rezeption der Reproduktionsschemata auf die Arbeit von M. Tugan-Baranowsky, Studien . . ., a.a.O., vgl. R. Hilferding, Das Finanz­kapital, a.a.O., S. 333, Fußn. 5. Zur Auffassung der legalen Marxisten, zu denen vor allem Peter Struwe, S. Bulgakow und Tugan-Baranowsky, zeitweiligauch Leningehörten, vgl. die ausführliche Kritik Rosa Luxemburgs, dies., Die Akkumulation . . ., a.a.O., S. 261-298; zusammenfassend auch R. Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte . . ., a.a.O., Bd. 2, S. 546-569, H.W. Kettenbach, a.a.O., S. 141-143,146-160.
252) vgl. zur Kritik der Hilferdingschen Auslegung der Reproduktionsschemata und seiner Krisentheorie R. Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte . . ., a.a.O., Bd. 2, S. 569-578, F. Oelßner, Vorwort . . ., a.a.O., S. XXVIII-XXX, W. Gottschalch, a.a.O., S. 103-104, zuvor bereits H. Grossmann, Das Akkumulations-.. „a.a.O., S. 502-503.
253) R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 347.
254) vgl. W. Gottschalch, a.a.O., S. 103.
255) vgl. R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 332.
256) Ebenda.
257) vgl. im einzelnen ebenda, S. 354-360.
258) Ebenda, S. 360.
259) vgl. hierzu auch seine Analyse neuerer Momente der kapitalistischen Entwicklung, die auf einer Milderung der Krisen hindeuteten, ebenda, S. 389-404. So sei die Wider­standskraft der neuen kapitalistischen Großbetriebe gegenüber den Krisen gewachsen (vgl. ebenda, S. 392), insbesondere die der Aktiengesellschaften (S. 397-398), der Ent­stehung von Bankkrisen sei durch größere nationale Goldreserven vorgebeugt worden (S. 395), die Bankkonzentration habe zu einer breiteren Kapitalstreuung und damit größeren Verteilung des Risikos geführt, so daß Bankkrisen, die aus der Festlegung der Bankmittel und Verlusten aus Kreditgewährungen entstehen, gemildert würden (vgl. ebenda). Schließlich trage der Rückgang der Spekulation und die Entwicklung der Nach­richtensysteme ebenso zur Krisenmilderung bei (S. 396-397) wie die Tatsache, daß»... mit der Bedeutung der Börse im allgemeinen...noch rascher ihre Rolle als krisenverschär­fende Ursache« zurückgehe, ebenda, S. 389-399.
260) So kommt er schon im Finanzkapital zu dem Schluß, daß zwar von den einzelnen Kartellen eine Aufhebung der Krisen nicht zu erwarten sei, an sich aber»... ein General­kartell ökonomisch denk bar (wäre), dasdieGesamtproduktionleiteteunddamitdieKrisen beseitigte, wenn auch ein solcher Zustand sozial und politisch eine Unmöglichkeit ist, da er an dem Interessengegensatz, den er auf die äußerste Spitze treiben würde, zugrunde gehen müßte.« Ebenda, S. 402-403. Zur Genese der 1915 erstmals von Hilferding explizit ent­wickelten Konzeption des organisierten Kapitalismus vgl. Heinrich-August Winkler (Hrsg.), Organisierter Kapitalismus. Voraussetzungen und Anfänge, Göttingen 1974, R Schimkowsky, Exkurs über Hilferding: Vom Generalkartell zur Konzeption des organi­sierten Kapitalismus, in: R Ebbighausen (Hrsg.), a.a.O., S. 279-292 und neuerdings H. Lademacher, Gewalt der Legalität oder Legalität der Gewalt. Zur Theorie und Politik der SPD von Kiel (1927) bis Prag (1934), in: Wolfgang Huber/Johannes Schwerdtfeger, Frieden, Gewalt, Sozialismus. Studien zur Geschichte der sozialistischen Arbeiterbewegung, Stuttgart 1976, S. 404-411.
261) vgl. R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 406.
262) Hilferding entwickelt noch einmal ausführlich seine Gedanken zur neuen Funktion des Schutzzolls, die er bereits 1903 in seinem oben behandelten Aufsatz (vgl. oben, Kap. 6.Rudolf Hilferding...) dargelegt hatte, vgl. Rudolf Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O.,S. 406-420.
263) vgl. ebenda, S. 406.
264) vgl. ebenda, S. 418^19.
265) vgl. ebenda, S. 419.
266) Ebenda; vgl. auch ebenda, S. 423: Der Schutzzoll wird «... für die Kartelle zu einer
Angriffswaffe im Konkurrenzkampf, wodurch der Preiskampf verschärft wird, während
gleichzeitig durch Anwendung staatlicher Machtmittel, diplomatischer Interventionen, die
Stellung im Konkurrenzkampf zu verstärken gesucht wird.«
267 vgl. ebenda, S. 424.
268 Ebenda. »Die durch den Schutzzoll der fremden Länder bedrohte Industriesphäre nützt jetzt selbst diesen Schutzzoll aus, indetn sie einen Teil der Produktion in das Ausland verlegt. Wird damit auch die Ausdehnung des Stammbetriebes unmöglich und geht die Steigerung der Profitrate durch Verbilligung der Produktionskosten so weit verloren, so wird das wieder wettgemacht durch die Erhöhung des Profits, den die Preissteigerung der von demselben Kapialbesitzer jetzt im Ausland erzeugten Produkte diesem gewährt.« Ebenda, S. 424-425. Den Zusammenhang von niedriger Durchschnittsprofitrate und Kapitalexport entwickelt Hilferding nur ansatzweise: »Bedingung des Kapitalexports ist Verschiedenheit der Profitrate; der Kapitalexport ist das Mittel zur Ausgleichung der nationalen Profitraten. Die Höhedes Profits ist abhängig von der organischen Zusammensetzung des Kapitals, also von der Höhe der kapitalistischen Entwicklung. Je fortgeschrittener diese, desto niedriger die allgemeine Profitrate.« Ebenda, S. 427, vgl. Artaki Hovikian, L'Imperialisme economique d'apres les doctrines socialistes contemporaines, Jur. Diss. Paris 1927, S. 72-75. Ahnlich wie im folgenden vgl. auch die Argumentation von O.Bauer, Die Nationalitätenfrage..., a.a.O., S. 493-499.
269) R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 437.
270) vgl, ebenda. S. 436-437
271) vgl. exemplarisch Hilferdings Analyse der europäischen Randstaaten, deren mar, gelnde Durchkapitalisierung er auf die veränderte Form des Kapitalexports zurückführt-»Vollends unmöglich wurdediese Emanzipation, sobald der Charakter des Kapitalexports sich änderte, die Kapitalistenklassen der großen Wirtschaftsgebiete weniger Konsumtions­mittelindustrien in fremden Ländern zu schaffen versuchten, sondern vielmehr darauf ausgingen, sich die Herrschaft über das Rohmaterial ihrer sich immer stärker entwickeln­den Produktionsmittelindustrien zu sichern. So kamen die Minen und Bergwerke der Staaten der Pyrenäenhalbinsel unter die Gewalt fremden Kapitals, das jetzt nicht als Leihkapital exportiert wurde, sondern direkt in diesen Minen angelegt wurde, so - unter größerem Widerstand - auch die Erdschätze Skandinaviens, besonders Schweden.Diesen Ländern wurde in einer Zeit, wo sie vielleicht sonst zur Begründung der hauptsächlichsten der modernen Industrien, einer eigenen Eisenindustrie hätten übergehen können, das Rohmaterial entzogen zugunsten der englischen, deutschen und französischen Industrie So blieb ihre kapitalistische Entwicklung, damit aber auch ihre politische und finanzielle in den Anfängen stecken. Ökonomisch dem ausländischen Kapital tributär, wurden sie auch politisch zu Staaten zweiter Ordnung, auf den Schutz der Großen angewiesen.« Ebenda S. 449-450, vgl.auch ders. unter dem Pseudonym Karl Emil, Der deutsche Imperialismus und die innere Politik, in: NZ 26,1,1907-1908, S. 155.
272) vgl. ders., Das Finanzkapital, a.a.O., S. 446-448.
273) vgl. ebenda, S. 436.
274) Ebenda.
275) Hilferding bezieht dieses Argument allerdings allgemein auf die Herstellung des Weltmarktes, die Erschließung neuer Wirtschaftsgebiete und die weltweite Entfaltung von Kommunikations- und Transportsystemen, nicht auf die notwendige Durchkapitalisierung der unterentwickelten Regionen, vgl. ebenda, S. 438.
276) Um diese Politik durchführen zu können, die eigenen Exportprämien zu steigern, rücke die Erhöhung der Schutzzölle in das Interesse jeder nationalen Kapitalistenklasse: »Die Höhe des Schutzzolls wird entscheidendes Moment im internationalen Konkurrenzkampf. Die Erhöhung in dem einen Lande muß sofort vom anderen nachgemacht werden, um die Konkurrenzbedingungen nicht zu verschlechtern, um auf dem Weltmarkt nicht zu unterliegen.« Ebenda, S. 439.
277) vgl. ebenda.
278) Ebenda, S. 440.
279) vgl. ebenda, S. 441.
280) Ebenda, S. 443.
281) vgl. ebenda, S. 456-457.
282) Ebenda, S. 457.
283) vgl. im einzelnen zur Genese der imperialistischen Ideologie als ideologischer Basis des Faschismus W. Gottschalch, a.a.O., S. 123-125, der auf Hilferdings und Otto Bauers (vgl. O. Bauer, Die Nationalitätenfrage . . ., a.a.O.) frühe Erkenntnis dieser Ideologie des Bürgertums hinweist.
284 vgl. R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 459: »An Stelle des für die Besit­zenden ausweglosen, gefährlichen Kampfesder Klassen ist diegemeinsame Aktion der zum gleichen Ziel nationaler Größe vereinten Nation getreten.«
285) vgl. ebenda, S. 458.
286) Ebenda.
287) Ebenda, S. 459; noch deutlicher ders. (Karl Emil), Der deutsche Imperialismus...,
a.a.O., S. 158: »Der Imperialismus ist ja die Lebenslüge des sterbenden Kapitalismus, die
letzte, zusammenfassende Ideologie, die er dem Sozialismus entgegenzustellen hat. Allem
Anschein nach wird die Entscheidung zwischen Bourgeoisie und Proletariat als Kampf
zwischen Imperialismus und Sozialismus ausgefochten werden.« Ähnlich auch R. Hilfer-
ding, Der Revisionismus und die Internationale, in: NZ 27, 2,1908-1909, S. 169.
288) vgl. ders., Das Finanzkapital, a.a.O., S. 500.
289) vgl. ders., Der Revisionismus . . ., a.a.O., S. 169: »In der imperialistischen Politik werden alle Gegensätze des kapitalistischen Staates auf die Spitze getrieben, wird die latente Kriegsgefahr aktuell.« vgl. auch A. Hovikian, a.a.O., S. 100-101.
290) vgl. R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 453: »Je größer die Machtunter­schiede, desto wahrscheinlicher im allgemeinen der Kampf. Aber jeder siegreiche Kampf würde zugleich eine Stärkung des Siegers herbeiführen, die eine Machtverschiebung zu seinen Gunsten und zuungunsten aller anderen herbeiführen würde. Daher die internatio­nale Besitzstandspolitik der neuesten Zeit, die ganz an die Gleichgewichtspolitik der Früh­stadien des Kapitalismus erinnert. Dazu kommt die Furcht vor den innenpolitischen Folgen eines Krieges, die durch die sozialistische Bewegung erzeugt wird.«
291) Ebenda.
292) vgl. ebenda, S. 505-507.
293) vgl. ebenda, S. 501: »Jedoch sowenig die Überzeugung, daß die Politik des Finanzkapitals zu kriegerischen Entwicklungen und damit zur Auslösung revolutionärer Stürme führen muß, das Proletariat von seiner unerbittlichen Feindschaft gegen den Militarismus und die Kriegspolitik abbringen kann, ebensowenig kann es, weil schließlich die Expansionspolitik des Kapitals die mächtigste Förderin seines schließlichen Weges ist, diese Politik unterstützen. Umgekehrt kann vielmehr der Sieg nur aus dem beständigen Kampf gegen diese Politik hervorgehen, weil nur dann das Proletariat der Erbe des Zusammenbruches werden kann, zu dem diese Politik führen muß, wobei es sich aber um einen politischen und sozialen, nicht um einen ökonomischen Zusammenbruch handelt, der überhaupt keine rationale Vorstellung ist.« (Hervorh. v. V.) Die subjektiven Voraussetzungen für die Ergreifung der politischen Macht resultieren für Hilferding aus der mit der Verschärfung der Klassengegensätze einhergehenden Transparenz der unmittelbaren Herrschaft des Finanzkapitals: »Die offenkundige Besitznahme des Staates durch die Kapitalistenklasse zwingt unmittelbar jedem Proletarier das Streben nach Eroberung der politischen Macht auf, als dem einzigen Mittel, seiner Exploitation ein Ende zu setzen.« Ebenda, S. 505.
294) vgl. Engels, Ergänzung zu Marx, Das Kapital, Bd. 3, a.a.O., S. 454.
295) vgl. W. Gottschalch, a.a.O., S. 101, R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezeption . . .,
a.a.O., S. 177,208.
296) vgl. ebenda, S. 179-193.
297) R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 503, vgl. noch weitergehend ebenda, S. 504: »Die Besitzergreifung von sechs Berliner Großbanken würde ja heute schon die Besitzergreifung der wichtigsten Sphären der Großindustrie bedeuten.«
298) vgl. ausführlich Marx, Das Kapital, Bd. 3, a.a.O., S. 451-457,505-520.
299) vgl. R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezeption..., a.a.O., S. 200-208.
300) vgl. ähnlich die zusammenfassende Kritik Schimkowskys, ebenda, S. 210-211.
301) vgl. E. Bernstein, Das Finanzkapital und die Handelspolitik, in: Sm 15, 2, 1911, S. 947-955; ganz, im Sinne der Kautskyschen Imperialismus-Interpretation schloß Bernstein: »Der zollfreie Verkehr zwischen den Nationen ist noch nicht zur Utopie geworden sondern noch immer, oder vielmehr mehr als je, Banner des Fortschritts. Denn stärker als je betätigt sich der Internationalismus der Arbeiterklasse in der praktischen Politik, und wenn er innere Einheit haben, sich nicht in unlösbare Widersprüche verstricken soll, kann die Richtlinie der Handelspolitik für ihn keine andere sein als die der Niederreißung der nationalen Zollmauern.« Ebenda, S. 955; vgl. D. Groh, Negative..., a.a.O., S. 222.
302) J. Karski, Besprechung von R. Hilferding, Das Finanzkapital, in: LVZ vom 27.8.1910.
303) Marchlewski bezieht sich auf Hilferdings These, wenn man die Krise auf Waren überproduktion zurückführe,sei es möglich,daßdie Kartelle wirklichdie Krisen verhindern könnten, da sie die Fähigkeit besäßen, » . . . für den ganzen Industriezweig Einschränkungen der Produktion vorzunehmen«, R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., S. 400. Für Marchlewski ist das » ... indessen aus dem einfachen Grunde falsch, weil die Kartelle gar nicht die Macht haben, die Überproduktion zu verhindern, sondern im Gegenteil zu dieser Überproduktion im gleichen, ja unter Umständen noch höheren Maße beitragen, als die nichtkartellierten Unternehmer. Und weil dem so ist, verschärfen die Kartelle die Krisengefahr.« J. Karski, Besprechung von R. Hilferding ..., a.a.O.
304) vgl.eine Zusammenfassung der aufmehreren Stellen in Lenins Imperialismusschritt und seinen Heften zum Imperialismus verstreuten Kritikpunkte an Hilferdings Werk bei R. Schimkowsky, Zur Marx-Rezeption ..., a.a.O., S. 173-176; an einem Punkt übt Lenin grundsätzliche Kritik an Hilferdings Werk, wenn er dessen Interpretation der Wert­theorie bemängelt: »Bei Hilferding geht das Geld ohne Wert indie Zirkulation ein.« Ders., Hefte zum Imperialismus, in: LW 39, S. 331.
305) Marchlewski verweist mit Hilferding auf » . . . jene Konzentrationsvorgänge, die einerseits in der, Aufhebung der freien Konkurrenz' durch die Bildung von Kartellen und Trusts, andererseits in einer ,immer innigeren Beziehung zwischen Bankkapital und industriellem Kapital' erscheinen. Das Kapital nimmt durch diese Beziehungen die Form des Finanzkapitals an und die gegenseitige Phase der wirtschaftlichen Entwicklung wird charakterisiert durch die Herrschaft dieser Form«, J. Karski, Besprechung von R. Hilferding . .., a.a.O.; vgl. auch Lenin, Hefte zum Imperialismus, in: LW 39, S. 336 und ders., Der Imperialismus als höchstes ..., a.a.O., in: LW 22, S. 209.
306) Marchlewski schreibt hierzu: »Ferner ergeben sich aus der Technik der Kreditge­schäfte Tendenzen, die auf die Konzentration des Bankkapitals hinwirken, und so geht der Lauf der kapitalistischen Entwicklung unaufhaltsam dahin, daß eine geringe Zahl von Ban­ken das Kommando über die Industrie gewinnt.« J. Karski, Besprechung von R. Hilfer­ding ..., a.a.O.
307)
vgl. z.B. Hilferdings Haltungzum politischen Massenstreik in den Jahrenl904/05,im einzelnen hierzu W. Gottschalch, a.a.O., S. 74-81.
308)
vgl. Kautsky, Krisentheorien, a.a.O., S. 137-143 im Anschluß an Parvus, Die Ge­werkschaften . . ., a.a.O., S. 17-18 und ders., Die Handelskrisis . . ., a.a.O., S. 27, 30.
309) Daß er sich dieses Verständnis seit seiner Bernstein-Kritik aus dem Jahre 1899 be­wahrt hatte, zeigt seine 1907 gegen die Vertreter einer »sozialistischen« Kolonialpolitik verfaßte Schrift Sozialismus und Kolonialpolitik, wo er schreibt: »Wie das System der Kartelle und Trusts, wie der Militarismus, so kann auch der Kapitalienexport und seine Konsequenz, das neue Kolonialsystem, den Zusammenbruch der kapitalistischen Pro­duktionsweise nicht unmöglich machen, obwohl er ebenso wie die beiden erstgenannten Erscheinungen ein mächtiges Mittel geworden ist, diesen Zusammenbruch um einige Jahrzehnte hinauszuschieben.« Kautsky, Sozialismus..., a.a.O., S. 44.
310) vgl. ders., Finanzkapital..., a.a.O., S.768.
311) vgl. ebenda, S. 802: »Man sieht, der Konsum der Kapitalisten muß schließlich sehr erheblich steigen,soll das Gleichgewicht der Produktion gewahrt bleiben, soll es nicht zu einer Überproduktion kommen. Er wächst in dem Schema schließlich rascher als der der Lohnarbeiter. In Wirklichkeit müßte bei den vorausgesetzten Akkumulationsverhält­nissen der kapitalistische Konsum in noch höherem Grade zunehmen, als hier veran­schaulicht ist. Denn im Schema ist angenommen, daß der Wert der Arbeitskraft und ihre Ausbeutung sowie die organische Zusammensetzung des Kapitals keine Änderung erfährt. Mit dem Wachsen der Akkumulation geht aber eine starke Zunahme des konstanten Kapitals auf Kosten des variablen vor sich. Jenes wächst rascher als dieses. Gleichzeitig nimmt die Produktivität der Arbeit zu, damit sinkt der Wert der Arbeit und steigt ihre Ausbeutung. Aisoder Posten v wird - unter den angegebenen Verhältnissender Akkumu­lation - langsamer wachsen, als im Schema angegeben; um so mehr muß der kapitalistische Konsum steigen, soll die Masse der produzierten Konsummittel immer aufgezehrt werden, keine Stockung eintreten.« Da aber die Kapitalisten statt ihren Konsum beliebig auszu­dehnen, gezwungen seien, zu akkumulieren und zwar auf dem Sektor der Massenartikel und nicht der Luxusgüter, zumal der Ausdehnung unproduktiver Bevölkerungsschichten durch die Kapitalbewegung selbst Schranken gesetzt würden, bleibe der Widerspruch kapitalistischer Reproduktion bestehen: »Die enorme Zunahme der Produktion von Massen­gütern erweitert... nicht in entsprechendem Maße die Ausdehnung ihres Konsumtionskreises.« Ebenda, S. 804; vgl. auch ebenda, S. 846. Ähnlich zuvor bereits ders., Krisen­theorien, a.a.O.
312) vgl. ders., Krieg und Frieden. Betrachtungen zur Maifeier, in: NZ 29,2,1910-1911, S. 99: »Die Verheerungen, mit denen ein europäischer Krieg den ganzen Erdteil bedroht, sind so unsagbar groß geworden, die Vorteile, die er bringen kann, für die Volksmasse so bedeutungslos, daß selbst die Bourgeoisie sich dem Eindruck dieses wachsenden Mißver­hältnisses nicht verschließen kann. Die Abneigung gegen den Krieg nimmt nicht nur unter den Massen des Volkes, sondern auch unter den herrschenden Klassen rasch zu. Es ist denn auch seit vierzig Jahren immer gelungen, jeden Konfliktstoff zwischen europäischen Mächten, und mochte er noch so drohend sein, ohne gewaltsame Explosion ausder Welt zu schaffen. Im entscheidenden Moment schreckt jeder vor der Verantwortung zurück, die furchtbaren Schrecken des modernen Krieges zu entfesseln.« vgl. auch ebenda, S. 100-102; ferner D. Groh, Negative ..., a.a.O., S. 222-223.
313) vgl. Kautsky, Krieg und Frieden .. ., a.a.O., S. 100: »Es wächst die Überzeugung, daß ein europäischer Krieg naturnotwendig in einer sozialen Revolution enden müsse. Das ist ein starker, ja vielleicht der stärkste Beweggrund für die herrschenden Klassen, Frieden zu halten und nach Abrüstung zu verlangen.«
314) ders., Finanzkapital..., a.a.O., S. 804.
315) vgl. ders., Handelspolitik und Sozialdemokratie, Berlin 1901, S. 91; in seiner Schrift Patriotismus, Krieg und Sozialdemokratie, in: NZ 23, 2, 1904-1905, S. 365 heißt es: »Der Krieg wie die Revolution sind Katastrophen, die von Zeit zu Zeit mit eherner Notwendigkeit die heutige Gesellschaft heimsuchen und nur mit ihr verschwinden können ... Es ist eine Torheit, wenn die bürgerlichen Friedensschwärmer die kapitalistische Produktions­weise aufrechterhalten und den Krieg, ihre notwendige Folge, aufheben wollen.« vgl. auch ders., Sozialismus . . ., a.a.O., S. 37-38 und letztmalig ders., Der Weg zur Macht, Berlin 1909, wo er von »steter Vergrößerung der Verheerungen des Krieges« spricht und schreibt: »So lange die Weltpolitik dauert, muß der Wahnsinn des Wettrüstens bis zur völligen Erschöpfung zunehmen: Der Imperialismus aber, das haben wir gesehen, ist die einzige Hoffnung, die einzige Idee für die Zukunft, die der bestehenden Gesellschaft noch winkt. Außer ihr gibt es nur noch eine Alternative: den Sozialismus.« Zit. nach der 316) vgl. ders., Ältere..., a.a.O., S. 803-804, vgl. auch oben, Kap. 4. Kolonialismus als Resultat...; selbst in seiner politisch verbalradikalsten Entwicklungsphase von der Jahr­hundertwende bis 1909 sah Kautsky lediglich im Zwang zur Erschließung neuer Regionen und Märkte ein notwendiges Resultat kapitalistischer Produktionsweise, nicht jedoch in den bestimmten Formen des Imperialismus, die für ihn das Resultat bestimmter historischer Konstellationen waren. Von grundsätzlich unterschiedlichen Entwicklungsetappen im Kautskyschen Theorieverständnis zu sprechen, erscheint übertrieben und reflektiert zu wenig den instrumenteilen Charakter der Theorie für Kautskys politisches Handeln, vgl. zu dieser zuletzt von Wölfgang Abendroth (Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie, Frankfurt 1964, S. 36-37), Ursula Ratz (Karl Kautsky..., a.a.O., S. 214-215) und abge­schwächt von H.-J. Steinberg (Sozialismus..., a.a.O., S. 82-83) vertretenen Auflassung neuerdings kritisch D. Groh, Negative..., a.a.O., S. 219-220, Fußn. 67 u. 68.
317) vgl. beispielsweise G. Ledebour, Sozialdemokraie und Rüstungsbeschränkung, in: Vorwärts vom 6.4. und 8.4.1911.
318)Kautsky, Krieg und Frieden . .., a.a.O., S. 105, ähnlich auch G. Ledebour, Sozial­demokratie..., a.a.O., in: Vorwärts vom 8.4.1911; zur theoretischen Übereinstimmung der Positionen von Kautsky und Ledebour vgl. U. Ratz, Georg Ledebour 1850-1947. Weg und Wirken eines sozialdemokratischen Politikers, Berlin 1969, S. 115-116. Zur grundlegenden Kritik dieser Forderung vgl. R. Luxemburg, Friedensutopien (6.5. und 8.5.1911), in: dies., GW 2, S. 491-504. Die ursprüngliche Idee dieser Forderung eines freihändlerischen Zu­sammenschlusses der wichtigsten Staaten Europas, um gegenüber der amerikanischen Konkurrenz zu bestehen, stammt von Parvus, vgl. ders.. Die Kolonialpolitik ..., a.a.O., S. 21-24. Er beabsichtigte, sie in Verbindung mit der Forderung nach einer liberalen Handels- und Sozialpolitik der Kolonial- und Schutzzollpolitik der europäischen Festlands­staaten entgegenzusetzen, vgl. ebenda, S. 24.
319) vgl. Kautsky, Was nun?, in: NZ 28,2,1909-1910, S. 33-40,68-80.
320) vgl. ausführlich hierzu U. Ratz, Karl Kautsky..., a.a.O., S. 197-227, Walter Wittwer,
Streit um Schicksalsfragen. Die deutsche Sozialdemokratie zu Krieg und Vaterlandsvertei-
digung 1907-1914, Berlin 19672, S. 76-89, Karl-Ernst Moring, Die sozialdemokratische
Partei in Bremen 1890-1914, Hannover 1968, S. 142-147, ferner Friedhelm Boll, Die
deutsche Sozialdemokratie zwischen Resignation und Revolution. Zur Friedensstrategie
1890-1919, in: W. Huber/J. Schwerdtfeger(Hrsg.), a.a.O., S. 209-211.
321) vgl. Kautsky, Finanzkapital..., a.a.O., S. 838-846 (842).
322) Ders., Nochmals die Abrüstung, in: NZ 30,2,1911-1912, S. 850-851.
323) vgl. ders., Nationalstaat, imperialistischer Staat und Staatenbund, Nürnberg 1915, S. 73; vgl. K. Mandelbaum, Sozialdemokratie ..., a.a.O., S. 26, der auf die parallele Argu­mentation bei Schumpeter hinweist, vgl. insbesondere J. Schumpeter, Zur Soziologie der Imperialismen, Tübingen 1919, S. 58, zu Kautskys Beurteilung des Verhältnisses von Impe­rialismus, Krieg und Frieden vgl. allgemein W. Wette, a.a.O. S. 145-170.
324) vgl. Kautsky, Der erste Mai und der Kampf gegen den Militarismus, in: NZ 30, 2, 1911-1912, S. 107: »Wird aber diese Methode unterbunden, so bedeutet das nicht den Zu­sammenbruch des Kapitalismus, sondern nur die Notwendigkeit, andere Methoden seiner Expansion in Anwendung zu bringen. Das Wettrüsten beruht auf ökonomischen Ur­sachen, aber nicht auf einer ökonomischen Notwendigkeit. Seine Einstellung ist nicht im geringsten eine ökonomische Unmöglichkeit.«
325) vgl. ders., Ökonomie und Wehrhaftigkeit, in: NZ 30,2,1911-1912, S. 344.
326) Ders., Der erste Mai..., a.a.O.,S. 107-108; später im Weltkrieg bezeichnete Kautsky
diese Entwicklungsphase der Übertragung der Kartellpolitik auf die Außenpolitik als
Phase des Ultraimperialismus, vgl. ders., Der Imperialismus, in: NZ 32,2,1913-1914, S. 921
sowie ders.. Zwei Schriften zum Umlernen, in: NZ 33, 2, 1915, S. 144-145.
327) vgl. U. Ratz, Karl Kautsky ..., a.a.O., S. 212.
328) Radek erklärtere deutsche Forderung nach einer Verständigung über den Umfang der Rüstungen sei zwecklos, solange es an einer internationalen Exekutivgewalt fehle, die den Abmachungen unter allen Umtänden Geltung verschaffen könne, vgl. Prot.Int. Kopenhagen 1910, S. 99.
329) vgl. Karl Radek, Kritisches über Kopenhagen, in: LVZ vom 15.9. und 16.9.1910. Radeks Autorenschaft ist durch einen Brief Lenins an Radek vom 30.9.1910 belegt, in: LW 36, S. 146, vgl. U. Ratz, Karl Kautsky ..., a.a.O., S. 199, Fußn. 2. Zu Recht empfahl Lenin, den Schwerpunkt der Kritik darauf zu richten,daßdie Forderung nach Volkswehr zugunsten der Abrüstungsforderung aufgegeben worden war, vgl. Lenin an Radek, Brief v. 30.9.1910, in: LW 36, S. 147.
330) vgl. Anton Pannekoek, Abrüstungsfragen, in: BBZ vom 8.4.1911: »Der wütende Kampf um den Profit zwingt die Kapitalisten... zum Aufsuchen neuer Märkte und neuer Anlagesphären des Kapitals, er treibt zum Imperialismus, zur Kolonialpolitik und bringt damit die Kapitalistenklassen verschiedener Länder in heftigen Kampf miteinander. Jeder versucht bei der Teilung der kleinen Erdoberfläche Stücke zu erwerben, wo er den Konkurrenten ausschließen kann und sich in fremden Weltteilen Einfluß zu verschaffen.Aber dazu gehört Macht. Das empfindet die Bougeoisie jedes Landes instinktiv, daß nur Macht, bewaffnete Macht Geltung verschafft, und daher rüstet jede, um den anderen gewachsen oder uberlegen zu sein.« vgl. zuvor bereits o. N., Praktische Politik? in: LVZ vom 31.3.1911 (mit diesem Artikel, der Ursula Ratz zufolge von Paul Lensch stammt, eröffneten die Linksradikalen die neue Diskussion um die Abrüstungskonzeption des Parteizentrums, vgl. U. Ratz, Karl Kautsky..., a.a.O., S. 199); vgl. auch K Radek, Die Sozialdemokratie und die Kriegsrüstungen (II), in: BBZ vom 6.4.1911.
331) vgl. K. Radek, Zu unserem Kampfegegen denImperialismus,in:NZ30,2,1911-1912, S. 195, nachgedruckt in: ders., In den Reihen der deutschen Revolution 1909-1919, München 1921, S. 157 (i.f. hiernach zit.).
332) vgl. ebenda.
333) vgl. ders., Sozialdemokratie und Rüstungsbeschränkung (II), in: BBZ vom 15.4.1911 und A. Pannekoek, Abrüstungsfragen, in: BBZ vom 8.4.1911, ähnlich auch Clara Zetkin, Rüsten wir! (24.4.1911), in: dies., Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 1, Berlin 1957, S. 521-528. Wie die Bremer Linksradikalen trat sie für Massenaktionen gegen die Kriegsgefahr ein (vgl. dies., Das Ergebnis des Jenaer Parteitags, ebenda, S. 529-536), ohne allerdings die Abrüstungsforderung zu kritisieren. Zur Imperialismusanalyse von Lensch und Pannekoek vgl. A. Ascher,»Radical«Imperialists within German Social Democracy, 1912-1918, in: Political Science Quarterly 76,1961, S. 555-575 (557-562).
334)
Paul Lensch, Eine Improvisation, in: NZ 30,2,1911-1912, S. 365.
335) vgl. K. Radek, Zu unserem Kampfe..., a.a.O., S. 161.
336) vgl. P. Lensch, Die neuen Wehrvorlagen in: NZ 30, 2,1911-1912, S. 72-74; als Begründung diente Lensch die Hilferdingsche These von dem Bedürfnis des Finanzkapitals nach einem starken, waffenbewehrten Staat, der die nationalen kapitalistischen Interessen nach außen, wenn nötig auch mit Gewalt durchzusetzen habe, vgl. ebenda, S. 72-73, ähnlich auch K. Radek, Sozialdemokratie und Rüstungsbeschränkung (II), in: BBZ vom 15.4.1911.
337) vgl. ders., Zu unserem Kampfe ..., a.a.O., S. 160.
338) vgl. ebenda, S. 161-162.
339) Ebenda, S. 173.
340)
Ebenda; dieses Zitat zeigt bereits, daß Wittwers These, durch die sektiererische Stellung der Alternative von Imperialismus und Sozialismus hätten die Linksradikalen sich » . . . die Möglichkeit über demokratische und antimilitaristische Forderungen die vom Imperialismus politisch und sozial unterdrückt sind und ausgebeuteten Schichten unter dem Banner der revolutionären Arbeiterbewegung zu sammeln«, verbaut (W. Wittwer, a.a.O., S. 79), ungenau istLenschs Vorstellungen, den Wahlkampf 1912 frei von parlamentarischen Nebenrücksichten zu führen, gewann erst dadurch eine falsche Rich­tung, daß man die bürgerlichen Parteien von den Konservativen bis zum Freisinn samt und sonders als reaktionäre Masse bezeichnete, nicht aber durch die Propagierung der Massenaktionen und Relativierung des parlamentarischen Kampfes, den die Linksradika­len sowieso nie prinzipiell infrage stellten, vgl. die partielle Richtigstellung gegenüber Wittwer bei K.-E. Moring, a.a.O., S. 143.
341)
vgl. A. Pannekoek, Zum WesenunsererGegenwartsforderungen, in: NZ30,2,1911-1912, S. 816-817. Dies hätte allerdings - wie von Karski und Liebknecht praktiziert - die illusionslose Einbeziehung der Abrüstungsforderung in das Konzept der Linken erforder­lich gemacht, vgl. J. Jemnitz, Stellungnahme ..., a.a.O., S. 16.
342) vgl. BBZ vom 2.7.1910, zit. bei K.-E. Moring, a.a.O., S. 125.
343 vgl. K. Radek, Sozialdemokratie und Rüstungsbeschränkung (IV), in: BBZ vom 19.4.1911: »Die zur Erhöhung des Drucks geleistete prinzipielle Propaganda und Agitation, die den Massen den Charakter des Imperialismus klar macht, sammelt im Proletariat Kräfte zur revolutionären Aktion für die Zeit, wo die Zusammenstöße der imperialisti schen Mächte sie nötig und möglich machen. Sie flößt dem Proletariat das Bewußtsein ein, daß es nur sich selber vertrauen kann, wenn es sich um den Kampf gegen die Rüstungen und die Kriegsgefahr handelt.«
344) A. Pannekoek, in: BBZ vom 2.7.1910, zit. bei K.-E. Moring, a.a.O.
345) vgl. ähnlich D. Groh, Negative..., a.a.O., S. 217.
346) vgl. ausführlich hierzu P. Nettl, a.a.O., S. 425-433.
347)
vgl. D. Groh, Negative . . ., a.a.O., S.234-236, G. Haupt, Der Kongreß..., a.a.O., S. 39-45. Erst nach Verschärfung der Kriegsgefahr fand am 23.und 24.9.1911 eine I.S.B.­Konferenz statt, deren Beschluß das I.S.B, verpflichtete,» ... im Einvernehmen mit den verschiedenen sozialistischen Parteien internationale Kundgebungen gegen den Krieg zu veranstalten, um in umfassender Weise die Bewegung gegen den Krieg mit allen Mitteln zu entfachen«, Bulletin Periodique du Bureau Socialiste International 3, 1912, S. 128.
348)
Hilferding vertrat die Ansicht, daß man in einer solchen historischen Entwicklungs­phase drohender Katastrophen mit einer bloßen Entfesselung der Massen nicht weit komme, vgl. R. Hilferding, Der Parteitag und die auswärtige Politik, in: NZ 29,2,1910-1911, S. 799, vgl. D. Groh, Negative..., a.a.O., S. 250,253.
349)
Zum Teil durch persönliche Diskreditierung, wie im Falle Rosa Luxemburgs, wobei sie allerdings zu dieser Isolierung durch ungeschickte politische Angriffe selbst beige­tragen hatte, vgl. ebenda, S. 243-244.
350)
vgl. zur Entstehung der Imperialismustheorie von Rosa Luxemburg P. Nettl, a.a.O., S. 499-508.
351)In der Abrüstungskontroverse 1911/12 waren Liebknecht und auch Karski für Ab­rüstung und Massenaktionen gegen den Imperialismus eingetreten, vgl. J. Karski, Prak­tische Politik, in: LVZ vom 3.4.1911 und ders., Ernste Fragen und nichtige Eitelkeiten, in: BBZ vom 10.4.1911 sowie K. Liebknecht, Der Sozialismus ist der Friede (4.9.1911), in: GW 4, S. 455 und ders., Redeaufdem Jenaer Parteitag 1911, Prot.Pt. Jena 1911, S. 350,abge-druckt in: GW 4, S. 463; vgl. hierzu auch D. Groh, Negative . . ., a.a.O., S. 218-219.
352) vgl. E. Bernstein, Parteischule und Wissenschaft, in: SM 12, 2, 1908, S. 1263-1270. Bernstein vertrat die Ansicht, parallel zur Kapitalkonzentration vollziehe sich über die Aktiengesellschaften eine »Demokratisierung des Kapitals«, eine Dezentralisierung mit der Tendenz, durch die Möglichkeit des allgemeinen Aktienerwerbs zu einer gleich­mäßigen Verteilung des kapitalistischen Reichtums zu gelangen.
353) J. Karski, Aktiengesellschaft und Konzentrationen: LVZ vom 5.9.1908, vgl. auch ähnlich ders., Kapitalkonzentration, Kapitalmagnaten und Aktiengesellschaften, in: LVZ vom 23.10.1908.
354) vgl. erstmals ders., Das Wirtschaftsjahr 1904, in: LVZ vom 10.1.1905: »Besonders zufrieden aber dürfte die Hochfnanz sein: die Großbanken haben nicht nur gute Geschäfte gemacht, sie haben ihren Machtbereich erweitert. Die Konzentration im Bankgewerbe hat geradezu unheimliche Fortschritte gemacht, wie an dieser Stelle im einzelnen nachgewie­sen wurde. Und was noch wichtiger ist - der Einfluß der Großbanken auf die Industrie hat besonders stark zugenommen. Es ist dies eine Erscheinung, die Hand in Hand mit der Konzentration im Produktionsprozesse geht und gerade dadurch von besonderer Bedeu­tung ist. In dem Maße, wie sich in der Industrie die Entwicklung zu gewaltigen, trust­ähnlichen Gebilden vollzieht, wird die Allianz zwischen der Industrie und der Bankokratie immer inniger; die Beherrschung des wirtschaftlichen Lebensdurch übermächtige Cliquen wird immer deutlicher.« Ähnlich auch ders., Eine Millionengründung, in: LVZ vom 8.4.1905, ders., Industrie und Bankokratie, in: LVZ vom 29.7.1905 und ders., Bankokratie, in: LVZ vom 4.11.1905. Anfang 1908 konstatierte Karski » ... rasch fortschreitende Kon­zentration des Kommandos über diese Industrie bei einer winzigen Gruppe von Groß­banken«, in: LVZ vom 29.2.1908, zit. bei Horst Schumacher, Sie nannten ihn Karski. Das revolutionäre Wirken Julian Marchlewskis in der deutschen Arbeiterbewegung 1896-1919, Berlin 1964, S. 45.
355) Ebenda.
356) vgl. J. Karski, Imperialismus oder Sozialismus? = Sozialdemokratische Flugschriften 12, Berlin 1912, i.f. zit. nach der Neuauflage Berlin 1960.
357) vgl. Horst Schumacher/Feliks Tych, Julian Marchlewski - Karski. Eine Biographie.
358) Vgl J. Karski, Imperialismus.. „a.a.O., S. 17, vgl. auch ebenda, S. 21.

359)
vgl. ebenda, S. 20-21.
360) Ebenda, S. 47-48.

361)
vgl. ebenda, S. 24.
362 Ebenda, S. 25.
363 Ebenda.
364) vgl. ders., Besprechung von R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., in: LVZ vom 27.8.1910.
365)
vgl. ders., Kapitalexport, in: LVZ vom 18.2.191.1.
366) vgl. ders., Imperialismus ..., a.a.O., S. 25,41.
367) vgl. ebenda, S. 26.
368) Allerdings vermag erden Gesamtzusammenhang von Akkumulationsbewegung, Konsumtionsbeschränkung der Arbeitermassen und tendenziellem Fall der Profitrate nicht zu entwickeln. Entsprechend beruft er sich bei seiner Entwicklung des Kapitalexports auf Hilferding, obwohl er explizit über dessen Feststellung hinausgeht, vgl. ders., Kapital­export, in: LVZ vom 18.2.1911: »Hilferding sagt in seinem ausgezeichneten Buche über das .Finanzkapital': .Bedingung des Kapitalexports ist Verschiedenheit der Profitrate: der Kapitalexport ist das Mittel zur Ausgleichung der nationalen Profitrate. Die Höhe des Profits ist abhängig von der organischen Zusammensetzung des Kapitals, also von der Höhe der kapitalistischen Entwickl ung. Je fortgeschrittener diese, desto niedriger die allgemeine Profitrate.' Aus diesem Grunde weisen die kapitalistisch hochentwickelten Länder alle­samt Kapitalexport auf: das Kapital jagt dem höheren Profit nach. Daran wird kein Gesetz etwas ändern.« Ähnlich auch ders., Kapitalexport, in: LVZ vom 11.1.1913.
369) vgl. ders., Imperialismus..., a.a.O., S. 26-27, ähnlich auch ebenda, S. 41, wo Karski die Auswirkungen der Schutzzollpolitik nach innen und außen zusammenfaßt: »Bedeutet diese für die Arbeiter eine weitere Verschärfung der Teuerung, so für die Unternehmer leichtere, schnellere und festere Kartellierung und damit die Ausbeutung der inländichen Konsumentenmasse durch ihre Monopolpreise. Je höher der Schutzzoll und je größer das durch ihn geschützte Gebiet, desto größer die Monopolprofite, deso heftiger aber auch der Gegensatz, in den die Kapitalistenklassen der verschiedenen Staaten zueinander geraten, desto heißer ihr Streben, durch gewaltsame Expansion ihr Schutzzollgebiet zu erweitern und anderen Kapitalisten die Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu erschweren.«
370) vgl. ebenda, S. 27: »Es entsteht das Ideal der Kapitalisten, ihr Reich auf Kosten aller anderen zu einem Weltreich, zu einem Imperium zu machen, daß so umfassend ist, daß alle wirtschaftlichen Bedürfnisse des Kapitals in seinen Grenzen befriedigt werden können. Und da die Kapitalisten in ihrer immer straffer werdenden ökonomischen und politischen Organisation die Staatsmacht immer unbedingter beherrschen, da Bürokratie und Militär bei einer solchen Politik ihre Interessen gewahrt sehen und ihre Macht vermehren, wird die imperialistische Politik immer mehr zu der alle kapitalistischen Staaten beherrschenden.«
371) vgl. ebenda.
372) Ebenda, S. 30-31.
373) vgl. ebenda, S. 45.
374) vgl. ders., Praktische Politik, in: LVZ vom 3.4.1911. Bei seiner Beurteilung des Militarismus ging Karski davon aus,«... daßeben der Militarismus auf parlamentarischem Wege nicht zu überwinden ist, weil im Parlament seine Nutznießer die Entscheidung haben und stets haben werden.« Ders., Die Wut gegen die Steuern, in: LVZ vom 26.6.1913, zuvor bereits ders., Der Rüstungswahnsinn, in: LVZ vom 29.1.1909, wo er feststellte, daß der » ... Militarismus und Marinismus der herrschenden Klasse einer der Grundübel ist, an denen der kapitalistische Staat krankt, und daß eine Rettung nur möglich ist, wenn dieser Staat zugrunde geht.«
375) Ders., Mittelstand und Sozialdemokratie, Leipzig 1911, S. 38.
376) vgl. H. Schumacher/F. Tych, a.a.O., S. 203.
377) J. Karski, Krieg, Zusammenbruch und Revolution, Leipzig 1911, S. 28-29, zit. bei H. Schumacher/F. Tych, a.a.O., S. 199-200, ähnlich auch J. Karski, Ein Sozialist als Projektenmacher, in: LVZ vom 29.10.1913.
378) vgl. D. Groh, Negative . . ., a.a.O., S. 303; exemplarisch J. Karski, Die Wut gegen die Steuern, in: LVZ vom 26.6.1913: »Solange nicht die Volksmassen direkt ihren Willen zur Geltung bringen, wird das System des staatlich organisierten Massenmordes mit all seinem Fluch und Elend auf den Völkern lasten.«
379)
vgl. Julian Marchlewski kontra Kautsky. Zwei unveröffentlichte Briefe aus dem Jahre 1912, in.BzG 6, 1964, S. 1066-1070.
380) z.B. für die Veröffentlichung seiner Broschüre »Imperialismus oder Sozialismus?«.
381) J. Karski. Das Wettrüsten, in: LVZ vom 27.3.1912, vgl. auchders., Imperialismus..., a.a.O., S. 48, wo er konstatiert, » . .. daß nur die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat diese Phase des Kapitalismus beenden kann.«
382) vgl. z.B. seine Analyse der wirtschaftichen Lage ein halbes Jahr vor Kriegsausbruch inderzusammenmit Rosa Luxemburgund Franz Mehring herausgegebenen »Sozialdemo­kratischen Korrespondenz«, ders., Wirtschaftliche Rundschau, in: Sozialdemokratische Korrespondenz 1, vom 27.12.1913, S. 11: »Politik und Wirtschaft werden in der Weise ver­quickt, daß die Regierungen nicht mehr allgemein im Dienste der Kapitalistenklasse über­haupt stehen, sondern sich in den Dienst bestimmter kapitalistischer Cliquen stellen.« vgl. entsprechend hierzu Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium . . ., a.a.O., in: LW 22, S. 250-258.
383) vgl. ebenda, S. 200-214.
384) vgl. z.B. die gemeinsame Auffassung von Karski und Lenin über den krisenver­schärfenden Charakter der Kartelle. So schreibt Lenin: »Die Ausschaltung der Krisen durch die Kartelle ist ein Märchen bürgerlicherOkonomen, die den Kapitalismus um jeden Preis beschönigen wollen. Im Gegenteil, das Monopol, das in einigen Industriezweigen entsteht, verstärkt und verschärft den chaotischen Charakter, der der ganzen kapitalisti­schen Produktion in ihrer Gesamtheit eigen ist.« Ebenda, S. 212, vgl. entsprechend Karski. Besprechung von R. Hilferding, Das Finanzkapital, a.a.O., in: LVZ vom 27.8.1910; zum Verhältnis von Karskis und Lenins Imperialismusverständnis vgl. grundlegend H. Schumacher, a.a.O., S. 41-58.
385) J. Karski, Eine marxistische Untersuchung über den Imperialismus, in: Münchener Post vom 30. u. 31.1.1913 und F. Mehring, Ein neues Werk des Marxismus, in: LVZ vom 16./17. u. 18.1.1913; am 21.2.1913 erklärten beide, daß Rosa Luxemburgs Buch zu dem besten zählte, » . . . was die wissenschaftliche Parteiliteratur seit dem Tode von Engels hervorgebracht hat«, in: LVZ vom 21.2.1913.
386) vgl. ähnlich H. Schumacher, a.a.O., S. 36-37.
387) Konsequenterweise versuchte Karski bei seiner Besprechung von Rosa Luxem­burgs Werk, die Notwendigkeit nichtkapitalistischer Räume aus den Widersprüchen der Kapitalakkumulation abzuleiten, vgl. ders., Eine marxistische Untersuchung..., a.a.O., in: Münchener Post vom 30.1.1913, vgl. auch unten, Fußn. 417.
388) R. Luxemburg, Vorwort zur Akkumulation ..., a.a.O. Sie begeht diesen Weg über die kritische Auseinandersetzung mit den Klassikern der politischen Ökonomie, wie Quesnay, Smith und Ricardo, forscht in den Auseinandersetzungen zwischen Sismondi und Malthus, Say, Ricardo und Mac Culloch, Rodbertus und Kirchmann nach Lösungen über die Gesetze der kapitalistischen Reproduktion und beschäftigte sich mit dem Streit zwischen Volkstümlern und legalen Marxisten um den Nachweis der Möglichkeit kapita­listischer Entwicklung in Rußland anhand der Reproduktionsschemata, um schließlich zu einer grundlegenden Kritik und Korrektur der Marxschen Schemata der Reproduktion zu gelangen; eine Zusammenfassung ihrer Argumentation geben u.a. Tom Kemp, Theories of Imperialism, London 1967, S. 45-62, Paul M. Sweezy, Theorie . . ., a.a.O., S. 159-164, Tony Cliff, a.a.O., S. 71-87, G. Gigus, a.a.O., S. 20-28, R. Rosdolsky, Zur Ent­stehungsgeschichte . .., a.a.O., Bd. 2, S. 578-586 sowie ausführlich Zakaria A. Nasr, Rosa Luxemburg et la theorie de la realisation, in: L'Egypte Contemporaine 56, 1965, S. 57-96, Lucien Laurat, L'Accumulation du capital d'apres Rosa Luxemburg, Paris 1930, S. 75-140 und Fanny Dulberg, Der Imperialismus im Lichte seiner Theorien, Rer. Pol. Diss. Basel 1936, S. 76-90.
489) Otto Bauer, Marx' Theorie der Wirtschaftskrisen, in: NZ 23, 1, 1904-1905, S. 133-138,164-170.
390) vgl. R. Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte ..., a.a.O., Bd. 2, S. 578. Sie knüpfte damit direkt an die bereits um die Jahrhundertwende entwickelten eigenen Zusammen­bruchsvorstellungen an, vgl. hierzu ausführlich oben, Kap. 5. Rosa Luxemburg...
391) R. Luxemburg, Einführung in die Nationalökonomie, Berlin 1925, S. 285-286.
392) Damit läßt sie sich auf die Analyse immanenter Widersprüche des Akkumulations­prozesses gar nicht mehr ein, vgl. H. Grossmann, Das Akkumulations-..., a.a.O., S. 282-283, im Anschluß hieran Eanny Dulberg, a.a.O., S. 91-92.
393)  R Luxemburg, Die Akkumulation..., a.a. O, S. 54: »In jeder produzierenden Gesell­schaft, welche ihre soziale Form auch sei..., muß die verfügbare Arbeitsmenge der Gesell­schaft so verteilt werden, daß sowohl Produktionsmittel in genügender Menge wie Lebens­mittel hergestellt werden... Insofern ist das Marxsche System in seiner allgemeinen Proportion die allgemeine absolute Grundlage der gesellschaftlichen Reproduktion, nur daß hier die gesellschaftlich notwendige Arbeit als Wert erscheint, die Produktionsmittel als konstantes Kapital, die zur Erhaltung der Arbeitenden notwendige Arbeit als variables Kapital und die zur Erhaltung der Nichtarbeitenden notwendige als Mehrwert.«
394) Ebenda, S. 320-321, vgl. auch ebenda, S. 136-137: »Unterder Annahmedereinfachen Reproduktion ist die Sache einfach genug: da der ganze Mehrwert von den Kapitalisten verzehrt wird, so sind sie eben selbst die Abnehmer, die Nachfrage für den gesellschaft­lichen Mehrwert in seinem ganzen Umfang, müssen also auch das zur Zirkulation nötige Kleingeld in der Tasche haben. Aber gerade ausderselben Tatsache ergibt sich mit Evidenz, daß unterder Bedingung der Akkumulation,d.h. der Kapitalisierungeines TeilesdesMehr-werts, die Kapitalistenklasse selbst unmöglich ihren ganzen Mehrwert abkaufen, realisieren kann. Es stimmt schon, daß genug Geld beschafft werden muß, um den kapitalisierten Mehrwert zu realisieren - wenn er überhaupt realisiert werden soll. Aber dieses Geld kann unmöglich aus der Tasche der Kapitalisten selbst kommen. Sie sind vielmehr gerade durch Annahme der Akkumulation Nichtabnehmer ihres Mehrwertes, auch wenn sie -abstrakt genommen - hierfür Geld genug in der Tasche hätten. Wer aber kann sonst die Nachfrage nach den Waren darstellen, in denen der kapitalisierte Mehrwert steckt?«
395) Dabei hatte sie mit dem Herausfinden der Disproportionalität zwischen den beiden Abteilungen der Produktion einen Ansatzpunkt benannt, der gerade auf der Betrachtungs­ebene der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals die Widersprüchlichkeit kapitalistischer Produktionsweise ausdrückt, vgl. ebenda, S. 309-311.
396) Marx geht es in den Reproduktionsschemata um die Darstellung der Bedingungen, unter denen sich Kapitalreproduktion als einheitliche Bewegung von Wert- und Stoffersatz überhaupt vollziehen kann, wobei er die einfache Reproduktion als Fundamentalform und damit immer schon als realen Faktorder Akkumulation begreift. Hierbei bildet den Kern seiner Argumentation die Darstellung von Kapital- und Revenueumsatz zwischen den beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion, die sich explizit in seinen Schemata der erweiterten Reproduktion als disproportional erweisen, vgl. Marx, Das Kapital, a.a.O., Bd. 2, S. 499,510. Entsprechend läßt sich anhand der Schemata nachweisen, daß Akkumu­lation als kontinuierlicher Prozeß Überproduktion einschließt, vgl. ausführlich oben Kap. 1. Kapitalakkumulation... Die Frage nach der Realisation faßt nur noch das Resultat dieser Bewegung als abgetrennte Fragestellung der Zirkulation. Wie wenig Rosa Luxemburg die Bedeutung von Wert- und Stofiersatz einerseits, von Kapital- und Revenueumsatz anderer­seits erkannt hatte, dokumentiert auch ihre Kritik an der Marxschen Subsumtion der Gold­produktion unter Abteilung I der gesellschaftlichen Produktion und an der Unterstellung, daß hinreichend Geld in die Zirkulation geschaffen werde, um den Fluß der Austausch­bewegungen zwischen den beiden Abteilungen zu gewährleisten, vgl. R Luxemburg, Die Akkumulation..., a.a.O., S. 65-75. So verkennt sie, daß Marx die Goldproduktion in Abteilung I nicht wegen der Bestimmung des Geldes als Austauschmittel aufgenommen hat, nicht von dessen Funktion ausging, sondern aufgrund der inhaltlichen Bestimmung des Geldes in seiner Stofflichkeit als Ware; dies übersieht das Projekt Klassenanalyse in seiner sonst richtigen Kritik der Luxemburgschen Geldtheorie, vgl. PKA, Rosa Luxemburg. Die Krise des Marxismus, Berlin 1975, S. 81.
397) vgl. R. Luxemburg, Die Akkumulation ..., a.a.O., S. 318.
398)vgl. ebenda, S. 331-333.
399) vgl. ebenda, S. 333-335. Rosa Luxemburg weist insbesondere auf den Bedarf des Kapitals an zusätzlichen sozialen Reservoirs zur Auffüllung der industriellen Reservearmee hin. Hierbei handele es sich um »... Arbeitskraft, die bisdahin noch nicht unterdem Kommando des Kapitals stand und erst nach Bedarf dem Lohnproletariat zugefügt wird. Diese zuschüssigen Arbeitskräfte kann die kapitalistische Produktion nur aus nichtkapitali stischen Schichten und Ländern ständig beziehen.« Ebenda, S. 333.
400) Ebenda, S. 337.
401) Ebenda, S. 340, vgl. die ausführliche Beschreibung dieser Entwicklungsphasen
ebenda, S. 340-394.
402) Ebenda, S. 393.
403) vgl. ebenda, S. 394.
404) Ebenda, S. 423.
405) Ebenda, S. 445.
406) vgl. ebenda, S. 317: »Das Schema läßt wohl Krisen zu, aber ausschließlich aus Mangel an Proportionalität der Produktion, d.h. aus Mangel an gesellschaftlicher Kontrolle über den Produktionsprozeß. Es schließt dagegen den tiefen fundamentalen Widerstreit zwischen Produktionsfähigkeit und Konsumtionsfähigkeit der kapitalistischen Gesell­schaft aus, der sich gerade aus der Kapitalakkumulation ergibt, der sich periodisch in Krisen Luft macht und der das Kapital zur beständigen Markterweiterung antreibt.«
407) vgl. ebenda, S. 301. Rosa Luxemburg bezieht sich in ihrer ausführlichen Kritik an Tugan Baranowskys harmonischer Interpretation der Reproduktionsschemata (vgl. ebenda, S. 280-295) auf dessen »Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen in England«, a.a.O. und sein Buch, »Theoretische Grundlagen des Marxismus«, Leipzig 1905; eine Zusammenfassung von Tugans Interpretation der Reproduktionsschemata findet sich auch in: ders., Der Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaftsordnung im Lichte der nationalökonomischen Theorie, in: Archiv für Sozial Wissenschaft und Sozialpolitik 19, 1904, S. 273-306, wo sich Tugan vor allem mit Kautskys Kritik (vgl. Kautsky, Krisen­theorien, a.a.O.) auseinandersetzt.
408) vgl. R. Luxemburg, Die Akkumulation . . ., a.a.O., S. 301, 313, 317; entsprechend kritisch H. Grossmann, Das Akkumulations-..., a.a.O., S. 280-281.
409) Der Titel des siebten Abschnitts des ersten Bandes lautet: »Der Akkumulations­prozeß des Kapitals«.
410) vgl. R. Luxemburg, Die Akkumulation . . ., a.a.O., S. 316-317, ferner später dies., Antikritik,a.a.O., S. 23,115-117; vg. hierzu auch PKA, Rosa Luxemburg...,a.a.O.,S. 84-86.
411) vgl. Gustav Eckstein, Rosa Luxemburg. Die Akkumulation des Kapitals. Eine Be­sprechung, in: Vorwärts vom 16. 2. 1913, wieder abgedruckt in: R. Luxemburg, Gesam­melte Werke, Bd. VI, hrsg. von Clara Zetkin und Adolf Warski, Berlin 1923, S. 485-493 sowie ders., Militarismus und Volkswirtschaft, in: NZ 31, 2, 1912-1913, S. 116-125, 165-172,0. Bauer, Die Akkumulation des Kapitals, a.a.O. und Kautsky, Imperialismus, Industrie und Landwirtschaft (unvollständiges, unveröffentlichtes Manuskript), in: Kautsky-Nachlaß A 56, IISG. Im wesentlichen wiederholt Kautsky hier seine Imperialismusauf­fassung (vgl. kurze Auszügedes Manuskripts bei G. Haupt/M. Reberioux, a.a.O., S. 91-92) mit der Einschränkung, daß seine ehemals disproportionale Interpretation der Marxschen Reproduktionsschemata - offensichtlich unter dem Einfluß Hilferdings, Bauers und Eck­steins - einer weitgehend harmonischen Auslegung gewichen ist, bei der die Krisen nicht mehr Ausdruck immanenter Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Entwicklung sind, vgl. ders., Imperialismus, Industrie..., a.a.O., S. 5: »Soll aber die Industrie wachsen, muß die Landwirtschaft ihre Produktion und ihre Bevölkerung ingleichem Maße ausdehnen; sie muß die Mengen der Rohstoffe und Lebensmittel in demselben Maße vermehren, in dem der Bedarf der Industrie danach zunimmt; und sie muß im gleichen Maße mehr Produkte der Industrie verzehren, mit denen die der Landwirtschaft gekauft werden. Wir haben gesehen, wie der ungestörte Fortgang des Produktionsprozesses die Voraussetzung er­heischt, daß die verschiedenen Produktionszweige alle in richtigem Verhältnis produzie­ren, daß aber ein stetes Streben nach Durchbrechung dieses Verhältnisses innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise besteht, weil sie die Tendenz hat, innerhalb eines be­stimmten Gebiets die industrielle Produktion weit rascher zu entwickeln als die landwirt­schaftliche. Das wird auf der einen Seite eine mächtige Ursache periodischer Krisen, die stets industrielle Krisen sind und in denen sich das richtige Verhältnis der verschiedenen Produktionszweige immer wieder durchsetzt. Auf der anderen Seite wird dadurch der Drang nach Ausdehnung des landwirtschaftlichen Gebiets, das der Industrie Lebensmittel und Rohstoffe, aberauch Abnehmer liefert, immerstärker, jegewaltigerdie Ausdehnungs­fähigkeit der kapitalistischen Industrie.«
412) vgl. z.B. G. Eckstein, Rosa Luxemburg .. ., a.a.O., S. 487; siehe hierzu vor allem H. Grossmann, Das Akkumulations-.. ., a.a.O., S. 246. Otto Bauers Lösung der Dispropor-tionalität in den Schemata unterstellt bereits wie zuvor Rosa Luxemburgs Analyse die Frage nach der Realisierung, die es zu lösen gilt, damit die Frage nach der wirklichen Reproduktion des Kapitals.
413) vgl. O. Bauer, Die Akkumulation . . ., a.a.O., S. 863 - 864: »Die Kapitalisten der Konsumtionsgüterindustrien übertragen einen Teil des im ersten Jahre akkumulierten Mehrwertes in die Produktionsmittelindustrien: sei es, daß sie selbst Fabriken gründen, in denen Produktionsmittel erzeugt werden; sei es, daß sie einen Teil des von ihnen akku­mulierten Mehrwertes durch Vermittlung der Banken den Kapitalisten der Konsumtions­güterindustrien zur Verwendung übertragen; sei es, daß sie Aktien von Gesellschaften kaufen, die Produktionsmittel erzeugen. Soll auf diese Weise im nächsten Jahre der Pro­duktionsapparat der Sphäre I erweitert sein, müssen schon heuer die Elemente dieses Produktionsapparats (Arbeitsräume, Maschinen, Rohstoffe) gekauft werden. Die Pro­duktionsmittelindustrien verkaufen daher Waren im Werte von 4.666 an jenes Kapital, das in der Konsumtionsgüterindustrie akkumuliert wurde, aber in der Produktionsmittelindustrie angelegt wird. Die Kapitalisten der Konsumtionsgüterindustrien kaufen also neben Produktionsmitteln im Werte von 85.334, die zur Erzeugung von Produktionsgütern ver­wendet werden, auch noch Produktionsmittel im Werte von 4.666, die zur Erzeugung von Produktionsmitteln bestimmt sind. Insgesamt werden also die im ersten Jahre erzeugten Produktionsmittel in folgender Weise abgesetzt:

1. An die Kapitalisten der Produktionsmittelindustrien:

a. zur Erneuerung des Produktionsapparats in I                     120.000
b. zur Erweiterung des Produktionsapparats in II                    10.000
                                         zusammen                  130.000
2. An die Kapitalisten der Konsumtionsgüterindustrien:

a. zur Erneuerung des Produktionsapparats in II                     80.000
b. zur Erweiterung des Produktionsapparats in II                     5.334
c. zur Erweiterung des Produktionsapparats in I                      4.666
                                       zusammen                     90.000.«

414) vgl. ebenda, S. 872-873: »Die Erweiterung des Produktionsapparats nimmt unter kapitalistischer Produktionsweise die besondere Form der Akkumulation des Kapitals an. Diese Akkumulation vollzieht sich ohne Störung, sofern sie nur in einem bestimmten Größenverhältnis bleibt einerseits zum Wachstum der Bevölkerung, andererseits zur Ent­wicklung der Produktivkraft, die sich in dem Fortschritt zu höherer organischer Zusam­mensetzung des Kapitals ausdrückt.« Zur Kritik Bauers vgl. ausführlich H. Grossmann, Das Akkumulations- . . ., a.a.O., S. 246-278, zusammenfassend R. Rosdolsky, Zur Ent­stehungsgeschichte . . ., a.a.O., Bd. 2, S. 586-594, ferner L. Laurat, a.a.O., S. 149-157.
415)15 vgl. O. Bauer, Die Akkumulation ..., a.a.O., S. 873: »Allerdings treibt die Entwick­lung der Akkumulation immer wieder über diese Grenze hinaus; aber die Akkumulation wird immer wieder in ihre Grenze zurückgeführt durch die perodisch wiederkehrende Wirtschaftskrise. Das Ergebnis unserer Untersuchung ist also: 1. daßauch in einer isolierten kapitalistischen Gesellschaft Akkumulation des Kapitals möglich ist, sofern sie nur über eine jeweils bestimmte Grenze nicht hinausgeht; 2. daß sie zu dieser Grenze selbsttätig zurückgeführt wird durch den Mechanismus der kapitalistischen Produktionsweise selbst.«
416) vgl. Marx, Das Kapital, Bd. 2, a.a.O., S. 516: »Es ändert auch nichts an der Sache, wenn ein Teil der Produkte von II seinerseits fähig ist, als Produktionsmittel in I einzu-gehn. Sie werden gedeckt durch einen Teil der von I gelieferten Produktionsmittel, und dieser Teil ist von vornherein auf beiden Seiten in Abzug zu bringen, wenn wir den Austausch zwischen den beiden großen Klassen der gesellschaftlichen Produktion, den Produzenten von Produktionsmitteln und den Produzenten von Konsumtionsmitteln, rein und unge­trübt untersuchen wollen.« (Hervorh. v. V.) vgl. mit einer entsprechenden Kritik an meh­reren sich auf Otto Bauer berufenen neueren Ökonomen aus den sozialistischen Ländern R. Rosdolsky, Zur Entstehunsgeschichte a.a.O., Bd. 2, S. 588-589; zu nennen sind hier vor allem T. Kowalik und Oskar Lange, vgl. Tadeusz R. Kowalik, Rosa Luxemburgs Theory of Accumulation and Imperialism, in: Problems of Economic Dynamics and Planning, = Festschrift für M. Kalecki, Warschau 1964, S. 203-219 und Oskar Lange, Politische Ökono­mie, Bd. 2, Frankfurt o. J. (übersetzt nach der 2. poln. Aufl. 1968), S. 180-208.
417) Beide Besprechungen gehen im wesentlichen über eine Wiedergabe der Luxemburgschen Argumente nicht hinaus. Lediglich Karski versucht in seiner Bespre­chung, Rosa Luxemburgs Behauptung der Notwendigkeit nichtkapitalistischer Räume aus der Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Akkumulationsbewegung abzuleiten und damit einen Zusammenhang zu seinem eigenen Imperialismusverständnis herzustellen: „Wir wissen, daß die gesamte kapitalistische Wirtschaft auf der Aneignung von Mehrwert beruht... Der angeeignete Mehrwert wird nur zu einem Teile von der Kapitalistenklasse verwendet, um den Unterhalt der Kapitalisten zu bestreiten, ein anderer Teil ballt sich zusammen zum neuen Kapital, wird akkumuliert. Dieses akkumulierte Kapital wird von neuem in die Produktion geworfen, soll von neuem Mehrwert hecken. So steigt unab­lässig die Masse der erzeugten Güter. Hier zeigt sich nun ein Widerspruch. Der Unterhalt der Arbeiterklasse wird bestritten aus dem Lohn. Die Kapitalistenklasse gibt einen Teil des Kapitals aus, als Zahlung für die gekaufte Arbeitskraft; es ist dieserTeil das variable Kapital. Der Lohn, den der einzelne Arbeiter erhält, kann wohl steigen, aber die gesamte Lohn­summe kann nicht derart steigen, daß sie den Wert des gesamten Mehrprodukts, das durch Anwendung der Arbeitskraft erzielt wird,verschlingt. Es kann, deshalb nicht gesche­hen, weil dann der Profit verschwindet, der Anlaß wegfällt, der den kapitalistischen Unter­nehmer reizt, zu produzieren. Wenn nun aber nur ein Teil des Arbeitsprodukts von der Arbeiterklasse verbraucht werden kann, ein anderer Teil, jener, der den Mehrwert enthält, in der Form, in der er vorhanden ist, nicht von den Kapitalisten verbraucht werden kann, so fragt sich, wo die Käufer dafür herkommen?« J. Karski, Eine marxistische Unter­suchung . . ., a.a.O., in: Münchener Post vom 30.1.1913. Ganz ähnlich hatte auch Lenin 14 Jahre zuvor versucht, die Gesetze der Kapitalakkumulation in die Reproduktions­schemata zu integrieren, vgl. Lenin, Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland (1899), in: LW 3, S. 39-58, siehe auch unten, S. 660, Fußn. 422.
418) vgl. z.B. A. Pannekoek, Besprechung von Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals, in: BBZ vom 29. u. 30.1.1913 sowie ders., Theoretisches zur Ursache der Krisen, in: NZ 31, 1, 1912-1913, S 780-792 (785-786). Pannekoek resümiert genau wie Bauer: »Der Kapitalzuwachs in beiden Abteilungen ist den Anfangskapitalien genau proportional, so daß in dieser Weise und in dieser Proportion immer weiter produziert werden kann, wenn immer wieder am Schlüsse des Jahres der akkumulierte Mehrwert in dem richtigen Verhältnis über beide Sphären verteilt wird.« Ebenda, S. 786. Die Redaktion der Bremer Bürgerzeitung, Lensch, Radek und Henke stellten sich im Gegensatz zu Mehring auf die
Seite Pannekdeks, vgl. BBZ vom 14., 15., 22.2. u. 1.3.1913, vgl. ferner hierzu K.-E. Moring,
a.a.O., S. 168-169, D. Groh, Negative . . ., a.a.O., S. 301; zu Recht weisenMoring(ders.
a.a.O., S. 169) und Groh (ders, Negative . .., a.a.O., S. 302, Fußn. 122) darauf hin, daß es
falsch ist, das Werk Rosa Luxemburgs mit den Anschauungen der deutschen Linksradikalen
einfach zu identifizierende es in der Vergangenheit Mandelbaum und in jüngerer Zeit all-
gemein formuliert Schorske getan haben, vgl. K. Mandelbaum, Sozialdemokratie . . .,
a.a.O., S. 23-25, Carl Emil Schorske, German Social Democracy 1905-1917. The Develop-
ment of the Great Schism, Cambridge (Mass.), 1955, S. 242.
419) vgl. R. Luxemburg, Die Akkumulation ..., a.a.O., S. 280,287-288.
420) vgl. Lenin, Zur Charakteristik der ökonomischen Romantik (1897), in: LW 2, S. 156.
421) vgl. ders., An die Redaktion des »Sozial-Demokrat«, Brief vom 29.3.1913, in: LW35, S. 71: »Ich habe Rosas neues Buch ,Die Akkumulation des Kapitals' gelesen. Schauderhaft falsche Auffassungen! Sie hat Marx entstellt. Ich freue mich sehr, daß sowohl Pannekoek als auch Eckstein und O. Bauer sie einmütig verurteilt und gegen sie das vorgebracht haben, was ich 1899 gegen die Volkstümler gesagt habe.« Lenins kritisches Verdikt über Rosa Luxemburgs Imperialismustheorie lieferte den Grundstein für eine ungewöhnlich scharfe und umfangreiche theoretische Auseinandersetzung um das Luxemburgsche Werk in den zwanziger Jahren nach Lenins Tod zwischen den sog. Luxemburgisten und Leninisten, vgl. hierzu die herausragenden Werke von Fritz Sternberg, Der Imperialisjnus, a.a.O. und Nikolai Bucharin, Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals, a.a.O.
422) vgl. Lenin, Die Entwicklung des Kapitalismus . .., a.a.O., in: LW 3, S. 42-43: »Das Wachstum der Produktionsmittel überflügelt das Wachstum der Konsumtionsmittel. Wir sahen in der Tat, daß konstantes Kapital in Gestalt von Konsumtionsmitteln (Abteilung II) gegen variables Kapital + Mehrwert in Gestalt von Produktionsmitteln (Abteilung I) aus­getauscht wird. Nun wächst aber nach dem allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Pro­duktion das konstante Kapital rascher als das variable. Folglich muß das konstante Kapital in Konsumtionsmitteln rascher wachsen als das variable Kapital und der Mehrwert in Konsumtionsmitteln, während das konstante Kapital in Produktionsmitteln am schnell­sten wachsen und sowohl das Wachstum des variablen Kapitals (+ Mehrwert) in Pro­duktionsmitteln als auch das Wachstum des konstanten Kapitals in Konsumtionsmitteln überflügeln muß. Die Abteilung der gesellschaftlichen Produktion, die Produktionsmittel herstellt, muß folglich rascher wachsen als diejenige, die Konsumtionsmittel erzeugt.« vgl. ausführlich ebenda, S. 39-58, 611-622 sowie ders.. Noch einmal zur Frage der Realisa­tionstheorie (1899), in: LW 4, S 64-83.
423) vgl. erste Versuche einer Zusammenfassung der Leninschen Interpretation der Reproduktionsschemata bei R. Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte . . ., a.a.O., Bd. 2, S. 556-578, zu seiner Auseinandersetzung mit den Volkstümlern H.W. Kettenbach, a.a.O., S. 151-162; eine zusammenhängende Aufarbeitung der Leninschen Imperialismustheorie unter ausführlicher Verarbeitung seiner frühen Schriften steht noch aus.
424) a. Pannekoek, Besprechung von Rosa Lüxem bürga.a.O., in: BBZ vom 30.1.1913, vgl., auch ebenda: »Um diesen Imperialismus in seinen ökonomischen Wurzeln zu ver­stehen, liefert uns die Darlegung der Genossin Luxemburg - auch wenn sie ökonomisch richtig wäre - keinen Beitrag.« Insgesamt greift Pannekoeks Begründung des Imperialis­mus für Lenins spätere Imperialismustheorieallerdings zu kurz, vgl. Lenin, Der Imperialis­mus als höchstes..., a.a.O., in: LW 22, S. 189ff.
425) vgl. D. Groh, Negative ..., a.a.O., S. 301.
426) vgl. K. Radek, Der deutsche Imperialismus und die Arbeiterklasse, Bremen 1912, auch abgedruckt in: ders.. In den Reihen ..., a.a.O., S. 48-155 (155).
427) vgl. ebenda, S. 154: »Genügt nicht die Kraft des unter dem Banner des Sozialismus
gegen den Imperialismus kämpfenden Proletariats, um den Ausbruch eines europäischen
Krieges zu hintertreiben, so werden die Greuel dieses Krieges, die unermeßliche Not, die
er über die Volksmassen aller Länder ausschütten wird, dafür sorgen, daß die Besiegten
wie die Sieger vom blutigen Schlachtfelde als Gefangene des Sozialismusheimkehren.«
428) vgl. G. Lukäcs, Rosa Luxemburg als Marxistin, in: ders., Geschichte.. ..a.a.O., S. 210.
429) Der im Frühjahr 1914 verfaßte Bericht ist im Wortlaut bei G. Haupt, Der Kongreß...,
a.a.O., S. 227-228 abgedruckt.
430) vgl. zusammenfassend G. Haupt, Der Kongreß ..., a.a.O., S. 123-124.
431) vgl. ebenda, S. 255.
432) vgl. ebenda, S. 255-256: »Die Teuerung zwingt die Arbeiterklasse zum Kampf um höheren Lohn. Die Unternehmer schaffen immer gewaltigere Organisationen, den Arbei­tern entgegenzutreten. Die Bedingungen des gewerkschaftlichen Kampfes sind verändert. Riesenhafte Streiks und Aussperrungen erschüttern alle Länder. Während so die Klassen­gegensätze innerhalb der kapitalistischen Länder verschärft werden und die Erhebung der Kolonialländer den europäischen Kapitalismus mit neuen Gefahren bedroht, werden zugleich die Vorbedingungen der Überwindung der Kapitalsherrschaft geschaffen. Die Teuerung erhöht die Grundrente und den Profit des kartellierten und vertrusteten Kapitals. Schnell wachsende Reichtümer sammeln sich in den Händen einer kleinen Minderheit der Völker. In den großen Kartellen und Trusts wird die Produktion vergesellschaftet. Die Voraussetzungen für die Überführung der Produktionsmittel in das Eigentum und die Verwaltung des Gemeinwesens werden durch die kapitalistische Entwicklung selbst in beschleunigtem Tempo geschaffen. Die Teuerung, selbst das Ergebnis einer schnelleren Entwicklung des Kapitalismus, beschleunigt ihrerseits diese Entwicklung. Sie revolutio­niert die Arbeit und sie konzentriert das Kapital. So nähert sie uns mit Riesenschritten dem Augenblick, in dem die organisierte Arbeiterklasse sich der organisierten Kapitals­macht bemächtigen wird, um mit allen Folgewirkungen des kapitalistischen Eigentums auch die Teuerung auszurotten.«
433) Die Berichte von Hugo Haase und W.T. Vliegen wurden für die 3. Kommission: Imperialismus und Schiedsgericht vorbereitet, vgl. den Wortlaut ebenda, S. 256-258 u. 259-268.
434) vgl. W.T. Vliegens Bericht ebenda, S. 262-263.
435) Ebenda, S. 267.
436) G. Lukäcs, Rosa Luxemburg ..., a.a.O.

Editorische Hinweise

Der Text wurde entnommen aus: Hans-Holger Paul: Marx, Engels und die Imperialismustheorie der II. Internationale, 1976, Dissertation an der Uni Bonn