Betrieb & Gewerkschaft
GM will die Autoproduktion bei Opel Bochum stilllegen
Widerstand ist nötig - und möglich!

von
Peter Lenz

12-2012

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onlinezeitung

In Bochum sollen ab 2016 keine Autos mehr gebaut werden. 3.000 Beschäftigte werden dann ihren Arbeitsplatz verlieren. Das wäre das Ende von Opel Bochum. All die Planspiele um eine neue Zukunft des Werkes als Ersatzteilzentrum sind sehr vage und dienen nur zur Ablenkung. Auch etliche Zulieferfirmen und Dienstleister würde es zusammen mit Opel in den Abgrund reißen.

Siehe auch die täglich aktualisierten RF-Soli-News

Die Stilllegungsdrohungen ziehen sich schon seit Jahren hin. 2004 kam es deshalb zu einem mehrtägigen Streik der Bochumer Belegschaft. Es folgten alle möglichen Pläne zu Verkauf oder Umstrukturierung von Opel. Dabei wurden die Co-Management-Betriebsräte (insbesondere von Bochum und Rüsselsheim) gegeneinander ausgespielt. Auch die Opel-Chefs wechselten immer sehr schnell - und damit waren auch ihre auch ihre Zusagen und Versprechungen obsolet.

Das hat an den Nerven gezerrt und die Moral einer bisher immer sehr kämpferischen Belegschaft untergraben. Der kurze Warnstreik am Dienstag wurde auch nur von einem Teil einer Schicht befolgt. Am Freitag, dem 15.12., gab es mehrere einstündige Arbeitsunterbrechungen, die der BR zur Information nutzte.

Wenn der Opel-Interimschef Sedran jetzt betont, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben solle, dann heißt das nur, dass er darauf hofft, dass die Bochumer ArbeiterInnen seine „Umsiedlungsangebote“ ablehnen. Er denkt aber wohl auch daran, die Belegschaft über „Beschäftigungs- und Auffanggesellschaften“ zu entsorgen, wozu dann Arbeitslosengelder u.a. - öffentliche - Zuschüsse verwendet werden.

Sedran spricht von „attraktiven“ Abfindungen für ArbeiterInnen, die das Unternehmen verlassen. Auch das sind Spaltungs- und Beruhigungsmanöver.

Die Schlacht um den Automobil-Weltmarkt

In einem Punkt haben die Opel-Manager recht; es werden Verluste eingefahren, selbst wenn die von der Konzernzentrale passend für den Zweck der Übung hochgerechnet werden - für geschickte Buchhalter in einem internationalen Konzern keine allzu schwierige Übung. General Motors wird wohl kaum Milliarden in einen schrumpfenden Markt investieren, wo es doch gilt, sich in den Märkten in China u.a. Regionen gegen ganz starke Konkurrenz zu behaupten.

Obwohl GM im letzten Quartal noch 1,5 Milliarden Gewinne gemacht hat, so fällt der Konzern doch in wichtigen Märkten zurück oder stagniert. Bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung ist GM nur Mittelmaß. Um den Weltmarkt für PKW und LKW ist ein entscheidender Kampf entbrannt. An diesem Kampf beteiligen sich auch etliche chinesische Produzenten, in der Rangliste der Produzenten von PKW, LKW und Bussen liegt China, unter Einschluss der Joint Ventures, bereits an der Spitze.

Wir sprechen schon seit Jahren von einer schweren Überakkumulationskrise. Diese hat aber weltweit gesehen keine allgemeine Marktverengung zur Ursache. Es gibt auch durchaus Konzerne, die Umsatzgewinne und Gewinnsteigerungen geltend machen können, aber auf sehr verschieden wachsenden Märkten. Eine Marktverengung gibt es eindeutig in Europa und auch im deutschen Markt. In China u.a. Ländern gibt es eher eine Ausweitung der Märkte. Wie lange das noch anhält, ist mit einem großen Fragezeichen versehen.

Weltweit wächst die Autoproduktion noch um etwa 3 Prozent, aber weder GM noch sein Kooperationspartner PSA stehen 2012 in der ersten Reihe bei den Umsatzzuwächsen. Besonders schlecht sieht es bei der Umsatzrendite von GM aus, dort liegt GM weltweit nur auf Platz 10 und hat Boden gegenüber den unmittelbaren Konkurrenten verloren. GM liegt auch bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sehr weit zurück, ist dort nicht unter den ersten 10 zu finden.

Deshalb wird GM versuchen, mehr Gewicht auf die Wachstumsmärkte zu legen. Opel spielt da kaum eine wirkliche Rolle, verliert immer mehr an Bedeutung und kann mit der Produktion aus den USA, Mexiko und Asien auch nebenbei bedient werden, zudem gibt es Produktionsstätten in europäischen Regionen, wo Niedriglöhne locken.

Gegenstrategien

Die IG Metall-Führung ist einer gigantischen Fehleinschätzung erlegen. Wenn es keine Fehleinschätzung war, dann ist es blanker Betrug. Monatelang wurde mit den GM-Vertretern sowie verschiedenen politischen Ebenen verhandelt. Wieder einmal wurden Zugeständnisse der Belegschaft angeboten - und nun dieses Desaster. Die Opel/GM-Kapitalisten haben den Zeitpunkt geschickt gewählt. Angesichts angemeldeter Kurzarbeit und Überproduktion sind jetzt natürlich kurze Warnstreiks und all das, was ReformistInnen schon als extremste Kampfform verstehen, relativ sinnlos als Druckmittel - v.a., wenn der Kampf isoliert bleiben sollte und wenn die gegenwärtige Führung der IGM ihre bisherige Politik fortsetzt.

2008 fand in Bochum eine Demo gegen die Schließung von Nokia statt. Es nahmen sehr viele Menschen teil, es wurden viele Reden gehalten, aber auch viel Standortchauvinismus verbreitet. Das Nokia-Werk wurde trotzdem zugemacht. Nokia ging nach Rumänien, ist aber auch von dort, nach Mitnahme etlicher Subventionen, schon wieder weg. Damals war Rüttgers noch Ministerpräsident. Damals waren auch etliche KollegInnen von Opel dabei.

Heute melden sich die SPD-Ministerpräsidentin Kraft oder Beck aus Rheinland-Pfalz in Sorge um seinen Standort in Kaiserslautern. Diese „Europäer“ reden nur von den deutschen Standorten. Die Bürgermeisterin von Eisenach, eine LINKE, hat immerhin ein gemeinsames Vorgehen eingefordert.

Vom Gesamt-BR ist wenig zu hören. Unter seinem langjährigen Vorsitzenden Franz wurde gerade die Bochumer Belegschaft in organisierten Abbau und Verzicht gezwungen, ihre Aktionen wurden nicht unterstützt. Dieser Kurs, der immer wieder eine Sicherung des Standorts bei Arbeitsplatzabbau und Verzicht auf Kampf versprach, ist endgültig gescheitert.

Was tun?

Die richtige Antwort ist ein Streik mit Besetzung der Tore wie 2004. Das wird ein Zeichen setzen und der Totalausfall der Zafira-Produktion werden dem Opel- und GM-Management weh tun, auch wenn in Deutschland vom Januar bis September 2012 nur noch 163.000 Opel-Fahrzeuge verkauft wurden.

Aber eine wirkliche Perspektive kann diese Aktion nur bekommen, wenn sie zum Ausgangspunkt dafür wird, die Kämpfe in Europa zu vereinen und zu verbreitern. Gemeinsam mit Ford in Genk, Peugeot in Paris und allen Auto- und Zulieferern, die in Kurzarbeit sind, von Schließung oder Entlassungen bedroht sind, muss der Widerstand organisiert werden! Darüber müssen die Belegschaften selbst entscheiden! Wir schlagen die nachfolgenden Forderungen vor:

  • Kampf gegen alle Entlassungen! Das betrifft nicht nur die „regulär“ Beschäftigten, sondern auch die LeiharbeiterInnen. Überführung der Leiharbeitsjobs in reguläre, tariflich gesicherte Arbeitsverhältnisse!
  • Reduktion der Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • Nein zu jedem Lohnverzicht! Die ArbeiterInnen haben die Krise nicht verschuldet, sie sollen auch nicht dafür zahlen!

Die bedrohten Betriebe müssen besetzt werden, um sie gegen Schließungen zu verteidigen und um dann gemeinsam einen Plan zu erarbeiten, wie die Unternehmen unter Kontrolle der ArbeiterInnen gebracht werden können. Dazu wollen wir nicht getrickste Zahlen sehen, sondern die Wahrheit. Deshalb:

  • Öffnung der Geschäftsbücher, Konten, Finanzpläne für Arbeiterinspektionen! Entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung aller Betriebe unter Arbeiterkontrolle!

Hier kommt natürlich die ganze Verkehrsindustrie ins Spiel und die Verkehrspolitik. Der Kapitalismus in seiner Krise bringt Not und Arbeitslosigkeit für die einen und verschwendet zugleich Milliarden: Fabriken, die geschlossen werden, genauso wie Bahnhöfe wie in Stuttgart, die mit Milliarden auf Vorortkapazität zurückgebaut werden. Deshalb schlagen wir vor:

  • Überwindung des irrationalen kapitalistischen Verkehrssystems! Verstaatlichung der Autokonzerne und der gesamten Verkehrsindustrie und deren Reorganisation zum Aufbau eines gesellschaftlich effektiven, leistungsfähigen und umweltschonenden Öffentlichen Verkehrssystems und der dementsprechenden planmäßigen Umstellung der Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten und der arbeitenden Bevölkerung!

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von:

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 661
18. Dezember 2012

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