Hier soll über die Kundgebung am
Freitag berichtet werden und einige kritische Worte zur "NIcht)Positionierung
zum Lohnkampf durch einige ex-besetzte Projekte in der
unmittelbaren Nachbarschaft des Spätkaufs verloren werden.
Der Lohnkampf im Spätkauf Mumbai-Corner in der Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain
geht in die zweite Runde. Wie auch schon auf Indymedia
berichtet, kämpft ein ehemaliger, auf Basis eines Minijobs,
bei dem Spätkauf Beschäftigten, um seinen Lohn. Sein Vertrag
sah eine Arbeit von 25 Stunden im Monat vor. Tatsächlich
berichtet der Kollege, dass er oft bis zu 60 Stunden in der
Woche arbeiten misste. Mit Hilfe des Arbeitsrechtlers Bernhard
Stähle und mit Unterstützung der Freien Arbeiter_innen-Union (FAU)
kämpft er jetzt um seien ausstehenden Lohn. DA der juristische
Kampf nur ein Mittel im Arbeitskampf ist, gab es seit August
diese Jahres Solidaritätsaktionen rund um den Spätkauf.
Mehrmals wurde mit Plakaten und Flugblättern über die
Arbeitsbedingungen im Mumbai-Corner informiert. Nach einer
ersten Kundgebung im Oktober fand am 16.Dezember jetzt die
zweite Solikundgebung statt, dieses Mal direkt vor dem Laden,
der vorsorglich geschlossen hatte. Weil sich wenige Stunden
zuvor ein Tiefdruckgebiet mit Sturmböen und Schneeregen über
den Berliner Raum breit gemacht hatte, kam nur der harte Kern
der Unterstützer_innen, darunter Aktivist_innen der FAU, der
Internationalen Kommunist_innen, des Unterstützerkomitees aus
der Nachbarschaft.
Zu Beginn würde eine Grußadresse von Emmely verlesen. Sie war
seit 2008 bundesweit bekannt geworden, weil sie als
Kassiererin bei Kaiser’s nach mehr als dreißigjähriger
Tätigkeit mit der Beschuldigung entlassen wurde, einen
Flaschenbon im Wert von 1,30 Euro unterschlagen zu haben.
Emmely hat die Vorwürfe immer bestritten und ihre Entlassung
auf ihre aktive Rolle im Einzelhandelsstreik vor drei Jahren
zurück geführt. Sie war in ihrer Filiale eine der aktivsten
Gewerkschafterinnen. Ein Solidaritätskomitee nahm den Kampf
auf und es gelang, ihren Fall in der Öffentlichkeit bekannt zu
machen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Nach
verschiedenen juristischen Niederlagen hob das
Bundesarbeitsgericht in Erfurt im Sommer letzten Jahres die
Kündigung auf. Mittlerweile gibt es ein Buch zum erfolgreichen
Kampf gegen Emmelys Kündigung.
Kampf auch in schwer organisierbaren Branchen
Es soll auch helfen, die Erfahrungen aus dieser knapp
zweijährigen Auseinandersetzung für andere Kämpfe nutzbar zu
machen. Für Kämpfe, wie sie der Kollege jetzt im Spätkauf
führte. Ein Vertreter der Internationalen Kommunist_innen
betonte in seiner Rede, dass der Kollege hier nicht nur für
seine Interessen eintritt. Er beweist damit, dass auch in
Branchen, es kaum Druckmittel zu geben scheint, möglich ist
für seine Interessen zu kämpfen. Der Genosse führte aus, dass
das höchste Hindernis für erfolgreiche Selbstorganisierung in
der Arbeitswelt die Ideologie der Sozialpartnerschaft ist, die
Lüge vom Ende der Arbeits- und Klassenkämpfe, das Konstrukt
„Wir sitzen alle in einem Boot“ und eine Öffentlichkeit, die
Arbeitskämpfe zu einer Erscheinung des letzten Jahrhunderts
erklärt. Dabei werde vergessen, dass in den letzten Wochen mit
dem Alpenland-Streik im Pflegebereich und mit dem CFM-Streik
von nichtmedizinischen Beschäftigten der Berliner Charite
gleich mehrere Monate zwei Arbeitskämpfe in Bereichen gab, die
als schwer zu organisieren gelten. Auch dort hatten die
Kolleg_innen die Erfahrung gemacht, das ihr Arbeitskampf
gesellschaftlich ignoriert, von den Medien weitgehend
totgeschwiegen, von der Politik ausgesessen und von den Bossen
mit allen Mitteln unterlaufen wurden. Die Kolleg_innen hatten
aber in der Zeit des Streiks die Erfahrung gemacht, dass sie
gemeinsam etwas erreichen können und diese Erfahrung hat ihren
Kampf geprägt, hat sie zusammengeschweißt und die Bosse zum
Nachgeben gezwungen. Sie bewiesen damit, auch im Pflegesektor
und in ausgegliederten Bereichen der Charite ist es möglich zu
kämpfen und dabei auch erfolgreich zu sein.
Stadtteilorganisierung – die unausgeschöpften Möglichkeiten
Der Kollege im Spätkauf hat nun noch
schwierige Bedingungen. Weitgehend auf sich allein gestellt in
der Arbeitswelt., kann er nicht mit vielen Streiken und den
Laden dadurch lahm legen. Daher hat die Solidaritätskampagne
schon relativ frühzeitig nach anderen Formen der Solidarität
gesucht. Dazu gehört das in der sozialen Bewegung der USA
entwickelte Community-Organizing. Dabei handelt es sich um die
Organisierung von Stadtteilbewohner_inen in Arbeitskämpfe im
Kiez. Ein Beispiel. In Los Angeles sollten die Fahrten mit den
Schulbussen privatisiert werden. Die Busfahrer_innen legten
die Arbeit nieder, schätzten aber ein, dass sie alleine nicht
genug Druck ausüben können, um die Privatisierungspläne zu
stoppen. Also wurden auch die Schüler_innen und ihre Eltern
aktiv und unterstützten den Kampf gegen die Privatisierung. So
konnten sie ihre Kampfkampf mit dem Streik der Busfahrer_innen
vereinigen und so verstärken. Ähnliche Fälle hat es in der
letzten Zeit in den USA häufiger gegeben. Auch im Lohnkampf im
Spätkauf gibt es verschiedene Gründe, warum ein solches
Stadtteil-Organizing ein gutes Organisationsmittel ist. Ein
Großteil der Kundschaft des Mumbai-Corner kommt aus der
näheren Umgebung des Ladens, es sind also Menschen, die sich
entscheiden können, für die Rechte des Kollegen einzutreten.
Die räumliche Nähe der Kundschaft wird noch dadurch gefördert,
dass in dem Laden ein Hermes-Paketdienst integriert, der
natürlich von unmittelbaren Bewohner_innen genutzt wird. Zudem
gibt es in der näheren Umgebung des Spätkaufs mehrere
Hausprojekte, die aus ehemals besetzten Häusern in der
Samariter-, Rigaer- und Schreinerstraße. Aus den Fenstern
vieler dieser Häuser hängen Transparente, wo zahlreiche
politische Konfliktn rund um den Erdball angesprochen werden.
Was liegt da näher, als einen Lohnkampf um die Ecke zu
unterstützen? Die Art der Unterstützung kann unterschiedlich
sein, von Teilnahme an der Kundgebung, über das eigenständige
Verteilen von Infomaterial, das Ansprechen des Falls im Laden,
die Organisierung von Solitresen in den entsprechenden aus
Besetzer_innenstrukturen entstandenen Kneipen etc. In der
Entfernung von knapp 300 Metern um den Spätkauf befindet sich
das Samacafe, das Schreinercafe, der Fischladen, der Abstand.
Ein ausdrückliches Lob an die Antifa-Friedrichshain, die am
vergangenen Donnerstag ihren Offenen Abend im Vetomat für eine
Infoveranstaltung zu dem Lohnkampf zur Verfügung stellte.
Lohnkampf und Strukturen von ehemaligen Besetzer_innen –
oder wer im Stich lässt, seinesgleichen. ...
In dieser Hinsicht sind im konkreten Fall längst nicht alle
potentiellen Möglichkeiten der Solidarität ausgeschöpft worden
.Es wird deutlich, dass in konkreten Lohnkämpfen um die Ecke
ein Teil der aus den Besetzer_innenstrukturen entstandenen
Projekte bzw. manche ihrer Mitarbeiter_innen eine vorgebliche
neutrale Position einnehmen. Sie reden von den zwei Seiten in
dem Fall und verfallen damit nur in das Objektivitätsgewäsch
der bürgerlichen Meinungsindustrie. Damit stehen sie in dem
Arbeitskampf ganz klar gegen die Kollegen. Es gab beim
Verteilen des Infomaterials auch einzelne Stimmen von
Menschen, die in den exbesetzten Häusern wohnen, die sich ganz
offen auf Seiten des Spätkauf-Besitzers positioniert haben.
Dass wird hier so ausführlich dargestellt, nicht weil die
Betroffenen moralisch verurteilt werden sollen, sondern weil
eine politische Positionierung eingefordert werden soll. Das
teilweise Desinteresse von Teilen dieser Projekte am Lohnkampf
ist eine Folge von mit alternativen Symbolen kaschierten
Mittelstandsideologie Dass wird durch dem Lohnkampf auch
einmal mehr deutlich. Denn die häufigen Ausreden, die es sonst
in diesem Milieu an der Ignoranz gegenüber Arbeitskämpfen
gibt, treffen in diesem Fall nicht zu. Der DGB hat mit dem
Lohnkampf nichts zu tun. der Kollege lässt sich von der FAU
vertreten, es ist kein Stellvertreter_innenkampf, es gibt
klare benennbare Forderungen, es gibt einen klar benennbaren
Adressaten. Daher sollte es eigentlich auch nicht schwer sein,
für die Projekte in der Nachbarschaft, sich auf Seiten des
Kollegen zu positionieren. Wenn doch, sollte das ein Anlass
für Diskussionen sein. Denn hier gilt ein alter Grundsatz von
solidarischen Widerstand: Wer im Stich lässt, seinesgleichen ,
lässt ja nur sich selber im Stich. Der Kollege im Lohnkampf
kann von solidarischen Strukturen in der Nachbarschaft
partizipieren. Bunt angemalte Fassaden, hinter denen sich die
gleiche neoliberale Ignoranz wiederfindet, sind hingegen keine
Unterstützung.
Editorische Hinweise
Den Bericht spiegelten wir von
Indymedia, wo er am 17.12.11 erschien.
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