Betrieb und Gewerkschaft 

Solikundgebung mit dem Lohnkampf in Spätkauf

von "
lesender arbeiter"

12/11

trend
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Hier soll über die Kundgebung am Freitag berichtet werden und einige kritische Worte zur "NIcht)Positionierung zum Lohnkampf durch einige ex-besetzte Projekte in der unmittelbaren Nachbarschaft des Spätkaufs verloren werden. Der Lohnkampf im Spätkauf Mumbai-Corner in der Samariterstraße in Berlin-Friedrichshain geht in die zweite Runde. Wie auch schon auf Indymedia berichtet, kämpft ein ehemaliger, auf Basis eines Minijobs, bei dem Spätkauf Beschäftigten, um seinen Lohn. Sein Vertrag sah eine Arbeit von 25 Stunden im Monat vor. Tatsächlich berichtet der Kollege, dass er oft bis zu 60 Stunden in der Woche arbeiten misste. Mit Hilfe des Arbeitsrechtlers Bernhard Stähle und mit Unterstützung der Freien Arbeiter_innen-Union (FAU) kämpft er jetzt um seien ausstehenden Lohn. DA der juristische Kampf nur ein Mittel im Arbeitskampf ist, gab es seit August diese Jahres Solidaritätsaktionen rund um den Spätkauf. Mehrmals wurde mit Plakaten und Flugblättern über die Arbeitsbedingungen im Mumbai-Corner informiert. Nach einer ersten Kundgebung im Oktober fand am 16.Dezember jetzt die zweite Solikundgebung statt, dieses Mal direkt vor dem Laden, der vorsorglich geschlossen hatte. Weil sich wenige Stunden zuvor ein Tiefdruckgebiet mit Sturmböen und Schneeregen über den Berliner Raum breit gemacht hatte, kam nur der harte Kern der Unterstützer_innen, darunter Aktivist_innen der FAU, der Internationalen Kommunist_innen, des Unterstützerkomitees aus der Nachbarschaft.

Zu Beginn würde eine Grußadresse von Emmely verlesen. Sie war seit 2008 bundesweit bekannt geworden, weil sie als Kassiererin bei Kaiser’s nach mehr als dreißigjähriger Tätigkeit mit der Beschuldigung entlassen wurde, einen Flaschenbon im Wert von 1,30 Euro unterschlagen zu haben. Emmely hat die Vorwürfe immer bestritten und ihre Entlassung auf ihre aktive Rolle im Einzelhandelsstreik vor drei Jahren zurück geführt. Sie war in ihrer Filiale eine der aktivsten Gewerkschafterinnen. Ein Solidaritätskomitee nahm den Kampf auf und es gelang, ihren Fall in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Nach verschiedenen juristischen Niederlagen hob das Bundesarbeitsgericht in Erfurt im Sommer letzten Jahres die Kündigung auf. Mittlerweile gibt es ein Buch zum erfolgreichen Kampf gegen Emmelys Kündigung.

Kampf auch in schwer organisierbaren Branchen

Es soll auch helfen, die Erfahrungen aus dieser knapp zweijährigen Auseinandersetzung für andere Kämpfe nutzbar zu machen. Für Kämpfe, wie sie der Kollege jetzt im Spätkauf führte. Ein Vertreter der Internationalen Kommunist_innen betonte in seiner Rede, dass der Kollege hier nicht nur für seine Interessen eintritt. Er beweist damit, dass auch in Branchen, es kaum Druckmittel zu geben scheint, möglich ist für seine Interessen zu kämpfen. Der Genosse führte aus, dass das höchste Hindernis für erfolgreiche Selbstorganisierung in der Arbeitswelt die Ideologie der Sozialpartnerschaft ist, die Lüge vom Ende der Arbeits- und Klassenkämpfe, das Konstrukt „Wir sitzen alle in einem Boot“ und eine Öffentlichkeit, die Arbeitskämpfe zu einer Erscheinung des letzten Jahrhunderts erklärt. Dabei werde vergessen, dass in den letzten Wochen mit dem Alpenland-Streik im Pflegebereich und mit dem CFM-Streik von nichtmedizinischen Beschäftigten der Berliner Charite gleich mehrere Monate zwei Arbeitskämpfe in Bereichen gab, die als schwer zu organisieren gelten. Auch dort hatten die Kolleg_innen die Erfahrung gemacht, das ihr Arbeitskampf gesellschaftlich ignoriert, von den Medien weitgehend totgeschwiegen, von der Politik ausgesessen und von den Bossen mit allen Mitteln unterlaufen wurden. Die Kolleg_innen hatten aber in der Zeit des Streiks die Erfahrung gemacht, dass sie gemeinsam etwas erreichen können und diese Erfahrung hat ihren Kampf geprägt, hat sie zusammengeschweißt und die Bosse zum Nachgeben gezwungen. Sie bewiesen damit, auch im Pflegesektor und in ausgegliederten Bereichen der Charite ist es möglich zu kämpfen und dabei auch erfolgreich zu sein.

Stadtteilorganisierung – die unausgeschöpften Möglichkeiten

Der Kollege im Spätkauf hat nun noch schwierige Bedingungen. Weitgehend auf sich allein gestellt in der Arbeitswelt., kann er nicht mit vielen Streiken und den Laden dadurch lahm legen. Daher hat die Solidaritätskampagne schon relativ frühzeitig nach anderen Formen der Solidarität gesucht. Dazu gehört das in der sozialen Bewegung der USA entwickelte Community-Organizing. Dabei handelt es sich um die Organisierung von Stadtteilbewohner_inen in Arbeitskämpfe im Kiez. Ein Beispiel. In Los Angeles sollten die Fahrten mit den Schulbussen privatisiert werden. Die Busfahrer_innen legten die Arbeit nieder, schätzten aber ein, dass sie alleine nicht genug Druck ausüben können, um die Privatisierungspläne zu stoppen. Also wurden auch die Schüler_innen und ihre Eltern aktiv und unterstützten den Kampf gegen die Privatisierung. So konnten sie ihre Kampfkampf mit dem Streik der Busfahrer_innen vereinigen und so verstärken. Ähnliche Fälle hat es in der letzten Zeit in den USA häufiger gegeben. Auch im Lohnkampf im Spätkauf gibt es verschiedene Gründe, warum ein solches Stadtteil-Organizing ein gutes Organisationsmittel ist. Ein Großteil der Kundschaft des Mumbai-Corner kommt aus der näheren Umgebung des Ladens, es sind also Menschen, die sich entscheiden können, für die Rechte des Kollegen einzutreten. Die räumliche Nähe der Kundschaft wird noch dadurch gefördert, dass in dem Laden ein Hermes-Paketdienst integriert, der natürlich von unmittelbaren Bewohner_innen genutzt wird. Zudem gibt es in der näheren Umgebung des Spätkaufs mehrere Hausprojekte, die aus ehemals besetzten Häusern in der Samariter-, Rigaer- und Schreinerstraße. Aus den Fenstern vieler dieser Häuser hängen Transparente, wo zahlreiche politische Konfliktn rund um den Erdball angesprochen werden. Was liegt da näher, als einen Lohnkampf um die Ecke zu unterstützen? Die Art der Unterstützung kann unterschiedlich sein, von Teilnahme an der Kundgebung, über das eigenständige Verteilen von Infomaterial, das Ansprechen des Falls im Laden, die Organisierung von Solitresen in den entsprechenden aus Besetzer_innenstrukturen entstandenen Kneipen etc. In der Entfernung von knapp 300 Metern um den Spätkauf befindet sich das Samacafe, das Schreinercafe, der Fischladen, der Abstand. Ein ausdrückliches Lob an die Antifa-Friedrichshain, die am vergangenen Donnerstag ihren Offenen Abend im Vetomat für eine Infoveranstaltung zu dem Lohnkampf zur Verfügung stellte.

Lohnkampf und Strukturen von ehemaligen Besetzer_innen – oder wer im Stich lässt, seinesgleichen. ...

In dieser Hinsicht sind im konkreten Fall längst nicht alle potentiellen Möglichkeiten der Solidarität ausgeschöpft worden .Es wird deutlich, dass in konkreten Lohnkämpfen um die Ecke ein Teil der aus den Besetzer_innenstrukturen entstandenen Projekte bzw. manche ihrer Mitarbeiter_innen eine vorgebliche neutrale Position einnehmen. Sie reden von den zwei Seiten in dem Fall und verfallen damit nur in das Objektivitätsgewäsch der bürgerlichen Meinungsindustrie. Damit stehen sie in dem Arbeitskampf ganz klar gegen die Kollegen. Es gab beim Verteilen des Infomaterials auch einzelne Stimmen von Menschen, die in den exbesetzten Häusern wohnen, die sich ganz offen auf Seiten des Spätkauf-Besitzers positioniert haben. Dass wird hier so ausführlich dargestellt, nicht weil die Betroffenen moralisch verurteilt werden sollen, sondern weil eine politische Positionierung eingefordert werden soll. Das teilweise Desinteresse von Teilen dieser Projekte am Lohnkampf ist eine Folge von mit alternativen Symbolen kaschierten Mittelstandsideologie Dass wird durch dem Lohnkampf auch einmal mehr deutlich. Denn die häufigen Ausreden, die es sonst in diesem Milieu an der Ignoranz gegenüber Arbeitskämpfen gibt, treffen in diesem Fall nicht zu. Der DGB hat mit dem Lohnkampf nichts zu tun. der Kollege lässt sich von der FAU vertreten, es ist kein Stellvertreter_innenkampf, es gibt klare benennbare Forderungen, es gibt einen klar benennbaren Adressaten. Daher sollte es eigentlich auch nicht schwer sein, für die Projekte in der Nachbarschaft, sich auf Seiten des Kollegen zu positionieren. Wenn doch, sollte das ein Anlass für Diskussionen sein. Denn hier gilt ein alter Grundsatz von solidarischen Widerstand: Wer im Stich lässt, seinesgleichen , lässt ja nur sich selber im Stich. Der Kollege im Lohnkampf kann von solidarischen Strukturen in der Nachbarschaft partizipieren. Bunt angemalte Fassaden, hinter denen sich die gleiche neoliberale Ignoranz wiederfindet, sind hingegen keine Unterstützung.

Editorische Hinweise

Den Bericht spiegelten wir von Indymedia, wo er am 17.12.11 erschien.