Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Front National – international
Die rechtsextreme französische Partei bemüht sich um Anschlussfähigkeit. Nun auch bei Rechten in Israel...

12/11

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Marine Le Pen arbeitet an ihrer internationalen Statur. Dieser Aspekt ihrer Präsidentschaftskandidatur stand in den letzten Wochen weitgehend im Vordergrund. Während die Veröffentlichung des seit längerem angekündigten Wirtschaftsprogramms auf Januar 2012 verschoben worden ist, bemühte sich die Vorsitzende des Front National (FN) intensiv um internationale Kontakte.

Besonders Aufsehen erregte, dass ihr Vizepräsident und Lebensgefährte Louis Aliot sich vom Sonntag bis Dienstag, 11. bis 13. Dezember in Israel aufhielt. „Um jedes Leck zu vermeiden“, meldete die pro-israelische Webseite JSS.News am Tag seiner Anreise, habe Aliot die Flugtickets „erst am Vormittag des Tages selbst gekauft“. Am späten Nachmittag sei er in Begleitung eines Leibwächters völlig inkognito am Flughafen von Tel Aviv eingetroffen. Inzwischen widmeten auch französische Zeitungen, besonders Le Figaro und Le Monde, der Visite Aliots eigene Artikel. Sein genaues Besuchsprogramms ist nicht bekannt, aber es wurde publik, dass er Treffen mit Mandatsträgern des rechtsgerichteten Likud-Blocks, aber auch der Mitte-Rechts-Partei Kadima gehabt habe.

Bei seiner Rückkehr in Paris erklärte Aliot am Mittwoch früh, er sei vor allem mit in Israel lebenden Franzosen oder Doppelstaatsbürgern zusammengetroffen, um die Präsidentschaftswahl im April und die Parlamentswahlen im Juni 2012 vorzubereiten. In seiner Begleitung befand sich Michel Thooris, führender Funktionär einer rechtsgerichteten französischen Polizeigewerkschaft. Er wird voraussichtlich zur Parlamentswahl im kommenden Frühjahr für einen Sitz bei den Auslandsfranzosen kandidieren, in dem Wahlkreis, zu dem u.a. Israel und die Türkei gehören.

Der Staat Israel hat aus Sicht des FN eine ganz besondere strategische und ideologische Bedeutung. Sein langjähriger Vorsitzender Jean-Marie Le Pen war am 13. Februar 1987 in New York mit Repräsentanten des Jüdischen Weltkongresses und Jacky Torciner, dem Repräsentanten der Herut-Partei - Vorläuferin des Likudblocks - in den USA, zusammengetroffen. Seine Absicht war klar: aus dem Schatten Adolf Hitlers herauszutreten, jeglichen Geruch der Verbindung zum historischen Faschismus und Nazismus abzustreifen, nicht als Antisemit zu gelten und gleichzeitig Kronzeugen für seinen antiarabischen Rassismus zu gewinnen.

Doch auf den Tag genau sieben Monate später bekannte Le Pen senior sich im französischen Fernsehen gar zu lautstark zu den Thesen der Geschichtsrevisionisten. Sein Auftritt auf den Bildschirmen im September 1987 endete mit dem Ausspruch, die - scheinbar offene - Frage der Existenz der Gaskammern sei „ein Nebenumstand (point de détail) in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs“. Zuvor geknüpfte Kontakte in die israelische, aber auch US-amerikanische und britische Rechte brachen ab. Und seine Pläne, im Präsidentschaftswahlkampf 1988 auch in den Staat Israel zu reisen, zerschlugen sich infolge dessen, denn er wurde zur persona non grata erklärt. Auch eine Einladung Jean-Marie Le Pens zum Parteitag der britischen Konservativen unter Margaret Thatcher wurde in der Folge annulliert. Autoritäre pro-westliche Rechte waren dort zwar noch willkommen, aber ein „Nazigeruch“ verbot sich in beiden Fällen.

Diese historische „Scharte“ auszuwetzen, ist eines der politisch-strategischen Hauptanliegen von Marine Le Pen. Auf diesem Gebiet scheint sie nun ein wenig vorangekommen zu sein. Louis Aliot betonte jedoch am letzten Tag seines Aufenthalts in Israel vor der französischen Presse, ein nunmehr geplanter Besuch der neuen FN-Vorsitzenden in Israel werde voraussichtlich nicht mehr vor der nächsten Präsidentschaftswahl in Frankreich stattfinden. Sondern erst danach.

In den USA, welchen ebenfalls eine hohe Bedeutung für die internationale „Politikfähigkeit“ des FN zugeschrieben wird, hielt Marine Le Pen sich unterdessen bereits vor einigen Wochen auf. Am 2. November traf sie mit einem der Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner, dem steuer- und sozialstaatsfeindliche Rechtslibertärenn Ron Paul, zusammen. Dieses Zusammentreffen war durch den FN in Frankreich seit längerem angekündigt worden. Doch im Vorfeld wurde es durch den texanischen Politiker deutlich heruntergekocht. Zunächst hieb es am 29. Oktober noch, die Verabredung sei annulliert.  Letztlich empfing er sie dann doch in seinem Abgeordnetenbüro in Washington D.C. Allerdings musste die rechtsextreme Politikerin dort drei Viertelstunden auf ihn warten, und wurde danach für nur zehn Minuten empfangen. Ron Paul kann also, falls er deswegen angegriffen werden sollte, das Gespräch als Routinetermin darstellen, ohne Aufwertung Marine Le Pens zur gleichwertigen Diskussionspartnerin. Bei dem Gespräch sei es vor allem um die Rückkehr zur Goldbildung der Währungen, wie sie vor 1973 bestand und die Inflation hemmen sollte - eines der Steckenpferde Ron Pauls - gegangen, war zu erfahren.

Am Sitz der Vereinten Nationen in New York hatten Marine Le Pens  Berater einige, überwiegend französischsprachige Botschafter zu einem Dinertermin eingeladen. Den eigenen Botschafter Frankreichs, der über einige Informationen über die Geschichte von Le Pens Partei verfügen dürfte, hatte man wohlweislich ausgespart. Einige Diplomaten kamen, wobei etwa der Botschafter von Trinidad und Tobago von geringem Interesse für den französischen Wahlkampf oder Medienbetrieb sein dürfte. Solches lässt sich nicht für einen anderen Teilnehmer an der Runde behaupten, den israelischen UN-Botschafter Ron Prosor.

Er nahm für 20 bis 30 Minuten an der Gesprächsrunde teil, ging dann und erklärte am Ausgang auf Journalistennachfragen hin, er rede gerne mit allen. Die Diskussion sei gut verlaufen. Kurz darauf dementierte allerdings das Aubenministerium in Jerusalem jegliches beabsichtigte Zusammentreffen: Prosor habe sich über den Charakter der Runde getäuscht und im Termin geirrt, Kontakte zum Front National seien nicht erwünscht.

Als Einfädler für Kontakte Marine Le Pens in den USA betätigte sich im Vorfeld ihres Besuches der Italo-Amerikaner Guido Lombardi. Er vertrat früher die italienische rassistische Regionalpartei Lega Nord in den USA. Trotz allem fiel die Gesamtbilanz des Besuchs fiel in der Darstellung französischer Medien nicht allzu positiv aus. So habe Marine Le Pen nach viel mehr hochrangigen Gesprächspartnern gesucht, die jedoch abgesagt oder Termine verweigert hätten. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte die Umgebung Marine Le Pens unter anderem auch versucht, einen Termin mit Nafissatou Diallo zu arrangieren. Allerdings vergeblich. Die aus Guinea stammende Frau hatte im Mai dieses Jahres den französischen Politiker und damaligen IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn der sexuellen Aggression und versuchten Vergewaltigung bezichtigt. Seitdem reibt die Skandalserie um mögliche sexuelle Affären Strauss-Kahns in den französischen Medien nicht mehr ab.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.