Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Frankreichs Neofaschisten auf dem Weltparkett: Buhlen um Ansprechpartner

12/11

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Aktuell bemüht sich der französische Front National (FN) auf internationaler Ebene um politisch-diplomatische Anerkennung. Fühler werden in Richtung US-amerikanische und israelische Rechte ausgestreckt - um durch ein solches Profilierungsstreben aus dem NS-Geruch herauszukommen. Unterdessen holpert und hapert es mit dem Timing beim Bemühen um internationale Kontakte…

Dies nennt man ein ausgesprochen schlechtes Timing. Seit Monaten hoffte und hofft Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Front National (FN), auf eine Zuspitzung der Euro-Krise. Die Politikerin bebt förmlich der Perspektive eines Auseinanderbrechens der europäischen Währungszone entgegen, welche in ihren Augen die Vorhersagen der Partei seit langen Jahren bestätigen können. Zu der Notwendigkeit einer Rückkehr zu den Nationalwährungen gibt es in ihren Augen keine vernünftige Alternative.

Die erneute Eskalation der Krise der Eurozone Anfang November 2011, als ein zweites „Rettungspaket“ für Griechenland geschnürt wurde und dessen damaliger Premierminister - Giorgios Papandreu - kurz darauf ein Referendum über dessen Bedingungen angekündigte, konnte ihr da nur gelegen kommen. Im Vorfeld des G20-Gipfels in Cannes, der am 3. November 11 eröffnet wurde, schien erstmals das Ausscheiden eines Mitgliedslands aus der Währungsunion greifbar nahe zu stehen. Marine Le Pen hätte jubilieren können. Im Umgang mit den Griechen schlägt sie übrigens ziemlich andere Töne an, als man dies von deutschen Rechten oder auch deutschsprachigen Boulevardmedien kennen: Statt das Land als „Schuldenstaat“, Pleitegeier und Hort der faulen Profiteure anzuprangern, stellt sie Griechenland als Opfer der EU-Politik dar. (Pünktlich & passend dazu trat die griechische extreme Rechte, in Gestalt der nationalistischen und antisemitischen Partei LAOS - deren Vorläuferorganisation „Hellenische Front“ pflegte ausgesprochen enge Kontakte zum französischen Front National - in Athen in die Krisenregierung ein.)

Wie andere Nationen auch, führt Marine Le Pen regelmäbig aus, sei dieses Land einem ideologisch motivierten Streben nach einem „supranationalen Superstaat“, der nicht funktionieren könne - „es gibt kein europäisches Volk, sondern nur Völker innerhalb Europas“ - geopfert worden. Und es sei eine Schande, wie man mit den Griechen umgehe. Die Ablehnung einer Volksabstimmung durch die EU-Granden als „unverantwortlich“ belege überdeutlich die Missachtung von Demokratie, Volkswillen und nationaler Souveränität. So beschrieb sie es ausführlich zuletzt am 19. 11. 2011 bei einer Programmrede, anlässlich eines „Banketts der Tausend“ vor Parteimitgliedern und Anhängern im 15. Pariser Bezirk. Die Masche zieht. Als Ausweg aus dem Schlammassel malt Le Pen die Perspektive eines „gemeinsamen Ausstiegs“ aus der Einheitswährung, die zwischen mehreren europäischen Nationen koordiniert werde, aus. Dadurch wirkt ihr Herangehen nicht derart nationalegoistisch, auch wenn bei ihr gleichzeitig immer der Aspekt überdeutlich mitschwingt, dass kein wertvolles französisches Geld für fremde Interessen ausgegeben werden dürfe. Weder in Griechenland noch in Spanien.

Doch als die Dinge sich vorübergehend um Griechenland und seine Zugehörigkeit zur Eurozone zuzuspitzen schienen, konnte Marine Le Pen davon überhaupt nicht profitieren; so sieht es jedenfalls die französische Presselandschaft ganz überwiegend. (Vgl. u.a. http://www.lemonde.fr/ oder http://www.mediapart.fr Denn sie war weit weg, als sich die möglicherweise günstige Möglichkeit zur Profilierung angeboten hätte: Zu dem Zeitpunkt weilte sie jenseits des Atlantik. In den ersten Novembertagen 2011 versuchte die Chefin des französischen dort, an ihrer „internationalen Statur“ zu arbeiten. Auf dem Programm standen Termine bei US-amerikanischen Persönlichkeiten und Politikern. 

US-amerikanische Rechtslibertäre und Anti-Steuer-Fanatiker  

Am 02. November 11 traf die französische Politikerin etwa mit einem der Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner, Ron Paul, zusammen. Dieses Treffen war durch den FN in Frankreich seit längerem angekündigt worden. Doch im Vorfeld wurde es durch den texanischen Politiker deutlich heruntergekocht. Zunächst hieb es am 29. Oktober 11 noch (vgl. http://www.lefigaro.fr/f ), die Verabredung sei annulliert - aufgrund von Terminschwierigkeiten des früheren Präsidentschaftskandidaten der Us-amerikanischen Liberatarian Party im Jahr 1988, wie verlautbarte.  Letztlich empfing er sie dann doch in seinem Abgeordnetenbüro in Washington D.C.; vgl. http://www.lefigaro.fr Allerdings musste die rechtsextreme Politikerin dort drei Viertelstunden auf ihn warten, und wurde danach für nur zehn Minuten empfangen. Ron Paul kann also, falls er deswegen angegriffen werden sollte, das Gespräch als Routinetermin eines Abgeordnete ohne gröbere Bedeutung und ohne Aufwertung Marine Le Pens zur gleichwertigen Diskussionspartnerin darstellte. Bei dem Gespräch sei es vor allem um die Rückkehr zur Goldbildung der Währungen, wie sie vor 1973 bestand und die Inflation hemmen sollte - eines der Steckenpferde Ron Pauls - gegangen, war zu erfahren.

Inhaltlich interessierte die französischen Rechtsextremen an dem Zusammentreffen wohl vor allem, dass Ron Paul - den Teile der Tea Party unterstützen, während der rivalisierende Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur Hermann Cain ebenfalls Unterstützung aus dem rechtspopulistischen Bewegungsnetzwerk geniebt - als radikaler Steuergegner gilt. Die Ablehnung von Steuern als Ausdruck eines staatlichen „Molochs“, vor allem in kleinbürgerlichen Milieus und bei Kleinunternehmern, ist eines der ältesten Anliegen des harten Kerns des FN. Parteigründer Jean-Marie Le Pen, der Vater der jetzigen Vorsitzenden, war schon 1956 zum Abgeordneten einer Anti-Steuer-Protestpartei, der „Poujadisten“, gewählt worden. Ansonsten dürfte es neben Gemeinsamkeiten aber auch spürbare Unterschiede geben. Als Rechtslibertärer ist Ron Paul, obwohl Befürworter der Todesstrafe, insgesamt der Staatsautorität nicht derart zugetan wie durchschnittliche Parteigänger des FN. Und, im Gegensatz übrigens zu mehreren anderen der aktuellen Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner, opponierte Paul in jüngster Zeit ziemlich klar gegen die Anwendung von Folter. Vgl. dazu http://www.lemonde.fr

Welches Interesse Marine Le Pen an zwei anderen Terminen hatte, liegt unmittelbar auf der Hand. Am Sitz der Vereinten Nationen in New York hatten ihre Berater überwiegend französischsprachige Botschafter zu einem Dinertermin eingeladen. Den eigenen Botschafter Frankreichs, der über einige Informationen über die Geschichte von Le Pens Partei verfügen dürfte, hatte man wohlweislich ausgespart. Einige Diplomaten kamen, wobei etwa der Botschafter von Trinidad und Tobago von geringem Interesse für den französischen Wahlkampf oder Medienbetrieb sein dürfte. Solches lässt sich nicht für einen anderen Teilnehmer an der Runde behaupten, den israelischen UN-Botschafter Ron Prosor. (Vgl. http://www.lemonde.fr)

Israelische Diplomatenkontakte…

Er nahm für 20 bis 30 Minuten an der Gesprächsrunde teil, ging dann und erklärte am Ausgang auf Journalistennachfragen hin, er rede gerne mit allen. Die Diskussion sei gut verlaufen. Kurz darauf dementierte allerdings das Aubenministerium in Jerusalem jegliches beabsichtigte Zusammentreffen scharf: Prosor habe sich über den Charakter der Runde getäuscht und im Termin geirrt, Kontakte zum Front National seien nicht erwünscht. Europäische rechtsextreme Parteien, führend dabei ist etwa der belgische Vlaams Belang („Flämisches Interesse“), haben in den letzten Jahren intensive Kontakte in die israelische Hardliner-Rechte - von Teilen des Likudblocks bis zur Siedlerbewegung - aufgebaut.

Im Falle des Front National ist die Interessenlage dabei aus historischen Gründen nochmals eine spezifische. Jean-Marie Le Pen war seinerseits am 13. Februar 1987 in New York mit Repräsentanten des Jüdischen Weltkongresses und Jacky Torciner, dem Repräsentanten der Herud-Partei - Vorläuferin des Likudblocks - in den USA, zusammengetroffen. Seine Absicht war klar: aus dem Schatten Hitlers herauszutreten, jeglichen Geruch der Verbindung zum historischen Faschismus und Nazismus abzustreifen, nicht als Antisemit zu gelten und gleichzeitig Kronzeugen für seinen antiarabischen Rassismus zu gewinnen.

… Und eine ,undiplomatische’ Polittradition

Doch auf den Tag genau sieben Monate später - am 13. September 1987 - bekannte Le Pen senior sich im französischen Fernsehen etwas zu lautstark zu den Thesen der Geschichtsrevisionisten: „Wie, sechs Millionen Tote, wollen Sie mir etwa sagen, dass ich daran glauben muss? Ich sage Ihnen, es gibt Leute, die darüber debattieren. Aber dies ist ein point de détail (Nebenumstand) in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs.“ Zuvor geknüpfte Kontakte brachen ab, und seine Pläne, im Präsidentschaftswahlkampf 1988 auch in den Staat Israel zu reisen, zerschlugen sich infolge dessen. Der damalige FN-Vorsitzende verstand es zunächst nicht, denn er glaubte bis dahin, beinahe Narrenfreiheit zu genieben, nachdem er doch zu Anfang 1987 den „einschlägigen Kreisen“ gesagt habe, was sie hören wollten. Juden steckten in seinen Vorstellungen unter einer Decke, deswegen sei es besser, sich gut mit ihnen zu stellen.

Unter dem Vorsitz von Jean-Marie Le Pen, der die Partei von ihrer Gründung 1972 bis im Januar dieses Jahres führte, lieb sich der Bruch mit der israelischen und Teilen der „westlichen“ Rechten - der den FN damals etwa auch von den britischen Konservativen entfernte - nie wieder kitten. Der alte Haudegen hielt in der internationalen Politik nach dem Ende der bipolaren Weltordnung von 1989 lieber zu „starken Aubenseitern“ - von Saddam Hussein über Slobodan Milosevic bis zu Laurent Gbagbo.

Seine Tochter versucht nun aber, an alte Kontaktmuster aus der Zeit davor wieder anzuknüpfen. Vor diesem Hintergrund ist ihr auch ihr zweiter symbolisch bedeutsamer Termin zu sehen: Am 05. November 11 traf sie in Palm Beach im US-Bundesstaat Florida mit William J. Diamond zusammen, einem führenden Funktionär des American Israel Public Affaires Committe (AIPAC), das als Lobbyorganisation - im amerikanischen Sinne - für Interessen des Staates Israel gilt. Zeugen des Gesprächs waren nicht zugelassen. Der Termin wurde in Frankreich erst Tage später, nach der Rückkehr Marine Le Pens, bekannt. Ihr Vizepräsident und Lebensgefährte Louis Aliot erklärte dazu, auf dem Gesprächsplan hätten „Islam, arabische Revolutionen und Einwanderung“ gestanden. In einer  bemerkenswerten Formulierung fügte Aliot hinzu, zu diesen Themen seien die Positionen des Gesprächspartner „dieselben wie die des FN, sogar schlimmer“ (sic) gewesen. Vgl. http://droites-extremes.blog.lemonde.fr

Vergebliche Liebesmüh’

Als Einfädler für Kontakte Marine Le Pens in den USA betätigte sich im Vorfeld ihres Besuches der Italo-Amerikaner Guido Lombardi; vgl. http://www.lepoint.fr/  . Er vertrat früher die italienische rassistische Regionalpartei Lega Nord in den USA. Doch die Gesamtbilanz des Besuchs fiel in der Darstellung französischer Medien nicht allzu positiv aus, geschweige denn glänzend. So habe Marine Le Pen nach viel mehr hochrangigen Gesprächspartnern gesucht, die jedoch abgesagt oder Termine verweigert hätten. Journalisten sowohl von Le Monde als auch Libération berichteten, ihnen und allgemein der französischen Presse gegenüber habe Marine Le Pen sich in Geheimnistuerei um ihre angeblichen zahlreichen Termine in Washington und New York ergangen. Als ihr Chauffeur die Pressefahrzeuge im Tross ihres Autos gesehen habe, sei er zeitweilig mit 100 km/h durch die US-Bundeshauptstadt geheizt, um zu versuchen, die lästigen Journalisten abzuhängen. Dabei sei es nicht darum gegangen, Termine geheim zu halten - sondern eher deren Ausbleiben. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte die Umgebung Marine Le Pens unter anderem versucht, einen Termin mit Nafissatou Diallo zu arrangieren. Allerdings vergeblich; vgl. http://www.lefigaro.fr/fl - Die aus dem westafrikanischen Land Guinea stammende Frau hatte ab dem 14. Mai 2011 den französischen Politiker und damaligen IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn der sexuellen Aggression und versuchten Vergewaltigung bezichtigt - seitdem reibt in Frankreich die Flut von, in aller Regel eher unangehmen, Enthüllungen über den Prominenten & Sexbesessenen nicht ab. Dass Gerüchte inzwischen besagen, Strauss-Kahn wolle auf der Flucht vor der Enthüllungswelle nach Israel auswandern, was er am vergangenen Mittwoch, den  23. November 11 dementierte (vgl. http://www.lefigaro.fr/fl ), dürfte einschlägige Ressentiments sicherlich anheizen.

Dass Marine Le Pen zudem den Höhepunkt der jüngsten EU-Griechenland-Krise in Europa zeitlich verpasste, trug zu dem Eindruck bei, ihr Wahlkampf stecke derzeit inhaltlich fast. So jedenfalls die in den Medien weit verbreitete Darstellung. Scheinbar im Widerspruch dazu befindet sie sich dennoch in den Vorwahlumfragen auf einem, zur Zeit ihres Vaters an der Parteispitze ungekannt hohen, Niveau. Zwischen 17 und 20 Prozent der Stimmen werden ihr derzeit vorausgesagt. Und dies könnte sich im Laufe des Wahlkampfs noch ändern.

Um ihre Wahlkampagne wieder anzufahren, veranstaltete die Parteispitze am vorletzten Samstag, den 19. November 11 das „Bankett der Tausend“ im Südwesten von Paris. Der Verfasser dieser Zeilen war dabei, langweilte sich jedoch erheblich: Statt der angekündigten Vorstellung eines Parteiprogramms wurde es schlussendlich nur eine längliche Grundsatzrede der Vorsitzenden. Eine einstündige Ansprache, in welcher sie Vorstellungen lediglich in allgemeiner Form anriss - das konkrete Wahlprogramm „mitsamt Finanzierungsvorschlägen“ soll nun doch erst im Januar ’12 präsentiert werden. Inhaltlich dürften die aubenpolitischen Vorstellungen Marine Le Pens, die aus diesem Anlass präsentiert wurden, von denen ihrer tatsächlichen oder gesuchten US-amerikanischen Gesprächspartner unterscheiden. Es ging eher um ein starkes Europa und Frankreich, das sich aus dem Militärkommando der NATO zurückzieht - Paris war, nach dem Austritt im Jahr 1966, Anfang 2009 dorthin zurückgekehrt -, von den USA emanzipiert und gute Beziehungen zu einem starken Russland pflegt. Ein wenig überraschend wirkte die Ankündigung, einen Bruch mit la françafrique, also dem seit 50 Jahren traditionellen französischen Neokolonialismus in Afrika, zu vollziehen. Die Souveränität der Staaten dort solle künftig respektiert werden. Allerdings sollen Verhandlungen mit den, nunmehr stärker eigenständigen, Ländern des Kontinents in Zukunft vor allem zu Abkommen in Sachen Migrationsbeschränkung und -verhinderung führen. 

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.