Von Linkskommunisten
zum Ustascha-Freund

Die Buchmacherei hat dankenswerter Weise ein Buch von Ante Ciliga wieder herausgegeben, der aber keineswegs als Stichwortgeber für Links- oder Rätekommunisten taugt
von Peter Nowak

12/10

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„Schon längst wollte ich nach Sowjetrussland fahren. Die bolschewistische Revolution, die, angesichts eines vom Krieg zerrissenen und von der kapitalistischen Ausbeutung zugrunde gerissenen Europas, kühn die Errichtung einer sich auf die Brüderlichkeit der Völker und die Befreiung der Arbeiter gründenden Gesellschaft erstrebte, hatte von Anfang an meine ganze Sympathie gefunden.“

Wie viele Linke fuhr auch der kroatische Kommunist Ante Ciliga mit stolzer Begeisterung in die damals noch junge Sowjetunion. Doch schnell sollte er sich zu einem vehementen innerkommunistischen Kritiker der Entwicklung in der Sowjetunion wandeln. Zunächst sympathisierte er mit der trotzkistischen Opposition, der er aber bald vorwarf, lediglich Symptome zu kritisieren. Seitdem reklamieren einige rätekommunistische und anarchistische Gruppen Ciliga für sich. Ob sie damit Recht haben, kann jetzt jeder Leser selber überprüfen. Denn der Berliner Verlag „Die Buchmacherei“ hat Ciligas Schrift über seine Jahre in der Sowjetunion wieder aufgelegt. Es war 1940 in Frankreich erschienen, hatte damals einen gewissen Einfluss in kleinen kommunistischen Oppositionszirkeln. Eine Auflage in einen rechten Verlag in den 50er Jahren blieb weitgehend unbeachtet.

Die Neuauflage ist zu begrüßen, handelt es sich hier um eine akribische Mikrostudie der sowjetischen Gesellschaft jener Jahre. So Ciliga beschreibt sehr genau, wie sich die Lohnschere wieder öffnet. Während ein Arbeiter 1935 100 bis 120 Rubel monatlich bekam, verdiente ein Facharbeiter 250 bis 300 Rubel, ein Angestellter bis zu 400. Die Spezialisten hingegen konnten 2500 bis 3000 Rubel verdienen. Viele solcher Details sind die Stärken des Buches. Theoretische Auseinandersetzungen hingegen fehlen bei Ciliga völlig. Seine mit der Zeit wachsende Antipathie gegen die Sowjetunion ist oft mit einer gehörigen Portion europäischer Arroganz verbunden und führ oft zu zweifelhaften Urteilen.

So behauptete er, dass viele Menschen in der Sowjetunion eine Besetzung durch NS-Deutschland und dem faschistischen Japan wünschten, um die Regierung loszuwerden. Seine Beschreibung de sowjetischen Justiz und Straflager hingegen ist sehr präzise. Ciliga beschreibt keine Terrorsysteme, sondern eine Justiz, die den Abtrünnigen immer wieder zu gewinnen suchte. Ciliga führt aus, wie er sich oft Wochen dauernde Auseinandersetzungen mit Justizpersonal lieferte und sich mit ihnen heftige politische Debatten führte. Sehr plastisch beschreibt er das Leben in Sibirien, wohin er in den 30er Jahren mit vielen anderen Oppositionellen deportiert wurde. Sie lebten dort in Städten, gingen teils hochdotierten Arbeiten nach, debattierten heftig über die Entwicklung der Sowjetunion und nur die winterliche Kälte machte ihnen das Leben schwer.

Am Ende auf der rechten Seite

Im letzten Kapitel geht der britische Historiker Stephen Schwartz auf Ciligas Rechtschwenk ein, der schon wenige Jahre nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion begann. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, in die USA zu emigrieren, kehrt er in das von der faschistischen Ustascha regierte Kroatien zurück, wo er als Journalist arbeitet, um dann 1944 vor den Titopartisanen nach Hitlerdeutschland zu fliehen. Ciligas Schritt in einer Zeit, wo durch ganz Europa die Juden in die Vernichtung getrieben wurden und in Deutschland der totale Krieg angesagt war, kommentiert Schwartz mit einer Erklärung, die eigentlich Realsatire ist: „Er war neugierig auf die sozialen Verhältnisse in Deutschland zwischen den NS-Staat und den Massen“.

Mit vielen gestrandeten NS-Freunden aus Europa und der Welt musste Ciliga vor der Roten Armee aus Berlin, fürchtete auch in Westeuropa überall kommunistischen Einfluss und fand sich in nationalistisch-kroatischen Kreisen, die das Tito-Jugoslawien vehement bekämpften, gut aufgehoben. Diese Wertschätzung brachte den ultrarechten kroatischen Präsidenten Tudjman in den 90er Jahren noch in Bedrängnis. Hatte er doch in einen Buch von Ciligia verbreitete Angriffe auf die von der Ustascha verfolgten und ermordeten Juden wiederholt und damit einen internationalen Skandal ausgelöst wird. Es gehört zum korrekten Umgang mit Geschichte auch dieses unrühmliche Ende eines kommunistischen Oppositionellen nicht zu verschweigen, wie es der Taz-Rezensent Felix Baum macht, der dieses Kapitel in Ciligas Leben einfach unerwähnt lässt.

Hg.: Jochen Gester & Willi Hajek
Ante Ciliga
Im Land der verwirrenden Lüge
Die Buchmacherei, Berlin, 2010,
304 Seiten, 12 Euro