Betrieb & Gewerkschaft
Frankreich: Rund 6.000 „papierlose Arbeiter“ (oder lohnabhängige illegalisierte Einwanderer) im Streik

von Bernard Schmid

12/09

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Zum Auftakt ihres Protestzuges durch Paris singen sie: „Die Sans Papiers haben Frankreich befreit… Und Du, Du wusstest es nicht! Die Senegalesen waren dabei… Und Du wusstest es nicht! Sarkozy war nicht dabei… Und die Malier, sie waren dabei! Und Du wusstest es nicht… (Innenminister) Hortefeux war nicht dabei! Und die Leute aus Madagaskar, sie waren dabei…“

Einige der Sans papiers oder „illegalen“ Einwanderer, die in Frankreich leben, argumentieren mit der Rekrutierung ihrer Vorfahren für Frankreichs Armee: Diese hätten ihr Blut für das Land vergossen - also hätten sie auch das Recht, in Frankreich zu leben und dort ihr Leben zu verdienen. So etwa Brahima, der aus Mauretanien kommt und auf das Schicksal seines im Zweiten Weltkrieg in der französischen Armee gefallenen Großvaters hinweist. Andere argumentieren allgemeinpolitischer, wie etwa Djibril, der aktuell als Delegierter und Sprecher einer Gruppe von mehreren hundert Sans Papiers auftritt: Er spricht vom Nord-Süd-Verhältnis, von der Ausbeutung der ärmeren Länder vor allem in Afrika. Und von der Fortsetzung des französischen Kolonialismus mit anderen Mitteln, seitdem die meister afrikanischen Kolonien im Jahr 1960 formell unabhängig wurden. „Wären sie“, die Franzosen, „nicht bei uns gewesen, dann wären wir heute nicht hier“, erklärt er.

Derzeit stehen die Sans Papiers mal wieder stark im Licht der Öffentlichkeit. Auch wenn die Bürgerlichen sie oft noch - mit einem Begriff, der einen negativen Beigeschmack hat - als clandestins bezeichnen, also „heimliche“ Einwanderer, führen sie ihr Leben alles andere als heimlich. Zum zweiten Male innerhalb von anderthalb Jahren haben sie im Raum Paris seit dem 12. Oktober 2009 einen bis heute anhaltenden Arbeitskampf begonnen, der zum Ziel hat, die „Legalisierung“ der lohnabhängig beschäftigten Arbeitskräfte zu erreichen - also ihnen einen juristischen Aufenthaltsstatus zu erkämpfen.

Im Laufe der zurückliegenden Wochen erreichte der Streik der travailleurs sans papiers oder „Arbeitenden ohne Papiere“ im Raum Paris neue „Rekorde“. Über 5.000 lohnabhängige „illegale“ Einwanderer waren Anfang Dezember o9 im Ausstand, um die Mitte des Monats war die Zahl von 5.500 überschritten. (Beim ersten Sans Papiers-Ausstand, der im April 2008 begonnen hatte und damals riesiges Aufsehen erregte, waren es noch etwa 600 Streikende gewesen.)

Gleichzeitig erschien Ende November o9 erstmals eine eigene Streikzeitung, die im Prinzip gratis ist, jedoch für einen Unterstützerpreis von mindestens zwei Euro durch Streikende und Unterstützer/innen verkauft wird: Die achtseitige, mit Photos versehene und im Mehrfarbendruck erstellte Zeitung „Ici“ (Hier) wurde vorige Woche in einer ersten (Start-) Auflage in Höhe von 50.000 Exemplaren gedruckt. Erstaunlicherweise ist ansonsten das Medienecho im allgemeinen weitaus geringfügiger als beim letzten Streik, vor anderthalb Jahren. Der damalige Streik im April/Mai 2008 hatte sehr breite Publizität in der Presse (insbesondere in Sarkozy-kritischen Zeitungen wie ‚Libération’ und ‚Le Monde’) erfahren. Heute hingegen spielt sich der Streik – vielleicht deswegen, weil das Thema nicht mehr so „neu“ und dadurch prickelnd erscheint – weitgehend im Schatten der Medienberichterstattung ab. Im Unterschied zum Sans papiers-Streik von 2008 findet nun bei diesem Mal gleichzeitig eine wesentlich stärkere Repression (polizeiliche Räumungen, Aussperrung) statt.

Der Streik berührte, laut Angaben der CGT, Mitte Dezember o9 insgesamt 1.253 Unternehmen in verschiedenen Branchen - vor allem Bau, Reinigungsgewerbe, Gaststätten -, und über 40 Arbeitsstätten sind noch immer besetzt. (Vgl. http://juralibertaire.over-blog.com/ ) In etwa zehn Fällen sind andere besetzte Örtlichkeiten polizeilich geräumt worden, unter ihnen die Baustelle des neuen Hochhauses des Versicherungskonzerns AXA im Pariser Geschäftsviertel La Défense, an einem Montag Mitte November. Diese Räumung war im Prinzip illegal, da sie ohne gerichtliche Anordnung erfolgte.

Eine weitere Baustelle desselben Unternehmens, das auch das AXA-Hochhaus errichtet - der Baufirma ADEC - ist unterdessen derzeit besetzt. Es handelt sich um einen Ort, an dem ein Luxushotel errichtet, auf den Champs-Elysées. ADEC ist nun zugleich durch seine Sklavenhalterpraktiken ins Zwielicht gerückt. So wurden vier Fälle von Asbestverseuchung in den Lungen von migrantischen Lohnabhängigen bei der Firma, die vor allem auf Abbruch- und Abrissarbeiten spezialisiert ist, vermeldet. Mitarbeiter schufteten dort ohne Schutzmaske an asbesthaltigen Gebäuden: Das Unternehmen hatte es wohlweislich verstanden, von der Abhängigkeit seiner „illegalen“ migrantischen Arbeitskräfte, die keinen Anspruch auf soziale Absicherung und Arbeitslosenunterstützung haben und so auf ihre Erwerbsstelle angewiesen sind, zu profitieren. Ebenfalls an den Champs-Elysées gelegen, war im November 2009 Sitz der Unternehmervereinigung des Reinigungsgewerbes durch Sans papiers besetzt worden. Ende Oktober o9 war zudem die Unternehmervereinigung der Baufirmen für öffentliche Aufträge, der FNTP, besetzt worden.

Auch die Baustelle der künftigen Pariser Straßenbahn an der Porte des Lilas - am östlichen Ausgang der Hauptstadt - ist unterdessen, seit Wochen, mit Unterstützung der Gewerkschaften CGT und SUD durch 25 streikende Sans Papiers besetzt. 

Sie waren bislang durch Subfirmen des durch den Bauherrn - also die Stadt Paris - beauftragten Bauunternehmens, La Suburbaine, und insbesondere die Firma TFN, dort beschäftigt worden. Die Politik der öffentlichen Hand, durch Preisdruck auf die anbietenden Unternehmen objektiv, bewusst oder unbewusst, für miese Löhne bei den Vertragspartnern im Rahmen öffentlicher Aufträge zu sorgen, hatte dazu sicherlich mit beigetragen.

Das sozialdemokratisch geführte Rathaus des 20. Pariser Bezirks und die dortigen Kommunalparlamentarier waren ebenfalls um Unterstützung gebeten worden. Sie reagierten jedoch, indem sie erklärten, „die Lohnabhängigen (hätten) das Streikrecht und die Sans Papiers das Recht, auf ihre Lage aufmerksam zu machen und eine Legalisierung ihres Status zu fordern – aber „als Gewählte des Bezirks haben wir gleichzeitig die Verantwortung, dass der Straßenbahnbau zügig vorankommt“. Mit dieser Begründung verweigerten die Damen und Herren den unter Zelten schlafenden Streikenden die von ihnen geforderte Aufstellung von Toiletten. Gleichzeitig haben die sozialdemokratischen Bürgermeister des 19. und 20. Pariser Bezirks sich nun vor kurzem in einem gemeinsamen Pressekommuniqué „solidarisch“ mit den Streikenden erklärt.

Das Besondere am aktuellen Streik im Vergleich zu jenem im Frühjahr und Sommer 2008 ist, dass er direkten Druck auf die Regierung und die Präfekturen (Polizei- und Ausländerbehörden) ausüben soll, die Kriterien für die „Legalisierung“ bislang als „illegal“ geltender Einwanderer abzuändern. Im vergangenen Jahr 2008 war es hingegen eher noch darum gegangen, durch Druck und Überzeugungsarbeit Einfluss auf einzelne Unternehmer zu nehmen, damit diese in ihrem eigenen Namen - und aufgrund ihres wirtschaftlichen Interesses am Beibehalt ihrer „illegalen“ migrantischen Arbeitskräfte - die „Legalisierung“ ihrer Mitarbeiter/innen bei den Präfekturen beantragten. Dies wird durch das bislang letzte verabschiedete Ausländergesetz von November 2007 (vgl. http://www.legifrance.gouv.fr/) ausdrücklich, doch „ausnahmsweise“ erlaubt. Letzteres Gesetz sieht eine „ausnahmsweise Legalisierung“ im Falle eines nachgewiesenen ökonomischen Interesses des einzelnen Arbeitgebers an der Einstellung oder Weiterbeschäftigung bislang „illegaler“ Arbeitskräfte vor, insbesondere bei Mangelberufen und -qualifikationen. Heute geht es hingegen darum, eine Abänderung der „Legalisierungs“praxis als solcher und ihre Erleichterung zugunsten der travailleurs sans papiers zu erreichen. Deswegen werden auch nicht so sehr einzelne Arbeitgeber, sondern eher Arbeitgebervereinigungen und zentrale Sitze ökonomisch einflussreicher Verbände vom Streik getroffen.

Am Boulevard Magenta im nördlichen Pariser Zentrum sind eine Reihe von Agenturen großer Zeitarbeitsfirmen im Ausstand, da deren travailleurs sans papiers sich nun ebenfalls rühren und eine „Legalisierung“ ihres Aufenthaltsstatus fordern. Die Zeitarbeiter/innen zählten bisher zu den Ausgeschlossenen von den „Legalisierungs“maßnahmen: 2008 wurde ihre Beteiligung durch die Gewerkschaften eher abgewiesen, da die Zeitarbeiter über keinen dauerhaften Arbeitgeber verfügen, der ihre „Legalisierung“ in ihrem Namen beantragen könnte. Durch die neue Streiktaktik haben sich nun die Voraussetzungen für die Erfüllung ihre Forderung geändert. In mehreren Fällen reagierten die Büros der Leiharbeitsfirmen am Boulevard Magenta nun erstmals mit Aussperrung, und machten gleich gänzlich dicht. Die Ausgesperrten stehen – oder liegen, zum Teil schlafen – nun auf dem Trottoir, halten Flugblätter oder Unterschriftenlisten bereit, sammeln Geld und Unterstützungsunterschriften. Mehrere dieser Büros wurden aber seit Ende November durch die Polizei geräumt.

Im 13. Pariser Bezirk, im Süden der französischen Hauptstadt, sind erstmals die zahlreich dort lebenden und arbeitenden Asiaten ohne „legale Aufenthaltstitel“ in Bewegung geraten. Dies erforderte einen gewissen Mut, da diese Chinesen oder Vietnamesinnen häufig bei Landsleuten - mitunter aus ihren eigenen Familien - beschäftigt sind ; und umso heftigerer Ausbeutung ausgesetzt sind, als sie oft den Preis für ihre Einreise an ihre „Helfer“ zurückzahlen müssen. Letztere können oftmals „zu Hause“ Druck auf Angehörige in den Herkunftsländern ausüben, „wenn es Not tut“. Die Betroffenen besetzen derzeit den Hotel- & Gaststättenverband. An der Demonstration der Solidaritätsbewegung für Einwanderer („mit oder ohne Papier“) am 29. November o9 in Paris nahmen erstmals seit längerem - neben Menschen nordafrikanischer, westafrikanischer oder türkischer/kurdischer Herkunft auch wieder ChinesInnen in größerer Zahl teil. Transparente und Schilder waren zum Teil auch in chinesischen Zeichen beschriftet. Ebenso waren bei dem groen ‚Meeting’ in einer Turnhalle im südlichen 13. Pariser Bezirk vom Montag, 14. Dezember o9, an dem rund 2.500 streikende Sans papiers und einige Unterstützer/innen teilnahmen, mehrere Hundert asiatische Lohnabhängige im Ausstand vertreten – Redebeitrag einer chinesischen Vertreterin auf Französisch und Chinesin inklusive.

Beim Bau-, Medien- und Betonkonzern Bouygues (dessen Konzernerbe Martin Bouygues ein persönlicher Duzfreund Nicolas Sarkozys ist) wurde unterdessen eine Baustellenbesetzung verhindert. Eine kleine Armee von privaten Sicherheitsleuten, bewaffnet mit Holzknüppeln und Eisenstangen, verhinderte die Besetzung und setzte eine („außergerichtliche“ und widerrechtliche) Räumung durch. Solche Praktiken drohen sich unterdessen auszuweiten.

Wie reagieren die Behörden?

Angesichts des Bündels aus miteinander verknäuelten ökonomischen, politischen und ideologischen bzw. wahlkampfbezogenen Interessen, denen die Bewegung der Sans papiers gegenüber steht, haben sich zuweilen teilweise verworren erscheinende Fronte herausgebildet. Denn während die Regierenden unter Präsident Nicolas Sarkozy und Premierminister in sonstigen Fragen (und vor allem im Hinblick auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik) lupenreine Klasseninteressen des Kapitals vertreten, geraten in dieser Frage tendenziell die einzelnen Interessen innerhalb der Bourgeoisie und des Establishments aneinander.

So hat die französische Staatsmacht ein erhebliches Interesse daran, ihren Kontroll- und Sanktionsanspruch unter Beweis zu stellen, in dem sie ihn an einer per definitionem weitgehend rechtlosen und sozial schwachen Personengruppe vorführt. Dazu eignen sich die Sans papiers - oder ‚Clandestins’ („heimliche“ Migranten, auch „blinde Passagiere“ werden mit diesem Begriff bezeichnet) in den Augen konservativer Politiker in aller Regel bestens, aufgrund ihrer jedenfalls theoretisch vorgesehenen Position „ganz unten“ in der sozialen Hierarchie. Die Verfasser des Sammelbands ‚Cette France-là’, der Anfang März 2009 publiziert wurde und die bis dahin harscheste Kritik von Intellektuellen und bekannten Publizisten an der französischen „Ausländerpolitik“ enthielt, stellten dazu folgende These auf: Die Geschäftsgrundlage der Politik Nicolas Sarkozys sei das Vorführen von „politischem Voluntarismus“, also der Behauptung, dass - sofern nur entsprechender Wille vorhanden sei - der starke Staat die Dinge in der Gesellschaft schon in Ordnung bringen und zum angeblich Besten richten könne. Dies funktioniere aber, besonders in Zeiten supranationaler Einbindung (etwa in die Europäische Union) und kapitalistischer „Globalisierung“ tendenziell noch weniger als früher, da die politische Exekutive im Nationalstaat an Einfluss und Gestaltungsspielräumen verboten habe. Aufgrund dieser Tatsache sei es in den Augen der regierenden Rechten von immenser Bedeutung, zumindest entlang einer Frage und einer bestimmten Personengruppe diesen Anspruch des Staates - „Wenn wir nur wollen, dann können wir auch von uns gewünschte Ergebnisse erzwingen“ - demonstrativ unter Beweis zu stellen.

Hinzu kommt die Tatsache, dass ein hoher Anteil bisheriger Wähler der neofaschistischen extremen Rechten unter Jean-Marie Le Pen im Jahre 2007 zum damaligen konservativen Kandidaten Nicolas Sarkozy übergelaufen war, unter anderem weil er durch seine Sprüche den autoritären „starken Mann“ markierte. Diese Wählerschaft gilt es nun bei der Stange zu halten. Kein Wunder also, dass die Rechtsregierung sich seit Ende November - während die französischen Regionalparlamentswahlen (die in allen Landesteilen am 14. und 21. März 2010 stattfinden) in Kürze vor der Tür stehen - nunmehr verstärkt um harte, „voluntaristisch“ klingende Sprüche gegen „illegale“ Einwanderer bemüht. So forderten der Minister „für Immigration, Integration und nationale Identität“ Eric Besson sowie Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand vor kurzem gemeinsam verschärfte Kontrollen auf Arbeitsstellen, um dort beschäftigten „illegalen AusländerInnen“ auf die Schliche zu kommen. Dabei forderten sie in der letzten Novemberwoche sogar die Möglichkeit, durch Verwaltungsanordnung solche Betriebe dicht zu machen, bei denen dort arbeitende Sans papiers angetroffen werden.

Diese Absichten - wenn aus der Vision denn Wirklichkeit wird; dagegen spricht bislang noch die unter Streikdrohung immer wieder ausgesprochene massive Weigerung der ArbeitsinspektorInnen (ungefähre Entsprechung zur deutschen Gewerbeaufsicht), an solchen Einsätzen grundsätzlich teilzunehmen - zielen natürlich darauf, möglichst viele „Schlupflöcher“ für das Überleben illegalisierter Immigranten auf französischem Boden zu verschließen. Gleichzeitig aber trifft der Staat, auch wenn er dabei vielleicht in seiner allgemeinen Rolle als „ideeller Gesamtkapitalist“ handeln mag, dabei das Einzelinteresse vieler Kapitalvertreter und Bourgeois schmerzhaft. Denn diese sind - jedenfalls in diesem spezifischen Sinne - insofern nicht rassistisch, dass sie generell gegen den Aufenthalt von (auch „illegalisierten“) ImmigrantInnen eintreten würden. Die entscheidende Frage in ihrer Sichtweise lautet vielmehr, mit welchen Rechten Einwanderer im Vergleich zu französischen Arbeitskräften ausgestattet oder eben nicht ausgestattet sein sollen: Die Präsenz eines gewissen Anteils an „papierlosen“, und dadurch in eine relative Rechtlosigkeit gedrückten (1). Einwanderern kommt ihnen dabei durchaus zu pass: Diese Arbeitskräfte lassen sich leichter zu ungünstigen, offen ausbeuterischen Bedingungen beschäftigen. Ein Teil der Einzelkapitalisten hat daher durchaus ein Minimalinteresse daran, dass eben nicht alle „Schlupflöcher“ verstopft werden - und ferner daran, dass im Falle eines „Aufspürens“ illegalisierter Immigranten noch nachträglich eine „Legalisierungs“option möglich ist.

An dieser Front treffen Staats- und Wirtschaftsinteresse relativ hart aufeinander. Anfang Dezember wurde sogar bekannt, dass der französische zentrale Arbeitgeberverband MEDEF (vergleichbar in Deutschland mit BDI-BDA) bereit war, zusammen mit dem „postkommunistischen“ Gewerkschaftsdachverband CGT sowie der Flüchtlings- und Migrantenhilfsorganisation Cimade eine gemeinsame Erklärung gegen das staatliche Kontrollregime zu unterzeichnen…

Der Streik seinerseits trägt nun dazu bei, dass auch dort, wo einzelne Arbeitgeber kein Offenlegen der „illegalen“ Situation ihrer Arbeitskräfte wünschen - etwa, um durch Fortbestehen der „Illegalität“ härtere Ausbeutungsbedingungen aufrecht zu erhalten -, sie nunmehr eben „wollen müssen“. Denn der Streik bringt dadurch, dass er die „rechtswidrige“ Beschäftigung der betreffenden Lohnabhängigen publik macht, erhebliche Risiken für die Arbeitgeber mit sich - ist die Anstellung illegalisierter Migranten einmal bekannt, so muss sie sofort beendet werden und/oder kann rechtliche Risiken nach sich ziehen.

Aber auch für die einzelnen Streikenden „ohne Papier“ bleibt die Situation ziemlich riskant. Denn die Staatsmacht versucht derzeit, einzelne Kapitalinteressen versöhnlich zu stimmen, ohne aber den „papierlosen“ Einwanderern allzu weit entgegen zu kommen. Dazu soll ihr die Taktik dienlich sein, bei jeder Streikbewegung stets einige der Streikenden - (auch) im Interesse ihrer jeweiligen Arbeitgeber - zu „legalisieren“ und mit Aufenthaltstiteln auszustatten, dies anderen jedoch zu verweigern. Dadurch bleibt stets die grundsätzliche Gefahr bestehen, dass ein Austritt aus der „Illegalität“ durch den Streik für den Betreffenden zur Öffentlichmachung seiner Beschäftigungssituation, zu ihrem Verlust und damit oft zu jenem der wirtschaftlichen Existenz führt.

Im vergangenen Jahr schienen die Präfekturen (Ausländer- und Polizeibehörden) beim damaligen Ausstand von rund 600 Sans Papiers im Raum Paris eine Quote von ungefähr 4 : 1 zu wahren: Jedenfalls mittelfristig, innerhalb weniger Monate, wurden rund 80 Prozent der Streikenden mit Aufenthaltsdokumenten ausgestattet. Ein Fünftel wurde jedoch in der „Illegalität“ belassen und verlor dadurch meistens auch den aktuellen Job. Derzeit fährt Einwanderungs- und Nationalidentität-Minister Eric Besson jedoch eine wesentlich härtere Linie: Anfang Dezember wurde bekannt, dass er plane, bei diesem Streik nur rund (800 bis) 1.000 der Beteiligten - also unter einem Fünftel - Aufenthaltstitel zu erteilen.

Ob sich diese Linie so durchhalten lässt, oder ob sie nach dem Vorbeizug der Regionalparlamentswahlen im März 2010 dann nachträglich noch „aufgeweicht“ wird, muss sich noch herausstellen. Ebenso wie die Frage noch zu klären ist, wie lange und auf wie breiter Front die Streikenden noch durchhalten können. Bislang ist ihre Kampfesmoral jedoch im Allgemeinen weitgehend intakt. Allerdings hat der bitterkalte Winter auf den bestreikten Baustellen (wie jener der Pariser Straenbahn an der Porte des Lilas) Einzug gehalten, und die Weihnachtsfeiertagsperiode dürfte ihrerseits – zumindest vorübergehend - zu einem „Abfall der Spannung“ in der Aufmerksamkeit auch des engagiertesten Teils der Öffentlichkeit beitragen.


Ausblick

Für den 1. März 2010 ruft unterdessen ein Kollektiv zu einem allgemeinen Migrantenstreik auf, der „legale“ wie „illegale“ Einwanderer umfassen und von Gewerkschaften, Menschenrechtsvereinen und Solidaritätsinitiativen unterstützt werden soll. (Vgl. ) An dem „Tag ohne MigrantInnen“ wird, falls der Streik massiv befolgt wird, die französische Gesellschaft den Beitrag der Migranten zur Ökonomie notgedrungen bemerken. Vorbild dafür könnte der massiv befolgte MigrantInnen-Streik in den USA im Herbst 2006 sein

1) Relativ, weil in Frankreich immerhin das Recht auf Krankenversicherung für Sans Papiers in Gestalt der ‚Aide médicale d’Etat’ gewährleistet ist)

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor.