Das Elend der Studierenden-Proteste
Zur Kritik am Bildungsstreik

von La Banda Vaga

12/09

trend
onlinezeitung

I. Prolog 1
II. Die Bedeutung der Besetzung: die gesellschaftliche Artikulation des Unmuts.
III. Die falsche Beschränkung der Kritik auf den bildungspolitischen Rahmen
IV. Die Bildungsreformen haben ihren Grund in der kapitalistischen Struktur dieser Gesellschaft
V.. Die einzige Chance der Studienproteste liegt in einer gesellschaftskritischen Perspektive
VI. Konkrete Forderungen flankieren den Protest nicht, sondern sind ein Instrument seiner Normierung
VII. Zum Begriff der Bildung: von Bildung zu reden ist gegen die Bildung. Eine radikale und revolutionäre Perspektive

I. Prolog

Ein Onlineartikel der „Bild“-Zeitung widmet sich der Frage, „ob die Proteste (der Studierenden) berechtigt sind.“ Anhand eines kurzen und oberflächlichen Frage-Antwortkataloges werden in dem Artikel die zentralen Forderungen der Studierenden erläutert und die Gründe für und gegen die Reformen abgewogen. Der Duktus des Artikels ist bildtypisch der eines deutschen Spießbürgers und passt sich dadurch dem Gebärden seiner Leserschaft an. Die „Bild“ ist dafür bekannt, gegen „Sozialschmarotzer“, „Chaoten“ und sonstige „Asoziale“ zu hetzen. Wie gewohnt wägt die „Bild“ auch diesmal stellvertretend für ihre Leserschaft ab, ob sie ihr ressentimentgeladenes und enges Weltbild mit den Studienprotesten vereinbaren kann, oder den Studierenden mit der geballten Wut des Spießers gegen „Unruhestifter“ antworten soll. Diese Abwägungen untersuchen, ob bei
den Protesten „alles seine Ordnung hat“, der Protest wird auf seine Konformität hin geprüft. Eine Kernfrage der Überlegung, ob die Proteste der Studierenden legitim seien, ist die Folgende – mit entsprechender Antwort: „Sind die Studenten von heute so radikal wie die 68er? Nein. Damals gingen die Studenten auf die Straße, weil sie mit den politischen
Verhältnissen im Allgemeinen unzufrieden waren – etwa mit der mangelnden Aufarbeitung des Nazi-Regimes. Die heutigen Proteste richten sich nicht gegen die Gesellschaft insgesamt. Die Forderungen der Studenten beschränken sich auf die Bildungspolitik.“ Eine solche mediale Reaktion sollte Verdacht erregen. Die „Bild“ kann Entwarnung geben: alles geht seinen gewohnten Gang und nichts weicht von seiner vorhergesehenen Funktion ab. Die Proteste rufen keine Irritationen oder Wut bei denen hervor, die Hass gegen jegliche Abweichung von der Normalität verspüren und auch unumwunden ausdrücken. Vielmehr braucht sich niemand wegen der Proteste aufzuregen. Der konstruktive Charakter ihrer Forderungen drückt die prinzipielle Übereinstimmung mit den Bildungseinrichtungen aus. Die Forderungen der Protestierenden sind bloße Angelegenheit von Bildungspolitik und erklären ihr Einverständnis mit dem tagespolitischen Verhandlungsprocedere. Die Grundlagen auf denen ein konstruktives Miteinander von Studierenden und Land oder Hochschulleitung, das – bei allem Verbalradikalismus – letztlich von fast allen Protestierenden gewünscht wird, gelten unhinterfragt; die Studierenden stellen keine Unvereinbarkeit von ihren Interessen mit den bildungspolitischen Reformbemühungen der letzten Jahre fest – sie versuchen sie größtenteils bloß zu verbessern. In der Angst vor jeglicher Konfrontation legen sich die Studierenden in fast vorauseilendem Gehorsam die Mäßigung und Beschränkung auf Bildungspolitik auf. Sie anerkennen damit die realpolitischen Grenzen und die normative Kraft des Faktischen. Deshalb bleibt eine Zeitung wie die „Bild“ auch so entspannt angesichts von Großdemonstrationen und Besetzungen: hinter allem aktionistischen Bedeutungswirbel steckt der prinzipielle Wille zu Übereinstimmung und Konformität. Damit sind die Studienproteste bedeutungslos, ein bloßer Tagesordungspunkt auf der Liste politischen Geschehens.

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Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel von den AutorInnen.