Hugo Chávez - Geburtshelfer einer neuen, sozialistischen 5. Internationale?
Konsequenzen für die Sozialisten in Deutschland

von Stephan Steins

12/09

trend
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 „145 Jahre sind vergangen seit dem Aufruf von Karl Marx für die I. Internationale, vor 120 Jahren gründete unter anderem Friedrich Engels die II. Internationale, vor 90 Jahren Lenin die III. Internationale und vor 71 Jahren Leo Trotzki die IV. Internationale".
Einleitend mit diesen Worten rief der venezolanische Präsident Hugo Chávez Freitag vergangener Woche zur Bildung einer neuen, sozialistischen 5. Internationalen auf. bkommen“ (El Compromiso de Caracas).

HINWEIS von red. trend:
Am Freitag, den 20.11.2009 hatte auf dem Außerordentlichen Parteitag der PSUV Hugo Chavez zur Bildung einer 5. Internationale aufgerufen. [Mehr...]

Anlässlich des ersten "Internationalen Treffens der Linken" in Venezuelas Hauptstadt Caracas argumentierte der Staatschef des lateinamerikanischen Landes, eine neue Assoziation progressiver Organisationen in aller Welt sei „angesichts der weltweiten Krise des Kapitalismus und der Aggressivität des Imperiums notwendiger denn je. Heute rufe ich zur Bildung der 5. Internationalen auf!“

Die neue Internationale solle „zu einem Instrument der Vereinigung der Volkskämpfe zur Rettung dieses Planeten“ werden, so Chávez.

Das internationale Treffen sozialistischer Organisationen hatte Chávez´ "Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas" (PSUV) organisiert. Allerdings kamen die Vertreter von rund 50 Organisationen aus 39 Ländern vorwiegend aus Lateinamerika, darunter auch bürgerliche Parteien, die gar keine sozialistische Perspektive verfolgen, gleichwohl durch Venezuelas Regierungspartei PSUV jedoch offenbar als Bündnispartner gegen USA und Imperium betrachtet werden. Namentlich waren dies u.a. die Peronisten aus Argentinien, der mexikanische PRI, sowie Vertreter der linken Flügel der liberalen Parteien Kolumbiens und Honduras.

Die rund 120 Delegierten ihrer Organisationen waren zudem eingeladen, auch an der Parteitagseröffnung der PSUV am Abend des darauf folgenden Samstags teilzunehmen.
Hingegen waren zahlreiche sozialistische Parteien und Organisationen unterschiedlicher Strömungen aus allen Teilen der Welt nicht eingeladen worden. Dies soll sich laut Aussage Cilia Flores´, Vizepräsidentin der PSUV, zum nächsten - für April 2010 geplanten - Treffen ändern, welches erneut in Venezuela stattfinden soll.

Die anwesenden Organisationen unterstützen den Vorschlag Hugo Chávez´, so Flores auf der anschliessenden Pressekonferenz. Am Ende verabschiedeten die Teilnehmer die „Vereinbarung von Caracas (El Compromiso de Caracas)“.
Darin wird eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen den Imperialismus, zur Überwindung des Kapitalismus durch den Sozialismus und zur solidarischen wirtschaftlichen Integration formuliert, wie Cilia Flores ausführte.

Konsequenzen für die Sozialisten in Deutschland

Chávez hat sich mit seinem Vorstoß zweifelsohne weit aus dem Fenster gelehnt. Eine vollständige Übersetzung des Papiers „Vereinbarung von Caracas (El Compromiso de Caracas)“ liegt uns bis zur Stunde noch nicht vor. Insofern ist eine detaillierte inhaltliche Bewertung an dieser Stelle nicht möglich.

Gleichwohl lässt sich aber bereits jetzt sagen, dass diese Initiative der venezolanischen PSUV und ihres international prominenten Führers Hugo Chávez natürlich auch unter Sozialisten in Deutschland diskutiert werden muss.

Es gilt zuvorderst, die Chancen und Perspektiven dieser Initiative zur Entwicklung eines breiten gesellschaftlichen, konstruktiven und solidarischen Diskurses zu nutzen.

Die Bildung einer neuen internationalen sozialistischen Partei scheint zum jetzigen Zeitpunkt kaum realisierbar und wird wohl auch nicht angestrebt. Die neue sozialistische 5. Internationale wird sich wohl eher als pragmatisches internationales Bündnis verstehen, orientiert an einigen machbaren grundsätzlichen Positionen und Forderungen. Natürlich werden die Meinungen darüber, was "machbar" ist und was nicht, was sinnvoll, welche Positionen unverzichtbar sind und welche nicht, erfahrungsgemäß mitunter weit auseinander gehen.

Man denke nur an die desolate Situation der Linken hier im eigenen Land - und potenziere dies auf die internationale Ebene.

Ich leiere mir an dieser Stelle mal keinen eigenen Aufruf aus den Rippen, sondern schliesse mich der "Gruppe Arbeitermacht" an, wenn diese schreibt: „Deshalb ist es die Pflicht all jener, die sich als Antikapitalisten betrachten und all jener, die sich revolutionäre Sozialisten, Kommunisten, Leninisten oder Trotzkisten nennen, ihre Kräfte zu bündeln und eine gemeinsame Konferenz ihrer Organisationen einzuberufen.
Eine solche Konferenz muss ein Aktionsprogramm für die Koordinierung unserer Abwehrkämpfe debattieren und sie in einen revolutionären Gegenangriff gegen Imperialismus und Kapitalismus umformen. Auch die Organisationsformen müssen erörtert werden, die für die Durchsetzung eines solchen Programms nötig sind“.


In diesem Sinne steht die Rote Fahne als organisationsungebundenes und strömungsübergreifendes Kommunikations- und Nachrichtenmedium zur Verfügung. Genau zu diesem Zweck wurde Die Rote Fahne, die Zeitung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, im Jahre 1992 auch wieder aufgelegt.

Ziel ist hierbei, den Diskurs einer breiten Beteiligung zu erschliessen und diesen demokratisch und transparent zu gestalten. Die konstruktive und solidarische Beteiligung der Sozialisten auch in Deutschland an der "5. Internationalen" sollte durch alle Strömungen der Linken als Chance zur Entwicklung neuer Perspektiven aufgefasst werden.
Erarbeiten wir uns eine neue sozialistische Identität und Kultur, eine gemeinsame Praxis sozialistischer Kommunikation und Politik - als Basis für den Aufbau der neuen, sozialistischen 5. Internationale.

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten den Artikel von http://die-rote-fahne.eu/headline491.html

Siehe dazu auch die Erklärung vom 24.11.2009 der Gruppe Arbeitermacht in dieser Ausgabe.