Gesetzesinitiative für Schutz und Förderung von Verfolgten des Naziregimes

von Dora und
Antonín Dick

12/08

trend
onlinezeitung


Vorbemerkung:

Aus Anlass des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November 1938 haben meine Mutter Dora Dick, eine verfolgte Jüdin und Widerstandskämpferin, und ich, ihr im englischen Exil geborener Sohn – wir sind beide Mitglieder der Berliner VVN-BdA – beim Deutschen Bundestag eine Gesetzesinitiative zum Schutz der Rechte von anerkannten Verfolgten des Naziregimes eingebracht. Gleichlautende Schreiben mit dem Vorschlag zu dieser Gesetzesinitiative gingen am 26. Oktober 2008 an Bundestagsabgeordnete, die sich bereits in der Vergangenheit für die Belange der Überlebenden und gegen Antisemitismus sowie Neonazismus eingesetzt haben: Petra Pau (Die Linke), Volker Beck (Bündnis 90 / Die Grünen), Gert Weisskirchen (SPD), Markus Löning (FDP) und Kristina Köhler (CDU / CSU). Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, aus dem ein engagiertes Bekenntnis zum Kampf gegen den Antisemitismus spricht, teilte uns Markus Löning mit, dass unsere Gesetzesinitiative an den Stellvertretenden Vorsitzenden des Innenausschusses Max Stadler, zuständig für Entschädigungsfragen von Verfolgten des Naziregimes, übergeben worden ist. Zudem wurde uns die Möglichkeit zu einem direkten Kontakt mit Max Stadler angeboten, den wir zu nutzen gedenken. Mit Schreiben vom 24. November 2008 leiteten wir Max Stadler eine dreißig Seiten umfassende Begründung dieser Gesetzesinitiative unter dem Titel „Gesetz zur Rechtsstellung von anerkannten politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus und ihren Angehörigen“ zu. Ausführlich werden in dieser Schrift die völkerrechtlichen, ethischen, gesundheits-, sozial- und bildungspolitischen Aspekte der Gesetzesinitiative dargestellt. Der Katalog der Ansprüche von NS-Verfolgten und ihren Angehörigen umfasst insgesamt dreizehn Punkte und reicht vom Kündigungsschutz für Wohnung und Arbeit über die Unterstützung für pflegebedürftig gewordene NS-Verfolgte bis hin zu Fragen des Rechtsschutzes. Als besonders dringlich wird die Behandlung von schweren psychischen Traumata von Tausenden Nachkommen der Holocaust-Opfer herausgestellt. Schließlich geht es um die Einrichtung eines staatlich geförderten Fonds für die Vergabe von Stipendien an NS-Verfolgte zur Sicherstellung der wissenschaftlichen, publizistischen, literarischen und künstlerischen Aufarbeitung der nazistischen Verfolgung aus Sicht der Opfer und ihrer Angehörigen.

Der Begründungsschrift wird das Fazit von Psalm 10 der jüdischen Bibel als Motto vorangestellt, das auf den unverzichtbaren Anspruch der Unterdrückten auf das Recht verweist. Es endet mit dem sehr aktuellen Appell, Exil niemals mehr zuzulassen: „Nicht soll man fortan Menschen schrecken aus dem Land!“ Der den politisch relevanten Schluss auf diese Weise übersetzte, wortgetreu, an allen herkömmlichen Abfälschungen von Luther bis heute vorbei, war der jüdische Wissenschaftler Naftali Herz Tur-Sinai (Harry Torczyner), der ab 1919 an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin lehrte und in dieser Zeit auch die Bibel ins Deutsche übersetzte. 1933 flüchtete er aus der braunen Reichshauptstadt nach Jerusalem.

Inzwischen ist uns auch eine Stellungnahme des SPD-Parlamentariers Gert Weisskirchen zugegangen: Zeilen des Entsetzens über den Umgang von Staatsbediensteten mit einer Überlebenden des Holocaust – volles Mitgefühl mit meiner Mutter, volle Solidarität mit unserem Anliegen. Er sagt eine sorgfältige Prüfung der Gesetzesinitiative zu. Nach Absprache ist der Fraktion DIE LINKE des Bundestages die Gesetzesinitiative zur Diskussion zugeleitet worden. Gleichfalls sehr interessiert an unserem Anliegen: der Vorsitzende des Berliner Landesvorstandes von Bündnis 90 / Die Grünen Stefan Gelbhaar.
 

Antonín Dick  
Berlin, den 1.12.2008

Dora Dick / Dr. Antonín Dick


Vorlage für Herrn Dr. Max Stadler
Stellvertretender Vorsitzender des Innenausschuss des Deutschen Bundestages
zuständig für Entschädigungsfragen von Verfolgten des Naziregimes


Gesetzesinitiative

Gesetz zur Rechtsstellung von anerkannten politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus und ihren Angehörigen

vorgelegt


aus Anlass des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938



Berlin, im November 2008

Den vollständigen Text der Gesetzesinitiative als PdF laden.
 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten die Vorbemerkung und den Text der Gesetzesinitiative von den AutorInnen. Wir haben aus der Worddatei eine ladbare PDF-Version erstellt und hoffen, dass dabei keine Konvertierungsfehler entstanden sind.

Wir sehen es als unsere Pflicht an, dieses Vorhaben mit unseren publizistischen Mitteln zu unterstützen, denn wir hoffen damit zum Ausdruck zu bringen, dass diese Initiative die möglichst breiteste Unterstützung braucht. Eine, die weit über das bürgerliche Parteienspektrum hinausreicht und alle linken antifaschistischen Zusammenhänge mit einschließt.

Karl-Heinz Schubert
(für die TREND-Herausgeber)