Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Widerspruch der Arbeitsinspektoren vor dem Obersten Gerichtshof abgeschmettert.
Arbeitsinspektoren möchten nicht zur
Ausländerhatz missbraucht werden

12/07

trend
onlinezeitung

Der Conseil d’Etat (das höchste Verwaltungsgericht in Frankreich) hat am 15. November 2007 eine Klage von Gewerkschaften französischer Arbeitsinspektoren abgewiesen. Die Arbeitsinspektion bildet eine Art Gewerbeaufsichtsamt, das über die Einhaltung bestehender Regeln im Arbeitsrecht -- von Gesetzen, Verordnungen, geltenden Kollektivverträgen... – zu wachen hat. Ihren Angehörigen ist eine Unabhängigkeit in der Ausübung garantiert, aber statutarisch unterstehen sie dem Arbeits- und Sozialministerium. 

1. Auf dem Spiel stand folgende Regelung:

Vier Gewerkschaften von Arbeitsinspektoren hatten im Juli 2007 dagegen geklagt, dass die Angehörigen der ‚Inspection du travail’ laut einem Regierungsdekret vom 31. Mai dieses Jahres zur Ausübung ihrer Tätigkeit nun auch (neben dem Ressort für Arbeit und Soziales) dem neu geschaffenen „Ministerium für Immigration und nationale Identität“ unterstellt werden dürfen. Ihnen zufolge war zu befürchten, dass die Arbeitsinspektoren zur Jagd auf „illegal“ sich in Frankreich aufhaltende Einwanderer missbraucht würden. In den Zuständigkeitsregelungen, die in dem Dekret vom 31. Mai 2007 enthalten sind, ist die Rede von einem Beitrag zur Bekämpfung der „illegalen Arbeit von Ausländern“. (Vgl. ausführlich:  http://www.trend.infopartisan.net/trd7807/t567807.html

Diese Formulierung ist ein absoluter juristischer Nonsens, da sie zwei höchst unterschiedliche Dinge miteinander vermengt: die bei den Sozialkassen nicht angegebene und daher nicht zur Abführung von Sozialbeiträgen führende „Schwarzarbeit“ (die auch von „gebürtigen Franzosen“ verrichtet wird) einerseits, den „illegalen“ Aufenthalt von Zuwanderern/ausländischen Staatsbürger/inne/n auf französischem Boden andererseits. Beide weisen nur eine geringe Schnittmenge auf, da die meisten Sans papiers oder illegalisierten Einwanderer durchaus nicht in unerklärten, sondern in erklärten Arbeitsverhältnissen stecken: Laut Initiativen, die unmittelbar und täglich mit lohnabhängigen Sans papiers zu tun haben, arbeiten nur 10 bis höchstens 15 Prozent von ihnen „schwarz“. Der allergrößte Teil von ihnen hingegen arbeitet in erklärten Beschäftigungsverhältnissen, auf die Sozialbeiträge abgeführt werden, und zahlt Steuern. In der Regel arbeiten sie mit den gültigen Aufenthaltstiteln einer anderen Person (Cousin oder Nachbar, der dem Betreffenden ähnlich sieht, ..) oder auch mit gefälschten Personalpapieren. - Seit dem 1. Juli 2007 und dem Inkrafttreten eines Ausführungsdekret zum Ausländergesetz „Sarkozy II“ vom Juli 2006 wurde in dieser Hinsicht freilich die Schraube angezogen: Nunmehr müssen die Arbeitgeber, von denen manche auch gern mal ein Auge im Hinblick auf die Gültigkeit des Aufenthaltstitels zudrückten, deren Echtheit überprüfen. Und im Falle, dass der Hauch eines Zweifels vorliegt, werden sie dazu verpflichtet, die Präfektur – also die staatlichen Polizei- und Ausländerbehörden im jeweiligen Département – anzurufen. Im Gegenzug wurde den Arbeitgebern jetzt allerdings durch die ‚Loi Hortefeux’, also das neueste Ausländergesetz (das am 20. November 2007 in Kraft trat) gestattet, die „Legalisierung“ ihrer Arbeitskräfte aus ökonomischen Gründen bei der Präfektur zu beantragen, vgl. http://www.labournet.de/ Nicht unbedingt aus Menschenfreundlichkeit, sondern eher, um bestimmten Arbeitgebern ein über ihrem Haupt hängendes Damoklesschwert herunter zu nehmen. Gleichzeitig kann der Staat-als-ideeller-Gesamtkapitalist-und-Gendarm-der-kapitalistischen-Ordnung auch ein eigenes Interesse daran finden, so zur „Legalisierung“ bestimmter Arbeitsverhältnisse – sicherlich unter Ausschluss anderer – zu drängen: Auf diesem Wege kann er zusätzliche Sozialbeiträge für die öffentlichen Kassen eintreiben... 

2. Ergebnis und nähere Auswirkungen: 

Vier Gewerkschaften hatten dagegen geklagt, die zusammen rund 90 Prozent der Arbeitsinspektoren (laut Ergebnissen bei den Personalrätewahlen) repräsentieren. Sie machten, als juristische Basis ihres Widerspruchs, u.a. die statutarischen Regeln zur Unabhängigkeit der Arbeitsinspektoren in der Ausübung ihrer Tätigkeit geltend. Aber die betreffenden Gewerkschaften lehnten – und lehnen – auch die neue Aufgabendefinition in der Sache rundheraus ab. 

Das Urteil des höchsten Gerichts im öffentlichen Recht vom 15. 11. 2007 schmettert dieses Ersuchen nun ab. Dabei basiert das Urteil des Conseil d’Etat darauf, dass die statutarisch garantierte Unabhängigkeit der Arbeitsinspektoren bei der Ausübung ihrer Tätigkeit (also ihre Unabhängigkeit von präzisen Weisungen an einem konkreten Punkt bei der Durchführung ihrer Kontrollen) durch das neue Dekret nicht in Frage gestellt werden. Über die umstrittene Aufgabendefinition selbst ist jedoch kein Wort zu lesen: Das Urteil hat ausschließlich die Arbeitsbedingungen der Inspektoren selbst, die durch die neue Aufgabenzuteilung nicht verändert würden, zum Gegenstand. Dabei hatten die protestierenden Arbeitsinspektoren und ihre Gewerkschaften nicht zuvörderst die materiellen Bedingungen ihre eigenen Tätigkeit angeklagt, sondern ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen - und dagegen Widerspruch eingelegt, zur Jagd auf andere Menschen eingespannt zu werden, nur weil diese keine gültigen Aufenthaltspapiere besitzen. 

Am Mittwoch, 14. November fand zudem eine Sitzung des ‚Conseil supérieur de la fonction publique’, des obersten Personalrats aller Staatsbediensteten, in Anwesenheit von Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand statt. Dabei stellte der Minister die Umsetzungsmodalitäten für die Regeln des neuen Dekrets vor. Eine ‚intersyndicale’, also ein übergewerkschaftlicher Ausschuss, bestehend aus sechs beim Arbeitsministerium vertretenen Gewerkschaften (CGT, CFDT, Force Ouvrière, die sich derzeit vom Schulwesen auf den übrigen öffentlichen Dienst ausdehnende Bildungsgewerkschaft FSU, die linke Basisgewerkschaft SUD und die „unabhängig-reformistische“ UNSA) drohte dem amtierenden Minister mit der Anmeldung eines Streiks. Aus anhaltender Opposition gegen die Umsetzung des Regierungsdekrets vom 31. Mai. (Vgl. auch http://www.lejdd.fr)

Dem Vernehmen nach hat der Minister sich daraufhin entschieden, das Problem in zwei Hälften zu teilen: Er zog die Artikel 4 und 5 des Ausführungsdekrets zurück, welche die Arbeitsinspektoren und –kontrolleure (zwei von drei der Korps innerhalb der Arbeitsinspektion) betreffen. Hingegen ließ er einen anderen Artikel der Ausführungsverordnung in Kraft treten, welcher die IAS oder „Inspektoren für soziale und sanitäre Angelegenheit“ betrifft – also die dritte Kategorie von Bediensteten der Arbeitsinspektion. Letztere können also nun demnach weiterhin, wie geplant, dem furchterregenden „Einwanderungs- und Identitäts“-Ministerium unterstellt werden. Den weiteren Fortgang der Ereignisse gilt es unterdessen abzuwarten. 

Die beliebte satirische Puppensendung des französischen Fernsehsenders Canal+, ‚Les Guignols de l’Info’, zeigte in ihrer Ausgabe vom 29. November den „Einwanderungs- und nationale Identitäts-“-minister Brice Hortefeux in grüner Jagduniform und als Animateur einer aus Polizisten bestehenden Jagdgesellschaft. Dabei beklagt sich Hortefeux in der bitterbösen Satire über die Schwierigkeiten bei der Jagd „nach einer schwer zu stellenden Art, dem Malier“: „Neulich hatten wir einen gestellt, obwohl er schnell lief. Und dann stieg er in ein Diplomatenauto. Um die schöne Jagd war es geschehen: Die Diplomaten fallen unter Artenschutz!“ Hoffen wir, dass die Arbeitsinspektoren sich auch künftig der zweifelhaften Freuden einer solchen (Menschen-)Jagd gerne enthalten werden....  

Editorische Anmerkungen

Den Artikel in der vorliegenden Fassung erhielten wir vom Autor am 3.12.2007.