Die Wiederentdeckung
von Sébastien Faure

Maurice Schuhmann für LPA Berlin

12/07

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Im deutschsprachigen Raum ist der Name Sébastien Faure (* 1858 / + 1942) weitgehend unbekannt. Der aus Frankreich stammende libertäre Pädagoge und Publizist, der u.a. einen starken Einfluß auf Emma Goldman und Louise Michel hatte, wurde nun von Jochen Knoblauch in Form einer Wiederveröffentlichung von drei Broschüren Faures wieder in das Bewußtsein zurückgeholt. Die drei veröffentlichten Essays Faures, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts erstmalig ins Deutsche übersetzt wurden, haben trotz des zeitlichen Abstandes ihre Aktualität bewahrt.

Beim ersten Essay handelt sich es um den Text "Die Anarchisten", der sich zeitgeschichtlich in die klassischen Selbstdarstellungen der Bewegung (z.B. Errico Malatesta: Anarchie, Alexander Berkman: ABC des Anarchismus) einreiht. In diesem Text versucht Faure den gängigen und bis heute gebräuchlichen Mißdeutungen des Anarchismus etwas entgegenzusetzen. Anhand der drei Aspekte: "Wer wir sind! Was wir wollen! Und was unser revolutionäres Ideal ist!" präsentiert er ein streckenweise - zeitlich bedingt - sehr pathetisches Bild des Anarchismus, das aber die wesentlichen und bis heute gültigen Grundüberzeugen benennt.

Ein weiterer Essay trägt den Titel "Die Verbrechen Gottes" und ist eine Auseinandersetzung mit dem religiösen Glauben. Basierend auf rationalen Überlegungen widerlegt er den Gottesglauben und propagiert den Atheismus.

Weiter findet sich der Aufsatz "Die anarchistische Synthese" in der Sammlung, der zusätzlich durch den Abdruck einer Kommentierung durch den bekannten italienischen Anarchisten Luigi Fabbri ergänzt wird. In diesem Essay verteidigt Faure die Vielschichtigkeit der anarchistischen Strömungen, die von vielen GenossInnen als eine Schwächung wahrgenommen werden. Auch hier zeigt sich wieder die Aktualität seines Denkens. Statt die Vielschichtigkeit zu akzeptieren und die Heterogenität als Gewinn zu
betrachten, neigen viele AnarchistInnen dazu, die von ihnen präferierte Strömung als einzig Wahre zu sehen und anderen Strömungen ihren emanzipatorischen Gehalt abzusprechen. Für Faure hingegen besteht die Möglichkeit einer Synthese der unterschiedlichen Strömungen, die sich sehr gut in ihrer ausdifferenzierten Schwerpunktsetzung ergänzen und sich gegenseitig befruchten können.

Eingerahmt sind die Texte durch ein knappes Vorwort des Herausgebers und eine Kurzbiographie von Sébastien Faure, die eine erste Verortung des Hintergrundes zulassen. Der Verdienst dieser Veröffentlichung ist, daß ein im deutschsprachigen Raum fast vergessener Autor wiederpubliziert wird. Die Edition seiner Schriften ist behutsam vorgenommen, aber an manchen Stellen noch ergänzungsbedürftig. So fehlen sowohl bei "Die Anarchisten" als auch bei "Die anarchistische Synthese" die Angaben der französischen Erstveröffentlichung. Das sind aber Kleinigkeiten, die sicherlich nur für
eine vornehmlich wissenschaftlich interessierte LeserInnenschaft von Bedeutung sind. Zu wünschen wäre, daß inspiriert von dieser Veröffentlichung weitere Texte von Faure in deutscher Sprache zugänglich gemacht werden.

Sébastien Faure
Die anarchistische Synthese und andere Texte.

Herausgegeben, bearbeitet und mit Annotationen versehen von Jochen Knoblauch

Verlag Edition AV 2007
ISBN: 978-3-936049-85-5,
80 Seiten
Preis: 9,80

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