Eine "fortschrittliche" Ikone demontiert sich :
Ayaan Hirsi Ali


von Bernard Schmid

12/06

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Bestimmte (Ex-)Linke hatten in den letzten Jahren eine Tendenz dazu, alles zu begrüben, was nach Kritik am (tatsächlich kritikwürdigen) politischen Islam und/oder an « dem » Islam überhaupt aussah. Dabei kennen Einige von ihnen kein Halten mehr, was eine Annäherung an offenkundig rechte Strömungen in der Mehrheitsgesellschaft betrifft.  

Nun üben beispielsweise europäische Rassisten, oder zumindest ein Teil von ihnen (während ein anderer Flügel eine Reislamisierung hingegen ausdrücklich begrübt, weil diese nämlich eine « getrennte Entwicklung der Kulturen » erleichtere), selbst eine « Kritik am Islam », in der Absicht, ihren Rassismus dadurch zu tarnen. Manchmal passiert dies auf plumpe Art, wenn etwa Gerhard Frey (der auch unter Ex-Linken der Sorte « antideutsch-neokonservativ » eher Naserümpfen hervor rufen würde) in einem Interview der Regenbogenzeitschraft BUNTE auf die Frage, was er gegen türkische Einwanderer habe, antwortet : « Bei den Türken ist die Frau nicht gleichberechtigt. » Andere tun es auf subtilere Art und Weise, wie etwa  der (2002 getötete) Niederländer Pim Fortuyn, der eine offen rassistische Anti-Einwanderungs-Programmatik mit der Forderung nach Bewahrung liberaler Elemente der niederländischen Gesellschaft verbinden konnte. Das Ganze hielt bei ihm durch die Behauptung, die liberale Festung Europa müsse vor dem rückständigen Islam geschützt werden, zusammen. Gleichzeitig war sein Rassismus offenkundig, wenn er etwa, völlig unahängig von der Frage der Religion, marokkanische Einwanderer pauschal als Diebe bezichtigte.

« Liberale Einwanderungspolitik » ?

Neben offenkundig rassistischen Gestalten wie Oriana Fallaci mit ihre berüchtigten Streit- und Hetzschrift « Die Wut und der Stolz » (2001/02) haben diese ehemaligen Linken aber auch unverdächtiger wirkende Idole für sich entdeckt. Dazu gehört die (in diesem Jahr zunächst durch die rassistische Ministerin Rita Verdonk ausgebürgerte, bevor diese Entscheidung zurückgenommen worden ist) Niederländerin somalischer Herkunft, Ayaan Hirsi Ali. Unter « antideutsch-neokonservativen » Linken erfreute diese sich höchster Beliebtheit, da sie eine scheinbar jeglichen Rassismus unverdächtige Bezugsperson abgab. In einem Beitrag für die « Jungle World » wurde gar behauptet, sie stehe für eine « liberale Einwanderungspolitik » ganz genauso wie für eine scharfe Kritik am Islam. Ein Blick auf die Realität belehrt allerdings eines Schlechteren, wie im Folgenden aufzuzeigen ist.

Nun ist unstreitig, dass Hirsi Ali – wie zahllose andere Frauen – in ihrem Herkunftsland Somalia selbst leidvolle Erfahrungen mit patriarchalischen Familienstrukturen (die über den Islam, aber auch über die Tradition legitimiert werden) machen musste. Insofern muss ihr realer Erfahrungshintergrund berücksichtigt werden, wenn sie etwa ihre Kritik an Einwanderergruppen und deren islamischer Prägung vorbringt.

 Aber seitdem Hirsi Ali jetzt Klartext zu Fragen der Einwanderungspolitik wie zu anderen gesellschaftlichen Streitfragen spricht, nimmt das Bild von ihr auch andere, unschöne Züge hat. Jedenfalls erweist sich die Behauptung, sie stehe angeblich für eine « liberale Einwanderungspolitik », als Legende. Jedenfalls sofern man unter « liberal » nicht das versteht, was man im Französischen (wo politischer und wirtschaftlicher Liberalismus strikt voneinander getrennt sind und mit den Adjektiven « citoyen » und « libéral » bezeichnet worden, und wo das Wörtchen « libéral » ausschlieblich auf die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen bezogen ist) unter diesem Begriff versteht. Nämlich die nackte Verfolgung von Kapitalinteressen. Aber im Sinne des französischen Begriffs von « libéral » war selbst Jean-Marie Le Pen zumindest in der Vergangenheit, jedenfalls in den 1980er Jahren (bevor er der Sozialdemagogie nach 1989 ein stärkeres Gewicht gab), ein « Libéraler ».

In der Tageszeitung <Die Welt> hat Hirsi Ali kürzlich unmissverständlich Position bezogen. Und ihr Text wurde auch -- wie könnte es anders sein, -- auf der Homepagen jener deutschen Ex-Linken dokumentiert, die mit fliegenden Fahnen in den propagandistischen Feldzug für den Irakkrieg gezogen sind, und deren « NGO » finanzielle Unterstützung von der US-Bundesagentur US Aid erhalten hat. (Nämlich hier : http://www.wadinet.de/news/iraq/newsarticle.php?id=2581)

Einwanderung nur für eine Elite

In diesem Artikel spricht Ayaan Hirsi Ali sich heute offen für eine sehr selektive und den Bedürfnissen der « westlichen » Wirtschaft angepasste Einwanderungspolitik aus. Wohl, weil sonst zu viele Unnütze und/oder Böse kommen könnten ? Ihre Konzeption kommt insbesondere in folgender Passage zum Ausdruck, wo sie ausdrücklich ihre Wunschvorstellungen ausführt : « Im besten Fall wird die EU eine Quotenregelung wie die in den USA einführen, die auf wirtschaftlichen Gesichtspunkten basiert. Das gegenwärtige System in Europa ist dazu gemacht, vor allem die anzuziehen, die herzzerreißende Geschichten zu erzählen haben, nicht jedoch jene, die sich der europäischen Gesellschaft anpassen können und wollen. Das wird geändert. Die zweite Dimension dieser Politik, dieser optimistischen Politik, ist ein auf die Nachbarländer Europas und die gescheiterten Staaten gerichteter Interventionsplan. Er wird Entwicklungshilfe, Handel, diplomatischen Druck und, wenn nötig, ein militärisches Eingreifen vorsehen. Das ist in Europa zurzeit tabu. »

Nun : « Herzzerreibende Geschichten » hat Hirsi Ali selbst aufgetischt, als es für sie persönlich darum ging, Asyl in den Niederlanden zu bekommen. Und dabei hatte sie ordentlich gelogen, wie sich später herausstellte und sie selbst zugegeben hat. Es sei ihr ja durchaius gegönnt, dass sie damals aufgenommen worden ist. Aber dann sollte die gute Frau, bitte schön, heute lieber ihre Klappe halten -- und jedenfalls nicht noch andere Leute daran hindern wollen, selbst nach Europa zu kommen. Aber ihrer Auffassung nach ist anscheinend, heute, dieses Recht anscheinend nur für eine Elite wie sie selbst reserviert.

Wirtschaftsliberaler Unfug

Am selben Ort fügt die Autorin dann noch diesen neoliberalen Stuss hinzu (dieselbe Quelle) : « Hoffentlich werden die Politiker der EU, in Übereinstimmung mit den Gewerkschaften, den Wohlfahrtsstaat reformieren; die Regulierungen, die zum Heuern und Feuern beitragen, werden flexibilisiert, so dass es für Migranten leichter wird, in den Arbeitsmarkt zu finden. Um der Integration willen brauchen wir strukturelle Reformen, die harte Arbeit belohnen und der Untätigkeit entgegentreten... »

Ja klar, es ist wissenschaftlich so was von einwandfrei erwiesen, dass zum Beispiel ein Abbau von Kündigungsschutz es Menschen migrantischer Herkunft (und Andere) wirklich ungeheuer erleichtert, reguläre Jobs zu finden. Vielen Dank auch für die Belehrung...

Kein Wunder also, dass die Frau beim American Enterprise Institut rekrutiert worden ist, einem Think Tank, der für die Verbreitung neoliberaler Ideologie zuständig, dessen Stern freilich aufgrund der jüngeren Blamagen der Neocons ein bisschen gesunken ist. Dort mag sie ruhig bleiben. Aber sich progressiv wähnende Kreise sollten damit aufhören, sie als pseudo-fortschrittliche Ikone auf dem Jahrmarkt der Idole anzupreisen.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns vom Autor am 2.12.2006 zur Verfügung gestellt.