Brigitte Pick
Kopfschüsse
Wer PISA nicht versteht,
muss mit RÜTLI rechnen

12/06

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In der Juniausgabe veröffentlichten wir ein Interview mit der ehemaligen Schulleiterin Brigitte Pick über die Vorkommnisse an der Rütli-Schule, wo nach ihrem Weggang ein unfähiges Kollegium auf den alltäglichen und strukturellen Rassismus setzte, um auf Kosten der Schüler ihren beruflichen Interessen Geltung zu verschaffen. Nun hat Brigitte Pick begonnen, ihre Erfahrungen als Lehrerin und Schulleiterin aufzuschreiben und daraus ein Buch zu machen, welches Anfang des nächsten Jahres beim VSA-Verlag erscheinen wird.

Wir verbreiten hier die  Verlagsankündigung, weil wir an dem Erscheinen jenes Buches außerordentlich interessiert sind. Schließlich werden soziale Konflikte immer stärker ethnisiert, was sich sozusagen durch die Wiedereinführung des Deutschen Grußes ("Hier spricht man deutsch") auf deutschen Schulhöfen seinen profanen Ausdruck findet. Und wir erwarten, dass Brigitte Pick dieser Ethisierung des Sozialen mit ihrem Buch entschieden entgegen tritt.

VSA schreibt:

Die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln geriet im März 2006 bundesweit in die Schlagzeilen, nachdem Lehrer in einem Brandbrief an die Schulverwaltung angeblich die Auflösung der Schule verlangten, weil sie anders der Gewalt durch die Schüler nicht mehr standhalten könnten. Seit Mitte Oktober 2006 nun hat die Schule einen neuen Rektor. Aleksander Dzembritzki tritt in die Fußstapfen des Interim-Direktors Helmut Hochschild, der mit seinen Schülern und dem Ensemble Young American die Schule aus den negativen Schlagzeilen tanzte. Die Vor-Vorgängerin der beiden, die bis 2005 amtierende Schulleiterin Brigitte Pick, gibt selbstkritisch zu bedenken: "Ein Schulleiter leitet genauso wenig eine Schule, wie ein Korinthenkacker Korinthen kackt."

Ohne den sonst typischen Anflug spöttischer Distanz zur eigenen Vergangenheit, den viele aus ihrer Generation kultiviert haben, wenn es um die alten Ideale geht, betont die bekennende 68erin: "Ich versuchte zu verbessern, zu ändern und im Elend zu helfen so gut es in meinen Kräften stand. Nach 36 Jahren in der Schule, in denen auch ich nicht in Naivität verblieb, weiß ich nunmehr, dass sich nichts ändert, weil sich nichts ändern soll."

So beleuchtet sie nicht nur den Notruf aus Neukölln im März 2006, der die Krawall-Schule bundesweit bekannt werden ließ, sie analysiert auch kritisch die dadurch ausgelöste innenpolitische Debatte über das Schulsystem in Deutschland, die immer wieder ausbrechende Gewalt an Schulen und die Integration von Immigrantenkindern.

"Ich will zeigen, wie ich die Schule überlebte, will versuchen, den Zusammenhang zwischen Persönlichem und Institutionellem zu beschreiben. Vor allem aber geht es mir darum, den Jugendlichen, die in der veröffentlichten Meinung mehr oder weniger pauschal als gewalttätig, bildungsunfähig, aggressiv, fundamentalistisch, chaotisch beschrieben und angesehen werden, ein Gesicht zu geben."

In einfühlsamen Schilderungen von Schülern, die zu Leistungsverweigerern und von Lehrern, die zu Partisanen werden, verweist sie auf die Brennpunkte mitten in unserer Gesellschaft: "Die Geschichten aus der Rütli-Schule wiederholen sich in den Schulen dieser Republik." Sie bietet damit einen ungewöhnlichen Beitrag zur Bildungsdebatte für LehrerInnen, Eltern und alle an einer fortschrittlichen Pädagogik Interessierten, die noch nicht resignieren wollen.

Aus dem Inhalt

EINSTIEG - DAS JAHR 1969
"Ich bin Oehmke!"
Drei kleine Stadtindianer in der U-Bahn gefasst
Lehrer Schwängel und der Rohrstock
Die rote Fahne ist aus Arbeiterblut

DREI GLIEDER – EINE AMPUTATION
Eine Treppe nur für Lehrer
Leerer werden
Bescheidwissen
Hoyfick schlecht – Kompetenz und Professionalität
Im Auge des Zyklons
Flagge zeigen
Kommunikation und Kooperation

FREMDE
Mit der Mafia verhandeln?
"Ich bin gestürzt"
Ömer im Keller
Ölköpfe
Ranja in Trance
Ayses Kopftuch
Wenn das die Mutter wüsste
"Die Araben kommen!"
Nur weg aus Potsdam!
Kein Plan – nirgends

VAGABUNDEN
Mandy kommt nicht zur Schule – Keinen interessiert das
Heimarbeit
Dirks Pech
Bahnhöfe
Eigentlich bin ich ein guter Junge

KNALLHART
41-jährige wird angeschossen
Ein Überfall
Anja überfällt Taxifahrer
Mario findet eine Mutter
Heinos Zimmer
Armut
Abgestürzt
Kinder, Kinder..
Normal sein
Straßenkampf
Der Staatsanwalt hat das Wort

TANZ UND T-SHIRTS
Der Rütli-Schwur 2006
Es kreißt der Berg und gebiert eine Maus
Kein Eintritt
Schluss

VOR ORT
Der Reuterkiez
Der Jugendclub in der Rütlistraße
Die Rütli-Schule, eine Lebensgemeinschaftsschule
Die Rütli-Schule von 1945-1983
Die Rütli-Schule von 1983-2005
Der vergessene Widerstand der Neuköllner Rütli-Schüler und Lehrer

 

Brigitte Pick
Kopfschüsse
Wer PISA nicht versteht, muss mit RÜTLI rechnen
22 Jahre Schulleiterin in Berlin-Neukölln
200 Seiten   (Januar/Februar 2007)
EUR 14.80   sFr 26.60
ISBN 3-89965-222-3