WASG-Bundesparteitag
Pyrrhussieg in Eringerfeld

von Sebastian Gerhardt
12/06

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In seinem Geschäftsbericht traf Klaus Ernst die Stimmung der Delegierten auf dem WASG-Parteitag am 18./19.November in Geseke-Eringerfeld: Es gehe darum, mit der neuen Linkspartei etwas wirklich Neues zu schaffen — etwas Neues im Westen.

Ebenso wie Thomas Händel betonte er die projektierte Ost-West-Quotierung als den entscheidenden Punkt des ausgehandelten Satzungsentwurfs. Und wer den Westen repräsentieren würde, schien den Delegierten klar. Zu ihrer gefühlten Stärke trug bei, dass der Kollege Ernst einen Beschluss des IG-Metall-Vorstands verkünden konnte, wonach die Gewerkschaft im Januar zu Protesten gegen die Rente mit 67 aufrufen will. Seit an Seit mit der Organisation der deutschen Facharbeiter, so wollten sich viele schon lange einmal sehen.

Zu diesem Zeitpunkt — Sonnabendmittag — hatte der Bundesvorstand bereits eine entscheidende Abstimmung nach sehr kurzer Debatte gewonnen. Noch vor Bestätigung der Tagesordnung wurde ein Antrag angenommen, mit dem die Trennung von Amt und Mandat auf den St.Nimmerleinstag, sprich: auf die neue Partei vertagt wurde.

Lautstarke Kritik gegen die Fortsetzung der SPD-PDS-Koalition in Berlin wurde in der Generaldebatte regelmäßig durch die Bemerkung ergänzt, man wolle an der Berliner Aufhebung des Ladenschlusses aber nicht das Projekt scheitern lassen. Ungeachtet aller Widersprüche stellte sich die Mehrheit auf den Standpunkt, dass die Parteifusion vielleicht nicht alles sei — aber ohne sie sei alles nichts. Selbst die Formulierung von eher vorsichtigen Bedingungen an die neue Partei, wie sie der Aufruf "Für eine attraktive Linke" versuchte, sah diese Mehrheit als Gefährdung der linken Einheit und damit der eigenen Ziele.
Anders als in Ludwigshafen war ein Eingreifen von Oskar Lafontaine zur Verteidigung des Bundesvorstands überflüssig. "Oskar und Gregor" konnten sich auf allgemeine Erläuterungen beschränken, die auch unter erklärten Linken vielfach auf Zustimmung stießen. Ganz selbstverständlich kündigte Oskar dabei an, er wolle 2008 im Saarland die Regierung bilden. Mancher Delegierte stutzte bei diesem Satz, die Mehrheit applaudierte ungestört.
Potenzielle Störfaktoren wurden klug entschärft. Eine verbal kritische Resolution zur Berliner Regierungspolitik stand vor der Beratung notwendiger Satzungsänderungen zur Fusionsvorbereitung. Noch vor der Diskussion des Leitantrags begann der Sonntag mit den Wahlen zum Bundesvorstand, die den alten geschäftsführenden Bundesvorstand komplett bestätigten. In den folgenden Auszählungspausen entschied sich der Parteitag für einige Verbesserungen des Leitantrags. Gleichzeitig gelang es im zweiten Wahlgang nur gerade so, mit Thies Gleiss und Lucy Redler zwei Vertreter einer fusionskritischen Sicht in den Parteivorstand zu bringen. Rainer Spilker scheiterte knapp. Gerade ihm war die Solidarität mit anderen Linken heftig vorgeworfen worden.

Nach diesem Parteitag ist klar, dass das Projekt einer Parteifusion zweier Regionalparteien — der WASG-West und der LPDS-Ost — nur noch an den eigenen inneren Widersprüchen scheitern kann. Zwar werden die expliziten Kritiker der Fusion in Westdeutschland trotz ihrer Bedenken vielfach in die neue Partei eintreten. Doch unter den Mitgliedern werden viele diesen Schritt nicht nachvollziehen. Und in Ostdeutschland ist die Chance eines linken Neuanfangs von unten zugunsten des Linsengerichts einer gestärkten LPDS gänzlich vertan.
Schon bald werden viele Pragmatiker merken, dass ihren schlauen Kompromissen in der Frage der Trennung von Amt und Mandat ganz unrealistische Vorstellungen über die Kontrollierbarkeit des Parteiapparats zugrunde lagen. Schon heute verselbstständigt sich die Führung der kleinen WASG offen: Einen Parteitagsbeschluss über die Übernahme der Fahrtkosten zum Parteitag für ALG-II-Empfänger werden sie nicht umsetzen, erklärten Klaus Ernst und Thomas Händel unumwunden. Es sei kein Geld dafür da.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde bei der Sozialistischen Zeitung (http://www.vsp-vernetzt.de/soz-0612/0612062.htm) gespiegelt.

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