Unheilige Allianzen
Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus 

von Hans-Peter Killguss
12/05

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Neonazistischer Black Metal hat sich zu einem der musikalischen Trends innerhalb des Spektrums entwickelt. Der V7-Versand aus Grevesmühlen, der zu den größten deutschen RechtsRock-Versänden zählt, bietet in seinem Sortiment nicht nur Produkte neonazistischer Skinhead-Bands an, sondern ebenso Gruppen wie Absurd, Totenburg und Pantheon, die allesamt aus dem Bereich Black Metal stammen. Inhaltlicher Schnittpunkt von Glatzköpfen und Langhaarigen ist der Bezug auf das neogermanische Heidentum.

Auf Worte folgen Taten - Black Metal entsteht

«Black is the night, metal we fight, Power amps set to explode. Energy screams, magic and dreams, Satan records the first note», sang 1982 Cronos von der Band Venom im Titeltrack des gleichnamigen Albums «Black Metal». Mit dem Titel verhalfen die Briten jenen Bands, die zu Heavy-Metal-Musik über Teufelsanbetung, Blasphemie und Dämonen sangen, zu einer eigenen Genrebezeichnung. Venom wollte allerdings mit einem satanistischen Auftreten vor allem schockieren und die Öffentlichkeit provozieren.

Mit der Renaissance des Black Metal in Skandinavien wurde aus spielerischem Spaß blutiger Ernst. Die Protagonisten dieser ,zweiten Generation inszenierten sich als absoluten Gegenpol zu einer christlich-humanistischen Gesellschaft. Offen lehnten sie deren Wertekanon ab und lobten all das, was als ,evil (böse) galt. Das ,Gute - nach christlicher Definition vor allem die Ideale der Nächstenliebe, der Gnade und der Vergebung - wurden abgelehnt.

Die 1992 veröffentlichte Platte «A blaze in the northern sky» der aus Norwegen stammenden Gruppe Darkthrone läutete auch musikalisch die neue ära des Black Metal ein. Verzerrte Gitarren, infernalisches Kreischen und der Wechsel von rasend schnellen mit schleppenden Rhythmen; der brachiale Krach und ein rauer Sound prägten fortan den Stil. Die Mitglieder von Darkthrone zeigten sich auf Fotos ganz in schwarz gekleidet und mit geschminkten Gesichtern, dem so genannten Corpse Paint. Das Gesicht wird mit der Farbe weiß abgedeckt und die Partien um die Augen und die Mundwinkel werden schwarz nachgezeichnet, um den morbiden Ausdruck zu unterstützen.

Gemeinsame Bezugsperson der Musiker, die sich zu Beginn der 1990er-Jahre dem Black Metal verpflichtet fühlten, war Euronymous (Oystein Aarseth), Kopf der Band Mayhem. Sein im Sommer 1991 in Oslo eröffneter Plattenladen «Helvete», zu deutsch Hölle, wurde zum Treffpunkt der sich entwickelnden Szene. Der Kreis derer, die sich dort zusammenfanden, wurde später als der «Svarte Sirkel» bekannt. Für die Fans war diese ,selbsternannte Führungsriege der Black-Metal-Szene authentisch, da sie im Kampf gegen das Christentum den Worten Taten folgen ließen. Etliche Protagonisten der Szene standen später vor Gericht. Die Anklagen reichten von Brandstiftung, Friedhofsschändung, unerlaubtem Besitz von Sprengstoff bis hin zu Vergewaltigung und Mord. 1993 führte der Mord an Euronymous durch seinen ehemaligen Weggefährten Varg Vikernes von der Band Burzum zu einem großen Medienecho. Vikernes wurde dafür zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Black Metal galt fortan als die ,unheilvollste Musikform der Geschichte.

Trotzdem gehören Bands wie Dimmu Borgir aus Norwegen inzwischen zu den großen Stars. Ihre Platten verkaufen sich hunderttausendfach.

Zusammen mit den Briten von Cradle Of Filth werden sie zum Black- Metal-,Mainstream gezählt. Auf der anderen Seite hat sich ein reger Underground entwickelt, der für sich reklamiert, ,true (echt) und nicht ,kommerziell zu sein. Im Verständnis der Bands und Fans bedeutet das, sich zu 100 Prozent mit der Musik identifizieren und die propagierten Einstellungen verinnerlicht zu haben. Über die vom Black Metal transportierten Inhalte gibt es jedoch kein konsensuelles Verständnis. Während einige Bands sich weiterhin ein satanistisches Image mit nihilistisch und pessimistisch geprägten Texten geben, orientieren sich andere eher an nordisch-heidnischen Themen.
Wiederkehr der Vergangenheit

Bis heute gilt in der Metal-Szene Bathorys Wikinger-Triologie, die 1988 mit der LP «Blood, Fire, Death» eröffnet wurde, als Adaption dessen, was die vorwiegend jungen männlichen Hörer mit dem Heidentum, dem alten Glauben der Germanen und der Wikinger, verbinden. Die Texte handelten von den alten Göttern, wilden Schlachten und der grausamen Natur.

Heutzutage ist die Verwendung religiöser Symbole nahezu obligatorisch, allgegenwärtig vor allem in Gestalt des Thorhammers. Unter Black-Metal-Fans ist er als schmuckes Accessoire weit verbreitet ebenso wie Runen und verschiedene Formen von Sonnenrädern. Das Heidentum gilt vielen als Symbol für vergessene Werte und Traditionen. Werte wie Mut, Würde und Ehre seien bei der Missionierung durch die ,negativen christlichen Ideale der Nächstenliebe, der Vergebung und des Mitleids ersetzt worden. Etliche Lieder von Bands wie Enslaved aus Norwegen stellen mit ihrer Hommage an die Schlachten der ,Altvorderen den stolzen und tapferen Kämpfer in den Vordergrund.

Dem Christentum, das als dem Nordmann wesensfremd» gilt, wird das Idealbild einer ursprünglichen und homogenen Gemeinschaft entgegengesetzt, die jenseits historischer Wirklichkeit zur Bestimmung des eigenen Daseins dient. Entfremdungserfahrungen in der modernen westlichen Gesellschaft sucht man durch die Suche nach den eigenen Wurzeln und den Rückgriff auf die Vergangenheit zu überwinden. Die Identifikation mit dem kollektiven Wir verläuft über den Boden und die Blutslinie.

Affinitäten nach rechts?

Die meisten heidnischen Bands weisen Vorwürfe, extrem rechte Positionen zu vertreten, weit von sich. Trotzdem verstehen sich viele Musiker selbst als Patrioten oder als Nationalisten. Deutliche Überschneidungen mit der Rezeption heidnisch-germanische Mythen durch die extreme Rechte finden sich dort, wo diese als Ausdruck unveränderlicher, zeitloser und geistig-seelischer Grundzüge des eigenen Volkes verstanden werden. Die von etlichen Akteuren der heidnischen Black-Metal-Szene vorgenommene Naturalisierung politischer Strukturen und die daraus abgeleitete Verklärung von Gesellschaft zur Schicksals- und Kampfgemeinschaft, das hierarchisch-autoritäre Ordnungsdenken, ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken und ein kulturelles Überlegenheitsgefühl schaffen Affinitäten nach rechts. Reflektiert werden diese nur selten.
Religion als Artglaube

Die Mehrheit der Black-Metal-Bands kann keineswegs als explizit rechts bezeichnet werden. Trotzdem hat sich innerhalb der Szene inzwischen ein neonazistischer Flügel herausgebildet. Diese Bands lassen keine Missverständnisse aufkommen. Sie singen unverhohlen vom Heidentum als Artglaube. Die Religion ist für sie genuiner Ausdruck der Natur des ,arischen Mannes. Neben dem Blut beziehen sie sich auf ein gemeinsames kollektives Unterbewusstsein, das die Menschen eines ,Volkes angeblich verbinde. Der Nationalsozialismus gilt dabei, wie es Capricornus, ehemaliges Mitglied der bekannteste neonazistischen Black-Metal-Band Graveland aus Polen, ausdrückt, als eine «politische Manifestation des Heidentums und somit Naturgesetz.»

Auf diesen angeblich ,natürlichen» Grundlagen basiert ein völkisch definierter Sozialdarwinismus, mit dem die Vorstellungen von einer ,nordischen Rasse, die sich gegenüber anderen behaupten und das Recht des Stärkeren durchsetzen müsse, legitim erscheinen. Das ,rassisch determinierte Heidentum wird als Substrat des Seins betrachtet - und damit als letzte Gewissheit. Das Christentum wird, ähnlich wie im nicht-nazistischen Black Metal, als ein ,den Europäern, auferzwungener und ,artfremder Glaube empfunden.

Als größter Feind erscheint jedoch ,das Judentum. Antisemitische Verschwörungstheorien, nach denen die Juden mit Hilfe des Juden- und des Christentums, die ,germanischen Völker versklavt hätten, tauchen immer wieder in den Songs auf - oftmals ergänzt durch einen aggressiven Rassismus.

Schließlich zeigt sich der neonazistische Black Metal von der okkulten Mystik des Nationalsozialismus und insbesondere von der Germanentümelei der SS angesprochen. Trotz dieser Bezüge gibt es kein einheitliches rechtes heidnisches Programm. Das Heidentum bildet jedoch den Kontext für das politische Bekenntnis im neonazistischen Black Metal.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien  in den antifaschistischen Nachrichten  25 / 2005
Wir spiegelten von
http://www.antifaschistische-nachrichten.de/2005/25/1allianzen.shtml


Vom Autor ist zusammen mit Christian Dornbusch vor kurzem erschienen:

Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus. 350 S., mehr als 80 Abb. rat - reihe antifaschistischer texte / UNRAST-Verlag, 2005. Kartoniert / Broschiert ISBN3-89771-817-0 18,- Euro