Österreich
Bilanz der Schülerbewegung für freien Bildungszugang

Stand:
Montag, 28. November 2005  
12/05

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Nach dem gemeinsamen Aktionstag von Lehrlingen, SchülerInnen und StudentInnen, den die Gewerkschaftsjugend, die ÖH, die SJ und die AKS am 18. November organisierten, wollen wir eine Bilanz über die bisherige Jugendprotestbewegung für freien Bildungszugang und gegen Jugendarbeitslosigkeit ziehen.

Die Demo am 18. November kam nicht aus heiterem Himmel, sondern ist der vorläufige Höhepunkt nach wochenlangen politischen Aktivitäten an unzähligen Schulen im ganzen Land.

Bereits im Sommer hatte sich in Wien eine Aktionseinheit zur Organisierung von Protestmaßnahmen gegen die Zugangsbeschränkungen gebildet. In diesem Bündnis gab es jedoch von Anfang zwei unterschiedliche Ansätze, wie die Bewegung aufgebaut werden sollte. Die SJ Wien, die GPA-Jugend, die AKS und die ÖH Uni Wien wollten, dass die Organisationen, die bei dem Bündnis mitmachen, einfach einen Termin festsetzen, zu dem die SchülerInnen und StudentInnen zu einer Demo oder einem Streik aufrufen werden. Inhalte und Charakter der Bewegung sollten von den am Bündnis teilhabenden Organisationen bestimmt werden. Die UnterstützerInnen des „Funke“ vertraten in dieser Frage hingegen den Standpunkt, dass die Bewegung von unten aufgebaut werden muss. Die Betroffenen sollen sich selbst organisieren und selbst bestimmen, wie der Kampf geführt wird.

In der Zwischenzeit startete „Der Funke“ mit Schulbeginn in mehreren Bundesländern eine breite Kampagne gegen die von der Regierung in den Sommerferien beschlossenen Zugangsbeschränkungen an den Universitäten.

Welche Methoden?

In Vorarlberg, Innsbruck, Linz, Wels und in Wien riefen wir zur Gründung von „Aktionskomitees“ auf, die den Widerstand gegen diesen massiven Angriff auf unser Recht auf Bildung organisieren sollten. Während sich ÖH, AKS & Co. von Anfang an pessimistisch zeigten und sich auf symbolische Proteste beschränken wollten, versuchten wir eine Perspektive zu entwickeln, wie wir die Regierung zur Rücknahme der Zugangbeschränkungen zwingen können. Uns war klar, dass wir diesen schweren Angriff auf unser Recht auf Bildung nur dann zurückschlagen können, wenn es gelingt permanent Druck in den Schulen und über die Straße zu erzeugen bzw. die Bewegung auf andere von der kapitalfreundlichen Politik der Regierung betroffene Schichten auszuweiten. Ein paar Medienaktionen oder sogar ein einmaliger Streik wären dazu zu wenig. Die Regierung muss von der Straße wirklich Druck verspüren, sie muss sehen, dass es an den Schulen und Unis eine Bewegung gibt, die imstande ist, in der Bevölkerung die nötige Unterstützung und Solidarität zu erhalten. Dazu reicht es aber nicht aus, dass ein paar Tausend SchülerInnen und Studierenden einen Tag lang dem Unterricht fern bleiben und demonstrieren gehen. Wenn sich unser Protest dabei erschöpft und am Tag nach dem Streik wieder alle brav in die Schule gehen, dann wird die Regierung diesen Protest locker wegstecken.
Unsere generelle Orientierung war es eine gemeinsame Bewegung von Lehrlingen, SchülerInnen und StudentInnen aufzubauen. Die Proteste gegen Bildungsabbau sollten mit denen gegen Jugendarbeitslosigkeit verbunden werden. Außerdem braucht es eine dauerhafte Organisierung und Mobilisierung. Aktionskomitees sind unserer Ansicht nach die beste Methode eine breite Bewegung aufzubauen, weil sie darauf abzielen, dass sich die Jugendlichen zusammenschließen und aktiv werden.

Anstelle der auch bei den linken Schüler- und Studierendenorganisationen üblichen Stellvertreterpolitik sind die Aktionskomitees der Versuch möglichst großen Teilen der SchülerInnen die Möglichkeit zur Selbstorganisation zu geben. Im Komitee können sich die SchülerInnen selbst organisieren und selbst entscheiden, wie sie kämpfen wollen.

Die Arbeit der Aktionskomitees

Obwohl das Thema Zugangsbeschränkungen keine sehr prominente Stellung in der veröffentlichten Meinung hatte, gelang es durch systematische Arbeit an den Schulen eine Reihe von Aktionskomitee für freien Bildungszugang aufzubauen. An dieser Stelle wollen wir noch einmal unsere Vorstellung von den Aktionskomitees darlegen:

Das Aktionskomitee ist nichts anderes als der Zusammenschluss all jener SchülerInnen an einer Schule, die zu einer Frage - in diesem Fall gegen Bildungsabbau - aktiv werden wollen. Es sollen alle SchülerInnen mitmachen können, die für dieses konkrete Ziel aktiv werden wollen. Dabei ist völlig zweitrangig, ob die im Komitee aktiven SchülerInnen zu anderen politischen Fragen unterschiedlicher Meinung sind oder nicht. Es ist egal, welche Weltanschauungen und politischen Ideen man sonst vertritt. Die Aktionskomitees sind auch keine Konkurrenz zur offiziellen SchülerInnenvertretung bzw. zu bereits bestehenden politischen Jugendorganisationen. Sie sind eben nicht mehr und nicht weniger als eine Aktionseinheit aller SchülerInnen, die aktiven Widerstand organisieren wollen.
Es geht in den Aktionskomitees also ganz einfach darum, den Protest gegen Bildungsabbau zu organisieren. Dabei ist das Komitee der Ort, wo man gemeinsam diskutieren kann, sich gegenseitig informiert, Meinungen austauscht, Ideen sammelt und gemeinsam Aktionen plant.

Das Komitee ist somit viel geeigneter als die offiziellen Strukturen der im Schulunterrichtsgesetz vorgesehenen SchülerInnenvertretung möglichst viele SchülerInnen gegen Bildungsabbau zu organisieren. Statt der üblichen Stellvertreterpolitik sind sie der Versuch möglichst großen Teilen der SchülerInnen, beginnend mit den bewussteren Teilen, die Möglichkeit auf Selbstorganisation zu geben. Im Komitee können sich die SchülerInnen selbst organisieren und selbst entscheiden, wie sie kämpfen wollen.
Alle politischen Organisationen und Strömungen haben natürlich das Recht, in den Komitees ihre Meinungen und Konzepte zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Die Entscheidungen über den weiteren Verlauf und Charakter der Bewegung soll jedoch nach einem demokratischen Diskussionsprozess durch die in den Komitees organisierten AktivistInnen getroffen werden.

Wie der Begriff schon andeutet, geht es darum AKTIONEN zu setzen. Das beinhaltet eine Reihe von Aufgaben:

Die SchülerInnen, die im Komitee aktiv sind, sollten zu aller erst versuchen, ihre MitschülerInnen zu informieren. Da das Thema in den Medien nur sehr wenig präsent war, galt es einmal Informations- und Aufklärungsarbeit zu leisten, weil viele SchülerInnen gar nicht oder nur mangelhaft bescheid wussten über die Einführung der Zugangsbeschränkungen und welche Verschlechterungen die Regierung noch plant. Dabei gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die anderen zu informieren:

• Flugblätter
• Plakate in den Klassenzimmern
• Aushang am „Schwarzen Brett“
• Diskussion bei einer eigenen Klassensprechersitzung
• Kurze Referate in allen Klassen
• Diskussionen im Unterricht
• Schulveranstaltung mit StudentInnen über die Lage an den Unis
• Kleine Aktionen an der Schule (Absperren von Schultoren oder Stiegen,…)
• Delegationen des Komitees zu anderen Schulen schicken
• Straßentheater

Der Kreativität seien keine Grenzen gesetzt! Je informierter die anderen SchülerInnen sind desto eher werden sie auch bereit sein, selbst aktiv zu werden und sich an Protestmaßnahmen beteiligen.

Damit eine Protestbewegung der SchülerInnen erfolgreich sein kann, muss es ihr gelingen, die Unterstützung anderer sozialer Gruppen zu gewinnen. Unser erster Ansprechpartner sind unsere LehrerInnen. Wenn wir unter den LehrerInnen Verständnis für unseren Protest gewinnen, dann wird es im Falle von Streiks und Demos auch keine Repression gegen die AktivistInnen geben. Außerdem sind die LehrerInnen selbst auch von den Einsparungen und Kürzungen im Bildungsbereich direkt betroffen. Ein gemeinsamer Kampf von SchülerInnen und LehrerInnen ist daher absolut sinnvoll und notwendig.

Indem wir an der Schule Transparente gegen Bildungsabbau anbringen oder durch öffentliche Aktionen, können wir auch andere Menschen informieren und für unsere Anliegen sensibilisieren. Wenn unsere Bewegung stark genug ist, dann sollten wir auch gezielt mit Betriebsräten und den Gewerkschaften Kontakt knüpfen und versuchen sie für eine Unterstützung unseres Kampfes zu gewinnen. Die SchülerInnen von heute sind die ArbeitnehmerInnen von morgen, unsere Eltern, die für unsere Bildung immer mehr Geld zahlen müssen, sind als ArbeiternehmerInnen ebenfalls vom Sozialabbau betroffen. Wir haben ein Interesse an einem gemeinsamen Kampf aller Betroffenen gegen Sozial- und Bildungsabbau.

Vernetzung der Aktionskomitees

Diese Bewegung brachte insofern eine neue Qualität, weil es gelang, die einzelnen Aktionskomitees miteinander zu vernetzen und den weiteren Verlauf der Bewegung demokratisch zu organisieren. Am 7. Oktober fanden in Dornbirn, Linz und Wien Aktionskonferenzen statt, wo auf demokratischer Grundlage die Arbeit der Aktionskomitees diskutiert und ein Schulstreik am 19. Oktober beschlossen wurde.

Diese Konferenzen sollten Foren sein, wo alle SchülerInnen, die gegen Bildungsabbau aktiv werden wollen oder es bereits sind, miteinander diskutieren können. Damit sollten die bereits bestehenden Aktionskomitees an Schulen vernetzt werden und die Bewegung auf neue Schulen ausgeweitet werden. In einer demokratischen Diskussion sollen das Programm der Bewegung und die weiteren Aktionen und Protestmaßnahmen diskutiert und abgestimmt werden.

Die Aktionskonferenz steht insofern allen offen, die die Protestbewegung aktiv mittragen wollen. Alle politischen Organisationen und Strömungen haben natürlich das Recht auf der Konferenz ihre Ideen zur Diskussion zu stellen, Anträge und Resolutionen einzubringen und zur Abstimmung zu bringen. Die Beschlüsse werden aber nach einer demokratischen Debatte von allen TeilnehmerInnen getroffen. Diese Form der Demokratie und Selbstorganisation ist die Grundlage für eine echte Aktionseinheit und gibt unserer Bewegung erst die notwendige Stärke, die es braucht um sich auszuweiten und noch mehr Druck zu erzeugen.

Alle TeilnehmerInnen an dieser Konferenz sollen mitentscheiden können, wie es weiter geht, welche Inhalte die Bewegung vertreten soll.

Auf den Konferenzen wurde auch ein Sprecherrat gewählt. Diese Sprecherräte sollten für die Umsetzung der Beschlüsse der Aktionskonferenz verantwortlich sein und sich aus SchülerInnen zusammensetzen, die in den Komitees aktiv sind und das Vertrauen ihrer MitschülerInnen haben. Dieser Sprecherrat organisiert die weiteren Protestmaßnahmen und vertritt die Bewegung nach außen. Alle, die sich aktiv an dieser Bewegung beteiligen, können sich für den Sprecherrat auch aufstellen lassen. Es muss aber sichergestellt werden, dass der gewählte Streikrat den anderen AktivistInnen jederzeit rechenschaftspflichtig ist und auch wieder abgewählt werden kann, wenn die Mehrheit mit seiner Arbeit unzufrieden ist.

Der Weg zum 19. Oktober

Die Aktionskonferenzen am 7. Oktober hatten eine Resolution verabschiedet, die sich für einen österreichweiten SchülerInnenstreik am 19. Oktober aussprach. Der 19. Oktober war eigentlich ein Terminvorschlag für einen Aktionstag, auf den man sich ursprünglich in dem gemeinsamen Bündnis geeinigt hatte. Von Woche zu Woche zeichnete sich jedoch immer mehr ab, dass die ÖH überhaupt kein Interesse an diesem Bündnis hatte und auch SJ, AKS, GPA-Jugend (und in ihrem Schlepptau die „Linkswende“) am 19. Oktober nicht mobilisieren wollten. Mit recht fadenscheinigen Argumenten kündigten die VertreterInnen dieser Organisationen dann auch das Bündnis auf. Sie lehnten den Aufbau einer selbstorganisierten Bewegung dezidiert ab und gingen dabei soweit, dass sie lieber gar keinen Streik wollten als einen, bei dem die Aktionskomitees mitreden und mitorganisieren.

Als Exitstrategie benutzten sie die Ankündigung der Gewerkschaftsjugend, am 18. November einen Aktionstag abhalten zu wollen. Eigentlich hätten diese Lehrlingsproteste bereits Anfang oder Mitte Oktober stattfinden sollen. Vor den Wiener Landtagswahlen sollte eine derartige Mobilisierung in den Betrieben aber nicht stattfinden und wurde deshalb nach hinten verschoben. Wir waren übrigens die ersten, die in dem Bündnis überhaupt die Idee ins Spiel brachten, man müsse den Kampf der Lehrlinge mit jenen für den freien Bildungszugang verbinden. Plötzlich wurde aber alles in die Richtung verdreht, dass wir die Bewegung spalten, wenn wir für den 19. Oktober, dem ursprünglichen Termin, zu einem Streik aufrufen. Tatsache bleibt aber, dass ÖH, AKS & Co. die Bewegung gespalten haben.

Somit blieben die Aktionskomitees alleine. Angesichts der kämpferischen Stimmung an den Schulen sollte am 19. Oktober trotz aller politischen Hindernisse der Streik stattfinden. Dabei war klar, dass die Mobilisierung aufgrund der Haltung der traditionellen linken Jugendorganisationen und der gesetzlichen Schüler- und Studierendenvertretungen weiter unter den Möglichkeiten bleiben würde.

Vor diesem Hintergrund ist auch der Schulstreik am 19. Oktober zu bilanzieren.

War der 19. Oktober ein Erfolg?

Am 19. Oktober fanden in Wien, Linz, Wels und Dornbirn Schulstreiks für freien Bildungszugang statt. Dieser Streiktag war ein erster wichtiger Schritt zum Aufbau einer breiten Jugendbewegung gegen die Bildungspolitik der Regierung. In Wien nahmen 1500 SchülerInnen an der Demonstration teil. In Linz waren es mehr als 2000 SchülerInnen aus Linz und Wels. In Dornbirn demonstrierten noch einmal 1000 SchülerInnen.

Die Stimmung auf den Demos war sehr kämpferisch. Der Streik war ein starkes politisches Zeichen. Es zeigte sich an diesem Tag, dass das Potential für eine große SchülerInnenbewegung zur Verteidigung unseres Rechts auf Bildung besteht. Die Aktionskomitees haben eine ausgezeichnete Arbeit bei der Politisierung ihrer KollegInnen an den Schulen geleistet. Wo es Komitees gab, funktionierte fast ausnahmslos und oft gegen massive Einschüchterungsversuche durch DirektorInnen die Mobilisierung. Durch die unermüdlichen Verteil- und Plakatieraktionen gelang es am 19. Oktober sogar an zusätzlichen Schulen zu mobilisieren.

Unter diesen Bedingungen war es allerdings leider nicht möglich, einen flächendeckenden Schulstreik mit mehreren Tausend SchülerInnen auf die Beine zu stellen.

Hindernisse

Was am 19. Oktober aber tatsächlich möglich gewesen wäre, zeigten die Streiks in Linz und Dornbirn. In Vorarlberg unterstützte die Sozialistische Jugend aktiv die Aktionskomitees und den Streik. SJlerInnen bildeten auch das Rückgrad dieser Bewegung. Hier gelang es auch bis in die SPÖ-Spitze Unterstützung für die Bewegung zu bekommen. Die LSV und die AKS versuchten nur kurz einmal die Bewegung zu sabotieren, was aber nicht gelang. In Linz waren SJ und AKS zumindest bereit den Streik formal zu unterstützen und mitzuorganisieren. In beiden Fällen wurde das Potential auch viel besser ausgeschöpft als dies in Wien der Fall war.

In Wien, wo sich die Bewegung offen gespaltet hat , weil die SJ-Führung, die AKS, die GPA-Jugend und die ÖH die Formen der Selbstorganisation (Komitees, die Aktionskonferenz am 7. Oktober) ablehnten. Die ÖH-Führung stimmte bei einer HörerInnenversammlung an der Uni gegen den Antrag der Aktionskomitees auf Unterstützung des Streiks am 19. Oktober. Die AKS-dominierte Landesschülervertretung (LSV) rief die SchülerInnen dazu auf, am 19. Oktober nicht zu streiken, weil dieser Streik von „gewaltbereiten, linksextremen Gruppen organisiert wird“. Gemeinsam mit dem Stadtschulrat dürfte sie auch für die negativen Medienberichte über den Streik in Wien verantwortlich gewesen sein. Die AKS kam dann zwar zum Demotreffpunkt, zogen es dann aber vor mit einer Handvoll AnarchistInnen die Demo zu spalten und marschierten ca. 50 Meter vor dem eigentlichen Demozug her. Die SJ Wien versuchte im letzten Moment die Kurve zu kratzen und rief am Tag vor dem Streik zumindest ihre eigenen Mitglieder zur Teilnahme auf. Nachdem etliche SJlerInnen (und nicht nur Funke-UnterstützerInnen in der SJ) schon seit Wochen für den Streik mobilisiert hatten, war auch eine starke Präsenz von SJlerInnen an der Demo gewährleistet.

Wie oft hörten wir aus den Büros der traditionellen Jugendorganisationen, dass die Stimmung unter den Jugendlichen nicht gegeben sei, dass die Zeit für eine ernsthafte Bewerbung zu knapp sei usw.? Dieser Tag bewies das Gegenteil und die langen Gesichter so mancher SpitzenfunktionärInnen machte dies mehr als deutlich.

Der Aktionstag am 18. November

Unsere Perspektive war von Anfang eine gemeinsame Jugendbewegung von SchülerInnen, StudentInnen und Lehrlingen. Den 19. Oktober sahen wir immer nur als ersten Schritt zum Aufbau einer solchen Bewegung. Vor dem Hintergrund der politischen Krise der Bürgerblockregierung nach den Landtagswahlen im Oktober wäre sogar ein Szenario vorstellbar gewesen, dass diese Jugendbewegung ein Ausmaß hätte erreichen können, wo der Sturz der Regierung als realistisches Ziel der Bewegung ausgegeben hätte werden können. Die oben beschriebene Rolle der Führer der traditionellen linken Jugendorganisationen ließ eine derartige Entwicklung aber nicht zu.

Wichtig ist aber, dass durch die bisherige Arbeit der Stein ins Rollen gebracht werden konnte. Die Proteste an der Uni Innsbruck und vor allem der österreichweite Aktionstag am 18. November an den Schulen, Unis und in den Lehrwerkstätten bieten die Möglichkeit den Kampf nun auszuweiten. Der 19. Oktober war zumindest so erfolgreich, dass diejenigen, die bisher in völliger Passivität geblieben waren, selbst die Initiative ergreifen.
Die Presse titelte bereits: „ÖH bringt Protestwelle ins Rollen“. Der Aktionstag am 18. November wird zumindest in Wien eine wichtige Mobilisierung sein. Doch auch in den anderen Bundesländern wird dieser Aktionstag im Bewusstsein vieler SchülerInnen und StudentInnen sein.

Bis zum 19. Oktober wurde die Bewegung modellhaft von unten aufgebaut. Selbstorganisation und Demokratie waren in dieser Phase keine leeren Worthülsen. Dies wird sich nun ändern. Die Gewerkschaftsjugend, die ÖH, AKS und SJ wollen das Heft fest in den eigenen Händen halten. Der Streik wird von oben herab ohne der aktiven Beteiligung der AktivistInnen an den Schulen organisiert. Diese Organisationen verfügen zweifelsohne über die Ressourcen, Medienverbindungen und einen Namen, was trotzdem eine große Mobilisierung am 18. November möglich und wahrscheinlich macht. Insofern kann dieser Aktionstag einen Schritt vorwärts bedeuten, weil er eine Ausweitung der Bewegung darstellt. Gleichzeitig gerät die Bewegung unter die bürokratische Kontrolle dieser JugendVERTRETER. Selbstorganisation und Selbstaktivität, die aus unserer Sicht eine Voraussetzung zum Aufbau einer Jugendbewegung darstellen, die tatsächlich die Angriffe auf die Rechte der Jugend stoppen kann, sollen keinen Platz mehr haben.
Auch wenn Gewerkschaftsjugend, die ÖH, AKS eine Zusammenarbeit mit den Aktionskomitees ablehnten, so sahen wir den 18. November trotzdem als Möglichkeit für eine gemeinsame Mobilisierung.

Die Demo am 18. November mit rund 3.500 TeilnehmerInnen (offizielle Angaben der SJ) war insofern eine Art Höhepunkt, weil er eine gemeinsame Mobilisierung im Schüler-, Uni- und Lehrlingsbereich brachte. Gleichzeitig war es aber auch der Endpunkt dieser Protestbewegung. Die traditionellen linken Jugendorganisationen machten nie ein Anzeichen, dass sie gewillt sind den Protest über diesen Tag weiter zu treiben. Ja, in Wirklichkeit haben sie es nicht einmal geschafft, auch nur ansatzweise an diesem Tag – wie geplant – österreichweit Protestaktionen zu organisieren. Eine Eskalationsstrategie ist fern ihrer Logik, daraus folgt, dass der 18. November ein symbolischer Protest bleiben musste. Der Sinn hinter solch einer Mobilisierung ist es in erster Linie, zu zeigen, dass sie Jugendliche mobilisieren können. Damit wollen Organisationen wie die ÖH oder die Gewerkschaftsjugend in erster Linie ihre Stellung im bürgerlichen System verbessern und sich als Ansprech- und Verhandlungspartner ins rechte Licht rücken. Eine weitergehende Perspektive wird von ihnen nicht zu erwarten sein. Mobilisierungen haben rein den Zweck sich selbst als Spitze der Jugendbewegung präsentieren zu können.

Die Erfahrungen aus den letzten Wochen haben gezeigt, dass sich das Potenzial, das in dieser Bewegung schlummerte und die zu einer weiteren Eskalation der Bewegung führen hätte können, nicht entwickeln konnte. Die Demo am 18. November, bei der die Stimmung bei weitem nicht so kämpferisch und enthusiastisch war, wie beim Streik am 19. Oktober, hat das noch einmal sehr deutlich gemacht. Die Hauptursache dafür liegt genau in der Politik und den bürokratischen Methoden bei der Mobilisierung, die der Reformismus in der Jugendbewegung von Anfang an vertreten hat.

Perspektiven und Aufgaben von MarxistInnen

Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte. Die Regierung mag zwar dann die Zugangsbeschränkungen an den Unis durchgebracht haben, gleichzeitig muss sie damit rechnen, dass in den letzten Wochen in der Jugend die Basis für eine kämpferische Protestbewegung gelegt wurde. Die kommenden Monate werden weitere Gelegenheiten bieten Widerstand zu organisieren, so z.B. der EU-Bildungsministergipfel im März in Wien oder der Staatsbesuch von George W. Bush im Juni.

Diese Bewegung muss in einem breiteren Kontext gesehen werden. Die Zeit der schwarz-blau-orangen Bürgerblockregierung läuft schön langsam ab. Die Landtagswahlen in diesem Herbst haben das nachdrücklich unter Beweis gestellt. Eine revolutionäre Führung an der Spitze der ArbeiterInnen- und Jugendbewegung hätte die Möglichkeit aufgezeigt, an der Wahlurne und durch die Jugendproteste die Regierung von zwei Seiten unter Druck zu bringen. Mangels eines subjektiven Faktors ist dies nicht gelungen. Es hat sich nur einmal mehr die Begrenztheit reformistischer Methoden gezeigt.

Diese Jugendbewegung hatte nicht die Stärke die Regierung in die Knie zu zwingen. Wenn wir es beim nächsten Mal besser machen wollen, dann müssen wir aus dieser Erfahrung lernen. Eine der zentralen Lehren der Proteste gegen Bildungsabbau in den letzten Jahren in Österreich wie international war immer, dass es in SchülerInnen- und StudentInnenstreiks gelingen muss, die organisierte ArbeiterInnenbewegung für sich zu gewinnen. Nur diese Vereinigung der unterschiedlichen Kämpfe kann den nötigen Druck erzeugen. Die ökonomische Macht, die die ArbeiterInnenbewegung mit dem Mittel des Streiks besitzt, und die Energie und Kreativität einer starken Jugendbewegung sind zusammen eine Kraft mit gewaltigem revolutionärem Potential. Gemeinsam können sie diese Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern. Dieses strategische Bündnis aufzubauen, darauf arbeiten MarxistInnen hin.

Die ArbeiterInnenbewegung setzt derzeit vor allem die Strategie über Wahlen die Bürgerblockregierung loszuwerden. Der Klassenkampf wird derzeit vor allem auf dieser politischen Ebene ausgefochten. Dies wird auch die kommenden Monate in Österreich prägen. Mit der Losung nach einer Arbeiterregierung unter dem Druck und der Kontrolle der mobilisierten ArbeiterInnenbewegung und der Jugend, was in Österreich im Jahr 2005 nur eine SPÖ-Alleinregierung auf Grundlage eines sozialistischen Programms bedeuten kann, versuchen MarxistInnen diesem Zustand gerecht zu werden. Darin lag der Ansatzpunkt für eine Einheit von Jugend und ArbeiterInnenbewegung.

Wie gesagt, in den kommenden Monaten bis zur Nationalratswahl wird es genügend Gelegenheiten geben, in diese Richtung weiterzuarbeiten. Durch Mobilisierungen, Streiks und Demos muss ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden, wo der Wunsch großer Teile der Arbeiterklasse und der Jugend nach einer „Wende zur Wende“ seinen Ausdruck finden kann, der die Bürgerblockregierung auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt und die Sozialdemokratie so unter Druck setzt, dass sie nicht einfach die Arbeit der alten Regierung im Interesse des Kapitals fortsetzen kann. Vom ersten Tag in der Regierung muss die Sozialdemokratie den Stachel ihrer Basis spüren und dem Druck einer mobilisierten Arbeiterschaft und Jugend ausgesetzt sein.

Ein wichtiger Schritt zum Aufbau einer solchen Bewegung ist es, dass sich die aktivsten Teile aus den Aktionskomitees, die die SchülerInnenstreiks organisiert haben, nun dauerhaft politisch organisieren. Sie müssen an den Schulen einen organisierten Kern bilden, von dem aus sich die Bewegung an den Schulen in Zukunft weiter aufbauen und verankern kann und über die eine Einheit mit der organisierten ArbeiterInnenbewegung hergestellt werden kann. Gerade zur Erreichung dieses zweiten, so wichtigen strategischen Ziels, das den weiteren Verlauf sozialer Kämpfe in Österreich (und international) mitentscheiden wird, halten wir es für wichtig, sich in der Sozialistischen Jugend und in der marxistischen Strömung rund um die Zeitschrift „Der Funke“ zu organisieren.

Editorische Anmerkungen

Die Auswertung erschien in der Zeitschrift DER FUNKE und ist eine Spiegelung von: http://www.derfunke.at/