Bericht vom Landesparteitag der WASG Berlin
am 26./27.11.2005
12/05

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An die Mitglieder der Landes- und Kreisvorstände der WASG
an die Mitglieder des Länderrats der WASG
an den Bundesvorstand der WASG

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir möchten Euch mit diesem kurzen Schreiben über den 3. Landesparteitag der WASG Berlin am 26./27.11.2005 informieren.

Im Mittelpunkt des Parteitags standen Debatten zur Perspektive der Neuformierung der Linken auf Bundes- und Berliner Ebene.

Zum Tagesordnungspunkt „Lage der WASG/Perspektiven eines Linksbündnisses“ sprachen Klaus Ernst und Christine Buchholz für den Bundesvorstand und Inge Höger-Neuling für die Bundestagsfraktion der Linkspartei.PDS.

In der anschließenden Debatte war das „Kooperationsabkommen III - Rahmenvereinbarung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS und WASG“ ein wichtiges Thema. Das Kooperationsabkommen liegt als Antrag des Bundesvorstands der Linkspartei.PDS dem Bundesparteitag der Linkspartei am 10./11.12.2005 in Dresden vor.

Am Ende der Diskussion wurde das Kooperationsabkommen durch eine übergroße Mehrheit der Delegierten auf Grundlage eines Initiativantrages abgelehnt. Aus dem Beschluss:
„Der Landesverband Berlin lehnt das "Kooperationsabkommen III - Rahmenvereinbarung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS und WASG" ab. Der Landesverband fordert den Bundesvorstand auf, dem Entwurf des Kooperationsabkommens, sollte er zur Abstimmung gestellt werden, nicht zuzustimmen.

Der Landesvorstand wird beauftragt, alternative Vorstellung zur Gestaltung der Beziehungen zur Linkspartei.PDS zu entwickeln und bis Ende Januar einen entsprechenden Entwurf für einen Leitantrag an den vierten Parteitag vorzulegen, der in der Mitgliedschaft diskutiert werden – und nach der Entscheidung des Landesparteitages – dem Bundesparteitag vorgelegt werden kann.“

Aus der Begründung: „Das Abkommen übernimmt zentrale programmatische Positionen der PDS (Potsdamer Dreieck, Punkt 2, Absatz 2), ohne das eine Verständigung über diese Fragen in der WASG bereits stattgefunden hätte. Insbesondere der Anspruch auf Mitgestaltung, d.h. der Beteiligung an Regierungen, ist innerhalb der WASG aus guten Gründen umstritten. Diese Kritik soll aber innerhalb der künftigen gemeinsamen Formation marginalisiert werden, denn mit der Annahme von Punkt 6 – der Ablehnung konkurrierender Kandidaturen – würden die Regierungsbeteiligungen der Linkspartei.PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern praktisch der Kritik entzogen.“

In der zweiten Diskussion zur „Situation des Landesverbandes Berlin“ lagen dem Parteitag zwei alternative Leitanträge des ehemaligen Landesvorstandes und der Bezirksgruppe Friedrichshain-Kreuzberg vor.

Der zentrale Unterschied zwischen den beiden Leitanträgen bestand in der Frage des Zeitplans der Entscheidungsfindung hinsichtlich eines eigenständigen oder gemeinsamen Wahlantritts mit der Linkspartei.PDS bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 17. September 2006.

Der Antrag des ehemaligen Landesvorstandes befürwortete eine Entscheidung nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Ende März.

Die deutliche Mehrheit der Parteitagsdelegierten (Zweidrittelmehrheit) entschied sich für den Antrag aus Friedrichshain-Kreuzberg, der eine Entscheidung des 4. Landesparteitags Ende Februar und damit vor dem Bundesparteitag der WASG vorsieht. Eine Urabstimmung der Berliner WASG-Mitglieder ist für den Zeitraum vom 28.02. bis 07.03.2006 vorgesehen.
Die Begründung bestand für die Mehrheit des Parteitages darin, dass im Falle eines eigenständigen Wahlantritts die Zeit für die Vorbereitung desselben dringend benötigt würde und dass es von Vorteil wäre, wenn die Berliner Delegierten des Bundesparteitages mit einem klaren Votum des Berliner Landesverbandes dessen Position dem Bundesparteitag darlegen könnten.

Der Argumentation des Bundesvorstands und des Leitantrages des ehemaligen Landesvorstandes, wonach eine Entscheidung vor Ende März für die WASG-Wahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg schädlich sei, wurde entgegen gehalten, dass eine eigenständige Kandidatur in Berlin den Wahlkämpfen nicht schaden könne, sondern dass im Gegensatz eine Fortsetzung der Kürzungspolitik der Linkspartei/PDS in Berlin eine problematische Wirkung hätte.

Einigkeit bestand unter den Delegierten, dass die verabredeten öffentlichen Foren mit der Linkspartei/PDS unter Hinzuziehung von AktivistInnen aus den sozialen Bewegungen und aus dem betrieblichen und gewerkschaftlichem Spektrum zur Klärung der inhaltlichen Grundlage einer möglichen gemeinsamen Kandidatur umgehend organisiert und durchgeführt werden sollen.

Der beschlossene Leitantrag formuliert diesbezüglich inhaltliche Kernforderungen, zu denen sich die Linkspartei/PDS verhalten soll. Diese Forderungen wurden bereits in ähnlicher Form durch den Landesdelegiertenrat am 01.09.2005 beschlossen:

Rücknahme des Risikoabschirmungsgesetzes für die Bankgesellschaft; Rücknahme der Kürzungen im Bildungsbereich und Sozialbereich; Keine Privatisierung bei der öffentlichen Daseinsfürsorge; Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe; Rückkehr in den kommunalen Arbeitgeberverband; Verzicht des Landes Berlin auf die Einrichtung von „1 Euro Jobs“ (Auszug).

Die Foren sollen nach Vereinbarungen mit der Linkspartei.PDS Berlin bis Mitte Februar abgeschlossen sein.

Ob es zu einer gemeinsamen Kandidatur in Berlin kommen wird, hängt damit entscheidend von einer deutlichen Kurskorrektur der Linkspartei/PDS ab. Den Verzicht auf eine Koalitionsaussage der Linkspartei.PDS zu Gunsten der SPD wurde als unzureichend betrachtet. So wird im Leitantrag der Linkspartei.PDS Berlin an den Landesparteitag am 03./04.12. zwar auf eine solche verzichtet, die Politik des rot-roten Senats aber als Erfolg betrachtet: „Die Ergebnisse rot-roter Politik der ablaufenden Legislaturperiode können sich sehen lassen. (...) Berlin ist 2005 besser, als es 2001 war, solider – und gemessen an den Rahmenbedingungen – sozialer.“

In einem weiteren Tagesordnungspunkt zum Thema Privatisierung beschlossen die Delegierten, ab März 2006 eine breit angelegte Kampagne gegen Privatisierung und Teilprivatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge in Berlin durchzuführen.
Carsten Becker, Vorsitzender der ver.di-Betriebgruppe der Charité, klärte über die Zustände an der Charité auf, wo der rot-rote Senat gemeinsam mit dem Klinikums-Vorstand 31,7 Millionen Euro bei den Personalkosten einsparen will. Die WASG Berlin solidarisiert sich mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen der Charité und unterstützt den Warnstreik am 2.11.2005.

Auch Bundesvorstandsmitglied Klaus Ernst sprach sich dafür aus, die KollegInnen zu unterstützen. Am Ende des Parteitages wurde beschlossen, dass Klaus Ernst als Redner der WASG zum Warnstreik der Charité-KollegInnen eingeladen werden soll.

Am Sonntag, 27.11. fanden schließlich die Neuwahlen zum Landesvorstand statt. Alle außer einem Landesvorstandsmitglied hatten zu diesem Zeitpunkt ihren Rücktritt erklärt und sich entsprechend eines Beschlusses des ehemaligen Landesvorstandes verhalten, zum 3. Landesparteitag geschlossen zurück zu treten. Tom Maier (ehemaliges Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes) blieb dem Parteitag fern und hatte keine schriftliche Rücktrittserklärung hinterlegt. An diesem Punkt entzündete sich eine kurze Debatte über die Rechtmäßigkeit der Neuwahl.Es wurde sich schließlich darauf geeinigt, lediglich zehn Mitglieder des Landesvorstandes neu zu wählen.

Einige Delegierte eines Bezirksverbandes (von zwölf Bezirksverbänden) beteiligten sich nicht an der folgenden Abstimmung, weil sie der Meinung waren, dass sich ein Teil der zur Wahl stehenden Kandidatinnen und Kandidaten im Vorhinein über die Anzahl der Kandidaturen verständigt hätte.

Die Berichte in der Presse, wonach einige Bezirksverbände den Parteitag verlassen hätten, entsprechen nicht der Wahrheit.

Die in der Presse erwähnten „Tumulte“beschränkten sich auf eine Handgreiflichkeit seitens eines nicht-delegierten Parteimitglieds gegen ein Mitglied des neu gewählten Landesvorstandes. Das genannte Mitglied entschuldigte sich umgehend nach der kurzen Auseinandersetzung.

Die Auseinandersetzung ereignete sich in einer Pause. Die Darstellung in der Presse, wonach der Parteitag deshalb unterbrochen werden musste, entspricht nicht dem realen Verlauf.

Mitglied des neu gewählten geschäftsführenden Landesvorstandes sind Rouzbeh Taheri (Schatzmeister), Stefan Müller und Lucy Redler.

Die Mitglieder des erweiterten Landesvorstandes sind Hakan Doganay, Michael Hammerbacher, Klaus-Dieter Heiser, Mary Killian, Ruben Lehnert, Michael Prütz und Andrea Schulteisz. In der Mehrheit unterstützen die Landesvorstandsmitglieder die Ausrichtung des Leitantrags aus Friedrichshain-Kreuzberg. Es wurde jedoch strömungsübergreifend gewählt. Die Vertreter der Minderheitsposition haben ihren Willen erklärt, konstruktiv in der Berliner WASG und im Landesvorstand mitzuarbeiten und die Partei gemeinsam aufzubauen.
Wir sind gerne bereit auf Landesparteitagen oder regionalen und örtlichen Mitgliederversammlungen über die Lage in Berlin zu informieren und freuen uns über Einladungen.

In den nächsten Tagen werden alle Beschlüsse und Materialien auf unserer Website www.wasg-berlin.de  veröffentlicht.

Mit solidarischen Grüßen,

Stefan Müller
Lucy Redler
Rouzbeh Taheri

Geschäftsführender Landesvorstand WASG Berlin
 

Editorische Anmerkungen

Dieser Artikel ist eine Spiegelung von
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