Buchbesprechung
Ende der Antideutschen?

von Dag Pretzel
12/04

trend

onlinezeitung
Seit dem Ende der West-Ost-Blockkonfrontation sorgt das antideutsche Unwesen in der linksradikalen Szenerie für Irritation, Wut, Arger, Blamagen, Denunziation und verständnisloses Kopfschütteln. Genauso oft wie es schon verurteilt, ausgeschlossen, und für endgültig erledigt erklärt wurde, taucht es stets von neuem wieder auf. Es scheint noch etwas unabgegoltenes, etwas noch nicht verstandenes darin zu liegen. Gerhard Hanloser, „Sie warn die Anti-deutschesten der deutschen Linken" / Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik, Münster 2004, 292 S., UNRAST-Verlag

 Sonderlich erquickend ist das nicht, aber da die Antideutschen (AD), und das was sie an verqueren Frage-und Problemstellungen verkörpern, nun mal nicht vom Himmel gefallen sind oder präziser: aus der Hölle zu uns gekrochen sind, ist immer mal wieder eine zugeben auch selbstquälerische Auseinandersetzung damit unvermeidlich. Gerhard Hanloser hat nun zusammen mit einem Haufen von Autorinnen einen ganzen Sammelband mit zwölf zum Teil gelungenen Beiträgen unter dem Titel „Sie wam die Anti­deutschesten der deutschen Linken'' über den Gegenstand herausgegeben. In dem Buch wechseln sich Beiträge aus der Geschichte der radikalen Linken dieses Landes der letzten 20 Jahre mit ideologiekritischen Arbeiten z.B. über die Verknüpfung antideutschen halluzinierens mit einer "neoliberalen Formierung des selbst" ab. Aus der Sicht des Herausgebers steht dieses Phänomen „für einen affirmative turn innerhalb dei Linken." Und so soll das Buch dazu dienen, eine radikale Kritik daran zu profilieren, „um .das antideutsche Phänomen als Teil des mainstreams in sektenhaften Gewand zu erkennen." Ein schöner Vorsatz! Ob er uns aber auch der vielgestaltige Inhalt dieses Buches ein paar Handreichungen eröffnen kann, um das nur zu wünschenswerte Ende der AD zu beschleunigen? Den Auftakt in dem vorliegenden Buch macht ein außerordentlich informativer Beitrag von Bernhard Schmidt der in seiner "Deutschlandreise auf Bahamas" das Unifeld und die politischen Entstehungsbedingungen der neoautoritären Sekte BaHamas aus dem Hamburger KB nachzeichnet. Schmidt war selbst an einigen Stationen dieser Reise als junger Aktivist beteiligt und kann so gewissermaßen aus dem Nähkästchen plaudern. Auch wenn in diesem Beitrag ein paar unwesentliche Details aus der Geschichte der sozialen Bewegungen hauptsächlich in den 80er Jahren einer zeitchronologisch orientierten Prüfung nicht standhalten, und er zuweilen auch etwas langatmig gerät, so besteht seine Qualität darin, bestimmte Argumentations- und Diskursfiguren aus dem Umfeld des Kommunistischen Bundes Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahren sensibel nachzuzeichnen: Wer weiß denn heute noch, das die heute an Dummheit kaum zu überbietende von AD benutzte diskursive Figur von „Auschwitz im Wüstensand" einmal mit gutem polemischen Grund in der zweiten Hälfte der 80er Jahre von einem Kolumnisten der New York Times gegen Giftgaslieferungen deutscher Firmen nach Libyen erfunden worden war? Und auch für heute lohnt es sich allemal zu bedenken, dass es sich bei der zeitweilig in diesem Land in großen Massendemonstrationen manifestierenden Friedensbewegung nicht allein nur ein heimtückisches Phänomen des deutschen Nationalismus handelt. Sondern das sich darin auch nach der desaströsen Erfahrung mit dem Zweiten Weltkrieg ein ganz handfester, so Schmidt zutreffend „Nationalpazifismus" verbirgt, der der kriegswilligen rot-grünen Regierung auch heute noch ihre so ganz eigene Probleme bereitet. Auch an dem Beitrag über „ die Autonomen und die antideutsche Frage" von Mohr / Haunnss ist - bis auf den aller ersten Satz! - nicht alles schlecht.

Spätestens seit dem Slime-Song „Deutschland muss sterben ..." spielt hier ja für Herr und Frau Autonom eine ganz eigene Musik. Die hat aber, wie sie selber in einem lockeren Querschnitt für den Verlauf der 90er Jahre zurecht schreiben, nur sehr wenig mit organisierter antideutscher Politik zu tun. Es wäre auf jeden Fall wünschenswert gewesen, wenn sich die beiden Autoren vielleicht auch noch etwas mehr auf die Präsenz antideut­scher Positionen im Zusammenhang mit den antirassistischen Grenzcamps oder der Interim konzentriert hätten. Der Beitrag Michael Koltan, „ Talkin about my Generation " kann vielleicht als der sympathischste Beitrag des ganzen Bandes gelten. Der Autor hat nicht die geringsten Probleme damit, die aus einer einstmals wohl auch persönlich engen Verbindung zu einem eingefleischten AD heute resul­tierenden Gewaltfantasien zu bekennen, die ihm bei Wiederbegegnungen in dem doch beschaulichen Freiburg stets von neuem überkommen.

An den Beginn des von ihm als „Anti-Deutschen-Wahns" bezeichneten Phänomens stellt Koltan, die Ende der 80er Jahre zunächst eher zaghaft beginnende Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in der antizionistischen Palästina--Solidarität, den Zusammenbruch des realen Sozialismus und das zeitweilig notwendige Aufkommen einer neuen Antifa-Generation. Das dann im Verlaufe der 90er Jahre die „linke Kritik am linken Antisemitismus zum Ticket" geraten konnte, erklärt Koltan mit dem Niedergang der neuen Bewegungen, das einen „Ersatz für ...verloren gegangene Identität versprach." Hier verortet der Autor dann auch den „Umschlag der von theoretisch rührenden AD jahrelang betriebenen „Ideologiekritik" in ganz manifeste Ideologieproduktion. Koltan unternimmt dann noch einmal einen außerordentlich anregenden wie thesengespickten Exkurs „vom Klassenkampf zur Jugendbewegung" in dem er „die schillernde Rolle linken Radikalismus bei der Entfaltung eines auf identitätsstiftende Waren setzenden Kapitalismus" zu skizzieren sucht, mit dem der "Linksradikalismus in der Folge von '68 in sein letztes und unwiderrufliches Ver­wesungsstadium eingetreten" sein soll. Auch wenn auf den ersten Blick daran nicht alles falsch zu sein scheint, so hat mich doch der Überfliegerblick mit der nebenbei auch noch die zuweilen gloriose autonome Bewegungsgeschichte der 80er Jahre mit erledigt wird, etwas befremdet. Hier ist Koltan leider mehr dem publizistisch nicht illegitimen Drive auf die geile These als der historischen Wahrheit gefolgt.

Wolf Wetzel zeichnet in seinem Beitrag die Entwicklungs­geschichte „ vom linken Bellizismus zum anti-deutschen Befreiungsimperialismus " nach. Der „linke Bellizismus" im Kontext des zweiten Golfkrieges in den Jahren 1990/91 war notwendig geworden, damit das grüne Milieu seinen Anschluss an die Regierungsfähigkeit nicht verlor. Der antideutsche Befreiungsimperialismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts kann da zwar aktuell in machtpolitischer Hinsicht noch nicht mithalten, es lassen sich aber durchaus diskursive Verknüpfungen der beiden widerwärtigen Phäno­mene herstellen. Denn sowohl in der einen wie auch in der anderen Variante muss der hier in diesem Land zumindest bis zum 8. Mai 1945 zur vollen Blüte gereifte Antisemitismus in ein - wie Wetzel schön formuliert - „sicheres Drittland" ausgewiesen werden. Wer die Publikationen des Autors bislang verfolgt hat, wird unschwer erkennen, das er sich in wesentlichen Teilen aus zwei bereits publizierten Beiträgen zusammensetzt. Es hätte hier mehr als reizvoll sein können, wenn es Wetzel gelungen wäre, einer von ihm durchaus breit zitierten, im Frühjahr 2003 u.a. von zwei bekannten AD direkt an die Adresse unserer lieben Bundesregierung gerichteten instruktiven Denkschrift in Sachen Nachkriegs­planung im Irak analytisch mehr auf den Grund zu gehen. Richtig hier zwar allemal die Einsicht, das dieses Dokument, so Wetzel „das bloß Scheinoppositionelle der Antideutschen" anzeigt.

Doch leider lässt der Autor in diesem hochbrisanten Zusammenhang von Antideutschtum und aktueller rot-grüner Regierungspolitik die Leser mit schön zu lesenden Assoziat­ionsketten allein, anstatt der Lebensgeschichte der durch den Text benannten Autoren etwas mehr auf den Grund zu gehen, von denen einer - nebenbei bemerkt - niemals ein AD, dafür aber schon seit Jahrzehnten ein Befreiungsnationalist war und ist. Eine verpasste Chance der Aufklärung!

Detlef Hartmann spürt dann der ..Funktion des Antiamerikanismusdiskurses" nach Dabei analysiert er mit dem „Amerikanismus von oben" zunächst einmal den Gegenbegriff dazu, in dessen Kern seit laagem eine „Mission schöpferischer Zerstörung" eingeschrieben sei. Hartmann belegt seine Beschrei­bung nicht nur mit -Zitaten intellektueller Kriegsplaner im Umfeld des aktuellen US-Präsidenten, sondern zieht eine Linie über die Politik Wilsons im Vorfeld des l. Weltkrieges bis zurück in die Anfange der amerikanischen Revolution. Dabei sei es geradezu die „Materialität des Antiamerikanis-musdiskurses" die Unternehmer und Eliten in den Mittepunkt der Betrachtungen zu stellen, und dabei wohlweislich die Klassenkämpfe und Kämpfe der Subalternen zu verschweigen. Dabei beschreibe sowohl der Antiamerikanismusdiskurs als auch sein direktes Gegenüber ein „diskursive Feld der Formierung neuer Gewaltstrategien." in der sich „die Aggressivität geostrategischer Konkurrenzen" austobe. Hartmann objektiviert diese auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu verstehende, dann aber originelle These anhand dreier Autoren aus dem Spektrum des deutschen Nationalbolschewismus, des rot-grünes Regierungsmilieus und der AD. Überraschend hier, wie einfach sich diese Antiamerikanismuskritik so Hartmann „als Identifikationsschiene mit deutschen Kapitalinteressen enthüllt."

Hanloser eröffnet dann seinen Beitrag zum BRD-Linksradikalismus und Israel im ersten Satz mit der Bemerkung .das man doch in einen „könnte (...) zu diesem Thema wäre schon alles gesagt worden" und, danach führt er den komplexen Zusammenhang auf 40 langen Seiten in der gebührenden Ernsthaftigkeit wie Detailfreude aus In dieser Auseinandersetzung verwahrt er sich entschieden gegen einrn „modischen Antisemitismusvorwurf an die Linke" der vorwiegend mit der Methode der Psychologisierung" arbeite. Gleichwohl gelangt auch Hanloser am Ende seines Durchganges durch 30 Jahre bundesrepublikanischer Palästina-Solidarität in antiimperialistischer Fassung zu dem ernüchternden Ergebnis, das diese , wenn auch „nicht immer auf Leugnung der nationalsozialistischen Vergangenheit abzielte", gleichwohl eine Verdrängung und Distanzierung von der deutschen Geschichte mit sich schleppte, die „zuweilen in Wortwahl und Kritikmustern antisemitische Ideologiefetzen" hervorbrachte. Danach aber wendet sich Hanloser unter dem Überschrift (Anti)Deutsche Ideologie und Israel" mitleidlos dem antideutschen Unfug in Sachen Staatssolidarität zu, die zu allem Überfluss auch noch als „kommunistisch" bezeichnet wird. Es ist schon paradox das die AD sich in Sachen Israel heute glauben in einer Weise auskennen zu können, wie zuvor die Antiimperialisten als filigrane und kenntnisreiche Palästina-Experten herum jonglierten. War da nicht mal eine schonungslose Kritik an dem projektiven Gehalt einer bedingungslosen Solidarität-mit-weit-weg-von-Deutschland-Staaten? Doch der AD von heute, das machen die Beschreibungen Hanlosers deutlich, hat das schon lange vergessen oder er weiß es schlicht besser, und so muss er mittels des „Anti-Antisemitismus" die ehemals „Verhimmelten" aus der Dritten Welt von damals heute einfach verteufeln. Es bleibt aber einfach wahr, dass es sich sowohl in der einen wie auch in der anderen Interpretationsvariante schlicht um die „Verdammten dieser Erde" handelt, die auf ihre Weise Opfer des Weltmarktes sind, von dem wiederum der oder die AD - wie es der Zufall will - vornehm zu schweigen weiß. Nach diesem Beitrag kommt man nicht mehr um die Erkenntnis herum, das wir nach der Tragödie der Palästina-Solidarität antiimperialis­tischer Facon heute Zeugen der Farce einer Israel-Solidarität antideutscher Provenienz sind. Schlimm. Ganz in diesem Sinne bürstet auch Moshe Zuckermann in seinem Beitrag „ Was heißt: Solidarität mit Israel? " die antideutsche Israel-Solidarität zusammen. Der Beitrag macht klar, das diese in den Elementen, in denen sich überhaupt ein konkreter Inhalt ausmachen lässt, eine mit der dortigen rechtsradikalen Siedlerbewegung ist. Ansonsten besorgt sich diese Form der Israel-Solidarität aus hier noch von Zuckermann als „gut gemeint" unterstellten Abstraktionen ihre „Juden" selber, was diesen allerdings zu der markanten Formulierung „unappetitlich" veranlasst, wenn so ein Mist aus einem Land hervorquillt, das „Deutschland" genannt werden kann.

Holger Schatz stellt seinem Beitrag über die neoliberale Formierung des Selbst und der auch von AD betriebenen Marktapologetik mit der Überschrift „ Die Welt ausholten lernen " ein instruktives Zitat aus einer antideutschen Zeitschrift voran, das deren vollmundig in die Welt gepustete radikale Kritik-Wolke als das enthüllt was sie ist: Ein Bluff. In diesem Sinn beschreibt Schatz wie die AD aus ihrer Lebenspraxis einer bornierten Individualität die „Pathologisierung des Antikapitalismus" betreiben, dem sie gezielt - und das im intellektuellen Bunde mit erheblich stärkeren Mächten - das Stigma von Miefigkeit und Regressivität anheften müssen. Schatz arbeitet überzeugend heraus, wie die AD in ihrer Agitation schlicht „die Lebenslüge der bürgerlichen Gesellschaft (wiederholen), nur unter dem Horizont von Aufklärung und Liberalismus sei ein Begriff von Freiheit überhaupt denkbar geworden, der Herr­schaft von Menschen über Menschen prinzipiell ablehnt." Viel Geduld und gute Nerven muss dem hingegen der oder die mitbringen, die danach in den nächsten Beitrag „Ideologie der antideutschen Avantgarde " eines marxistischen Frank­furter Autorenkollektivs stolpern. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um eine intime Lektüre der Suren eines Freiburger Überflüssigen (FÜ), doch selbst wenn man sich den Luxus einer Mehrfachlektüre dieses langen Beitrages leisten kann, wird man nicht recht schlau daraus. In einer möglicherweise nur für den Rezensenten viel zu komplizierten Abhandlung, wird eben diesem FÜ vorgeworfen, die entsprechenden Marx-Stellen nicht so vvre das marxistische Autorenkollektiv verstanden zu haben. Im Kem scheint sich die Auseinandersetzung hier darum zu drehen, was es denn genau bedeutet, wenn es stimmt dass das von Marx im Kapitalverhältnis beschriebene „automatische Subjekt" im Prinzip unverstehbar ist, wie es der FÜ behauptet. Der seitenlange Streit geht dann in diesem Beitrag um die schlichte Frage, dass wenn der FÜ sowas sagen kann, ob dann nicht auch die anderen, sprich das marxistische Autorenkollektiv das nicht auch sagen darf. Tja, zur Lösung solch bedeutender Fragen wurde in diesem Land schon immer viel Papier beschrieben. Der entscheidende Hinweis kann daher hier nur der sein, sich davon unter keinen Umständen einschüchtern zu lassen. In dem letzten Beitrag „sektiererische Reflexion und korrektes Denken" versucht sich Ilse Bindseil an einer „philosophischen Identifikation." Auch hier muss man bei erstmaliger Lektüre dieser ungewohnten Materie zunächst etwas trocken schlucken. Aber dann lohnt ein nochmaliges lesen umso mehr, weil es Bindseil in ganz unaufdringlicher Weise durch die Methode sich das antideutsche Problem von ganz ferne zu betrachten gelingt, um es dadurch umso näher zurückblicken zu lassen Mit anderen Worten: Die genetische Verknüpfung von deutsch-antideutsch sowohl als mainstream wie sektierer-Reflexion „bewirkt die Wut, die in der Debatte mobilisiert wird. und das nicht auszurottende Gefühl, daß man sich einig ist oder mit sich selbst streitet, daß man qua Debatte also nur verlieren kann " Diese Einsicht mag als ein weiterer Fingerzeig dafür dienen, das von Bindseil schön ausgeleuchtete Terrain in einem politischen Sinne zu meiden wie der Teufel das Weihwasser

Fazit

Nun. ob das Buch ein Wegzeichen für das wünschenswerte Ende des Antideutschtums in diesem Land markiert, muss nach diesem Besprechungs-Tour d'Horizon natürlich offen bleiben Auf dem ersten Blick wirkt die Zusammenstellung der unterschiedlichsten Beiträge vielleicht etwas inkohärent. Und doch muss die Leistung des Herausgebers hervorgehoben werden, dem nun schon geraume Zeit irrlichtemden Phänomen mit ganz unterschiedlichen Zugängen, Methoden und Mitteln auf den Leib zu rücken. So täuscht das Buch gar nicht erst einen irgendwie geschlossenen „Ansatz" gegen das Antideutschtum vor, sondern nimmt sich das Recht heraus, den Autoren eine freie Bahn zu eröffnen, sich damit in ihrer Weise auseinander zu setzen. In diesem Fall realisiert damit bereits die Form etwas, was seitens des publizistischen Teiles des antideutschen Zirkelwesens ohnehin von vornherein kategorisch ausgeschlossen ist: Der Leser ist dadurch aufgefordert, selber zu denken, anstatt es in autoritärer Weise und das auch noch von vorne oben gedacht zu bekommen. Der Hanloser-Band hebt sich so wohltuend von der erst im letzten Jahr von Robert Kurz publizierten Abrechnung unter dem Thel "Die Antideutsche Ideologie" ab. Letzterer kann swar in zugs Teil durchaus überzeugender Weise beschreiben und erklären, warum eben diese Ideologie fast schon immer des Teufels war und ist allein dessen eben doch nicht ganz unerfolgreiche Selbstwiderspruchsqualität für nicht wenige Linksradikale gerät ihm völlig außer Blick. Etwas pointierter formuliert: Wenn Kurz also im Grunde genommen schon vorher genau weiß. das dieses ganze Antideutschtum schon so Scheiße ist, wie er sympathischer Weise annimmt, wieso braucht er dann über 300 eng bedruckte Seiten, um damit abzurechnen?

Unabhängig von diesem Buch lässt sich immerhin zwischen­zeitlich vergnügt feststellen, das sich aus den AD-Reihen mit den Herren Elsässer und Pohrt zwei sehr filigran formu­lierende Wendehälse schon aus dem Staub gemacht haben. Doch klar ist auch: Das Abtauchen zweier Geier erbringt noch keinen Sommer. Zugleich macht es aber deutlich, das sich bei den verbliebenen AD zunehmend um ein menschliches wie intellektuelles Elendsphänomen handelt. Auf der anderen Seite ist allerdings genau sowenig die beunruhigende Einsicht von der Hand zu weisen, das die Zukunft von hier aus initiierter imperialistischer Kriege auch weiterhin Zustimmung von Teilen der politischen Linken notwendig haben wird. Ob die dann noch AD heißen, ist ohnehin egal.

Es spricht für die Qualität des Buches das in ihm eine ganze Reihe von unbequemen Fragestellungen für die Begründung einer zukünftigen linken Politik aufgeworfen worden sind. Sie werden sich auch mit dem Ende der AD mitnichten erledigt haben. Auf der äußeren Seite sind hier die Antisemitismusproblematik, und der Anti-Amerikadiskurs und auf der inneren Seite der bewegte Umgang mit politischen Widerspruchspotentialen zu nennen, die zum Teil in bewusstlos sektiererischer Weise gehandhabt werden. So lässt sich das vorliegende Buch auch für die nahe Zukunft als eine zum Teil sperrige, wenn auch in großen Teilen anregende, Lektüre weiter empfehlen.

Editorische Anmerkungen

Der Text erschien in der INTERIM 607 vom 9.12.04.

OCR-Scan by red. trend