Rezension - Ein katholischer Fundamentalist gegen Toleranz und Gewissensfreiheit

von Max Brym

12/04

trend

onlinezeitung

Im Stella Maris-Verlag erschien ein Buch von Walter Lang unter dem Titel "Der Modernismus als Gefährdung des christlichen Glaubens". Walter Lang ist erzbischöflicher geistiger Rat und Priester der Erzdiözese München und Freising. Der Autor war 30 Jahre lang als Religionslehrer an Münchner Gymnasien tätig und arbeitet gegenwärtig in der Seelsorge der Pfarrei Sankt Franziskus München. Herr Lang ist Mitarbeiter der Zeitschriften "Theologisches" und "Kirchliche Umschau".

Die Streitschrift des katholischen Theologen ist eine einzige Anklage gegen den Modernismus, die französische Revolution und den Geist der Aufklärung. Der Herr lehnt in dem Buch die Toleranz und den intrareligiösen Dialog entschieden ab. Er beklagt den Einbruch der "banalen Moderne in den Innenraum der Kirche". Lange blickt im Zorn auf das 2. Vatikanum aus dem Jahr 1965 zurück. Bekanntlich entschuldigte sich das 2. Vatikanische Konzil bei den Juden für den unsäglichen traditionellen "christlichen Antijudaismus". Das scheint Herrn Lang besonders zu stören, obwohl er auf diese Tatsache nicht näher eingeht. Er verdammt das 2. Vatikanische Konzil in Grund und Boden und damit auch die offiziell erfolgte Absage an den christlichen Antijudaismus als Wegbereiter des "modernen" rassenbiologischen Antisemitismus. Der Autor bejammert, dass es im Christentum eine Strömung gebe, welche die "reine Lehre" in einen "unverbindlichen Humanismus beschränkt sehen will". Prinzipiell attackiert der katholische Fundamentalist Positivismus, Materialismus, Liberalismus, Existentialismus, Sozialismus und Neo-Marxismus. Langs Hauptgegner ist der "teuflische" Modernismus.

"Antimodernisteneid"

Lang und breit wird in dem Buch das "segensreiche Wirken" von Papst Pius X. beschrieben. Besonders fährt Lang hier auf den "Antimodernisteneid" den Papst Pius X. erließ ab. Er beklagt wortgewaltig, dass durch Toleranz und Dialog "die Tradition und der Glaube eine dramatische Abwertung erfuhren". Herr Lang will ins dogmatisch-christlich-katholische Mittelalter zurück und sein Beitrag zur sogenannten "Leitkulturdebatte" schießt besonders scharf gegen die gleichgeschlechtliche Liebe. Herr Lang bezeichnet Homosexualität als "Unzucht" und nennt sie eine der "5 Sünden, die zum Himmel nach Rache schreien" (Katechismus der katholischen Kirche Nr. 1876). Eine schwere Attacke reitet der Münchner Theologe gegen den päpstlichen Nuntius von Madrid. Jener nannte homosexuelle Verbindungen "eine andere Lebensform" und plädierte dafür, "diese staatlich anzuerkennen". Die Erregung darüber ist in dem Büchlein ausgesprochen groß. Herr Lang nennt Homosexualität "eine Todsünde" und beklagt deren Uminterpretation. Offensichtlich will Herr Lang zurück zur katholischen Inquisition und zur Hexenverbrennung ohne das wörtlich auf das Papier zu schmettern. Fanatisch beharrt Herr Lang auf "Tradition und Glauben" und stellt sie in seinem Werk in schroffen Gegensatz zu "Toleranz und Gewissensfreiheit".

Walter Lang ist kein Einzelfall

Während hierzulande eine rassistisch unterlegte Debatte über den islamischen Fundamentalismus geführt wird, erfolgt eine vollständige Ignoranz gegenüber dem stärker werdenden christlichen Fundamentalismus. Dies bestätigt sich beispielsweise dadurch, dass der Film "Die Passion" von Mel Gibson in Deutschland ein Kinohit war. Mel Gibson zeigte bekanntlich in der Tradition des christlichen Antijudaismus die Juden als "kollektive Gottesmörder". Die katholische Sekte, der Gibson und sein Vater angehört, verdammt genau wie Herr Lang besonders das 2. Vatikanische Konzil. Gibsons Vater nannte das 2. Vatikanische Konzil eine "Verschwörung von Juden und Freimaurern". Die Dinge wurden also schon im Sinne Langs beim Namen genannt und filmisch gezeigt, er braucht das Papier seines Buches nicht mehr mit solchen Aussagen strapazieren, denn die "Gegenaufklärung" sowie der Antisemitismus sind gängige Zeiterscheinungen. Martin Mosebachs Buch über die "Häresie der Formlosigkeit" (Wien-Leipzig 2004, 4. Aufl.) war ein unerwarteter Erfolg. Auch der "katholische Romancier" und Schriftsteller Mosebach beklagt den Einbruch einer "banalen Moderne in den Innenraum der Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil". Gegenwärtig läuft in diversesten katholischen Blättern eine ideologische Offensive mit dem Ziel, den katholischen Fundamentalismus zu verbreitern. Es gibt nicht nur den "reaktionären Bibelgürtel" in den USA und reaktionäre islamistische Gebilde wie Saudi-Arabien, sondern offensichtlich wollen christliche Fundamentalisten die Gunst der Stunde (wirtschaftliche Krise, Leitkulturdebatte) auch im deutschsprachigen Raum nutzen um repressiven reaktionären Müll fester zu installieren. Dabei gilt es zu bilanzieren, es gibt eine Kombination aus rechtsextremistischen Laizismus und "bräunlich Gläubigen", die für ihre Sauce "den lieben Gott mißbrauchen".

 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 13.12.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.