Luther ein Film in Deutschland

von
Max Brym

12/03    trend onlinezeitung

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Äußerst erfolgreich läuft in den Kinos in Deutschland der Film „Luther“.    

 Uwe Ochsenknecht, der in dem Film Papst Leo den X. spielt erklärte anläßlich der Filmpriemire in München: „In Deutschland fehlen uns Personen mit dem Mut und der Charakterstärke eines Martin Luther". Das paßt in die gegebene politische Landschaft. Versuchen doch gerade jene die den sozialen Kahlschlag in Deutschland durchsetzen, sich selbst mit Attributen wie „reformstark“ ,“ mutig“, und „charakterstark“ hervorzutun. Wenn in diesem Kontext die Geschichte benützt, verklärt, und entstellt wird, so ist das im Sinne der politischen Kaste. Gut gemachte Verklärung garniert mit Halbwahrheiten zeichnen den Film  „Luther“ aus. 

Luther war kein theologisch inspirierter Held 

In dem Film wird der Bauernsohn und spätere Professor Luther zum deutschen Helden, der sich  in der Tat dem widerwärtigen Ablaßhandel der römischen Kirche entgegenstellte. Der Ablaßkrämer Tetzel wird in dem Film demaskiert und die Werbetechniken des katholischen Klerus in Sachen Seelenheil plastisch dargestellt. Der Protest dagegen war im damaligen Deutschland völlig gerechtfertigt. Papst Leo der X. hatte einen Ablaß ausgeschrieben, der ihm die ungeheure Summe von 50.000 Dukaten einbringen sollte. Als Haupteinkommensquelle sah der Vatikan das feudal zersplitterte Deutschland vor. In den ökonomisch fortschrittlichen, absolutistischen Monarchien Spanien, Frankreich und im österreichische Kernimperium, war der Katholizismus nur noch in der Funktion, den Absolutismus ideologisch abzusichern oder wie in Spanien, die Ideologie mit polizeilichen Repressalien zu ergänzen. In diesen Ländern hatte der König das entscheidende Wort bei der Besetzung der höheren geistlichen Stellen. Gelderhebungen für den Papst ohne Zustimmung des Königs waren verboten. Diese Länder hatten sich von der römischen Ausbeutung zu befreien gewußt und sich nunmehr vom Papsttum loszureißen lag ihnen um so ferner, als sie daran denken konnten, den Papst selbst zu ihrem Werkzeug zu machen und durch ihn über die ganze Christenheit zu herrschen. Als Herren des Papstes wollten sie die christlichen Völker ausbeuten. Der damalige deutsche Kaiser eroberte zuerst Rom um dann um so unerbittlicher den Katholizismus zu verteidigen. Relativ breiten Handlungsspielraum hatte die katholische Kirche im fürstlich dominierten  Deutschland. Die  frühbürgerlichen Zustände hatten über die verallgemeinerte Ware Geld Beziehung, die Bauern in maßloses Elend gestürzt. Die Ausbeutung auf der Basis von Naturalabgaben hatte natürliche Grenzen, mit der entscheidenden Rolle des Geldes war der Ausbeutung keine Grenze mehr gesetzt. Das Land hungerte, sowohl der weltliche wie der klerikale Adel griff nach den Gemeindewiesen und den Wäldern der Bauern. Grund und Boden wurden dem Wertgesetz unterworfen was bedeutete, Grund war am ertragreichsten wenn möglichst wenig Personen einen möglichst großen Ertrag erbrachten. Massenhaft wurden Bauern von ihren Höfen vertrieben und einer schrecklichen Blutgesetzgebung unterworfen. Längst hatte sich die mittelalterliche „Gemütlichkeit“ (der Begriff blauer Montag stammt aus dieser Zeit) in Luft aufgelöst. Unter dem Gesetz der Profitmaximierung war der Spruch „ unterm Krummstab ist gut leben“ obsolet geworden.. Die katholischen Feudalherren waren mit dem Handelskapital verwoben, die Ware Geld Beziehung senkte die katholische Armenfürsorge dramatisch, jene wurde jedoch nie ganz eingestellt. Bestimmte Dinge sind sehr langlebig, die christlichen Feiertage wurden später ein Ärgernis für die liberalen „ Manchester- Kapitalisten. Aber zurück in die Vergangenheit und zum Film. Der Film zeigt einen Martin Luther wie er zum Teil wirklich war. In seiner Zeit war er ein glänzender Redner, der Herr Professor aus Wittenberg vergaß über den Professor den Bauern nicht. Seine Vorlesungen an der Universität waren tatsächlich ein Renner. Mit beißender Ironie und Schärfe geißelte er die Doppelmoral der katholischen Kirche, eine Zeitlang sympathisierte er mit den revolutionären Bestrebungen der Bauernschaft. Letzteres zeigt der Film nicht. Statt dessen werden seine 95 Thesen die er im Herbst 1517 an die Kirche in Wittenberg nagelte, zur revolutionären Tat verklärt. In Wirklichkeit waren diese Thesen nur eine bescheidene Anklage „gegen die mißbräuchliche Handhabung des Ablaßhandels.“ Die päpstliche Autorität stellte Luther mit diesen Thesen nicht in Frage. Nach den Thesen zu Wittenberg entwickelten sich die Kämpfe der damaligen politischen Lager in Deutschland in einer neuen Dimension. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen war für seine Person ein sehr frommer, gläubiger, ja selbst bigotter Katholik, aber auch damals schon hörte in Geldsachen die Gemütlichkeit auf und er verbot den Ablaßkrämern das Betreten seines Landes. Die Krämer wollten sich ursprünglich mit besonderem Eifer auf das Kurfürstentum Sachsen stürzen, das damals durch den Segen seiner Bergwerke, das reichste Land in Deutschland war. Dieser sächsische Kurfürst wird in dem Film zum liebenswerten alten Mann mit Sinn für den Reformator Luther . Nirgendwo wird gezeigt, dass es bei dieser Unterstützung um nichts anderes als den schnöden Mammon ging. Der „Held“ Luther hatte deshalb einen bestimmten Mut,  weil die Fürstenbande selbst ihre Bauern schröpfen wollte und deshalb dem in Eisleben geboren Luther unter ihre Fittiche nahm. Dennoch hat Luther mit seiner Bibelübersetzung in das Deutsche entscheidenden Anteil an der Herausbildung der deutschen Sprache. In dem Film wird nur gezeigt wie die Übersetzung der Bibel den sächsischen Kurfürsten erfreute. Das die Übersetzung dadurch auch urchristliche Texte bekannt machte und damit den Bauernaufstand von 1525 befruchtete, verschweigt der Film dezent. 

Luther der Fürstenknecht. 

Am 2. April 1525 erhoben sich in vielen Teilen Deutschlands die Bauern. Die wachsende Not, die mit der Umwandlung der Natural- in die Geldwirtschaft über die bäuerliche Klasse gekommen war, hatte seit dem Jahre 1476 eine Reihe von bäuerlichen Aufständen, namentlich in Süddeutschland hervorgerufen. Darunter die Bauernverschwörungen, die unter dem Namen des Bundschuhs und des armen Konrads historischen Ruf gewonnen hatten. Aber sie alle blieben örtlich beschränkt und wurden bald niedergeschlagen. Erst als die Reformationsbewegung das ganze Land in seinen Tiefen aufwühlte, gelang eine Bauernverschwörung über das ganze Reich hin. In dem Reformationsstreit spielte Luther als Getriebener eine positive Rolle. Trotz aller Protektion durch bestimmte Fürsten, kokettierte Luther eine Zeit lang relativ offen mit den bäuerlichen Anliegen. Das änderte sich fast schlagartig, als der Bauernaufstand, begann. Luther wand sich in einer klösterlichen Zelle in „religiöser Pein“ (das wird in dem Film gezeigt) um dann geläutert gegen den Bauernaufstand Front zu machen. Letzteres unterschlägt der Film komplett, in dem Film bedauert Luther nur die Opfer und das Blutbad. In Wahrheit riet Luther zunächst seinen fürstlichen Brotgebern, mit den Bauern zu verhandeln um Zeit zu gewinnen. Ein Gedanke den der Adel selbst hatte, denn der Aufstand überraschte den Adel ziemlich. Nachdem die Starre gewichen war, veranstalteten die „Blaublütler“ ein entsetzliches Bauernmassacker. Am 6. Mai 1525 veröffentlichte Luther seine Schrift „Wider die räuberischen und mordenden Bauern“. In dem Phamplet animierte Martin Luther die Fürsten dazu, „zu hängen zu schlagen“ und „zu töten“. Doch diese Schrift im blutrünstigen Henkerstone, war nur eine leere Prahlerei, denn die Fürsten, evangelische wie katholische, bedurften seiner Mahnung gar nicht um ein grausames Gemetzel unter den Bauern anzurichten. Einen wirklichen Dienst im Bauernkrieg leistete Luther dennoch seinen Brotgebern, er denunzierte mehrmals den bäuerlich- plebejischen Revolutionär Thomas Münzer (1490- 1525). Luther war ein kriechender Fürstenknecht geworden. Aus seiner Bibelübersetzung machte er nunmehr einen Fürstenkatechismus. Die evangelischen Fürsten reformierten in ihrem Sinne, indem sie sich zu obersten Bischöfen ihrer Landeskirche erklärten, das Luthertum durch ihre Hofpfaffen zu einer Religion des beschränkten Untertanenverstandes ausbilden ließen und namentlich die reichen Kirchengüter in ihre Tasche steckten. Der Protestantismus setzte sich im wesentlichen in den rückständigsten deutschen Landesteilen fest und wurde zur Haus und Hofreligion des späteren preußischen Adels. 

Luther der Antisemit 

Der späte Luther war ein erklärter Antisemit. Um es genauer zu sagen, der erste völkisch „moderne“ Antisemit auf deutschem Boden. Luther erweiterte den christlichen Antijudaismus der katholischen Kirche. Nicht ohne Grund verteidigte sich Julius Streicher im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess mit Zitaten von Martin Luther. Der Film „Luther“ verschweigt diese Tatsache vollständig. Damit entspricht der Film dem Zeitgeist, denn man kennt zwar Antisemiten oder ist gar selbst einer aber man spricht nicht darüber. Die Person Luther begann seine Karriere nicht als Antisemit. In einigen seiner Reden an der Universität zu Wittenberg wandte sich der junge Luther gegen die Exzesse des christlichen Antijudaismus. Ungeachtet dessen, wollte Luther stets die Juden bekehren. Nachdem er sich in einen vollständigen Fürstenknecht verwandelte und sein Lob auf die abstrakte Arbeit zugunsten der Fürsten sang, entwickelte Luther massiv Elemente des „modernen“ Antisemitismus. Luther adelte die Arbeit als solche und verklärte sie zur höchsten Tugend des Christenmenschen. Die Verausgabung von Schweiß ohne nach dem Sinn des Ganzen zu fragen, erklärte Luther zur höchsten Tugend des Christenmenschen. Im Gegensatz zum Kalvinismus hatte Luther einen extrem engen Arbeitsbegriff, der Schweiß an sich, ohne nach dem Gebrauchswert der Glocke zu fragen, war für Luther das non plus ultra. Selbstverständlich verband er dies mit einem extremen Untertanengeist gegenüber der „gottgegebenen Obrigkeit“. Zudem verstand sich Luther als „deutscher Patriot“. Er konstruierte zu seinem Nationalismus und seinem Arbeitsbegriff ein Gegenvolk. Dieses Gegenvolk waren die Juden, Luther schrieb: „daß das deutsche Geld und Gut durch den schmarotzenden und wucherischen Juden bedroht sei“. Weiter schrieb Luther über den angeblichen Gegner : „ Sie faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, saufen, leben sanft und wohl von unserem erarbeiteten Gut“. Luther entwarf ein Konzept der Zwangsarbeit für Juden, war aber zugleich skeptisch bezüglich des Erfolgs. Deshalb plädierte Luther für ihre Vertreibung: „ dass man ihre Synagoge oder ihre Schule mit Feuer anstecke und was nicht verbrennen will mit Erde überhäufe“. Der moderne Antisemitismus des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, konnte sich stark auf den reaktionären Antijudaismus der katholischen Kirche stützen. Wesentlich stärker allerdings auf den offenen Antisemitismus eines Martin Luther. In der Endphase der Weimarer Republik, erwiesen sich neben den roten Arbeiterzentren  die mehrheitlich katholischen Gebiete als wesentlich resistenter gegen die nazistische Ideologie, als das protestantische Milieu. Es geht nicht an einen vollkommen unkritischen Lutherfilm in den Kinos zu tolerieren. Luther war kein Heiliger, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut in einer konkreten historischen Situation. Ein Mensch in seinem Widerspruch, wer die reaktionären und barbarischen Seiten von Luther nicht kritisiert,  von dem ist in der Gegenwart nichts gutes zu erwarten.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.