Entscheidend ist die Tat selbst
11. September – war da was? Einige Fragen nach den Tätern, nach den Ermittlern und an die Strafverfolger des Anschlags vom 11. September

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Eine Katastrophe bedeutet Hochkonjunktur für Philosophen, Ideologen, Schmananen und andere Welterklärer. Der verunsicherte Mensch will wissen, wer das Unglück gebracht hat, damit er ihn strafen oder fliehen kann. Im Krieg gegen Jugoslawien hieß der schnell ausgemachte Schurke Milosevic, seine Terrorbande hieß serbischer Nationalismus. Große Teile der Friedensbewegung übernahmen dieses Feindbild, und so wurde ihre Opposition zum Streit über die rechte Methode, das Übel zu bekämpfen: Hätten nicht Sanktionen ausgereicht? Wäre es nicht besser gewesen, den Diktator ermorden zu lassen? Daß Milosevic und seine Staatsorgane die ihm von der Nato und der Bundesregierung angehängten Verbrechen größtenteils gar nicht verübt hatten, wollte so recht keiner wissen.

Auch nach dem Inferno des 11. September stand der Täter innerhalb von Minuten fest. Und obwohl die US-Regierung bis heute der Öffentlichkeit jeden Beweis für ihre Behauptung, Bin Laden sei es gewesen, schuldig geblieben ist, bestreitet die Friedensbewegung auch dieses Mal die Schuldzuweisung nicht, sondern ruft wieder nur nach anderen als militärischen Waffen zum gemeinsamen Kampf gegen den gemeinsamen Feind.

Dabei steht alles andere als fest, daß die terroristischen Banden Bin Ladens, dem man nach Studium seiner Deklarationen alle scheußlichen Absichten zutrauen darf, auch die Fähigkeit haben, diese Absichten zu verwirklichen. Der Djihadismus - nicht als intellektuelle Pest, sondern als militärische Kraft - ist zunächst nicht mehr als ein artifizielles Monster, das die USA im Nahen und Mittleren Osten (und in Kooperation mit Deutschland auch auf dem Balkan) kreiert haben, um ihre geostrategischen Interessen zu fördern. Die Behauptung, daß dieses Monster sich mittlerweile seines Erzeugers entledigen wolle und selbst die Weltherrschaft anstrebe, vor allem aber, daß es dazu - wie das Massaker vom 11. September zeige - auch in der Lage sei, ist äußerst zweifelhaft.

Soviel ist aus dem Objekt des Angriffs zu schließen: daß seine Täter ein Symbol des Westens, des Kapitalismus und der multikulturelle Realität, die in Manhatten augenfälliger ist als an jedem anderen Ort der Welt, treffen wollten. Doch es könnte ein grober Fehler sein, die Feinde dieses zivilisatorischen Modells nur außerhalb der westlichen Territorien zu vermuten. Mörderischer Haß auf die Moderne, auf die Juden und den Melting Pot ist kein Privileg militanter Moslems, sondern findet sich auch bei christlich-weißen Faschisten. Warum also die Mörder vom 11. September und ihre Auftraggeber nur in den Bergen des Hindukusch suchen und nicht auch den Bergen Montanas, wo die rechtsradikalen Militias zu Hause sind, aus deren Milieu der Oklahoma-Bomber Timothy McVeigh stammt, oder auch in einigen Seilschaften amerikanischer Geheimdienste, die seit den Tagen Edgar Hoovers mit dem Nazi-Sumpf osmotisch verbunden sind?

"Entscheidend ist die Tat selbst" – so lautete leitmotivisch der erste Satz in Matthias Küntzels KONKRET-Artikel (11/01), den er leider zugunsten elaborierter Islamstudien schnell vergessen hat. Kehren wir also zu den Fakten des 11. September zurück und damit zu der Frage, ob "die Tat selbst" für die Urheberschaft und gar die alleinige Urheberschaft Bin Ladens und sein Al Qaida-Netzes sprechen.

Beginnen wir mit dem Todesflug Nummer drei – der Maschine, die das Pentagon zerstört. Dieser Jet wechselt erst die Flugrichtung, als die ersten beiden Maschinen bereits ins World Trade Center gecrasht sind, – dann aber gleich um 180 Grad. Er fliegt zurück Richtung Ostküste, Kurs New York/Washington. Bis zum Sturz ins Pentagon braucht er weitere 40 Minuten. 40 Minuten, in denen die gesamte zivile und militärische Luftüberwachung schon von dem Anschlag in New York weiß. Aber von den zahlreichen Militärflughäfen rund um die US-amerikanische Hauptstadt, darunter dem bei der CIA-Zentrale in Langley, steigt kein Abfangjäger auf. Todesflug drei bleibt 40 Minuten lang unbehelligt.

Dabei sind bereits um 8.53 Uhr zwei F-15-Abfangjäger vom Stützpunkt Cape Cod vor der Küste von Boston gestartet. Um 9.02 Uhr sind sie noch 100 Kilometer von New York entfernt – zu spät, um die Zerstörung des WTC zu verhindern. Warum werden diese Jagdflugzeuge nicht umdirigiert, um Maschine drei vor Washington abzufangen, die seit 8.50 Uhr auf den Radarschirmen verschwunden ist und erst um 9.43 Uhr ihr Ziel findet?

Präsident Bush ist bereits kurz nach der Katastrophe unterwegs zu einem verbunkerten Luftwaffenstützpunkt. Den ganzen Tag wird er nicht in New York auftauchen, um vom Ort des Grauens eine Ansprache an die Nation zu halten. Was zunächst wie Verwirrung oder Feigheit aussieht, klärt sich schnell: Telefonisch haben Terroristen gedroht, auch die Airforce One des Präsidenten anzugreifen. Die Drohung wird ernst genommen, weil die Anrufer zu erkennen geben, daß sie den Geheimcode des Präsidenten geknackt haben. William Safire schlußfolgert in der "New York Times": "Die Kenntnis der Codewörter und der Aufenthaltsorte des Präsidenten sowie der Besitz geheimer Verfahrensabläufe deuten darauf hin, daß die Terroristen einen Maulwurf im Weißen Haus haben könnten – oder Informanten in Secret Service, FBI, FAA (Flugüberwachung) oder CIA."

Auch die 19 mutmaßlichen Kidnapper geben einige Rätsel auf. Nur dreien von ihnen wird bislang eine Verbindung zu Al Qaida nachgesagt. Noch seltsamer: Alle 19 Namen fehlen auf den Passagierlisten, die kurz nach dem 11. September veröffentlicht werden. Erst nach Wochen werden die Listen komplettiert. Dabei ergibt sich ein neuer Widerspruch: Die Platznummern der mutmaßlichen Entführer stimmen laut BBC nicht mit denen überein, die eine Stewardess per Handy kurz vor der Explosion durchgegeben hat.

Gesetzt, die 19 Verdächtigen flogen mit: Besaßen sie genug Flugerfahrung, um die Maschinen bei ihren zum Teil sehr komplizierten Flugmanövern zu steuern (s. dazu das Interview mit Andreas von Bülow auf Seite XX)? Angeblich haben einige ihre Flugschulungsunterlagen im am Flughafen abgestellten Auto zurückgelassen. Haben sie bis zum letzten Augenblick gebüffelt? Warum aber sind diese Flugunterlagen in arabischer Sprache abgefaßt? Ist Arabisch zur internationalen Pilotensprache avanciert? Sitzen die Herstellerfirmen der Bordinstrumente und des anderen High Tech mittlerweile in Kairo oder Riad und verfassen ihre Gerätebeschreibungen nicht mehr in Englisch?

Dann das Testament der angeblichen Entführer. Dieses arabische Dokument bleibt so unsichtbar wie Scharpings Hufeisenplan. Alles, was wir zu sehen bekommen – unter anderem auf der Titelseite der "Bild"-Zeitung –, ist das Faksimile einer englischen Übersetzung. Aber selbst diese Fassung macht stutzig: Warum beginnt der Text nicht mit der Formel, die alle strenggläubigen Moslems – so selbstverständlich auch Bin Laden in seinen Ansprachen – anwenden: "Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet." Auch bei dem sogenannten Anweisungsschreiben für Atta fehlt jede Einleitung. Stattdessen findet sich darin die kryptische Aufforderung, er möge die prospektiven Opfer ausrauben. Liest sich so der Marschbefehl für einen Selbstmordattentäter?

Vermutlich ließen sich manche Ungereimtheiten aufklären, wäre der Inhalt der Flugschreiber und der Voice-Boxes bekannt. Doch obwohl die von den Flügen drei und vier geborgen sind, werden sie von den US-Behörden nicht freigegeben. Die der Flügen eins und zwei sind bislang unter den Trümmern des WTC nicht gefunden worden, vermutlich sind sie verbrannt. Nicht verbrannt ist allerdings der Ausweis eines der mutmaßlichen Entführer, den man unversehrt einige Blocks von Ground Zero entfernt gefunden hat. Er muß beim Absturz aus der Brieftasche des Arabers herausgefallen sein, dann den Weg aus der brennenden Maschine gefunden haben und sich ein feuergeschütztes Plätzchen gesucht haben.

Cui bono? Ein Verbrecher hat ein Motiv. In der Hochzeit des politischen Feuilletons ist es allerdings beinahe schon politisch inkorrekt geworden, nach Interessen zu fragen. Kategorien wie Profitmaximierung, Finanzkapital und Börsenspekulation stehen beinahe schon im Ruch des Antisemitismus. Fragen wir trotzdem: Wie eng waren die Geschäftsbeziehungen der US-amerikanischen Ölindustrie mit den Terroristen der Taliban (siehe den Beitrag von Ralf Schröder auf Seite XX)? Haben sich die Familie Bush und die Familie Bin Laden, die über die Anlagefirma Carlyle so einträchtig an der Rüstung verdienten, jemals überworfen? Was wissen die Herren der Deutschen Bank über Insidergeschäfte vor dem 11. September, die in großem Umfang über ihre US-amerikanische Tochter Banker's Trust abgewickelt wurden? Und: Welche Rolle spielt "Buzzy" Krongard, seit März dieses Jahres Executive Director der CIA und früher bei Banker's Trust Anlageberater für schwerreiche Privatkunden? Aus seiner ehemaligen Abteilung wurden viele der verdächtigen Put-Options plaziert.

Einer der ganz offensichtlichen Profiteure der Weltkrise seit dem 11. September ist Pakistan. Das Land wird als Aufmarschgebiet und möglicher Ordnungsfaktor für ein Nachkriegs-Afghanistan mit Krediten und Hilfsgeldern überschwemmt. Hat die Spitze der US-Administration noch die Kontrolle über ihren langjährigen Partner, den pakistanischen Geheimdienst ISI? "Wer hat Abdul Haq verraten?", fragte die "FAZ" Anfang November. Der Mudjahedin-Führer war kurz vorher in einer verdeckten Operation nach Afghanistan gebracht worden, um eine zweite Front südöstlich von Kabul aufzubauen. Doch kurz nach der Landung wurde er von den Taliban aufgespürt und liquidiert. Die "FAZ" äußert den "schrecklichen Verdacht", daß Haq "vom pakistanischen Geheimdienst ISI ... verraten wurde". Ein Insider: "Die Amerikaner sind äußerst besorgt über ein Leck. Das würde all ihre künftigen Operationen betreffen."

Nur die künftigen? Oder auch die vergangenen? Am 4. September traf der ISI-Spionagechef Mahmoud Ahmad in New York ein und führte in den folgenden Tagen Gespräche mit CIA- und Pentagon-Vertretern. Nach dem Horror vom 11. September verlor er seinen Posten, angeblich im Zuge einer routinemäßigen Umbesetzung. Die indische Regierung will allerdings von Kontakten General Ahmads zu Mohamed Atta wissen. "Die Beweise, die wir (die indische Regierung) an die USA gegeben haben, bestehen aus weitaus mehr als nur einem Stück Papier, das einen Schurkengeneral zu einem falsch plazierten Terrorakt in Verbindung setzt", zitierte AFP.

Jürgen Elsässer

Editoriale Anmerkung: 
Dieser Text erschien in der 
KONKRET 12/2001 und wurde von http://www.juergen-elsaesser.de  gespiegelt.