Die PDS nach Dresden und Berlin
Trotz Wahlerfolg dauern die Kontroversen an


von Bruno Mander

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Der durch US-Präsident Bush unter Ausnutzung der schwersten Terrorakte der Geschichte und allgemeiner weltweiter Unbeliebtheit der Taliban vom Zaun gebrochene, vom britischen, bundesdeutschen und anderen Imperialismen unterstützte Krieg in Mittelasien ist der PDS — so makaber das klingt — gut bekommen.

Da sie die einzige Antikriegspartei der Bundesrepublik blieb, wurde ihr die zum Dresdner Parteitag am 6./7.10. erwartete schwere Kraftprobe nicht zuteil, obwohl Gregor Gysi weiter am Konzept militärischer "Polizeiaktionen gegen Terroristen" festhält. Bei den Wahlen am 21.10. zum Berliner Abgeordnetenhaus errang sie, ebenfalls als Friedenpartei, ihren bisher bedeutendsten Hauptstadt-Sieg.

Vorgeschichte der Wahl waren ein von CDU-Oberen verursachter Schuldenskandal, den es in dieser Höhe selbst hier noch nicht gegeben hatte, ferner die Auswechslung der CDU-SPD- durch eine SPD-Grüne-Regierung und erste Pläne, die entstandene Misere auf die übliche Weise, voll zu Lasten der Bevölkerung, zu beheben. Bei der Wahl sank der CDU-Stimmenanteil verdientermaßen von 40,8 auf 23,7%. Der SPD gelang es, den Makel eines Mitschuldigen am Finanzdesaster loszuwerden. Sie wurde mit 29,7 statt vorher 22,4% wieder stärkste Partei, war aber nicht imstande, allein oder nur zusammen mit den Grünen weiterzuregieren. Deren Anteil verminderte sich um 0,8 auf 9,1%, während die FDP durch Gewinne aus der CDU-Konkursmasse von 2,2 auf 9,9% kam.

Am wichtigsten war das Ergebnis der PDS. Als Friedenspartei und auch wegen ihres eloquenten Spitzenkandidaten Gysi steigerte sie ihren Stimmenanteil von 17,7 auf 22,6%, errang mit 47,6% in Ostberlin fast die absolute Mehrheit und brachte es im Westen erstmals auf mehr als fünf, nämlich 6,9%. Den Zuwachs verdankte sie vor allem jüngeren Wählern, in Westberlin besonders enttäuschten früheren SympathisantInnen der Grünen. Die CDU kam für den künftigen Senat wegen allzu inniger Verstrickung in den Schuldenskandal nicht in Frage. Nach den Regeln parlamentarischer Demokratie hätte fortan die SPD zusammen mit der PDS, vielleicht noch zusätzlich mit den Grünen, regieren müssen. In den Sondierungsgesprächen mit der SPD tat die PDS-Delegation unter Gysi alles, was möglich und irgendwie tragbar war, um das Bündnis beider Parteien herbei zu führen. Sie war sogar zur freiwilligen Einengung ihres Mitentscheidungsrechts bei Beschlüssen über innenpolitische und soziale Fragen im Bundesrat bereit. Zum Leidwesen auch der auf Senatsposten erpichten PDS-Funktionäre kam es jedoch wegen der Krieg-Frieden-Frage nicht dazu.

Gleich nach dem Dresdner Parteitag hatten die Spitzen von Sozialdemokratie und Bundesregierung, einem Appell des CDU/CSU-Fraktionschefs folgend, die PDS zeitweise von vertraulichen Informationen über den sich damals anbahnenden Krieg ausgeschlossen, weshalb sie nichts vom unmittelbar bevorstehenden Beginn amerikanisch-britischer Luftangriffe erfuhr. SPD-Generalsekretär Müntefering begründete das damit, dass die Führung dieser Partei einschließlich Gysi "auf dramatische Art versagt und damit deutlich gemacht (habe), dass sie in überhaupt keiner Weise regierungsfähig ist auf Bundesebene". Der kurz zuvor eingeschlagene Kurs auf volle Eingliederung der PDS ins Establishment war damit revidiert.

Am 29.10. offenbarte der Berliner Landesvorstand der SPD, dass der Makel angeblicher Nichtregierungsfähigkeit auch für die Hauptstadt gelten sollte. Unter erpresserischem Druck des Kanzlers und Bundesparteivorsitzenden Schröder, der mit dem möglichen Ausbleiben finanzieller Berlinhilfen drohte, votierte der Vorstand mit 17 zu 8 Stimmen für ein Ampelbündnis zwischen den Kriegsparteien SPD, FDP und Grüne.

Kommunisten und linke Sozialisten, die stets für energische Opposition statt Anbiederung an die Herrschenden der erweiterten Bundesrepublik eingetreten sind, haben auf die Entwicklung gelassen reagiert. Denn eigentlich hat die PDS auch diesmal Glück gehabt. Statt beim Sanieren der von anderen ruinierten Berlin-Finanzen mitwirken zu müssen, kann sie von gestärkten Positionen aus allzu neoliberal-asoziale "Lösungen" verhindern helfen.

Zudem trug Schröder indirekt zur Minderung des Ansehens der PDS-Konkurrenten SPD und Grüne bei, indem er gratis schätzenswerten Anschauungsunterricht über den autoritären Charakter seiner Politik erteilte, die der unbedingten Unterstützung des völkerrechtswidrigen Krieges von USA und NATO gilt. Innerhalb der PDS wurde eine Atempause beim Streit um Regierungsbeteiligungen erreicht. Sie macht es Mitgliedern und Sympathisanten möglich, sich intensiver und ohne falsche Rücksichtnahmen um eine sozialistisch-demokratische Politik und Programmatik zu bemühen.

Dass die Kontroversen in der Partei andauern, hat am 10.11. der Parteirat der PDS durch einen Offenen Brief an den Vorstand deutlich gemacht. Zum ersten Mal in der Parteigeschichte übt dieses Gremium, das in den letzten Monaten mehrmals in Sachen der von ihm bejahten Programmdiskussion bei Gleichbehandlung aller vorliegenden Entwürfe von der Führung düpiert wurde, öffentlich Kritik an der tendenziellen Missachtung der innerparteilichen Demokratie durch maßgebliche Parteiobere.

Der Rat, heißt es in dem Brief, sei bei wichtigen Entscheidungen vom Vorstand übergangen worden. Gabi Zimmer und Bundesgeschäftsführer Bartsch hätten Vorstellungen des Parteirats zwar angehört, sie jedoch ignoriert. Die für Kontakte zu ihm verantwortliche Vizevorsitzende Pau habe kaum einmal an seinen Sitzungen teilgenommen. Der Rat konstatiert, dass wegen dieser Zustände einige seiner langjährigen aktiven Mitarbeiter bereits zurücktraten oder nicht mehr für ihn kandidieren werden. Zugleich verwendet er sich gegen eine Sperrung der im Finanzplan vorgesehenen Mittel für den Hamburger Landesvorstand, weil politische Differenzen nicht durch finanziellen Druck beigelegt werden könnten.

Der Offene Brief ist eine ernste Warnung an jene in der Parteispitze, die den Kurs der Anpassung an eingefahrene, z.T. auch längst verrottete BRD-Verhältnisse ohne Rücksicht auf die eigene Basis in den letzten Monaten forciert haben.

Editoriale Anmerkungen:

Der Text ist eine Spiegelung von http://members.aol.com/sozlmn/0124081.htm . Er erschien zu erst in der SoZ Nr.24 vom 22.11.2001, Seite 8