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BSE - vertuscht - verharmlost - verbreitet
Rote Fahne vom Nr.48/00 30.11.2000

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Ein Thema beherrscht die gegenwärtige Diskussion: BSE - die von verseuchten Rindern auf Menschen übertragene, bislang unheilbare Krankheit. In den Debatten in den Werkskantinen, vor den Kindergärten und in den Supermärkten geht es um mehr als darum, was man denn überhaupt noch essen kann, ohne Angst um die Gesundheit haben zu müssen. Was ist solchen Politikern noch alles zuzutrauen, die jahrelang skrupellos die Seuche vertuschten, verharmlosten und damit ihre Verbreitung überhaupt erst möglich machten? Was ist von einem SPD-Landwirtschaftsminister zu halten, der noch vor zwei Wochen vollmundig tönte: »Deutschland ist BSE-frei!«. Was von einer grünen Gesundheitsministerin, die schon unbeliebt genug ist dank ihrer Kahlschlagspolitik im Gesundheitswesen. Und die nun unverschämt die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung für die Ausbreitung von BSE verantwortlich macht? Die für das Desaster der BSE-Politik verantwortlichen Politiker und Regierungen müssen - samt den im Hintergrund agierenden Nahrungsmittelmonopolen - zur Rechenschaft gezogen werden. Und zwar schleunigst!

Mit seiner verlogenen Behauptung vom BSE-freien Deutschland ist Schröders Landwirtschaftsminister Funke direkt in die Fußstapfen seines Vorgängers unter der Kohl-Regierung, Borcherts, marschiert. Der erklärte 1996: »Deutsches Rindfleisch ist sicher!«

Nach der offiziellen Entdeckung der ersten zwei deutschen - nicht importierten - BSE-Rinder ist das Lügengebäude vom BSE-freien Deutschland vor aller Augen zusammengebrochen. Die bisherige Bilanz der Seuche: 177434 BSE-Fälle mittlerweile in Großbritannien, europaweit an die 180000, die ersten Meldungen jetzt auch aus Spanien und Dänemark.

Erst die Spitze des Eisbergs bilden die Menschen, die bisher nachweislich an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJK) erkrankt oder gestorben sind, hervorgerufen durch den Verzehr verseuchter Rindfleischprodukte: in England 88 Menschen, in Frankreich zwei und auch bei uns wurden gerade die ersten zwei Verdachtsfälle gemeldet.

Die Prognosen für die vCJK-Epidemie schwanken zwischen einigen hundert und 1,5 Millionen Opfern allein in Großbritannien.

Der Rindfleischmarkt ist inzwischen zum großen Teil zusammengebrochen, was das Bauernlegen auf katastrophale Art und Weise beschleunigen wird.

Längst liegen noch nicht alle Fakten auf dem Tisch. Gerade erst wurden offiziell verbotene Gehirn- und Rückenmarksubstanzen von Rindern in deutscher Wurst nachgewiesen, ebenso Tiermehlbeimengungen in Rindermischfutter. Sind jetzt auch Schafe, Schweine, Hühner oder Fische mit BSE verseucht? Es deutet einiges darauf hin. Oder wie viele BSE/vCJK-Kranke werden wohl aus Unwissenheit oder Vorsatz unter »Alzheimer« oder »Altersdemenz« verbucht?

Regierung und bürgerliche Medien tun jetzt so, als sei die Seuche über Nacht vom Himmel gefallen. Sie spielen vor allem die persönliche Ernährung zur alles entscheidenden Kardinalfrage hoch. Natürlich kann man besonders riskante Lebensmittel so gut es geht meiden. Aber die Lage auf dem Lebensmittelmarkt ist völlig unübersichtlich und niemand kann eine wirkliche Garantie für die Unbedenklichkeit eines Produkts übernehmen. Einige der britischen vCJK-Opfer lebten ja sogar seit langem strikt vegetarisch. Es ist eine Illusion zu glauben, jedermann könne unter den Bedingungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus eine umfassende Kontrolle über seine eigene Nahrung organisieren.

Beispiel Tiermehl: Wenn das Tiermehl jetzt generell verboten wird, was kommt dann vor allem in die Futtertröge? Raps, Erbsen, Bohnen - und genmanipuliertes Soja. Wo die bürgerlich-kapitalistische Regierungspolitik vorgibt, eine Lösung zu haben, da wirft sie oft nur neue Probleme auf.

Die Lunte wurde vor Jahren gelegt

Die Lunte für die Zeitbombe BSE wurde schon vor Jahren gelegt. Zwischen 1986 (dem Ausbruch der Seuche) und 1996 (dem EU-Importverbot) kamen mindestens 40000 Tonnen britisches Rindfleisch ins Land. Allein 1988/89 wurden mindestens 2400 Tonnen britisches Kraftfutter eingeführt, das aller Wahrscheinlichkeit nach verseucht war. Und dazu noch 13000 britische Rinder (bis 1993). Jetzt also nur auf die eigene Ernährung zu achten und Rindfleischprodukte zu meiden, ist wenig erfolgversprechend. Dabei versteigt sich Bundesgesundheitsministerin Fischer sogar zu der Behauptung, der Verbraucher sei ja schließlich selber schuld: »Die Ursache ist: Wir haben alle zu viel Fleisch zu billig auf dem Teller.« (in »Sabine Christiansen«, ARD, 26.11.00). In einer Zeit, in der immer mehr Menschen immer weniger im Geldbeutel und auf dem Teller haben, ist eine solche Behauptung wirklich der Gipfel der Unverschämtheit. Als ob es den Lohnraub, die Arbeitsplatzvernichtung, die Steuererhöhungen, die Verteuerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten der letzten Jahre nicht gegeben hätte. Was weiß diese Frau schon von den Sorgen der Werktätigen! Wer so arrogant und massenfeindlich über die Probleme der Menschen hinweggeht und von seiner eigenen politischen Verantwortung ablenkt, der sollte entsprechend zur Rechenschaft gezogen werden!

Fischer und Funke müssen zurücktreten!

Das betrifft auch einen Herrn namens Funke, seines Zeichens Bundeslandwirtschaftsminister. Noch vor zwei Wochen verbreitete er eifrig das Märchen vom BSE-freien Deutschland und lehnte jedes Verbot einer Tiermehlverfütterung strikt ab. Und heute behauptet er das Gegenteil und tut so, als ob er rein gar nichts damit zu tun gehabt hätte. Dabei hat er die ganze Zeit wissentlich die weitere Verseuchung von Mensch und Tier mit dem Rinderwahnsinn in Kauf genommen! Warum wohl? Weil die Schröder/Fischer-Regierung das ganze Ausmaß des BSE-Skandals unter den Teppich kehren wollte.

Schröder und Fischer wissen genau: Nach zwei Ministerrücktritten ist das Vertrauen der Bevölkerung in diese Regierung keinesfalls zurückgekehrt. Riesters Rentenpläne, Fischers Gesundheits»reform«, Scharpings Aufrüstung der Bundeswehr, des neuen Verkehrsministers Kahlschlagpläne für die Bahn. Trittins Kniefall vor der Atomindustrie ... und nun BSE!

Das blieb von Schröders versprochenem »Politikwechsel«!

Der Wahnsinn hat Methode

Hätte man von Anfang an alles Notwendige dafür getan, die BSE-Seuche konsequent zu bekämpfen - BSE gäbe es heute nicht mehr. Aber die Fleisch- und Handelskonzerne fürchteten um ihre Profite. Dass es dabei nicht um »peanuts« geht, zeigen die Umsatzzahlen führender deutscher Fleischkonzerne (die auch in Europa führend sind): Moksel 3,3 Milliarden DM (1998), Nordfleisch 2,7 Milliarden DM (1999), Westfleisch 1,4 Milliarden DM (1999). Die beiden letztgenannten haben erst kürzlich fusioniert, um im internationalen Konkurrenzkampf der ganz großen Handelsmonopole mithalten zu können.

Die Regierungen als Geschäftsführer der Monopole waren von Anfang an vor allem darum bemüht, diesen profitablen Rindfleischmarkt nicht zusammenbrechen zu lassen. Entsprechend sah zum Beispiel die erste BSE-Maßnahme der britischen Regierung aus: 18 Monate lang wurden alle Tierärzte dazu verpflichtet, über die Seuche Stillschweigen zu bewahren. Und noch im März 1996 wurden die britischen Allgemeinärzte offiziell angewiesen, ihre Patienten nicht vor dem Verzehr von Rindfleisch zu warnen. Die bürgerliche EU-Politik stieß in das gleiche Horn: »Man muss diese BSE-Affäre herunterspielen, indem man sich der Desinformation bedient.« (Aktennotiz der EU-Kommission)

Profitinteresse geht über Leichen

Und was macht die EU-Politik heute? Sie verdoppelt die Exporthilfe für Rindfleisch. Mit einer drastischen Erhöhung der Ausfuhrsubventionen um 130 Prozent für Schlachtkühe will sie den totalen Zusammenbruch des Rindfleischmarktes verhindern. Das exportierte Fleisch geht vor allem nach Russland und in den mittleren Osten (FAZ, 27.11.00). Das ist die menschenverachtende Logik des Kapitals: Wenn wir unseren Profit nicht im eigenen Land realisieren können, dann tun wir es eben woanders. Was schert es da, ob das Fleisch verseucht ist. Für die Russen ist es allemal noch gut genug.

Die Schröder/Fischer-Regierung hat die BSE-Politik der systematischen Desinformation und Desorganisation der Kohl-Regierung und der EU-Kommission nahtlos weitergeführt. Sie hat zum Beispiel die Kennzeichnungspflicht für Rindfleisch nur halbherzig umgesetzt. Sie hat sich dem frühzeitigen und lückenlosen Einsatz von zuverlässigen BSE-Tests widersetzt und sie hat die Aufhebung des Importstopps für britisches Rindfleisch mitgetragen.

Das gilt übrigens auch für Bärbel Höhn (Umweltministerin von NRW), die zurzeit ja als aufrechte grüne Gallionsfigur im Kampf gegen BSE hoch gehandelt wird. Wenn ihr Kampf gegen BSE wirklich ehrlich gemeint gewesen wäre, dann hätte Bärbel Höhn schon längst von sich aus zurücktreten müssen.

Auch die jetzt eilig ausgerufenen Einzelmaßnahmen wie generelles Fütterungsverbot von Tiermehl und Durchführung von Schnelltests reichen nicht aus, das Problem in den Griff zu bekommen. Wenn jetzt beispielsweise von »flächendeckenden« BSE-Tests gesprochen wird, dann ist das blanke Augenwischerei. Denn die angewendeten Tests sind nur bei Rindern wirksam, die älter als 30 Monate sind. 60 Prozent unseres Schlachtviehs sind aber deutlich jünger! Dabei gibt es alternative Testverfahren, die alle Altersklassen erfassen (gerade wurde in England ein entsprechender Harntest am lebenden Tier zugelassen), aber die sind teurer als die herkömmlichen. Flächendeckende Tests ja, aber bitte lückenlos!

Mit Einzelmaßnahmen ist der Seuche nicht beizukommen, dazu bedarf es schon einer systematischen Analyse und Vorgehensweise. Die MLPD hat in den letzten Jahren mit Artikeln, Vorträgen und einer Broschüre (siehe S. 4) dazu beigetragen, in dieser Frage einen richtigen Standpunkt zu entwickeln. Die Broschüre »Zeitbombe Rinderwahnsinn«, geschrieben 1996, gibt auch vom heutigen Erkenntnisstand aus eine grundsätzlich richtige Einschätzung über die Hintergründe von BSE. In ihr ist auch bereits ein Maßnahmenkatalog enthalten, wie die BSE-Seuche wirksam bekämpft werden kann.

BSE politisch bekämpfen

Die Seuche muss vor allem politisch bekämpft werden, nicht zuletzt, weil es dabei ja auch um die Zukunft der Kinder und Jugendlichen geht. BSE ist eine Begleiterscheinung der Allgemeinen Krise des Kapitalismus, ein zugespitzter Ausdruck der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die den Menschen in diesem Gesellschaftssystem aufgezwungen werden.

Eine umfassende und sichere Gewährleistung der Nahrungsmittelproduktion wird erst unter der gesellschaftlichen Führung und Kontrolle der Arbeiterklasse im echten Sozialismus möglich sein. Erst dann hat sie die entsprechende politische Macht in Händen und die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel.

Jetzt vor allem muss BSE auch ein Brennpunkt der kämpferischen Arbeiter- und Volksbewegung werden beim Aufbau der kämpferischen Opposition gegen die ganze massenfeindliche Politik der Schröder/Fischer-Regierung. Das erfordert auch eine engere Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg.

Nur eine Bewegung mit starkem internationalen proletarischen Rückgrat kann die Durchschlagskraft entfalten, die nötig ist, damit BSE wirklich schnell weg vom Tisch kommt - im wahrsten Sinne des Wortes.

Herbert Buchta

Wie die BSE-Seuche wirksam bekämpft werden kann - auf Kosten der Profite!

  • Beschleunigte Entwicklung eines BSE-Diagnostik-Tests am lebenden Rind. (...)
  • Sofortige routinemäßige Kontrolle aller Rinderhirne in den Schlachthöfen;
  • Sofortige Einführung einer lückenlosen Kennzeichnungspflicht für Schlachtvieh;
  • Sofortige Deklarationspflicht für Rindfleisch und rindfleischhaltige Produkte bei Lebensmitteln, Kosmetika und pharmazeutischen Produkten;
  • Sofortiges generelles Fütterungsverbot von Tiermehl, auch bei Schweinen, Hühnern und Fischen;
  • Aufrechterhaltung des Importverbotes für britisches Rindfleisch bis zum wissenschaftlichen Nachweis einer wirksamen Kontrolle und Bekämpfung;
  • Volle Publizität über die statistische Entwicklung von Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen und damit verwandten Krankheitsformen;
  • Unmittelbare Einleitung eines Forschungsprogramms zur Therapie von CJS-artigen Gehirnerkrankungen;
  • Übernahme aller entstandenen Kosten durch die Verursacher, die großen Agrar- und Fleischmonopole - keine Abwälzung auf Klein- und Mittelbauern und die Staatskasse!
  • Strafrechtliche Verfolgung der Verursacher, Förderer und Dulder der Seuche aus der Wirtschaft und ihrer Verbündeten im Bundesministerium für Gesundheit!

(entnommen aus: »Zeitbombe Rinderwahnsinn«, Verlag Neuer Weg, Essen 1996)