In Chile ist eine Kampagne angelaufen, eine internationale Nazi-Konferenz zu verhindern, die im nächsten Jahr am 20. April
(Hitlers Geburtstag) stattfinden soll. Die Konferenz wird von der Patria Nueva Sociedad (Neue Vaterlandsgesellschaft)
organisiert, die ihren ersten nationalen Kongreß vom 17. bis 20. April in diesem Jahr abgehalten hat.
Die PNS ist ebenso wie viele Nazi-Organisationen in anderen Ländern darauf bedacht, sich als "new" und keinesfalls
nationalsozialistisch darzustellen. Der Chef der Organisation, Alexis Lopez, hat mit seiner Partei und dem geplanten Kongreß
in der chilenischen Presse viel Aufmerksamkeit erregt. Bei der Konferenz soll es darum gehen, in internationalem Rahmen
Richtung und Umsetzung nationalsozialistischer Ideologie für das nächste Jahrtausend zu diskutieren.
Die PNS hat einen elf Punkte umfassenden Plan vorgelegt, in dem das Sonnenrad zum Parteisymbol erklärt wird, und der großen
Wert auf ökologische Themen legt. Die Bosse der Organisationen haben seltsame Titel wie "Führer der 5. Region" [Führer
offenbar im Original deutsch. d.Ü], oder "Leutnant". Die PNS ist relativ klein (es ist schwierig, genauere Mitgliederzahlen
zu ermitteln) im Vergleich zu der umfangreichen Publizität, die sie kürzlich erhalten hat.
Trotz ihrer Beteuerung, den Nationalsozialismus aufgegeben zu haben, ist die von Lopez herausgegebene Parteizeitung
"Pendragon", eine Hardcore-Nazipublikation, die beispielsweise
feststellt, daß die wirtschaftlichen Pläne für die Andenregion Teil einer jüdischen
Finanzverschwörung seien.
In Chile gibt es keine Gesetze gegen Rassenhaß. Das Unterhaus des chilenischen Kongresses hat allerdings über die Legalität
der PNS und des geplanten Nazikongresses diskutiert. Es stimmte
dafür, den Nazikongreß abzulehnen; Organisationen, die eine Nazi-Satzung haben, zu verbieten, und Organisationen, die den
Rassenhaß fördern, nicht anzuerkennen. Das Unterhaus hat zwar
die Regierung aufgefordert, den Nazi-Kongreß zu verbieten, doch erscheint es angesichts der Unfähigkeit der Regierung, General
Pinochet vor Gericht zu bringen, eher unwahrscheinlich, daß sie
ohne ernsthaften internationalen Druck handeln wird.
Eine Reihe von Organisationen und Einzelpersonen hat gegen den Kongreß protestiert. Die christdemokratischen Abgeordneten
Ricardo Rincon und Patricio Walker haben versichert, daß sie
alles unternehmen wollen, um den Kongreß zu verhindern. Rincon sagte gegenüber Journalisten, daß es notwendig sei, möglichst
umfassende Informationen "über die Vorbereitungen zu sammeln
und Listen von Neonazis anzulegen, um sie an der Einreise zu hindern". Walker beschuldigt die PNS, die Absicht zu haben,
"paramilitärische Gruppen mit Absicht zu bilden, das friedliche
Zusammenleben im Land zu unterminieren".
Früher in diesem Jahr fand eine Demonstration von 200 JüdInnen statt. Sie forderten von Präsident Frei, den
Gesetzgebungsprozeß zu beschleunigen, um Nazigruppen in Chile verbieten zu können. Ein Transparent auf der Demonstration
zeigte Hakenkreuz und Sonnenrad Seite an Seite - eine deutliche Kennzeichnung des neuen Images des PNS. Ruperto Munoz, Mitglied
der Zionistischen Gesellschaft in Chile, sagte, daß "dieser Kongreß in zehn Ländern von den Behörden verboten wurde. Sollte
er in Chile stattfinden, geschähe dies im Gegensatz zu den demokratischen Werten der überwältigenden Mehrheit der
Chilenen." Yoram Rovner, Direktor der jüdischen Zeitschrift
"Der Ruf", hat Lopez und dessen Anhänger beschuldigt, "Wölfe im Schafspelz" zu sein.
Der Jüdische Weltkongreß hat seine Empörung geäußert. Der Generalsekretär, Israel Singer, beabsichtigt, nach Chile zu
reisen, um gegenüber den Behörden zu proteestieren. Er sagte
der Presseagentur Reuters: "Wir werden den Chilenen und der ganzen Welt sagen, daß wir diese Rücksichtslosigkeit gegenüber
Mindernheiten nicht akzeptieren ... Wir werden die Öffentlichkeit mobilisieren. Chile hat eine Wirtschaft, es hat
Touristen, es ist eine Demokratie, und es wird diese Art öffentlicher Empörung nicht haben wollen." Er fügte hinzu, daß
es keine Überraschung sei, den Nazikongreß in einem Teil der Welt zu sehen, der über Jahrzehnte von rechtsgerichteten
Regimes beherrscht wurde. "In Lateinamerika konnten sich die Nazis nach dem zweiten Weltkrieg wohl fühlen", sagte er. "Wir
wollen nicht, daß sie sich auch heute wohl fühlen."
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