Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Völkische Siedler neuen Typs im Osten
Zeitgenössische französische Faschisten zieht es nach Ost- und Südosteuropa. Umzüge und Kuppeleien inklusive

11/2020

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Manche hatten sich in jüngerer Zeit schon gefragt, wo Daniel Conversano abgeblieben war. Der Franzose italienischer Abstammung, im März 1986 in Grenoble geboren, ist eine Berühmtheit in der rechtsextremen Szene in Frankreich. Selbsternannter „Verteidiger der weißen und europäischen Rasse“ und erklärter Prophet eines bevorstehenden „Rassenkriegs“, Betreiber und Autor vielgelesener Blogseiten wie La France und Vive l’Europe, dessen Publikationen jedoch seit dem 11. September 2019 bei Facebook und Instagram blockiert werden…

Über das „identitäre“ und ungeschminkt rassistische Milieu hinaus richtig berühmt wurde Conversano jedoch durch die Aufnahmen, die am 08. Dezember 2016 im Studio des damaligen Youtube-Fernsehkanals des früheren Kabarretisten und mittlerweile hauptberuflichen Antisemiten sowie Internet-Geschäftemachers Dieudonné M’bala M’bala entstanden.

Conversano war zeitweilig dessen technischer Mitarbeiter. An jenem Tag sollte er jedoch in einer Sendung mit dem langjährigen ideologischen Stichwortgeber Dieudonnés – Letzterer ist in der Öffentlichkeit vor allem unter seinem Vor- und zugleich Künstlernamen bekannt -, dem gleichfalls besessen antisemitischen Schriftsteller Alain Soral, diskutieren. Die Debatte artete schnell aus. Soral beschimpfte Conversano als Zionist, und dieser jenen als Araberfreund. Daraufhin rastete Soral, der zeitweilig auch Boxunterricht erteilte, förmlich aus und verpasste Conversano einen rechten Haken. Nach fünfminutiger Unterbrechung und nach gutem Zureden an beide Protagonisten wurde die Diskussion dennoch fortgesetzt. Kurz darauf wurde Soral jedoch rückfällig, die Sache endete mit einem Fußtritt ins Gesicht und einer geplatzten, blutenden Lippe bei Conversano. Die Szene wurde ausgestrahlt und das Video über 300.000 mal angeklickt, inner- und außerhalb der extremen Rechten. (Vgl. u.a. : https://www.youtube.com/watch?v und: https://www.youtube.com/watch?v4  )

Das alles ist Schnee von gestern. Heute lebt Conversano stolz und glücklich in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, von wo aus er sich mit verpixeltem Gesicht per Skype an eine Fangemeinde in Frankreich wendet. Dorthin wanderte er im Oktober 2018 aus. Doch weder ist diese Entscheidung auf eine plötzliche Offenheit für Migration und „Völkermischung“ zurückzuführen, noch erfolgte sie in irgendeiner Weise überraschend. Denn bereits im Jahr 2013 schwärmte Conversano infolge einer Reise in die Tschechische Republik öffentlich in lauten Tönen von diesem Osten Europas, welcher vor Zuwanderung „bewahrt“ sei: „Kein Schwarzer, kein Araber. Ich hatte den Eindruck, zu mir selbst zu finden.“

Der Mann leitete daraus eine Strategie ab: Rassebewusste Franzosen sollten sich dort niederlassen und ethnisch reine Gemeinschaften bilden, sich mit örtlichen Frauen fortpflanzen und auf die Dauer auch politischen Einfluss nehmen. Auf diese Weise könnten sie im Laufe der Zeit auch auf das, bereits durch Einwanderung und Vermischung verdorbene, Frankreich rückwirken. Bis zum Jahresende 2019 zählte er offiziell vierzehn Geburten in einem solchen Zusammenhang.

Vor seiner eigenen Auswanderung hatte Conversano noch an der Spitze der 2016 von ihm gegründeten Gemeinschaft Suavelos („Glück“ auf keltisch), die rund 600 aktive Mitglieder zählt, rein weiße Landkommunen in mehr oder minder abgelegenen Ecken Frankreichs, Belgiens und der Schweiz aufzuziehen versucht. Nun ersetzte er diese Perspektive also durch eine osteuropäische.

Eine Reihe von Gesinnungskumpanen sind ihm gefolgt; dem Buchautor Paul Conge zufolge um die 200 auf Aufruf Conversanons hin. Weitere französische Verteidiger eines Europas der weißen Rasse könnten darüber hinaus unabhängig von ihm auf eine ähnliche Idee gekommen sein. Conge, junger Journalist beim Magazin Express und zuvor bei der Wochenzeitschrift Marianne, ansonsten Justizexperte, folgte ihren Spuren. Sein Buch zum Thema, Les Grands-remplacés, also „Die Groß-Ausgetauschten“ unter Anlehnung an das von dem rechtsextremen Schriftsteller und Ideologen Renaud Camus entworfene Konzept vom großen Volksaustausch (Le grand remplacement), ist am 03. September dieses Jahres erschienen.

Unter den von ihm Portraitierten findet sich etwa auch „Alexandre“, von dem man nur den Vornamen erfährt und die Tatsache, dass er bereits 2017 nach Rumänien auswanderte. Er baute demnach zusammen mit Alain Soral dessen 2011 gegründeten Onlinehandel Kontre Kulture auf. Dieser Gemischtwarenladen im Internet, als dessen Gründer offiziell allein Soral firmiert, mit Julien Limes als Geschäftsführer, wurde mehrfach gerichtlich verurteilt, unter anderem wegen des Vertriebs antisemitischer Klassiker wie La France juive von Edouard Drumont aus dem späten 19. Jahrhundert.

Soral wurde am vorigen Donnerstag, den 24. September 20 wegen der Wiederaufnahme des bereits gerichtlich verbotenen Vertriebs solcher Schriften zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 134.400 Euro an die liberal-konservative Antirassismusorganisation LICRA (Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus) als Nebenklägerin verurteilt. Da Soral auch mehrere noch nicht angetretene, zum Teil noch nicht rechtskräftige Haftstrafen offen hat, die sich insgesamt auf bis zu zwei Jahre summieren, scheint seine nähere Zukunft nicht rosig. Sollte er die Geldbußen nicht zahlen, werden weitere Haftperioden hinzukommen. Auch vor diesem Hintergrund dürfte eine Auswanderung in ein „weißes“ Paradies in Europa da manchem seiner Mitstreiter eine günstige Alternative zum Weitermachen darstellen.

Nach dem totalen Scheitern der im November 2014 durch Dieudonné und Soral angekündigten Parteigründung befindet ihre Strömung sich, im Vergleich zu anderen Fraktionen der extremen Rechten, eher im Niedergang. Aber auch aus anderen Unterströmungen dieses Spektrums, Identitären wie Neonazis, kommen die Auswanderer, die es bislang vorwiegend nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien und in die Ukraine zieht.

Alain Soral selbst, durchaus nachtragend, veröffentlichte im Oktober 2019 dazu ein vom 05. Oktober vergangenen Jahres datiertes Video, das auch auf der von Videogamern – einer Szene, in welcher Conversano und Co. immer wieder Anhänger rekrutierten, auch dies ist ein Thema in Paul Conges Buch - frequentierten Webseite www.jeuxvideo.com publiziert wurde. (https://www.youtube.com/) Darin lässt Soral sich über seinen innerrechten Widersacher aus: „Conversano ist ein Zuhälter in Rumänien“, und: „Er hat ein Netzwerk der Prostitution in Rumänien aufgezogen, wohin er Sozialhilfeempfänger mit identitären Ideen und ohne Sexualleben lockt.“ Hähä.

Diese Anspielung bezieht sich auf Aussagen von Daniel Conversano, der sich nicht damit begnügte, die osteuropäischen Zielländer für Auswanderung von Rasseverteidigern mit den Worten anzupreisen, dort lebe man „weit von der postmodernen Verzweiflung Frankreichs, von der sexuellen Frustration und von der alltäglichen Unsicherheit“. Zu seinen Anhängern sprach der Mann auch konkret davon, in Rumänien fänden sich genügend willige Frauen, die vor allem an der Nationalität westeuropäischer Ehemänner interessiert seien: „Sie sehen Euch als Pass.“ Was er und Seinesgleichen den Einwanderern in Europa als angebliches Verhalten vorwerfen, praktizieren sie selbst, zum Teil mit Erfolg.

Buch zum Thema:

Paul Conge: Les Grands-remplacés. Enquête sur une fracture française. Verlag Arkhe. 256 Seiten; 19 Euro oder 12,99 Euro im Taschenbuchformat

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Beitrag vom Autor für diese Ausgabe.