Von
Jörg Weidemann
Die
Wahlbeteiligung stieg bei der Wahl in
Thüringen von 52,7 auf 64,9 Prozent, was
eine gewachsene Politisierung unter den
Massen zeigt. Hauptmerkmal der
Landtagswahl ist eine verschärfte
Polarisierung. Die Linkspartei mit Bodo
Ramelow als Ministerpräsident gewann
78.311 Stimmen absolut hinzu (+2,8
Prozentpunkte) und kam auf 31 Prozent.
Sie wurde erstmals bei einer
Landtagswahl stärkste Partei.
Viele
wählten taktisch
Viele
wählten „taktisch“ die Linkspartei, um
zu verhindern, dass die AfD
parlamentarisch stärkste Kraft wird. Die
AfD gewann am stärksten hinzu. Das
zeigt, dass die sozialfaschistische
Demagogie des AfD-„Flügels“ noch besser
und massenwirksam entlarvt werden muss.
Die unter vielen Wählern als „links“
geltenden Parteien sind jedoch insgesamt
erheblich stärker als die AfD. Hier
wirkte sich der fortschrittliche
Stimmungsumschwung unter den Massen
aus.
In
bürgerlichen Medien wird das als
Riesen-Sieg für Bodo Ramelow gedeutet.
Dabei sitzt er mit der Linkspartei nun
in der Zwickmühle. Denn die bisherige
Koalition Linkspartei/SPD/Grüne hat im
Landtag keine Mehrheit mehr. Es steht
noch in den Sternen, wie in Thüringen
eine Landesregierung gebildet werden
soll, geschweige denn, eine stabile.
Ramelow wäre als Ministerpräsident auf
eine Koalition oder zumindest
Tolerierung durch die FDP oder die CDU
angewiesen, also auf zwei offen
reaktionäre Parteien. Die
Internationalistische Liste / MLPD hatte
zur Ramelow-Regierung schon im Wahlkampf
treffend plakatiert: „Links blinken,
recht abbiegen.“ Zu einer noch offeneren
Monopolpolitik wird die Massenbasis der
Linkspartei zunehmend in Widerspruch
geraten.
Debakel für die Große Koalition in
Berlin
Für die
Große Koalition ist die Wahl ein
Debakel. Die CDU ist der größte
Wahlverlierer (-11,7 Prozentpunkte).
Auch die SPD verlor deutlich an
Prozentpunkten (-4,2). Zusammen verloren
beide - trotz höherer Wahlbeteiligung -
absolut fast 100.000 Wählerinnen und
Wähler. Es ist damit offen in Frage
gestellt, ob die Bundesregierung so
weiter machen kann, oder in absehbarer
Zeit zerbricht.
Die
beiden Regierungsparteien SPD und CDU
haben in Thüringen zusammen nicht einmal
20 Prozent der Stimmen der
Wahlberechtigten. Der parlamentarische
Aufschwung der Grünen bei Wahlen setzte
sich hier nicht fort, im Gegenteil, sie
verloren prozentual sogar (-0,5
Prozentpunkte). Die Grünen konnten
augenscheinlich die in sie gesetzten
Erwartungen nicht erfüllen. Sie sind ein
Hauptbefürworter einer Politik, die die
Massen mit einer (noch höheren) CO2-
Steuer schröpfen will. Die bisher
prägenden bürgerlichen Monopolparteien
(CDU, SPD, FDP und GRÜNE) kommen
zusammen auf gerade mal 25 Prozent der
Wahlberechtigten. Hier deuten sich
weitreichende Veränderungen im
bürgerlichen Parteienspektrum an.
Die
latente politische Krise hat sich
verschärft. Vor dem Hintergrund der
begonnenen Überproduktionskrise in
Deutschland werden sich die
gesellschaftlichen Verhältnisse weiter
destabilisieren.
Antifaschistischer Kampf gewinnt an
Bedeutung
Die
faschistoide AfD hat ihren Stimmenanteil
gegenüber der letzten Thüringenwahl mehr
als verdoppelt auf 24,4 Prozent (plus 13
Prozentpunkte). Sie konnte vor allem
ehemalige Nichtwähler gewinnen (77.000).
Außerdem gewann sie rund 36.000 Stimmen
von der CDU. Die sozialfaschistische
Demagogie der AfD unter dem Faschisten
Björn Höcke zeigte unter einem
ernstzunehmenden Teil der Massen
Wirkung. Es war ein Markenzeichen der
Internationalistischen Liste / MLPD,
dies zu entlarven und anzugreifen. Das
muss aber künftig noch besser entwickelt
werden.
Die NPD
als offen faschistische Partei verlor
bei den Zweitstimmen von 3,6 Prozent
(2014) auf 0,5 Prozent (2019). Der
antifaschistische Kampf und der Kampf
gegen die Rechtsentwicklung der
Regierung und der bürgerlichen Parteien
wird in Zukunft erheblich an Bedeutung
gewinnen. Umso wichtiger, dass sich das
Internationalistische Bündnis durch
hunderte neue Unterstützer und neue
kurdische und palästinensische
Mitstreiterinnen und Mitstreiter stärken
konnte.
MLPD
hat viel geleistet
Die
MLPD hat in der taktischen Offensive für
den echten Sozialismus und gegen den
modernen Antikommunismus in Verbindung
mit der Landtagswahl sehr viel
geleistet. Die Internationalistische
Liste / MLPD hat einen
bewusstseinsbildenden Wahlkampf geführt,
der sich mit seiner revolutionären
Grundlinie positiv abhob. Das
sozialistische Profil des echten
Sozialismus stieß auf unzählige
angeregte, oft auch kontroverse
Diskussionen und zugleich wachsende
Offenheit. Das hat seine Grundlage in
der Suche der Massen nach einer
gesellschaftlichen Alternative auf dem
Boden einer kapitalismuskritischen
Tendenz im fortschrittlichen
Stimmungsumschwung unter der
Arbeiterklasse und den Massen.
Die
MLPD wuchs weiter in ihre
gesamtgesellschaftliche Rolle hinein und
gewann an Stolz und Selbstbewusstsein.
War die MLPD vor etwa einem Jahr erst in
drei Orten in Thüringen vertreten, gibt
es inzwischen in 20 Orten Gruppen oder
Stützpunkte - mit steigender Tendenz.
Der REBELL Thüringen vervierfachte sich
fast. Es gibt hunderte Kontakte und
Interessenten. Das große Potential für
den Aufbau der MLPD gilt es in den
nächsten Wochen voll auszuschöpfen.
Die
internationalistische Liste / MLPD hat
den aktivsten, lebendigsten und
kulturvollsten Wahlkampf geführt. Sie
war im Straßenwahlkampf in vielen
Städten, aber auch kleineren Orten,
unübersehbar. Mit einer flächendeckenden
Plakatierung machte sie auf sich
aufmerksam und erreichte mit 63
Kundgebungen Tausende Menschen. Als
besonders wirksam erwiesen sich
Straßenumzüge und überhaupt die
vielfältige mündliche Agitation im Kampf
um jede Stimme. Herzlichen Glückwunsch
an alle Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer
der Internationalistischen Liste / MLPD!
Bestes
Stimmergebnis seit 2005
Die
Internationalistische Liste/MLPD
erreichte 2944 Zweitstimmen (262 Stimmen
auf 100 000 Wähler). Das ist auf
Thüringen bezogen (bis auf die
Bundestagswahl 2005) das beste Ergebnis.
Im Vergleich auf Stimmen pro 100.000
Wähler bedeutet das:
-
gegenüber der EU-Wahl 44 Prozent
mehr Stimmen
-
gegenüber der Bundestagswahl 2017 25
Prozent mehr Stimmen
-
gegenüber der Bundestagswahl 2013 46
Prozent mehr Stimmen
-
gegenüber der Bundestagswahl 2009 38
Prozent mehr Stimmen
-
gegenüber der Bundestagswahl 2005
30,6 Prozent weniger Stimmen
2005 war die Besonderheit, dass bei den
Neuwahlen zum Bundestag nur wenige
Parteien, die nicht im Bundestag sind,
in der Lage waren, bundesweit mit
Landeslisten anzutreten. Sie fand statt
in einer offenen politischen Krise (mit
bundesweiten Montagsdemos und
konzernweite Streiks). Die Stimmen
diesmal sind bewusster und wurden
besonders gegen den modernen und den
offen reaktionären Antikommunismus
erkämpft.
Als noch nicht überwundenes Problem
zeichnet sich ab, dass
kleinbürgerlich-parlamentarische
Denkmuster nach wie vor tief sitzen. Vor
diesem Hintergrund führte die
Inszenierung des Kopf-an-Kopf-Rennens
zwischen Linkspartei und AfD, wer
stärkste Kraft wird, in den Tagen vor
der Wahl dazu, dass die Massen oftmals
parlamentarisch-taktisch gewählt haben.
Die Hürde der
kleinbürgerlich-parlamentarischen
Denkweise konnte mit dem Wahlergebnis
noch nicht genommen werden. Es gilt,
künftig den bürgerlichen
Parlamentarismus und seine
Untauglichkeit zur Lösung der Probleme
der Massen noch stärker anzugreifen und
die undemokratischen Wahlbehinderungen
aufzudecken.
Die
MLPD hat im Zeitraum dieses Wahlkampfes
wichtige gesellschaftliche Trends
gesetzt: die kapitalismuskritische
Tendenz in den Jugendumweltprotesten FFF
gestärkt, im konsequenten
antifaschistische Kampf, in der Führung
von Arbeiterkämpfen, als einzige Partei
eng und vorbehaltlos vereint mit dem
kurdischen Befreiungskampf. Ihrer
wachsenden gesellschaftliche Rolle
entspricht das Wahlergebnis noch nicht:
von vielen Menschen wird die MLPD
zunehmend respektiert, geschätzt und
ihre revolutionäre Arbeit begrüßt - aber
(noch) nicht unbedingt als „Wahlpartei“
gesehen.
"Wir haben in
diesem Wahlkampf die Weichen für die
Zukunft gestellt"
Tassilo Timm
Tassilo
Timm, der Landesvorsitzender der MLPD
und einer der Spitzenkandidaten,
erklärte gegenüber Rote Fahne News:
"Wir haben in diesem Wahlkampf die
Weichen für die Zukunft gestellt,
unsere Organisation aufgebaut,
Bewusstseinsbildung betrieben, über
den echten Sozialismus, wie ihn Marx
und Lenin wollten, gesprochen; mit
vielen haben wir die Erfahrungen der
DDR noch einmal neu verarbeitet und
über die Krisenhaftigkeit des
imperialistischen Weltsystems
diskutiert", so der 33jährige
Gleisbauer. "Jetzt wollen wir die
nächsten Wochen nutzen, um die
Strukturen zu festigen, weitere
Mitglieder zu gewinnen und damit den
Sieg zu sichern."