Antikapitalistische Linke (AKL): Linke
Positionen in Gefahr
31. Oktober 2019
Keine
Kooperation mit den bürgerlichen Parteien –
für ein sozialistisches Regierungsprogramm!
Drei
Dinge zeigen die Landtagswahlen in
Thüringen: Dreißig Jahre nach der
Revolution gegen die in der DDR
herrschende stalinistische Bürokratie
befinden sich die bürgerlichen
“Volks”parteien SPD und CDU weiterhin in
ihrer tiefsten Krise seit 1945; die
gesellschaftliche Polarisierung
schreitet fort und der Anpassungskurs
eines Teils der LINKEN erreicht zu einer
Zeit, in der linke Positionen wie zum
Beispiel die Forderung nach Enteignung
der Immobilienhaie oder kostenlosem
öffentlichen Personennahverkehr Zuspruch
in größeren Teilen der arbeitenden
Bevölkerung bekommen, eine neue
Qualität. Und es stellt sich die Frage,
was man mit der jetzigen Situation
anfangen solle. Die Regierungsbildung
gestaltet sich schwierig und in den
Führungskreisen der LINKEN wird offen
über ein Bündnis oder Kooperation mit
der CDU schwadroniert.
von
Steve Hollasky, Dresden
Krise der Etablierten
SPD und CDU
haben in Thüringen erneut Verluste hinnehmen
müssen. Die Sozialdemokrat*innen büßten 4,2
Prozentpunkte ein und stürzten auf ein
Thüringer Allzeittief von 8,2 Prozent. Weit
dramatischer fielen die Verluste der CDU
aus. Mit 11,7 Prozentpunkten minus im
Vergleich zu 2014 fiel sie noch hinter der
AfD auf Platz drei und landete bei 21,8
Prozent der Stimmen.
Abgestraft
wurden bei der Wahl am Sonntag die
Regierungsparteien im Bund – und zwar
unabhängig davon, ob sie sich in Thüringen
aktuell in der Regierung befinden, wie die
SPD, oder aber in der Opposition, wie die
CDU. Damit setzte sich augenscheinlich der
Trend der letzten Landtagswahlen in Sachsen
und Brandenburg fort.
Mehr noch,
die schleichende Krise den Unionsparteien
scheint nun auch offen auszubrechen. Bislang
konnten sich die in Wahlumfragen
geschwächten CDU und CSU mit Blick auf die
SPD als gesund präsentieren. Anders als die
SPD fuhr man keine einstelligen Ergebnisse
ein. Dass diese Zeiten nun aber vorbei sein
könnten, meint auch Ursula Münch,
Politikwissenschaftlerin an der Akademie für
politische Bildung in Tutzingen und Mitglied
im Wirtschaftsrat der Bundesregierung. Im
Interview mit der tagesschau erklärte sie am
29.10., der CDU drohe aus ihrer Sicht „das
gleiche Schicksal wie der SPD“. Auch
vorgezogene Neuwahlen im Bund schloss Münch
in diesem Interview nicht aus.
Die
Zerschlagung der Industrie durch die
Treuhand nach 1990, die Wiedereinführung
kapitalistischer Verhältnisse und die
anhaltende Perspektivlosigkeit in ganzen
ostdeutschen Landstrichen, hat die Menschen
in den neuen Bundesländern nicht nur
ungeheuer wütend gemacht, sondern in der
Folge auch von den Etablierten entfremdet.
Gesellschaftliche Polarisierung
Nicht
selten vernimmt man zur Beschreibung der
politischen Lage das Wort „Rechtsruck“. Dass
dies nur eine ungenaue Wiedergabe der
Situation ist, zeigt das Wahlergebnis in
Thüringen. Was sich zusehends abspielt, ist
eine Polarisierung nach links und rechts.
Nicht nur die AfD erzielte Zugewinne und
schnellte auf 23,4 Prozent, wodurch sie
Platz 2 besetzte. Auch die LINKE fuhr ein
Plus von immerhin 2,8 Prozentpunkten ein und
landete bei 31,0 Prozent. Dabei hat auch die
Regierung unter Bodo Ramelow in der
Koalition mit SPD und Grünen nicht eine
grundlegende andere Politik gemacht, die
klar erkennbar im Interesse der Masse der
arbeitenden Bevölkerung ist. So bekam in der
Konsequenz diese Regierung keine Mehrheit.
Viele wählten die LINKE als stärkste Kraft,
um zu verhindern, dass die AfD stärkste
Kraft wird, so wie es auch in Brandenburg
mit der SPD oder in Sachsen der CDU der Fall
war. Doch Rot-Rot-Grün hat den Aufstieg der
AfD in Thüringen nicht verhindert.
Die gern
erwähnten Einstellungen von Lehrer*innen in
Thüringen sind bei Weitem nicht ausreichend.
Und die Gemeindereform des Landes Thüringen
bedeutete in der Realität nur längere Wege
für Anwohner*innen, weil Ämter verlegt oder
geschlossen wurden. Wirklich linke oder gar
sozialistische Maßnahmen wie Initiativen zur
Rekommunalisierung von Wohnraum oder
Kliniken sucht man in den vergangenen fünf
Jahren vergebens.
Dass die
Thüringer Linkspartei ausgerechnet mit
Ramelow an der Spitze dennoch ihr bestes
Ergebnis überhaupt einfuhr, beflügelt nun
den rechten, in der Konsequenz
prokapitalistischen Teil der LINKEN. Dietmar
Bartsch, Vorsitzender der Fraktion der
Linkspartei im deutschen Bundestag, erklärte
inzwischen, man müsse an den Erfolg von Bodo
Ramelow anschließen und als Bundespartei
davon lernen“. Das ist aber genau der
falsche Weg und die Linken in der LINKEN
müssen jetzt klar dagegen halten.
Gerade die
Tatsache, dass die LINKE die Wut über
Sozialabbau, Niedriglohnpolitik und
Rentenkürzungen nicht zum Ausdruck bringt
und konsequente Lösungen anbietet, macht es
der AfD leicht. Auf rechtspopulistische Art
verbindet sie soziale Demagogie mit dem Gift
des Rassismus und Nationalismus. So erklärte
Höcke im Wahlkampf gern, Zuwanderer würden
gute medizinische Versorgung erhalten und
Hiergeborene hätten mit dem Pflegenotstand
zu kämpfen. Darauf aufbauend versucht die
Thüringer AfD unter der Führung von Höcke,
rechtsextreme Positionen zu verankern und
hoffähig zu machen. Dass die Positionen der
AfD Lügen sind, wird dann leichter zu
erklären, wenn Migrant*innen, Geflüchtete
und Hiergeborene gemeinsam gegen den
Pflegenotstand kämpfen. Das zu organisieren
wäre eigentlich Aufgabe der LINKEN.
Anpassungskurs der LINKEN
Dass die
LINKE auch nach dieser Wahl einen anderen
Weg, nämlich den des Parlamentarismus und
Regierungsbeteiligung beschreiten wird,
steht zu befürchten. Schon kurz nach der
Wahl rief die Führung der Thüringer LINKEN
nicht etwa zu Kämpfen auf, sondern erklärte
die grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft
mit allen im Landtag vertretenen Parteien,
mit Ausnahme der rechtspopulistischen AfD.
Was damit
gemeint war, offenbarte sich schnell. Als
der konservative Spitzenkandidat, Mike
Mohring, am Tag nach der Wahl im
ARD-Morgenmagazin, ganz anders als noch am
Abend zuvor, verkündete, seine Partei müsse
nun „Verantwortung übernehmen“, sprang die
LINKE-Führung sofort auf den Zug auf.
Ramelow erklärte, man werde sehen, was
möglich sei, „eine festere Koalition, eine
absolute Koalition oder ein
Tolerierungsmodell“. Unterstützung kam von
der LINKEN-Bundesspitze. Bernd Riexinger
meinte glatt, der Ball läge im Feld der CDU.
Eine Absage an ein Bündnis mit einer Partei,
die für die Situation in Ostdeutschland
verantwortlich ist, kam nicht. Die
Befürchtung, die LINKE könnte sich wirklich
auf ein Bündnis mit der CDU einlassen war
jedoch fehl am Platz. Aber nicht, weil die
LINKE dieses Angebot prinzipienfest
ablehnte, sondern, weil die CDU und auch
Mike Mohring die diesbezüglichen Andeutungen
wieder zurückzog. Das spricht Bände über die
Situation in der LINKEN, wo führende Teile
die Partei lieber als “verlässlichen”
Bestandteil des Establishments sehen wollen,
anstatt als Partei des Widerstands.
Was
jetzt?
DIE LINKE
muss endlich aufhören, das Bündnis mit den
Sozialabbauparteien einzugehen und
stattdessen das Bündnis mit der arbeitenden
Bevölkerung und den Gewerkschaften
schmieden, um den gemeinsamen Kampf mit
Beschäftigten, Arbeitslosen,
antirassistischen Initiativen, Rentner*innen
und Mieter*innen zu organisieren. Das
Potenzial dafür besteht auch unter dem mit
Abstand erneut größten Teil aller
Wahlberechtigten – den Nicht-Wähler*innen,
die weder dem bürgerlichen Einheitsbrei,
noch den Rechtspopulisten etwas zutrauen.
Wenn aber die LINKE in Thüringen zum festen
Bestandteil dieses Establishments wird – und
das wäre bei einem Bündnis mit der CDU der
Fall – dann wird für noch mehr Menschen der
scheinbar einzige Weg ihre Wut zu
artikulieren das Kreuz bei der AfD sein. Das
darf man nicht zulassen.
Eine
Regierung der LINKEN in dieser Situation
kann nur eine Minderheitsregierung mit
sozialistischem Programm sein. Die müsste
ohne Zweifel um jedes kleine Gesetz kämpfen.
Gerade dazu müsste sie die lohnabhängig
Beschäftigten unabhängig von Herkunft,
Sprache, Religion, Alter oder Geschlecht
mobilisieren. Das zu erreichen wäre ohne
Frage nicht leicht. Es wäre zudem nur
möglich, wenn man der Bevölkerung zeigen
würde, dass eine LINKE-Regierung wirklich in
ihrem Interesse wäre. Das Programm für eine
solche Regierung müsste aus Eckpunkten
bestehen wie der Kommunalisierung von
Wohnraum unter demokratischer Kontrolle die
Mieter*innen, Verstaatlichung von
Pflegeinrichtungen und Krankenhäusern,
massiven Stellenaufbau an den Schulen, eine
Absage an die Schuldenbremse und stattdessen
die Besteuerung der Reichen, sowie
antirassistische Mobilisierungen gegen AfD
und Co. Eine solche Landesregierung könnte –
sogar aus der Minderheit heraus – zu einem
bundesweiten Fokus von Opposition gegen eine
immer schwächer werdende Bundesregierung
werden und den Widerstand gegen Sozialabbau,
den Kampf für wirkliche Verbesserungen
inspirieren und voran bringen.
Sozialistische Ideen könnten wieder greifbar
werden. Das wäre auch ein großer Schritt auf
dem Weg hin zu einer sozialistischen
Massenpartei. Und es wäre das wirksamste
Mittel gegen Rechts, um die Basis der AfD zu
untergraben.
Würde man
dieses Programm vertreten, könnte man den
Landtag von außen mit einer großen Bewegung
unter Druck setzen. Doch Ramelow wird diesen
Weg nicht gehen. Auch da braucht man sich
keiner Illusion hinzugeben. Eine Koalition
der LINKEN unter der Führung von Ramelow mit
– oder Tolerierung von –
Sozialabbauparteien, von SPD, Grünen, FDP
und CDU, wird in Thüringen leider kaum zu
verhindern sein. Wahrscheinlich sogar dann
noch, wenn die zu erwartende
Wirtschaftskrise hart zuschlagen und die
Lebensbedingungen der arbeitenden
Bevölkerung stark einschränken wird. Das
zeigt, dass es darauf ankommt um
grundlegende Positionen innerhalb der LINKEN
bundesweit zu kämpfen. Dafür muss man jetzt
endlich die linke Opposition in der LINKEN
organisieren. Sol tut das im Rahmen der AKL.
Wir fordern alle auf, uns dabei zu
unterstützen.
Quelle:
https://www.antikapitalistische-linke.de/?p=3249
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