Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Hamburg
"Wir im Quartier"

von  Rote Post Nr. 19

11/2019

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Unter diesem Motto versucht der Konzern Vonovia seine Investitionen in den proletarischen Stadtteil Steilshoop als Dienst an die Bewohner zu verkaufen. Steilshoop ist ein Stadtteil in Hamburg, der in den letzten Jahren in der bürgerlichen Presse in Verruf geraten ist, aufgrund von einer hohen Kriminalitätsrate und hoher Arbeitslosigkeit. Dieser Stadtteil wird nun, Stück für Stück, wie der gesamte Hamburger Osten, aufgewertet, das heißt im Sinne der herrschenden Klasse verschönert und verteuert. Nichts, was „uns im Quartier“ dient, sondern was es uns immer schwieriger macht, den Kopf über Wasser zu halten.

Diese Investitionen dienen nur dazu, noch mehr Geld in Vonovias Taschen zu spülen. Insgesamt gehören 2.066 Wohnungen in Steilshoop zum Bestand der Vonovia. Das Unternehmen verdient an den Mieten, insbesondere an den Vermietung von besonders günstigen Wohnungen, an (ehemaligen) Sozialbauwohnungen. Diese werden dann fleißig saniert, um noch mehr Profit aus der Arbeiterklasse herauszupressen, bis sich die Klasse ihr Leben nicht mehr leisten kann. Nicht nur in Steilshoop, sondern im ganzen Land. Das Unternehmen profitiert direkt an den tiefsten und breitesten Massen. Nachdem 40 Jahre lang durch die Vorbesitzer nicht das geringste an den Wohnblöcken gemacht wurde, wird jetzt, nachdem Vonovia diese gekauft hat, fleißig saniert – egal ob sich die Mieter die teureren Mieten danach noch leisten können. „Nachhaltige Quartiersentwicklung” bedeutet für die Unternehmen nachhaltig zu profitieren, indem sie Geld investieren, um daraus noch mehr Profite zu machen.

Dabei feiert das Unternehmen sich dafür, „nur“ die Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen und auch „Härtefallanträge”* zu berücksichtigen. Das bedeutet, es gibt Mieter („Härtefälle“) bei denen die vom Konzern verursachte Mieterhöhung nicht etwa erlassen, sondern reduziert wird, damit diese überhaupt noch in der Lage sind, ihre Miete zu zahlen. So wie die ehemaligen Vermieter es mit den Wohnungen gemacht haben, hat auch der Investor des angrenzenden Einkaufszentrums gemacht: Erst wird das Gebäude heruntergewirtschaftet, dann auf den günstigsten Moment gewartet, es wieder teurer zu verkaufen. Dieser bietet sich bald mit der angekündigten U5-Strecke an. Über dem Einkaufszentrum gibt es auch Wohnungen, die ebenso heruntergekommen sind und aus bestehenden Vermietungen werden trotzdem Profite gemacht, aber nicht wieder investiert. Stattdessen schlägt die Bezirksversammlung vor, dass über dem Einkaufszentrum ein Studentenwohnheim entstehen soll und die jetzigen Mieter in die Neubauten umgesiedelt werden, die in der „Rahmenplanung Steilshoop Nord“ vorgesehen sind.

Eine neue U-Bahn Strecke und Neubauten: Das alles passiert vor dem Hintergrund der „Aufwertungspläne” der Stadt Hamburg des gesamten Hamburger Ostens. Selbstverständlich ohne dass die Bewohner dieser Stadtteile irgendetwas dazu zu sagen hätten. Nicht nur die Neubauten, auch eine verbesserte Infrastruktur – wie in Horn durch den Ausbau der U4 – sollen anderes, besser zahlendes Klientel anlocken. Das sorgt schlussendlich dafür, dass die Mieten noch weiter angehoben werden, als jetzt schon und das Proletariat Stück für Stück aus dem Viertel vertrieben wird. Was also mit dem Stadtteil passiert, liegt in der Hand der Investoren und Unternehmen. Und die entscheiden danach, was sich am meisten lohnt, um mehr Geld zu verdienen und nicht danach was „wir im Quartier“ brauchen, was das Proletariat braucht, und das ist zunächst einmal bezahlbarer Wohnraum.

Der Anschein, dass diese „Stadteilentwicklungsprojekte” Projekte etwas für uns seien, wird auch durch die sozialen Projekte und Bürgerinitiativen befördert, die beispielsweise bei der Forderung nach etwas mehr Bürgerbeteiligung stehen bleiben und völlig die Ursachen für die Profitgier und die Unterstützung der Stadt dessen außer Acht lassen. Vonovia beispielsweise lobt diese sozialen Projekte in dem Stadtteil auf ihrer Website in den Himmel. Denn schlussendlich sorgen diese Projekte durch ihre Zusammenarbeit mit den Investoren dafür, dass die Ausbeutung noch reibungsloser funktioniert, indem sie den Wunsch nach echter Entscheidungsgewalt des Volkes verwässern. Für diese von der Stadt geförderten Projekte ist auch die Forderung nach der Zulassung von Eigentumswohnungen eine „Verbesserung des Stadtteils“, weil sie für eine „bessere soziale Mischung der Schichten“ sorgen. Die Stadt lobt sich derweilen nach kleineren „Aufwertungs”-Projekten selbst für die hervorragende Zusammenarbeit zwischen den sozialen Projekten, privaten Investoren und den stadteigenen Projekten. Der Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff fügt hinzu: „Die Umgestaltung der Mittelachse und des neuen Quartiersplatzes war ein gutes Lernfeld, wie die verschiedenen Interessen zu einem guten Ergebnis geführt werden können. Hier hat die private Initiative das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) der Stadt gut ergänzt.”

Die Klasseninteressen werden versöhnt und die Massen vorübergehend ruhig gestellt. Den Massen wird vorgegaukelt, dass ja etwas für sie getan wird, dass bei den ganzen Planung „auch an sie gedacht wird“. Doch während das Proletariat jetzt schon kaum den Kopf über Wasser halten kann, versucht die Bourgeoisie mit ihren Investitionen immer mehr Profite zu machen, immer mehr an der Ausbeutung der Arbeitskraft und Vermietung von den Wohnungen zu verdienen.

Überall ist es dasselbe: die Ausgebeuteten und Unterdrückten haben sich dem zu beugen, was die Bourgeoisie ihnen diktiert. Wenn der Imperialismus herrscht, stehen die Profite der herrschenden Klasse immer an erster Stelle; wenn der Imperialismus herrscht, herrscht nicht das Volk, egal wie sehr die Bourgeoisie ihre Diktatur als „echte Demokratie” ausgeben, in dem sie ständig von „Bürgerbeteiligung“ sprechen. Wir müssen uns dagegen im Viertel organisieren und unsern Kampf gegen Ausbeutung und Überdrückung in unserem Viertel voranbringen! Die Politiker werden uns nicht zur Hilfe kommen, sie werden uns keine Lösungen bieten können, denn sie haben selbst ein Interesse an ihrer „Aufwertung“. Wir müssen dafür kämpfen, dass wir tatsächlich selbst entscheiden können, was in unserem Viertel passiert!

Quelle: https://rotepresse.noblogs.org/