Betrieb und Gewerkschaft
Durch die Hintertür
SO36 provoziert erneuten Rechtsstreit um Mitarbeiter loszuwerden

von FAU-Berlin

11/2018

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Um den Arbeitskonflikt eines gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiters ist es zuletzt ruhig geworden. Zwar ignorierte die Geschäftsführung des SO36 seit Monaten jedwede Gesprächsangebote durch die FAU und reagierte zuletzt nicht einmal mehr auf Anschreiben durch den Anwalt. Dennoch wurde eine Klage auf tatsächliche Beschäftigung zurückgezogen und von der Geschäftsleitung des SO36 im Juli 2018 anerkannt. Es zeichnete sich kurzfristig eine Entspannung ab. Doch der Schein trog. Auf die Arbeitsangebote des Mitarbeiters reagiert die Geschäftsführung mit Aufforderungen, zur Arbeit an Tagen anzutreten, an denen er wohlweislich nicht kann. Im Anschluss erhält der Beschäftigte Abmahnungen.

Anfang einer unendlichen Geschichte?

Nach der Rücknahme einer fristlosen Kündigung und dem Auslaufen eines unbezahlten dreimonatigen Urlaubs (Vereinbarung zwischen FAU und SO36) meldete der Kollege, der als Minijobbler angestellt ist, im Mai 2017 seine möglichen Schichttermine. Statt ihm Schichten zuzuweisen, sprach die Geschäftsführung des SO36 eine im Arbeitsrecht so nicht vorgesehene „einseitige, unwiderrufliche Beurlaubung“ aus und überwies den Lohn für eine bestimmte Anzahl von Stunden.

Trotz allmonatlicher Übersendung der Arbeitsangebote, blieb die Geschäftsführung bei ihrem Kurs. Als Gewerkschaft betrachtete die FAU dies als Versuch, weiterhin unliebsame Mitarbeiter los werden zu wollen. Unser Mitglied reichte folglich eine Klage auf tatsächliche Beschäftigung ein. Den Beschäftigungsanspruch erkannte sie dann letztendlich an. Aus unserer Sicht reagierte die Geschäftsführung wieder einmal damit, einer wahrscheinlichen rechtlichen Niederlage zu entgehen.

Der dritte Versuch: Loswerden durch Abmahnen?

Von Entspannung kann dennoch keine Rede sein. Die Geschäftsführung provoziert nun nach fristloser Kündigung und einseitiger Beurlaubung einen erneuten Rechtsstreit. Statt dem Arbeiter Schichten an einem der vorgeschlagenen Termine zu geben wie es im SO36 Gang und Gebe ist, wurden ihm explizit Termine geschickt, an denen er aufgrund einer anderen Hauptbeschäftigung nicht arbeiten konnte.

Die Folge: Abmahnungen. Aus gewerkschaftlicher Sicht das Ziel: Eine Kündigung, basierend auf Abmahnungen. Der Haken: Auch gegen diese Maßnahme wird sich der Kollege mit Unterstützung seiner Gewerkschaft wehren.

Was bisher geschah

Nach dem vor drei Jahren eine unabhängige kleine Betriebsgruppe im SO36 Kritik an Entwicklungen in dem ehemaligen Kollektivbetrieb anbrachte, schwelte ein Konflikt über längere Zeit heran, an dessen Ende die gesamte Betriebsgruppe gekündigt wurde - in einem Fall fristlos. Die Beschäftigten waren teilweise über 15 Jahre im Betrieb aktiv. Zum Zeitpunkt der Kündigungen schaltete sich die FAU ein, da ein Teil der Betriebsgruppen-mitglieder in ihr organisiert war und forderte Gespräche. Gleichzeitig reichte der fristlos gekündigte Kollege eine Kündigungsschutzklage mit Unterstützung seiner Gewerkschaft ein. Der Kollege arbeitete 17 Jahre im SO36.

Nach mehreren Gesprächen zwischen FAU und Geschäftsführung zog die Geschäftsführung im letzten Moment die Kündigung im Februar 2017 zurück. Nach einem weiteren Gespräch zwischen FAU mit Geschäftsführung und weiteren VertreterInnen verhärteten sich jedoch die Fronten: Die Geschäftsführung sah nur die Lösung der freiwilligen Kündigung des Genossen was durch die FAU zurückgewiesen wurde – immerhin wollte man erst einmal nach möglichen Lösungen suchen.

Der Konflikt avancierte zu einem breiten und teils polarisierenden Gesprächsthema im Betrieb, Kiez und in linken Zusammenhängen der Stadt.

Chronologie von 2015 - Juli 2018

Schweigen ist Gold?

Die FAU Berlin hat über Monate direkt und indirekt Gespräche gesucht und dabei während des gesamten Konflikts die Bedeutung des SO36 für Kiez und politische Bewegung berücksichtigt ohne dabei ihre Aufgabe, die sie als Gewerkschaft hat, zu vernachlässigen. Dabei konstatierte ein erfahrenes Mitglied der Arbeitsgruppe: „In all den Jahren habe ich selten etwas so Borniertes erlebt“. Viele Gerüchte, Halbwahrheiten und Fehlbehauptungen waren in all den Monaten im Umlauf, wir müssen vermuten: nicht immer, aber oft genug, aus der Ebene oder dem Umfeld der Geschäftsführung. Insbesondere jene Falschbehauptungen, die sich gegen den Kollegen und seine (politische) Würde richteten verurteilt die FAU Berlin! Die FAU Berlin sieht daher die Geschäftsführung des SO36 in der Verantwortung, das Gespräch mit der Gewerkschaft zu suchen, nachdem die Geschäftsführung die letzten Angebote der FAU ignoriert hat. Aufhören den Kollegen rechtlich zu unterstützen, wird die Gewerkschaft gewiss nicht.

Kleiner Konflikt mit wichtiger Bedeutung

Natürlich kennen wir die Frage aus politischen Kreisen: „So viel Aufwand für rund 10 Arbeitsstunden eines Arbeiters im Monat?“. Sie steht dabei symptomatisch für ein Problem der Linken im betrieblichen Kontext. Statt für Verbesserungen im eigenen Betrieb zu kämpfen, wehren sich gerade linke Beschäftigte in „linken“ Betrieben so gut wie gar nicht gegen prekäre oder unhaltbare Zustände. Wenn sie es tun, sehen sie sich nicht selten mit hartem Widerstand und Nestbeschmutzer-Rhetorik konfrontiert. Eine umfassende Burgfriedenmentalität die „für die Sache“ in Kauf genommen wird. Doch sollte sich nicht gerade hier, „im Sinne der Sache“ ein betrieblicher Vorbildcharakter etablieren?

Der FAU Berlin geht es daher auch um die Frage, welche Arbeitskultur gerade in sich als links definierenden  Betrieben vorherrschen sollte. Für uns gehört dazu, Selbstorganisierung für die Interessen der Beschäftigten zu akzeptieren, MitarbeiterInnenvertretungen und Mitbestimmung zu fördern und Kritik in offenen Debatten zu dulden.

Editorische Hinweise

Wir übernahmen diesen Bericht von der Website der Berliner Gruppe der FAU, wo er am 10.11.2018 veröffentlicht wurde.