Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Zerstörung und Hausbesetzung
Vorschläge zum Kampf gegen die Stadt der Reichen

von Red.
"Fernweh - Anarchistische Straßenzeitung"

11/2017

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Eine Weile ist es her seit dem Angriff auf die Euroboden ArchitekturKultur AG - ein Unternehmen, das von der Aufwertung, dem Ausverkauf und der Verdrängung aus der Stadt München und nicht nur von dort, profitiert. Einiges ist gesagt worden und noch mehr ist seit den brennen­den Mülltonnen, den Graffitis und eingeschlagenen Fenster­scheiben des hiesigen Büros in der Geyerstraße passiert. Umso notwendiger ist es aus einer anarchistischen Perspektive noch einmal das Wort zu ergreifen.

Die angegriffene Euroboden AG ist eine nicht unbedeutende Akteurin in München - und europaweit - wenn es darum geht mit Grund und Boden Gewinne zu erwirtschaften. Und jedes Kind weiß, wo Einzelne Profit machen, muss es Viele geben, die dafür zahlen und jene sind es, die leer ausgehen. Es gibt aber genauso viele Menschen, die die Schnauze gestrichen voll haben und bereit sind ihren Frust und ihre Wut in Handlungen umzuwandeln, die die einzige Möglichkeit sind zu einer Art der Würde zurückzugelangen.

Friede gegenüber meinen Feinden ist wie Krieg gegen mich selbst

Die Euroboden AG sind diejenigen, die bspw. in der Erhardt-straße ein Haus haben abreißen lassen, um nun dort Luxuswoh­nungen hinzubauen und so mit deren Verkauf als Eigentum und Kapitalanlage für sehr reiche Schichten Geld zu machen. Seit ein paar Wochen wird dort nach jahrelangem „Leerstand" - leer war das Haus jahrelang, bis auf eine Mietpartei - gearbei­tet. Nun gab es bereits mindestens zwei Angriffe auf besagtes Unternehmen, bzw. diese spezifische Baustelle - denn im Sep­tember wurden dort Baumaschinen im Wert von 200 000 Euro in Brand gesteckt, die dadurch komplett zerstört wurden.
Nach dem Angriff auf das Büro, verpassten es einige Poli­tiker und ein Vertreter einer Mieterschutzorganisation nicht, sich in Zeitungsartikeln zu inszenieren und derartige Ausdrü­cke des Ungehorsams oder der logischen Konsequenz aus den Verhältnissen, die in der Stadt herrschen, zu verurteilen und zu denunzieren.

ber wen wundert es bei den Politikern, die darum bemüht sind, Selbstbestimmung zu verteufeln und stattdessen das Abwarten und die Abgabe der eigenen Verantwortung an sie [die Politiker], zu propagieren? Oder wen wundert es, dass ein Sprecher des Bündnisses Für bezahlbares Wohnen derartige Ausdrücke der Wut als letzte Ausläufer der Pubertät diskreditiert, seine Organi­sation als einzigen Ausweg verklärt und sich deshalb am zunehmenden Mitglie­derzuwachs erfreut? Aber wenn diese altbekannten Mittel der Parteien und Mieterorganisationen tatsächlich eine Auswirkung auf die Umstände hätten, wie konnten wir dann überhaupt an diesen heutigen Punkt in der Stadtgeschichte gelangen, an dem die Zuspitzung von Aus­verkauf und Verdrängung unerträglich geworden ist? Macht der Staat nicht die Gesetze für diejenigen, die das Eigentum haben mit dem schließlich spekuliert und gewirtschaftet wird? Und schützt die Polizei nicht genau diese „Freiheit", die durch Eigentum entsteht? Ist nicht das Eigentum einiger und die „Armut" ande­rer der Grund dafür, dass die Erpressung mit bspw. der Miete möglich wird? Ist die Freude über den Mitgliederzuwachs einer solchen Organisation, nicht Zeichen dafür, dass es um die spezifische Organisa­tion selbst und deren Fortbestehen geht? Und können wir den Mitgliederzuwachs nicht auch anders lesen: nämlich als eine Verschlechterung der Verhältnisse, die immer mehr Menschen ins Elend zwingt?

Ein Gespenst geht um in der Stadt

Ein selbstbestimmter und direkter Handlungsvorschlag war in den letzten Wochen immer wieder zu vernehmen. Im Laufe des Sommers kam es immer wieder zu Hausbesetzungen, die nach einem Rie­senpolizeiaufgebot binnen weniger Stun­den wieder geräumt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die Besetzer/lnnen den Bullen auf der Nase tanzten. Denn, anstatt sich wie so voraussehbar von den Bütteln des Staats und den Kettenhunden des Ka­pitals in dunklen Räumen verprügeln zu lassen, wurde sich offenbar dazu entschie­den nach dem Anbringen von Bannern und vor dem Anrücken der Polizei, wieder zu verschwinden. Nach einigen dieser Scheinbesetzungen durch das FürLauHaus, wurde zu einer Besetzung am Tag-X aufge­rufen. An eben jenem Tag - einige weitere Scheinbesetzungen später - traf es eine ehemalige Bonzendisko in der Nähe vom Hauptbahnhof. Ein Spezialkommando des USK verschaffte sich gewaltsam Zutritt und, ausgestattet mit Schilden, Helmen, Kettenhemden und gezückten Maschinen­pistolen, wurde das scheinbar erneut leer zurückgelassene Haus durchsucht. Leider kam es im Zeitraum vorher des nachts zu einer Personenkontrolle zweier Menschen. Sie sollen ein Banner mit sich geführt haben, auf dem Besetzt und der Name (FürLauHaus), der bei den vorhergehenden Besetzungen immer wieder aufgetaucht war, geschrieben stand. Das führte quasi im Anschluss zu zwei Hausdurchsuchungen. Angeheizt durch die Öffentlichkeit und dem angekratzten Ehrgefühl der Münch­ner Polizei, kam es Wochen darauf erneut zu zwei Einbrüchen in die Wohnräume und Überfalle auf die zwei Personen durch die Polizei. Hierbei wurden Rammböcke, Schilde und Maschinenpistolen genutzt. Und trotz dieser Machtdemonstrationen gehen die Hausbesetzungen weiter.

Ausgelegt auf ein medienwirksames Spektakel und ein entsprechendes Echo, waren diese Aktion auf der Ebene erfolg­reich, den weitverbreiteten Leerstand in der Stadt zu thematisieren. Und genau dazu wurden diese kurzen Enteignungen durch die Presse gemacht bzw. darauf reduziert. Wenn Andere anfangen zu sprechen, vor allem jene, die Informatio­nen als Ware verkaufen, dann findet eine Verzerrung statt. Ist auf diese Art ein­mal die Fremddefinition produziert und verbreitet, dann wird sie zu einem Stück Wahrheit und es lässt sich nur schwer da­ran rütteln. Plötzlich geht es nicht mehr um den Vorschlag, der in der Aktion selbst liegt, nämlich sich zu ermächtigen seine Umwelt und Belange selbst zu gestalten und denen, die Wohnhäuser als Kapital­anlagen betrachten, ihre Grundlage für Wohnraumspekulation und Erpressung der Besitzlosen - nämlich das Eigentum -zu entziehen.

Stattdessen geht es dann um nette und kreative, ja eigentlich dezente Hinweise darauf, dass es Leerstand in München gibt und dieser doch genutzt und vermietet werden soll. Trotz allen Mühen der Be­setzer/lnnen sich auf einer Internetseite selbst zu erklären, sind die Scheinwerfer des Spektakels und seiner Handlanger immer auf der Suche nach der passenden Geschichte, die einen gewissen Unterhal­tungswert aufweist und mit den entspre­chenden Anpassungen an ein demokrati­schen und staatlichen Konsens, als Ware verkauft werden kann. Sobald man seinen eigenen Aktionen ein Gesicht gibt, wie ein Label oder einen Namen unter dem sie stattfinden, dann reichen wir denen die Hand, die versuchen Einzelaktionen zu konstruieren, die von Spezialisten durch­geführt werden, die also für die Normalen gar nicht als Handlungsoptionen in Frage kommen. Und dieser Handschlag-Partner ist dann der Staat, dessen größte Angst nicht die Aktionen Einzelner - einfach zu Isolierender, weil identifizierbar - ist, sondern die massenhaf­te, unkontrollierbare und notwendigerweise anonyme Anwen­dungen selbstbestimmten Handelns, das bspw. durch derartige Enteignungen oder obengenannte Zerstörungen und Angriffe vorgeschlagen wird.

Editorischer Hinweis

Wir entnahmen den Artikel aus: Fernweh Nr. 27, Anarchistische Straßenzeitung, München, Nov. 2017, S. 1 und 3.