Eine
Weile ist es her seit dem Angriff auf die Euroboden
ArchitekturKultur AG - ein Unternehmen, das von der
Aufwertung, dem Ausverkauf und der Verdrängung aus
der Stadt München und nicht nur von dort,
profitiert. Einiges ist gesagt worden und noch mehr
ist seit den brennenden Mülltonnen, den Graffitis
und eingeschlagenen Fensterscheiben des hiesigen
Büros in der Geyerstraße passiert. Umso notwendiger
ist es aus einer anarchistischen Perspektive noch
einmal das Wort zu ergreifen.
Die angegriffene
Euroboden AG ist eine nicht unbedeutende Akteurin
in München - und europaweit - wenn es darum geht
mit Grund und Boden Gewinne zu erwirtschaften. Und
jedes Kind weiß, wo Einzelne Profit machen, muss es
Viele geben, die dafür zahlen und jene sind es, die
leer ausgehen. Es gibt aber genauso viele Menschen,
die die Schnauze gestrichen voll haben und bereit
sind ihren Frust und ihre Wut in Handlungen
umzuwandeln, die die einzige Möglichkeit sind zu
einer Art der Würde zurückzugelangen.
Friede gegenüber meinen Feinden ist wie Krieg gegen
mich selbst
Die Euroboden AG
sind diejenigen, die bspw. in der Erhardt-straße
ein Haus haben abreißen lassen, um nun dort
Luxuswohnungen hinzubauen und so mit deren Verkauf
als Eigentum und Kapitalanlage für sehr reiche
Schichten Geld zu machen. Seit ein paar Wochen wird
dort nach jahrelangem „Leerstand" - leer war das
Haus jahrelang, bis auf eine Mietpartei -
gearbeitet. Nun gab es bereits mindestens zwei
Angriffe auf besagtes Unternehmen, bzw. diese
spezifische Baustelle - denn im September wurden
dort Baumaschinen im Wert von 200 000 Euro in Brand
gesteckt, die dadurch komplett zerstört wurden.
Nach dem Angriff auf das Büro, verpassten es einige
Politiker und ein Vertreter einer
Mieterschutzorganisation nicht, sich in
Zeitungsartikeln zu inszenieren und derartige
Ausdrücke des Ungehorsams oder der logischen
Konsequenz aus den Verhältnissen, die in der Stadt
herrschen, zu verurteilen und zu denunzieren.
ber wen wundert es
bei den Politikern, die darum bemüht sind,
Selbstbestimmung zu verteufeln und stattdessen das
Abwarten und die Abgabe der eigenen Verantwortung
an sie [die Politiker], zu propagieren? Oder wen
wundert es, dass ein Sprecher des Bündnisses Für
bezahlbares Wohnen derartige Ausdrücke der Wut als
letzte Ausläufer der Pubertät diskreditiert, seine
Organisation als einzigen Ausweg verklärt und sich
deshalb am zunehmenden Mitgliederzuwachs erfreut?
Aber wenn diese altbekannten Mittel der Parteien
und Mieterorganisationen tatsächlich eine
Auswirkung auf die Umstände hätten, wie konnten wir
dann überhaupt an diesen heutigen Punkt in der
Stadtgeschichte gelangen, an dem die Zuspitzung von
Ausverkauf und Verdrängung unerträglich geworden
ist? Macht der Staat nicht die Gesetze für
diejenigen, die das Eigentum haben mit dem
schließlich spekuliert und gewirtschaftet wird? Und
schützt die Polizei nicht genau diese „Freiheit",
die durch Eigentum entsteht? Ist nicht das Eigentum
einiger und die „Armut" anderer der Grund dafür,
dass die Erpressung mit bspw. der Miete möglich
wird? Ist die Freude über den Mitgliederzuwachs
einer solchen Organisation, nicht Zeichen dafür,
dass es um die spezifische Organisation selbst und
deren Fortbestehen geht? Und können wir den
Mitgliederzuwachs nicht auch anders lesen: nämlich
als eine Verschlechterung der Verhältnisse, die
immer mehr Menschen ins Elend zwingt?
Ein Gespenst geht um in der Stadt
Ein
selbstbestimmter und direkter Handlungsvorschlag
war in den letzten Wochen immer wieder zu
vernehmen. Im Laufe des Sommers kam es immer wieder
zu Hausbesetzungen, die nach einem
Riesenpolizeiaufgebot binnen weniger Stunden
wieder geräumt wurden. Dabei stellte sich heraus,
dass die Besetzer/lnnen den Bullen auf der Nase
tanzten. Denn, anstatt sich wie so voraussehbar von
den Bütteln des Staats und den Kettenhunden des
Kapitals in dunklen Räumen verprügeln zu lassen,
wurde sich offenbar dazu entschieden nach dem
Anbringen von Bannern und vor dem Anrücken der
Polizei, wieder zu verschwinden. Nach einigen
dieser Scheinbesetzungen durch das FürLauHaus,
wurde zu einer Besetzung am Tag-X aufgerufen. An
eben jenem Tag - einige weitere Scheinbesetzungen
später - traf es eine ehemalige Bonzendisko in der
Nähe vom Hauptbahnhof. Ein Spezialkommando des USK
verschaffte sich gewaltsam Zutritt und,
ausgestattet mit Schilden, Helmen, Kettenhemden und
gezückten Maschinenpistolen, wurde das scheinbar
erneut leer zurückgelassene Haus durchsucht. Leider
kam es im Zeitraum vorher des nachts zu einer
Personenkontrolle zweier Menschen. Sie sollen ein
Banner mit sich geführt haben, auf dem Besetzt und
der Name (FürLauHaus), der bei den vorhergehenden
Besetzungen immer wieder aufgetaucht war,
geschrieben stand. Das führte quasi im Anschluss zu
zwei Hausdurchsuchungen. Angeheizt durch die
Öffentlichkeit und dem angekratzten Ehrgefühl der
Münchner Polizei, kam es Wochen darauf erneut zu
zwei Einbrüchen in die Wohnräume und Überfalle auf
die zwei Personen durch die Polizei. Hierbei wurden
Rammböcke, Schilde und Maschinenpistolen genutzt.
Und trotz dieser Machtdemonstrationen gehen die
Hausbesetzungen weiter.
Ausgelegt auf ein medienwirksames Spektakel und ein
entsprechendes Echo, waren diese Aktion auf der
Ebene erfolgreich, den weitverbreiteten Leerstand
in der Stadt zu thematisieren. Und genau dazu
wurden diese kurzen Enteignungen durch die Presse
gemacht bzw. darauf reduziert. Wenn Andere anfangen
zu sprechen, vor allem jene, die Informationen als
Ware verkaufen, dann findet eine Verzerrung statt.
Ist auf diese Art einmal die Fremddefinition
produziert und verbreitet, dann wird sie zu einem
Stück Wahrheit und es lässt sich nur schwer daran
rütteln. Plötzlich geht es nicht mehr um den
Vorschlag, der in der Aktion selbst liegt, nämlich
sich zu ermächtigen seine Umwelt und Belange selbst
zu gestalten und denen, die Wohnhäuser als
Kapitalanlagen betrachten, ihre Grundlage für
Wohnraumspekulation und Erpressung der Besitzlosen
- nämlich das Eigentum -zu entziehen.
Stattdessen geht es dann um nette und kreative, ja
eigentlich dezente Hinweise darauf, dass es
Leerstand in München gibt und dieser doch genutzt
und vermietet werden soll. Trotz allen Mühen der
Besetzer/lnnen sich auf einer Internetseite selbst
zu erklären, sind die Scheinwerfer des Spektakels
und seiner Handlanger immer auf der Suche nach der
passenden Geschichte, die einen gewissen
Unterhaltungswert aufweist und mit den
entsprechenden Anpassungen an ein demokratischen
und staatlichen Konsens, als Ware verkauft werden
kann. Sobald man seinen eigenen Aktionen ein
Gesicht gibt, wie ein Label oder einen Namen unter
dem sie stattfinden, dann reichen wir denen die
Hand, die versuchen Einzelaktionen zu konstruieren,
die von Spezialisten durchgeführt werden, die also
für die Normalen gar nicht als Handlungsoptionen in
Frage kommen. Und dieser Handschlag-Partner ist
dann der Staat, dessen größte Angst nicht die
Aktionen Einzelner - einfach zu Isolierender, weil
identifizierbar - ist, sondern die massenhafte,
unkontrollierbare und notwendigerweise anonyme
Anwendungen selbstbestimmten Handelns, das bspw.
durch derartige Enteignungen oder obengenannte
Zerstörungen und Angriffe vorgeschlagen wird.
Editorischer Hinweis
Wir entnahmen den Artikel aus: Fernweh Nr. 27,
Anarchistische Straßenzeitung, München, Nov. 2017,
S. 1 und 3.
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