„Das Bellen der Hunde
verletzt die Wolken nicht”, so ein marokkanisches
Sprichwort. „Das Gelaber der Offiziellen verhindert
den Klimawandel nicht”, könnte man die offiziellen
Stellungnahmen und Diskussionen zum Klimagipfel in
Marrakesch zusammenfassen.
Vom 7. bis 18. November findet in dieser
marokkanischen Stadt die 22. UN-Klimakonferenz (22th
Conference of the Parties, kurz COP 22) statt. Wieder
einmal treffen sich zehntausende
RegierungsvertreterInnen, MitarbeiterInnen aus
Ministerien und UN-Institutionen, LobbyistInnen und
JournalistInnen unter riesigem Aufwand zum
alljährlichen Klimagipfel, um zwei Wochen lang vor
allem eines zu tun: große Worte schwingen, wenig
erreichen. In Marrakesch wurde dafür mit staatlichen
Millionen eigens eine Zeltstadt errichtet, während
die Bevölkerung in Armut lebt. Der Gipfel bietet für
die Regierung unter König Mohammed VI. eine gern
gesehene Gelegenheit, von den sozialen Protesten der
letzten Wochen abzulenken und sich mit Besuchen in
Solarthermiekraftwerken als Vorreiter des grünen
Kapitalismus zu präsentieren.
Worum geht es?
Doch worum geht es bei der COP 22 eigentlich? Seit
dem Jahr 1995 finden jährlich „UN-Klimakonferenzen“
in Reaktion auf die globale Erwärmung, eines der
größten ökologischen Probleme unserer Zeit, statt.
Seit einigen Jahren geht es dort vor allem darum, ein
Nachfolgewerk zum sogenannten „Kyoto-Protokoll“ zu
beschließen, das im Jahr 2020 auslaufen wird. Schon
das „Kyoto-Protokoll“ war ein Witz, seine Ziele zur
Reduktion der Emission von Treibhausgasen (THG)
wurden von den meisten Unterzeichner-Staaten weit
verfehlt. Zudem wurde es von den Staaten mit den
größten THG-Emissionen wie den USA, China und
Russland boykottiert. Niemand glaubte deshalb in den
letzten Jahren noch ernsthaft daran, dass bei den
Klimakonferenzen irgendetwas Sinnvolles herauskommen
würde.
Bei der Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015
wurde dann jedoch auch von den USA, China und
Russland – wohl auch, um sich angesichts der
dramatischen weltweiten Auswirkungen der globalen
Erwärmung eine weitere Blamage zu ersparen –
überraschend ein Nachfolgevertrag für das
Kyoto-Protokoll beschlossen. Darin enthalten: eine
Absichtserklärung zur Reduzierung der globalen
Erwärmung auf „möglichst“ 1,5 °C, eine Reduktion der
globalen Netto-THG-Emissionen auf Null in der zweiten
Hälfte des 21. Jahrhunderts und Finanzhilfen für die
sogenannten „Entwicklungsländer“. Was nicht
beschlossen wurde: wer das wie umsetzen soll und was
bei Nichteinhaltung der Ziele passiert. Kurz: ein
zahnloser Tiger. Daran ändert auch der frenetische
Beifall von NGOs, Regierungen und der bürgerlichen
Presse nichts.
Bei der COP 22 in Marrakesch geht es nun darum, die
2015 in Paris getroffenen Absichtserklärungen und
Rahmenforderungen mit Inhalt zu füllen. Und da liegt
das Problem. Momentan setzen die
Unterzeichner-Staaten unter Druck der Großkonzerne,
deren Geschäftstägigkeit auf dem Abbau, der
Vermarktung und Nutzung fossiler Energie basiert und
die einen bedeutenden, wenn nicht entscheidenden Teil
des Monopolkapitals weltweit stellen, alles daran,
wirksame Maßnahmen gegen die globale Erwärmung zu
verhindern. Glänzendes Beispiel dafür ist das
selbsternannte „Klimavorreiter“-Land Deutschland.
Klimaabkommen in Gefahr
Im Juni 2016 wurde von Umweltministerin Barbara
Hendricks (SPD) mit dem „Klimaschutzplan 2050“ ein
Plan zur Umsetzung der Beschlüsse von Paris in
Deutschland vorgelegt. Er sah zur Reduzierung der
THG-Emissionen um 80-95% bis 2050 unter anderem eine
„schrittweise Verringerung der Bedeutung“ der
besonders klimaschädlichen Braunkohleverstromung bis
2050, das Aus für Verbrennungsmotoren in PKW bis 2030
und eine Halbierung des Fleischkonsums „durch
Aufklärungsarbeit“ bis 2050 vor. Wichtig sei es,
„Strukturbrüche“ zu vermeiden. Zur Finanzierung und
konkreten Umsetzung kein Wort.
Alles in allem ein Plan, der weit davon entfernt war,
das gesteckte Ziel von maximal 1,5 °C Erwärmung zu
erreichen. Ursprünglich sollte der „Klimaschutzplan
2050“ vor dem Klimagipfel in Marrakesch beschlossen
werden. Dazu kam es nicht, weil Hendricks’
Parteigenosse Gabriel sowie Merkel aus „Angst vor
Arbeitsplatzverlust in der Kohleindustrie“ ihr Veto
gegen den Plan einlegten. Außerdem wurden seit der
Veröffentlichung von jedem Ministerium der Rotstift
angesetzt und unliebsame Passagen gestrichen. Auch
die IG BCE setzte sich nach Kräften für
Kohlekraftwerke ein. Um die komplette Blamage zu
vermeiden, wurde noch während des Klimagipfels ohne
Kabinettsabstimmung ein „Kompromiss“ verabschiedet.
Er enthält keinerlei konkrete Angaben zum Ausstieg
aus der Kohleverstromung, sondern lässt sogar den
Neubau von Kohlekraftwerken und die Erweiterung von
Tagebauen zu. Die „Vollendung der Energiewende“ wurde
gestrichen, bei den PKWs bleibt alles beim Alten,
viele Angaben zur Emissions-Reduktion wurden
entschärft und es findet sich kein Wort mehr zum
Fleischkonsum. Letztlich ist der Plan nicht einmal
das Papier wert, auf dem er steht.
Viel schwerer als die Bremsversuche der
Bundesregierung wiegt allerdings nach der Wahl von
Trump zum Präsidenten der USA der mögliche Ausstieg
der USA aus dem „Übereinkommen von Paris“. Trump
hatte im Wahlkampf die globale Erwärmung als
„Schwindel“ bezeichnet und kämpft offen für die Öl-
und Gaskonzerne. Zwar ist ein Ausstieg aus dem
Abkommen rechtlich nicht so einfach möglich – er
würde sich über vier Jahre hinziehen – aber die
US-Regierung könnte in einem der größten Kohlendioxid
ausstoßenden Länder mit einem Finanzierungsstopp und
ihrer Untätigkeit das Abkommen de facto zum Scheitern
bringen.
Die Lage ist dramatisch
Angesichts der dramatischen Verschärfung der globalen
Erwärmung ist die vollkommene Unfähigkeit
kapitalistischer Regierungen zur Lösung der
ökologischen Krise umso schlimmer. 2015 war vor 2014
mit großem Abstand des heißeste jemals gemessene
Jahr, das erste Halbjahr 2016 bricht erneut alle
Rekorde. Nach momentanen Prognosen dürfte die globale
Durchschnittstemperatur bis 2100 um rund 4 °C (im
Vergleich zur vorindustriellen Zeit) steigen, sofern
keine effektiven Maßnahmen ergriffen werden. Bereits
jetzt hat sich das Klima global um rund 1 °C erwärmt,
in manchen Regionen sogar über 4 °C. Die Folgen sind
verstärkte Extremwetterereignisse, ein massiver
Biodiversitätsverlust, Wassermangel und ihre
sozioökonomischen Folgen wie Hunger, Flucht und
Kriege. Bei Nichteinhaltung des 2 °C-„Ziels“ besteht
die große Gefahr, dass einzelne Elemente des
Welt-Klimasystems außer Kontrolle geraten und ein
sich verstärkender Rückkopplungseffekt einsetzt. So
führt beispielsweise das Abschmelzen der Eisschilde
an den Polen zu einer dunkleren Oberfläche (Wasser
statt Eis), welche sich wiederum schneller erwärmt.
Bei den jetzigen THG-Emissionen ist vermutlich schon
um 2025 zu viel CO2 in der Atmosphäre um das 1,5
°C-„Ziel“ noch zu erreichen.
Die Weichen, die jetzt gestellt werden, entscheiden
über die Zukunft der Menschheit: bleibt das Klima in
einem für die menschliche Nutzung des Planeten
günstigen Bereich, oder gerät es in einen Zustand mit
unkontrollierbaren, schnellen und irreversiblen
Veränderungen, die ein extremes Risiko für jegliche
Zivilisation darstellen.
Keine Lösung im Kapitalismus
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Stand
der Diskussion in Marrakesch nichts anderes ist als
eine Anleitung zum Desaster. Es müssen schnellstens
gravierende Veränderungen in zentralen Bereichen der
Wirtschaft vorgenommen werden. Dazu zählen
beispielsweise:
- Planmäßiger globaler Ausstieg aus der Nutzung
fossiler Energieträger, dazu massiver Ausbau
erneuerbarer Energien auf Kosten der Energiekonzerne.
Ausbau der Forschung zur emissionsneutralen
Produktion und Energieversorgung.
- Umstellung des Verkehrssystems vom
Individualverkehr zu einem integrieten öffentlichen
Verkehrssystem – her mit einem kostenlosen
Nahverkehrswesen sowie der Entwicklung eines
nachhaltigen Warentransportsystems!
- Umstellung der Nahrungsmittelproduktion auf ein
System ökologischer Nachhaltigkeit, das sich an den
Interessen der Arbeitenden auf dem Land und in der
Lebensmittelproduktion sowie den KonsumentInnen
orientiert.
All diese Maßnahmen sind ohne Eingriffe in das
kapitalistische Privateigentum nicht möglich. Solange
Energiewirtschaft, Verkehrswesen, Städtebau und
Wasserwirtschaft, Agrarproduktion und andere auf
Gewinnmaximierung orientiert sind und für einen Markt
produziert wird, ist eine gezielte, nachhaltige
Produktion, die sowohl die Interessen der großen
Masse der Menschheit (also der Lohnabhängigen, der
Bauern und Bäuerinnen, der ländlichen und städtischen
Armut) wie ökologische Nachhaltigkeit berücksichtigt,
unmöglich. Allenfalls können Reformen im Interesse
der ArbeiterInnen und BäuerInnen zeitweilige
Verbesserungen bringen.
Notwendig ist daher die entschädigungslose Enteignung
aller großindustriellen Unternehmen
(Energiewirtschaft, Verkehrswesen, Wasserwirtschaft,
Agrarindudustrie, Großgrundbesitz an Land) in diesem
Bereich und ihre Zusammenlegung unter Kontrolle der
ArbeiterInnen und der Masse der KonsumentInnen. Den
Gewerkschaften und Organisationen der kleinen und
mittleren BäuerInnen käme dabei eine Schlüsselrolle
zu.
Diese Kontrolle müsste mit der Erarbeitung eines
gesamtgesellschaftlichen und internationalen Plans
zur Umstellung der Produktion verbunden werden. All
diese Maßnahmen weisen leztlich über den Kapitalismus
hinaus, d. h. sie werfen die Notwendigkeit einer
grundlegenden sozialen Umstellung auf.
Denn allein schon die Maßnahmen, welche zur
Einhaltung des 1,5 °C-„Ziels“ nötig wären, sind mit
einer kapitalistischen Warenproduktion vollkommen
unvereinbar. Von den großen Konzernen und ihren
Regierungen wird nicht nur die Umsetzung bereits
beschlossener Klimaschutz-Ziele verhindert, es ist
auch überhaupt nicht im Interesse großer Fraktionen
des Kapitals, die Produktion umzustellen, geschweige
denn, dass sie dazu in der Lage wären.
Ein Wirtschaftssystem, das auf Profitmaximierung
ausgelegt ist, kann in einer Welt mit endlichen
Ressourcen nicht nachhaltig funktionieren. Die
Erhaltung eines wünschenswerten Zustands der Umwelt
kann nur durch die Umgestaltung der Wirtschaft in
eine nachhaltige Planwirtschaft gelingen, die sich an
der Belastbarkeit der Ökosysteme der Erde orientiert.
Deshalb helfen auch Petitionen an Konzernbosse und
SpitzenpolitikerInnen nichts. Was wir brauchen, ist
die internationale Vereinigung der Ausgebeuteten und
Unterdrückten der Welt, der Opfer der rücksichtslosen
Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen. Die
Macht der Konzerne muss mit einer sozialistischen
Revolution gebrochen werden – und zwar schnell!
Das mag angesichts des desolaten Zustands der
ArbeiterInnenbewegung in Deutschland und den meisten
Ländern der Welt wie eine Utopie erscheinen.
Schlussendlich ist es aber die einzige realistische
Alternative zur Begrenzung der globalen Erwärmung und
anderer globaler ökologischer Probleme. Wenn es nicht
gelingt, das 1,5 °C oder 2 °C-„Ziel“ einzuhalten, so
wird die Menschheit wahrscheinlich noch in
Jahrtausenden mit den Folgen zu kämpfen haben. Ein
möglichst rascher Sturz des Kapitalismus ist deshalb
auch notwendig, um die Folgen dieser Probleme
abzumildern und einen Umgang mit ihnen zu finden, der
sich an den Bedürfnissen der Menschheit orientiert,
nicht am Profit.
Quelle: per Email
am 17. November 2016 von
ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL, Nummer 915,
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