Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Quo vadis BMG?
Rouzbeh Taheri u.a. fordern eine Erneuerung der Berliner Mietergemeinschaft (BMG)

Deren Kritikpapier nebst einem Nachwort von Karl-Heinz Schubert

11/2016

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung: Zur Zeit sind gegen die Berliner Mietergemeinschaft zwei Klagen rechtshängig, die von einem Personenkreis um den Pressesprecher der in Kungelei verödeten Mietenvolksentscheid(MVE)-Initiative, Rouzbeh Taheri, auf den Weg gebracht wurden. Dieser Personenkreis hatte im September 2016 quasi als Erläuterung zu seinem juristischen Vorgehen ein "Kritikpapier" zur Erneuerung der Berliner Mietergemeinschaft veröffentlicht. Diese zur Zeit im Internet  nicht mehr abrufbare Erklärung(*) dokumentieren wir und ergänzen sie durch ein parteiliches Nachwort von Karl-Heinz Schubert. / red. trend

www.bmgwatch.com Screenshot vom 19.10.2016


 

In einer Zeit, in der es auf dem Berliner Wohnungsmarkt brodelt, in der immer mehr Mieter*innen darum kämpfen, ihre Wohnung zu behalten; oder eine neue zu bekommen, in der Mieterhöhungen, Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen die öffentliche Debatte bestimmen, spielt die Berliner MieterGemeinschaft (BMG) eine kaum wahrnehmbare Rolle in der politischen Debatte. Einer der herausragenden Akteure der Kämpfe für bezahlbaren und menschenwürdigen Wohnraum in den achtziger und neunziger Jahren ist de facto kein entscheidender Teil der neu entflammten mietenpolitischen Bewegung.

Alle Gründe dafür ausführlich zu analysieren würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Es gibt durchaus objektive und subjektive Gründe für den aktuellen Zustand. Es gibt aber keine Rechtfertigung dafür, dass die Probleme nicht angegangen werden, ja jeglicher Vorschlag zu Ihrer Lösung bestenfalls geblockt wird, schlimmstenfalls als Verrat an die Prinzipien der BMG denunziert wird.

Seit je ist eine beliebte Ablenkung im politischen Streit die Unterstellung unlauterer Motive beim Gegner. In der BMG wird diese Tradition  gepflegt. Wird Kritik am Vorstand oder andere Institutionen des Vereins geäußert, dann wird diese Kritik seit einigen Jahren immer auf eine „Anwaltsverschwörung“ zurückgeführt. Angeblich hätten sich Anwält*innen verschworen, um den Verein zu übernehmen, sich zu bereichern, sich Mandate zu beschaffen oder andere finstere Machenschaften (die aber nie ausgesprochen, sondern nur angedeutet werden) zu begehen.  Die Tatsache, dass es in den letzten Jahren keinerlei Forderungen seitens der Anwälte bzgl. einer Erhöhung der Aufwandsentschädigung oder für andere finanzielle Zuwendungen gab, ist dabei unerheblich, weil es ja auf die Tatsachen bei einer Verschwörungstheorie nicht  ankommt. Es geht um einen Generalverdacht und um Stimmungsmache. Viele der betroffenen Anwälte sind seit Jahren und Jahrzehnten für die BMG tätig. Sie haben sich verpflichtet, in mietrechtlichen Konflikten ausschließlich Mieter*innen zu vertreten. Sie sind vielfach für Ihr Engagement über das rein Berufliche hinaus für ihre Mandant*innen und für die Mieter*innenbewegung stadtweit bekannt. Da sie persönlich und fachlich unangreifbar sind, muss deshalb der unbestimmte Vorwurf der Verschwörung zur Diffamierung herhalten. Richtig ist, dass viele Anwält*innen in den letzten Jahren Kritik an den Zuständen in der BMG geübt haben und dabei sich nicht von der Vereinsführung abwimmeln und einschüchtern ließen. Das ist der Kern dieser „Verschwörung“. Durch ihre Unabhängigkeit und der Kenntnis der eigenen Rechte sind sie äußerst unbequeme Kritiker*innen, und das ist auch gut so. Die BMG sollte sich glücklich schätzen, Anwält*innen zu haben, die sich durch „Autoritäten“ nicht zum Schweigen bringen lassen, weder vor Gericht, noch im eigenen Verein.

Problemlage an Hand von drei Beispielen
Die Frage der Demokratie

Die BMG hat eine speziell konstruierte Satzung. Die Organisationsstruktur sieht als Basis Bezirksgruppen vor (immer noch 23 an der Zahl, die Berliner Verwaltungsreform, immerhin 15 Jahre alt, ist in der Satzung nicht nachvollzogen worden), die insgesamt 46 Delegierten in den Delegiertenrat (DR) entsenden. Der DR ist das höchste Gremium der BMG, er wählt einen dreiköpfigen Vorstand, der aber stark eingeschränkte Rechte hat. So darf der Vorstand selbstständig nur Ausgaben bis zu 300 DM (ja wirklich DM!) genehmigen. So soll eine starke Hierarchisierung durch den Vorstand vermieden werden.

Die Realität der BMG führt die guten Absichten ad absurdum. Es gibt nur 5 Bezirke, in denen  Delegierte gewählt wurden, insgesamt aktuell 13 Personen. In den restlichen Bezirken wurde seit Jahren, größtenteils seit Jahrzehnten nicht gewählt. Es existiert also ein Delegiertenrat, der eigentlich nicht beschlussfähig ist. Von den ursprünglich (auch vor etlichen Jahren) gewählten drei  Mitgliedern des Vorstandes ist nur eine Person übriggeblieben. Seit vielen Jahren werden die Geschäfte des Vereins nur mit Notregelungen weitergeführt, Haushalte werden ohne Beschluss fortgeschrieben, feste Anstellungen durch Honorarverträge ersetzt etc.

Jede Person, die schon einmal in einem Verein, in einer Genossenschaft oder politischen Organisation tätig war, weiß, dass ein solcher Zustand eigentlich nicht haltbar ist. Bei allen Organisationen können Probleme dieser Art zwar auftreten, Vorstandsmitglieder können zurücktreten, Bezirksgruppen sich auflösen, Aktive sich zurückziehen. Es ist aber die Aufgabe der restlichen Mitglieder diese Probleme so schnell wie möglich anzugehen. In der BMG passiert aber genau das Gegenteil. Über viele Jahre wurde kein Versuch unternommen, hier Abhilfe zu schaffen. Alle Forderungen,  wieder  transparente und demokratische Strukturen herzustellen, wurden abgelehnt. Versuche, neue Bezirksgruppen zu gründen wurden blockiert. Wenn die Initiator*innen nicht genehm waren, wurden diese durch Ignoranz, bürokratische Tricks und sogar Einschüchterung vergrault. Es soll alles so bleiben wie es war. Die Forderung nach Wahlen in allen Bezirken wurde durch eine absurde Auslegung der Satzung abgelehnt. Es könne nämlich keine Delegierten geben, ohne dass es Bezirksgruppen gebe. Da aber der Vorstand sich weigert zur Gründung von Bezirksgruppen einzuladen, und auch alle Versuche dazu verhindert, beißt sich natürlich die Katze hier in den Schwanz. Sollte es aber doch irgendwelchen hartnäckigen Mitgliedern gelingen, diese beinahe kafkaesken Verhinderungsstrategien zu überwinden und eine Bezirksgruppe zu gründen, werden diese erst einmal ein halbes Jahr unter Aufsicht gestellt. Die Redaktion des „Mieterecho“- von niemanden gewählt und kein Organ des Vereins-soll die neue Gruppe dann begleiten und beurteilen, ob sie ordentlich gearbeitet hat. Wenn sie sich in den Augen der Redaktion bewährt haben, und erst dann, dürfen die Mitglieder ihre demokratischen Rechte wahrnehmen.

Zur Begründung dieser unglaublichen Vorgänge werden meist zwei Argumentationen vorgetragen:

  • Die BMG sei eine linke Organisation, die nun mal kein „bürgerliches“ Demokratieverständnis hätte. Somit seien irgendwelche Wahlen nicht wichtig. Die Geschichte zeigt aber, dass immer wenn eine linke Organisation hinter dem „bürgerlichen“ Demokratieverständnis zurückfiel, dies der Weg hin zu einer autoritären Führung war. Für uns bedeutet dies, dass die BMG demokratischer, transparenter und basisnaher sein muss, gerade weil sie sich als linker Verband begreift.
  • Gern wird auch das Gespenst einer feindlichen Übernahme bemüht. Es könnte ja sein, so die vielfach wiederholte Erzählung, dass irgendwelche Nazis sich einer Bezirksgruppe bemächtigen und sogar Delegierte wählen. Abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit dieses Falles: Nazis bekämpft man nicht, in dem man der großen Mehrheit der Mitglieder ihr Wahlrecht  auf den bloßen Verdacht hin vorenthält, es könnten sich Nazis (oder andere widerliche Gestalten) darunter befinden. Oder käme jemand auf die Idee, die allgemeinen Wahlen abzuschaffen (so wenig bedeutend Parlamentswahlen einem manchmal erscheinen mögen), um die NPD oder AfD aus dem Parlament raus zu halten?

Wir könnten jetzt noch lange über die Probleme und Erscheinungsformen der fehlenden vereinsinternen Demokratie schreiben, die Grundlage dieser Probleme ist aber gleich. Seit Jahren werden die Mitglieder an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert.

Deshalb wollen wir:

  • Sofortige Einberufung von Mitgliederversammlungen in allen Bezirken mit dem Ziel Delegierte zu wählen und dauerhaft arbeitende Bezirksgruppen zu bilden.
  • Demokratische, transparente, basisnahe Strukturen in der Berliner MieterGemeinschaft, die sich immer wieder erneuern.

Die Frage nach dem Handwerk

Eine Organisation mit 25.000 Mitgliedern wie die BMG funktioniert anders als eine Mieterinitiative. Gerade die Beständigkeit einer solchen Struktur, im Gegensatz zu spontan entstehenden Initiativen, die oft monothematisch arbeiten, ist eine Stärke, die es auszuspielen gilt.

Viele Mitglieder der BMG sind hauptsächlich an den Serviceleistungen des Vereins interessiert. Das ist ihr gutes Recht. Es gibt aber auch viele Mitglieder, die durchaus aktiv werden wollen, aber nicht wissen, wie und wo sie dies tun können. Gerade diesen muss der Verein Angebote unterbreiten, und sie nicht immer wieder vor den Kopf stoßen. Es sollte darüber hinaus die Aufgabe einer linken Mieter*innenorganisation sein,  bestimmte Dienstleistungen für die mietenpolitische Bewegung in der ganzen Stadt bereitzuhalten und dieser Bewegung eine Infrastruktur, Möglichkeiten der Pressearbeit und organisatorische Hilfe anzubieten. Diese Hilfe kann nicht nur auf Nachfrage erfolgen, sondern muss vielmehr offensiv angeboten werden.

Die BMG wird diesen Aufgaben wenig bis gar nicht gerecht. Die Hilfe für die Initiativen erfolgt bestenfalls zufällig, meist aber überhaupt nicht.

Beispielhaft ist auch die Pressearbeit der BMG, die sich einfach zusammenfassen lässt: Sie ist außerhalb der Mitgliederzeitschrift „Mieterecho“ nicht existent. Trotz vielfacher Kritik in den letzten Jahren gibt es bis heute keine zuständige Person für Pressearbeit, es gibt keinen Presseverteiler und keine Presserklärungen. Das ist eigentlich ein an sich unglaublicher Vorgang für eine Organisation von der Größe der BMG. Dutzende Initiativen, wie Bizim Kiez, Kotti und Co, Zwangsräumung verhindern, Mietenvolksentscheid usw., machen eine bessere Pressearbeit als die BMG, Und das obwohl sie teilweise nicht einmal ein Büro haben und komplett ehrenamtlich arbeiten. Wenn dann noch Briefe der BMG veröffentlicht werden  mit einem Briefkopf, auf dem die Adresse mit 1000 Berlin 61 angegeben ist (wann wurden die neuen Postleitzahlen eingeführt?),  ist dies kaum ernst zu nehmen.

Die Begründungen, die wir bisher auf unsere Kritik an der fehlenden Pressearbeit gehört haben , waren in etwa von gleicher Qualität. Man würde bei der Presse nicht durchkommen, die Presse sei eh bürgerlich; und man hätte ja das Mieterecho. Selbstverständlich kommt man nicht mit jeder Presseerklärung sofort auf die Titelseite, und natürlich sind nicht alle Journalisten unserer Meinung. Durch langfristig angelegte, handwerklich saubere Pressearbeit gibt es aber durchaus die Möglichkeit, eigene Positionen in den Medien unterzubringen. Das zeigen die Arbeit der oben erwähnten; und viele weiterer; Initiativen. Das „Mieterecho“ ist aber eine Mitgliederzeitschrift, sie erreicht bestenfalls nur die eigenen Mitglieder, nicht aber die restlichen dreieinhalb Millionen Berliner*innen. Wer sich aber mit Selbstpropaganda zufrieden gibt, hat schon jeglichen Anspruch auf gesellschaftliche Veränderung aufgegeben.

Deshalb wollen wir:

  • Stärkung der Geschäftsstelle durch hauptamtlich tätige Personen für Öffentlichkeitsarbeit, für die Unterstützung von Initiativen und Kampagnen, für die Bezirksgruppenarbeit
  • Umwandlung der prekären Beschäftigungsverhältnisse im Verein in reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse
  • Hilfe bei der Organisation von Mieterinitiativen, beim Aufbau von Mietergemeinschaften und Hausgemeinschaften
  • Begleitung von Mieter*innen in politische Gremien und Ausschüsse

Die Frage nach einem politischen Akteur

Die mietenpolitische Debatte in Berlin ist gekennzeichnet durch drei Grundströmungen. Zum ersten sind da die politischen Parteien, die nach zwei Jahrzehnten neoliberaler Stadtpolitik plötzlich die Interessen der Mieter*innen wiederentdeckt haben;  und morgen wieder anderer Meinung sein könnten. Zum zweiten sind da  die sachlich oftmals richtigen, aber durch mangelnde (und teilweise auch nicht gewollte) Organisations- und Mobilisierungskraft folgenlosen Forderungen von Großorganisationen wie Mieterverein und DGB. Und zum dritten gibt es die äußerst wichtige Arbeit diverser Initiativen, die punktuell Erfolge erzielen und einzelne Kämpfe gewinnen können, aufgrund ihrer thematische Fokussierung auf akute Probleme, ihrer mangelnde Infrastruktur und ihrer Vereinzelung nur selten auf Dauer stadtweite Wirkung zeitigen können.

Was hier fehlt, ist ein berlinweit tätiger Akteur, der langfristig Projekte und Kampagnen entwickelt, offensiv jeglichen Widerstand der Mieter*innen unterstützt, und gleichzeitig durch Beständigkeit und langen Atem einen ruhenden Pol in der Bewegung bildet. Ein Zentrum für Wissen und Können, das allen offen steht, die für ihre Rechte auf bezahlbaren und menschenwürdigen Wohnraum kämpfen. Eine Organisation, die Debatten anstößt und organisiert, Räume öffnet, ohne zu dominieren und ohne die eigene Position zu verleugnen. Als größte Mieterorganisation außerhalb des deutschen Mieterbundes-  in Deutschland- kann und muss die BMG diese Rolle nicht nur innerhalb Berlins, sondern auch bundesweit spielen. Aber auch hier hat sich die BMG aus der Zusammenarbeit mit den alternativen Mietervereinen zurückgezogen und verweigert die gemeinsame Diskussion.

Deshalb fordern wir:

  • Vernetzung mit möglichst vielen mietenpolitischen Initiativen in der Stadt und bundesweit
  • Beteiligung an mietrechtlichen und mietenpolitischen Debatten, fachliche Stellungnahmen, Durchführung von Verbandsklagen
  • Reaktivierung der Zusammenarbeit mit den alternativen Mietervereinen im Bundesgebiet

Es geht anders!

Es gibt kaum eine Initiative, kaum einen ernsthaften Diskussionszusammenhang der mietenpolitischen Bewegung in Berlin, in dem nicht ein oder mehrere Mitglieder der BMG vertreten sind.  Ihre Aktivitäten stehen aber nicht im Zusammenhang mit dem Verein, da die heutige Führung des Vereins sie nicht unterstützt. Sie sind bereit, an einem Neustart der BMG zu arbeiten. Sie brauchen aber auch die Möglichkeit, ihre Ideen, ihre Kraft und ihre Erfahrung in die BMG einzubringen. Die Berliner Mieter*innen brauchen dringender denn je eine kämpferische Mieterorganisation. Eine erneuerte MieterGemeinschaft kann und muss wieder zu einer solchen Organisation werden.

Wolfgang Mahnke (Wilmersdorf), Claudia Baier (Schöneberg), Melanie Dyck, Rouzbeh Taheri (alle Kreuzberg) Carola Handwerg , Oleg Myrzak, Katrin Belal-Steisinger, Maurus Gmür ( alle Prenzlauer Berg), Josta Hamann (Lichtenberg)

+++++++++++++

*) Die Webseite des Kritikpapiers, www.bmgwatch.com,  wurde im Oktober 2016 abgeschaltet und durch eine Weiterleitung zu dem anonymisierten Blog  https://bmgwatch.wordpress.com  ersetzt. "bmgwatch.com" wird dort als Fake bezeichnet.

Das Kritikpapier ist auf dem Blog nicht zugänglich.

Ein FAKE? Hier die Serverdaten (Quelle: http://wa-com.com/bmgwatch.com )
 

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https://www.facebook.com/bmgwatch/ screenshot 29.10.2016
 


Die BMG in der (Sinn-)Krise

In den aktuell laufenden Rechtsstreitigkeiten, in denen es um die Frage der Auslegung bzw. Anwendung der Vereinsatzung der BMG geht, hat die beklagte BMG hinsichtlich der Zweckbestimmung und der Satzungstruktur des Vereins durch den BMG-Vorstand zurecht vorgetragen, dass es sich bei der BMG um einen "Idealverein" handelt (Antrag auf Aufhebung des Urteils des LG Berlin vom 22.6.2015, S.3), der von seinen Mitgliedern "Eigenaktivität" fordert.(ebd. 3f). Denn schließlich heißt es ja in der BMG-Satzung:

"Ausgehend von der Auffassung, dass demokratische Veränderungen nur durchsetzbar sind, wenn die Menschen ihre Interessen selbst erkennen und vertreten, versteht sich die Berliner MieterGemeinschaft als Interessengemeinschaft, die die Eigenaktivität ihrer Mitglieder fordert und sowohl die ehrenamtliche Mitarbeit als auch die finanziellen Beiträge der Mitglieder ausschließlich für die Durchsetzung der gemeinsamen Ziele einsetzt."(§ 2)

Die Unterzeichner*innen des Kritikpapiers fordern zwar eine "kämpferische und demokratische" BMG, haben aber keine Vorstellung, wie ein relevanter Teil der rund 25.000 Mitglieder dafür gewonnen werden kann, eine "kämpferische" Eigenaktivität zu entwickeln. Lapidar heißt es nur:

"Viele Mitglieder der BMG sind hauptsächlich an den Serviceleistungen des Vereins interessiert. Das ist ihr gutes Recht. Es gibt aber auch viele Mitglieder, die durchaus aktiv werden wollen, aber nicht wissen, wie und wo sie dies tun können. Gerade diesen muss der Verein Angebote unterbreiten, und sie nicht immer wieder vor den Kopf stoßen."

Welche Angebote das sein könnten? Funkstille. Folglich richtet sich Ihr Hauptaugenmerk auch nicht auf die angeblich "vor den Kopf gestoßenen" BMG-Mitglieder,  sondern vornehmlich auf die "mietenpolitische Bewegung in der ganzen Stadt", für die die BMG "bestimmte Dienstleistungen"  als "ruhender Pol" bereitzuhalten habe.

Verweilen wir einen Augenblick bei diesem Gedankengang, bevor wir uns ihren  Dienstleistungsvorschlägen zuwenden. Hier ist zunächst die am Anfang aufgestellte Behauptung von der "neu entflammten mietenpolitischen Bewegung" zurückzuweisen, an deren Legende zu stricken, es sich für die Autor*innen gerade auch angesichts der bevorstehenden "rot-rot-grünen" Senatsbildung aus Gründen der Selbstreferenz  lohnt.

Jede stadtpolitische Aktivist*in weiß spätestens, seitdem die MVE-Verhandler*innen durch ihre Kungelei mit dem Senat das Volksbegehren gegen die Wand gefahren haben, dass die meisten MVE-Mobilisierten sich desillusioniert vernetzungspolitisch stadtweit nicht mehr engagieren, sondern - wenn sie aktiv bleiben wollten/mussten - sich in ihr jeweiliges Betroffenen-Projekt zurückgezogen haben. So ist es reiner Hohn, bei nicht einmal 1.000 Teilnehmer*innen auf der Mietenstopp-Demo am 10.9.2016 kurz vor den Berliner Wahlen, wo eigentlich  massenhaft ordentlich Dampf abgelassen werden sollte, - auf der 2011er Demo waren es über 7.000 vor den Wahlen - von einer "mietenpolitischen Bewegung" zu fabulieren. Doch wozu dient dieses Hirngespinst dann?

Jene imaginierte Mieter*innenbewegung soll die folgenden Dienstleistungsvorschläge nur plausibel klingen lassen:

"Unterstützung von Initiativen und Kampagnen", "Hilfe bei der Organisation von Mieterinitiativen", "Vernetzung mit möglichst vielen mietenpolitischen Initiativen in der Stadt und bundesweit", "Beteiligung an mietrechtlichen und mietenpolitischen Debatten, fachliche Stellungnahmen, Durchführung von Verbandsklagen"

Schließlich muss für die Verwirklichung dieser Vorschläge noch eine Pseudo-Dringlichkeit - unter expliziter Ausklammerung der desaströsen MVE-Erfahrungen - konstruiert werden: nämlich dass genau diese Mieter*innenbewegung wegen der "Fokussierung auf akute Probleme" und "mangelnder Infrastruktur" nur "selten eine auf Dauer stadtweite Wirkung zeitigen" kann.

Wer sich ein wenig mit Stellenausschreibungen auskennt - z.B. durch Erfahrungen in der Betriebsratsarbeit - weiß, dass hier nichts anderes passiert, als dass Bedarfe formuliert werden, und zwar solche, woraus  Beschäftigungsstellen erwachsen, die im vorliegenden Fall für Personen bestimmmt sind, die über eine akademische Qualifikation plus Organisationserfahrung verfügen. Folgerichtig lautet ihre erste (organisatorische) BMG-Erneuerungsforderung:

"Deshalb wollen wir die Stärkung der Geschäftsstelle durch hauptamtlich tätige Personen."

Und mensch wäre ein Schelm, der leugnete, dass die Unterzeichner*innen dieses Papiers  zu diesem Personenkreis gehören.

Das Geschmäckle, dass mit diesem Papier vor allem an die eigene berufliche Zukunft der Autor*innen gedacht wird, lässt Leser*innen auch dann nicht los, wenn sie sich durch dieses Kritikpapier hindurchgearbeitet haben. Denn für das durchschnittliche BMG-Mitglied - also lohnarbeitende Werktätige mit Mietwohnungen - haben unsere Autor*innen nur einen einzigen paternalistischen Sozialarbeiter*innen-Vorschlag übrig:

"Begleitung von Mieter*innen in politische Gremien und Ausschüsse".

Das ist jedoch auch eine klare Absage an das BMG-Vereinsmodell, das die Eigenaktivität der einzelnen Mitglieder zum Vereinsziel hat, um das gemeinsame Ziel (das Ideal) zu erreichen, wie es in der BMG-Satzung folgendermaßen formuliert ist.

"Der Verein dient dem Zusammenschluss der Mieter/innen zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Interessen. Er setzt sich dafür ein, dass das verfassungsmäßig garantierte Grundrecht auf Wohnraum für jede/n Bürger/in verwirklicht wird."(§ 2)

Wenn die Autor*innen feststellen, dass die BMG "einer der herausragenden Akteure der Kämpfe für bezahlbaren und menschenwürdigen Wohnraum in den achtziger und neunziger Jahren" war und mit ihrem Papier zur Rekonstruktion der BMG zu neuer Stärke aufrufen, dann ist dies im Prinzip nicht verkehrt.


Kampf gegen Verdrängung durch Umwandlung in Eigentumswohnungen 1998
Info-Stand mit betroffenen Anwohner*innen beim auf dem Hornstraßen-Fest
von links: Der Autor, Anwohnerin, Joachim Öllerich (BMG),  Anwohner

Doch die konkreten historischen Umstände und politischen Konstellationen dieser Jahre bleiben unerwähnt. (Entsprechende Infos dazu gibt es übrigens in der Oktoberausgabe 2016 des Mieterechos.) Insofern handelt es sich nur um geschichtsloses Blahblah, das der allgemeinen Methode des Kritikpapiers folgt. Denn mit solch unsubstantiierten Behauptungen geraten die Autor*innen nicht in den denklogischen Zwang, den favorisierten BMG-Umbau-Vorschlag in eine Dienstleistungsagentur aus realen gesellschaftlichen Bedingungen und politischen Konstellationen ableiten zu müssen.

Doch es gilt zu beachten: Vereine mit Dienstleistungsangeboten, die durch lohnabhängige Beschäftigte abgearbeitet werden, lassen sich nicht jenseits der kapitalistischen Verwertungszwänge organisieren, sondern verwandeln den "Idealverein" in einen "Wirtschaftsverein".  Soll dies nicht geschehen - z.B. aus fiskalischen Zwängen, weil die Einnahmen aus Dienstleistungen mehr als 25 % der gesamten Brutto-Vereinseinnahmen betragen, müssen diese Wirtschaftbereiche nach dem Modell des ADAC's oder des FC Bayern ausgegliedert werden. Und selbst wenn fiskalische Sachzwänge nicht zum Tragen kämen, stünde der Dienstleistungscharakter als hauptsächlicher Vereinszweck der Förderung der "Eigenaktivität der Mitglieder" diametral entgegen.

Aus gewöhnlich gut unterrichteten BMG-Kreisen war im Hinblick auf dieses Papier zu vernehmen, dass es sich trotz des implementierten Paradigmenwechsels im Ganzen um einen sinnvollen Schritt in Richtung Community Organizing (CO) handele. Nun weiß jede/r, die/der sich auch nur ein wenig mit CO beschäftigt, dass es sich hierbei um eine paternalistische gesprächstherapeuthische Methode handelt,  um religiöse oder/und staatstragende Weltsichten in Zeiten sogenannter Staatsverdrossenheit unter dem Label "Bürgerplattform" oder so ähnlich in marginalisierte soziale Milieus hineinzutragen.  Das Ganze häufig vom Großkapital finanziert wie z.B. durch die BMW-Stiftung.

Dass  in der BRD unter Mitgliederschwund leidende Gewerkschaften sich des CO bedienen, macht es nicht besser. Richtig ärgerlich wird es erst, wenn mit diesem Konzept durch  Beifügung des Adjektivs "transformative" die Hoffnung verbunden wird, dass TCO  ein Hebel für eine gesellschaftliche Praxis sein könnte, "die über das Bestehende hinausweist".  

Das politische Manko von TCO zeigt sich exemplarisch in der Praxis von Leuten, die sich gerne als "Mietrebellen" etikettieren. Abgesehen von bunt zurechtgemachten und lauten Straßen-Demos reichte es bisher inhaltlich nicht zu mehr als zu einer Meuterei auf Knien: Angefangen bei Kotti's Bittstellerkonferenz im November 2012 spannte sich der Bogen über das durch Kungelei abgebrochene Mietenvolksbegehren 2015 bis zu dem aktuellen Versuch, sich mit einem wohnungspolitischen "Hearing" in die laufenden "rot-rot-grünen" Koalitionsverhandlungen einzubringen, um eine "soziale Stadt von Unten" zu erbetteln.

Dass die BMG derzeit in einer Krise streckt, nennen wir sie politische Sinnkrise, ist unstreitig. Eine Organisationskrise im engeren Sinne sehe ich bei monatlich rund 50 angebotenen und ebenso nachgefragten Beratungstellen und -angeboten in der Stadt dagegen nicht. Dennoch -  was wäre zu tun, um die über Jahrzehnte im Kampf für eine soziale Wohnungspolitik gewachsene Organisation mit rund 25.000 Mitgliedern tatsächlich inhaltlich zu erneuern und für ihren politischen Organisationszweck zu stärken? Wie müsste heute eine BMG-Programmatik für eine relevante soziale Wohnungspolitik aussehen?

Der Kampf um das "verfassungsmäßig garantierte Grundrecht auf Wohnraum" ist zwangsläufig ein antikapitalistischer Kampf, denn er zielt darauf ab, das Recht und die Möglichkeit auf die Verwertung von Wohnraum zur Generierung von Profiten zu beschneiden. Und da wir unstreitig in einer Klassengesellschaft leben, fällt es nicht schwer zu erkennen, dass mit so einer  Verbandspolitik die Interessen der lohnabhängigen Massen vertreten werden, deren gesellschaftliches Leben durch niedrige Löhne und hohe Mieten täglich beschädigt wird.  Von daher sollte die BMG neben der Tagesarbeit (Beratung, Organisation von Hausversammlungen, Herausgabe des Mieterechos usw.usf.) baldmöglichst beginnen, sich eine wohnungspolitische Programmatik zu geben, die ihrem satzungspolitischen Anspruch unter heutigen Bedingungen gerecht wird. Und - mit dem INKW-Papier liegt bereits ein programmatisches Statement vor, das in die richtige - d.h. antikapitalistische - Richtung weist. Der Auftrag zur Arbeit am Programm könnte durch einen Beschluss des Delegiertenrats auf den Weg gebracht und eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet werden.

Will die BMG wieder zu einem Verband werden, der von der Basis getragen wird, dann gilt es, den Fokus gerade auch auf die Reorganisation der Bezirksgruppen zu legen. Allerdings nicht in einem formal-abstrakten Sinn wie bei den gegenwärtigen Rechtsstreitigkeiten, wo die Bezirksgruppe nur als Wahlvolk für die Delegierten verstanden wird. Vielmehr kommt es darauf an, diejenigen Mitglieder, die aktiv sind bzw. es werden wollen, in die Ausarbeitung der wohnungspolitischen Programmatik einzubinden.  Dies wird nicht gelingen ohne Qualifizierung, d.h. nicht ohne eine wohnungspolitische Aktivist*innen-Schulung, die methodisch so aufgebaut ist, das in ihr die praktisch politischen "Vor-Ort-Erfahrungen" mit theoretischen Einsichten in ökonomische Zusammenhänge und politische Strukturen verbunden werden.

Die Kunst, die Sinnkrise der BMG zu überwinden,  wird also darin bestehen, diesen schwierigen Zusammenhang  - Arbeit am Programm und Schulung - zusammen mit den aktiven Mitgliedern zu meistern. Kontroversen werden dabei nicht ausbleiben. Sie allerdings mithilfe der bürgerlichen Klassenjustiz auszutragen, ist dagegen mehr als kontraproduktiv. Im Klartext: vereinsschädigend.

Berlin im November 2016
Karl-Heinz Schubert