Stimmen aus dem linken Spektrum zu den Pariser Attentaten

Nach den Anschlägen von Paris: Nein zu Rassismus und Krieg
Der »Krieg gegen den Terror« produziert Terror. Luftbombardements und Schließung der Grenzen sind die falsche Antwort.

Eine Stellungnahme von marx21

11/2015

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Das brutale Vorgehen der Täter von Paris ist menschenverachtend und Ausdruck barbarischer Gewalt. Unser tiefes Mitgefühl gilt den vielen Opfern und ihren Familien und Freunden. Die terroristischen Anschläge, zu denen sich der »Islamische Staat« (IS) bekannt hat, sind durch nichts zu rechtfertigen. Sie führen nur zur weiteren Eskalation von Gewalt und Gegengewalt. Es gehört wohl zum politischen Kalkül des IS, wenn sich Muslime in Europa jetzt noch größeren Anfeindungen ausgesetzt sehen.

Pariser Attentate: Muslime unter Generalverdacht?

Es besteht die große Gefahr, dass Rassisten und Nazis versuchen werden, Flüchtlinge und Muslime unter Generalverdacht zu stellen. So hat der bayerische Finanzminister Markus Söder die Anschläge zum Vorwand genommen, »Konsequenzen für die Flüchtlingspolitik« zu fordern. CSU-Chef Seehofer stößt ins gleiche Horn, wenn er jetzt schärferen Grenzkontrollen verlangt. Wenn Söder und Seehofer in Reaktion auf die Pariser Anschläge die Schließung der Grenzen fordern, dann liefern sie damit Argumente für offen rassistische Angriffe auf Flüchtlinge durch Pegida, AfD und NPD. Die Identifizierung der ersten Angreifer von Paris weist darauf hin, dass die Attentäter in Europa aufgewachsen sind. Mehrere stammen aus den Armenvierteln der Pariser und Brüsseler Vororte. Ausgrenzung und Diskriminierung muslimischer Jugendlicher führt dazu, dass viele keine Perspektiven mehr für sich sehen. Die allermeisten von ihnen lehnen die Attentate ab. Manche aber entfremden sich völlig von der sie umgebenden Gesellschaft und verlieren dabei jeden Halt.

Nach Paris: Nein zu den Hasskampagnen

Faschisten und Rassisten aber nutzen die Anschläge, um weiter Hass zu säen. Sie haben bereits die Anschläge vom Januar gegen »Charlie Hebdo« genutzt, um Dutzende von Moscheen in Frankreich und Deutschland anzuzünden. Seit Januar sind in Deutschland Anschläge auf rund 700 Flüchtlingsunterkünfte verübt worden. Politiker der regierenden Parteien haben nur unzureichend auf die Hasswelle von rechts reagieren. Ein Aufschrei der Empörung wäre angemessen. Statt Hasskampagnen und Generalverdacht gegen den Islam müssen wir allen Jugendlichen gleiche und gute Chancen von Bildung und Ausbildung geben. Das würde dem IS wirklich schaden. Es würde seine Chancen verringern, Anhänger unter jungen Muslimen zu finden.

Die Grenzen zu schließen, ist hingegen die falsche Antwort. Kein einziges der Attentate des IS innerhalb Europas wäre durch geschlossene Grenzen oder Zurückweisung von Flüchtlingen zu verhindern gewesen. Vielmehr führt die von Seehofer, Schäuble und anderen immer neu angefachte Debatte zu einem Klima der Missgunst und des Hasses. Deshalb muss die Linke jetzt erst recht fordern: Flüchtlinge willkommen – Öffnet die Grenzen, statt Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen.

Bomben bringen keinen Frieden

Der französische Ministerpräsident Hollande hat unmittelbar nach den Anschlägen zum Krieg gegen den Islamischen Staat aufgerufen. Die französische Luftwaffe hat in einer ersten Reaktion in einer Nacht 20 Bomben auf die syrische Stadt Rakka abgeworfen.

In den Medien wird der Eindruck erweckt, als würden nur Terroristen getroffen. Doch diese Angriffe treffen unweigerlich unschuldige Zivilisten, nicht viel anders als die Anschläge von Paris. Wenn Hollande meint, dass er das Recht hat, arabische Städte und Dörfer zu bombardieren, kommt darin nicht nur die lange Tradition des französischen Kolonialismus und Imperialismus zum Ausdruck. Diese Angriffe werden dem IS überdies immer neue Anhänger zutreiben.

Der Aufstieg des IS

Ohne die westlichen Kriege in Afghanistan, Irak und jetzt in Syrien gäbe es den Islamischen Staat nicht. Die Zerstörung des Irak durch die Invasion der USA nach 2003 und die Etablierung eines Systems entlang religiös-ethnischer Linien hat zum Krieg zwischen Sunniten und Schiiten im Irak geführt. Der IS ist aufgestiegen, weil die von den USA eingesetzte schiitische Regierung unter Premierminister Maliki den Reichtum des Landes raubt und Sunniten systematisch ausgrenzt und verfolgt. Das Regime in Bagdad kann sich heute nur dank religiös-sektiererischer schiitischer Milizen halten, die dieselben Verbrechen wie der IS begehen. Noch mehr Bomben auf »IS-Stellungen« und die Aufrüstung der Regierung in Bagdad – auch mit Waffenexporten aus Deutschland – werden den Konflikt nicht lösen. Sie tragen vielmehr dazu bei, den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten weiter zu verfestigen.

Gemeinsam für Frieden

Dieser kann nur durch den Aufbau einer demokratischen Bewegung von unten gelöst werden, die die Menschen unabhängig von ihrem Glauben als Arbeiter, Bauern, Handwerker und Gewerbetreibende zusammenbringt. Im Sommer dieses Jahres haben Hunderttausende auf den Straßen von Basra und Bagdad gegen die Korruption der Bagdader Regierung demonstriert. Dies zeigt: Ungeachtet des Krieges gibt es unter allen Volksgruppen politische Kräfte, die sich gegen die Logik des ethnischen und religiösen Hasses stemmen.

Krieg und Terror sind zwei Seiten derselben Medaille

Seit mehr als 15 Jahren führen die USA im Bündnis mit Frankreich und Deutschland einen so genannten »Krieg gegen den Terror«: angefangen in Afghanistan und Pakistan, über Irak und Syrien, nach Palästina und Libyen. Auch in Mali, Jemen und Somalia wurde und wird dieser Krieg geführt. Seit zwei Monaten bombt auch Russland in Syrien mit. Diese Kriege haben über eine Million Menschen das Leben gekostet und ganze Gesellschaften zerstört. In diesen Kriegen geht es nicht um »westliche« Werte wie Demokratie oder Frauenrechte. Es geht um Öl, Profite und geostrategische Machtpolitik. Die Fraktionssprecherin der LINKEN, Sahra Wagenknecht, hat nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo geschrieben, dass die Auslöschung »unschuldiger arabischer Familien durch vom Westen gesteuerte Drohnen ein genauso verabscheuungswürdiges Verbrechen ist wie die Terroranschläge von Paris«. Das gilt auch heute.

Vor wenigen Wochen hat ein gezielter US-Luftangriff gegen ein Krankenhaus im afghanischen Kundus mindestens 30 Patienten und Ärzte verbrannt. Das ist nichts anderes als imperialistischer Terror, der dem Terror des IS immer neuen Nährboden verschafft. Wer den IS bekämpfen will, muss deshalb gegen die imperialistischen Kriege kämpfen. Krieg und Terror sind zwei Seiten derselben Medaille. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Weder Waffenexporte, noch militärische Ausbildungsmissionen, noch Unterstützung von Luftangriffen gegen Städte und Dörfer sind ein Beitrag für den Frieden. Deutschland muss raus aus dem US-geführten »Krieg gegen Terror«, der selbst nichts als Terror ist.

Quelle: http://marx21.de/  am 16.11.2015