Antisemitismus-Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht
Elsässer gegen Ditfurth: letzte Gerichtsinstanz

von Jutta Ditfurth (3.11.2015)

11/2015

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Der Antisemitismus-Prozess (Elsässer ./. Ditfurth) geht in seine letzte Instanz. Meine Anwälte werden in den nächsten Tagen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München einlegen. Das OLG hat im Oktober meine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts (LG) München II zurückgewiesen und den Zugang zum Bundesgerichtshof versperrt. Um es höflich zu formulieren: das Urteil des OLG München genügt weder inhaltlich noch formal den Erwartungen, die heute an ein höheres deutsches Gericht in Sachen Antisemitismus zu stellen sind. Die Aussichten sind gut.

Nur Dank Eurer Solidarität und Hilfe habe ich die ersten Instanzen geschafft!

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ZUM INHALT DES KONFLIKTS:

Antisemitismus vor dem Bundesverfassungsgericht 
Darf man in Deutschland einen Antisemiten einen Antisemiten nennen?


Es begann mit einem Zufall. Ich verfolgte für mein Buch „Der Baron, die Juden und die Nazis“ die Spur des Nazis Karl-Heinz Hoffmann (Ex-Wehrsportgruppe Hoffmann) und fand ihn im Februar 2014 an der Seite des früheren Linken Jürgen Elsässer. Was trieb der? Elsässer verabredete sich damals gerade mit anderen neuen Rechten zu den antisemitisch durchtränkten "Mahnwachen für den Frieden", die dann im März 2014 starteten. Als austauschbarer Anlass diente ihnen der Konflikt um die Ukraine und die Angst vor Krieg.

Getragen wurde diese Montagsquerfront von verschiedenen antisemitischen, rassistischen, völkisch-nationalen, verschwörungstheoretischen, rechtsesoterischen, homophoben und antifeministischen Strömungen. Heute wissen wir: Diese „Wahnwichtel“, wie wir sie spöttisch nannten, wurden eine Wurzel einer neuen völkischen, antisemitischen und rassistischen Bewegung in Deutschland.

Eine mangelhafte Studie der TU Berlin über die Mahnwachen enthüllte immerhin, dass 91 Prozent der Teilnehmer der Berliner Mahnwache ganz oder wenigstens teilweise glaubten, dass „Amerika bzw. das amerikanische Militär […] nur der Knüppel der FED (US-Notenbank)“ ist; dass 47 Prozent es ganz oder teilweise für möglich hielten, dass „die Zionisten an den Hebeln der Macht“ sitzen und eine Mehrheit wünschte sich, wenigstens zeitweise, „einen Führer“.

In einem Interview in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“ am 16. April 2014 hatte ich die zentralen Organisatoren und Ideologen benannte und in diesem Zusammenhang Jürgen Elsässer einen "[… derzeit verboten] Antisemiten" bezeichnet. Er klagte gegen mich und lässt sich dabei von Michael Hubertus von Sprenger, dem ehemaligen Anwalt des weltbekannten britischen Holocaust-Leugners David Irving, vertreten.

Ich verlor in der I. Instanz vor dem Landgericht München I am 10. Dezember 2014, denn dieses bayerische Gericht definierte den Antisemitismus neu und befreite Deutschland auf einen Schlag von der Mehrheit seiner Antisemit*innen: "Ein glühender Antisemit in Deutschland ist jemand, der mit Überzeugung sich antisemitisch äußert, mit einer Überzeugung, die das III. Reich nicht verurteilt und ist nicht losgelöst von 1933-45 zu betrachten vor dem Hintergrund der Geschichte." Aufgrund der öffentlichen Kritik etwas verpackt, befindet sich dieser abseitige Grundgedanke doch auch im schriftlichen Urteil.

Nach dieser Logik wäre es untersagt, Menschen Antisemiten zu nennen, wenn sie andere Menschen antisemitisch beleidigen, sie diskriminieren und mit Hass verfolgen. Ein Antisemit wäre nur dann einer, wenn er sich affirmativ auf die Jahre 1933 bis 1945, auf den NS-Faschismus und auf Auschwitz bezieht. Jüdischen Menschen könnte künftig ohne weiteres eine „Weltverschwörung“ unterstellt werden. Antisemitische Machwerke wie Die Protokolle der Weisen von Zion dürften in Schulbibliotheken stehen.

Fragt man heute einen modernen Antisemiten, ob er Juden hasst, sagt er meist „nein“. Elsässer aber weiß genau, dass Begriffe wie „internationale“ oder „angloamerikanische Finanzoligarchie“, „Zionisten“ sowie „amerikanische Ostküste“ von heutigen Antisemiten als Synonyme oder Codes für „die Juden“ verwendet und verstanden werden: es sind antisemitische Stereotype.

Wie genau er es weiß, zeigen seine eigenen früheren Veröffentlichungen: 2009 berichtete Elsässer über die Mitgliederzeitschrift der IG Metall, die im Jahr 2005 mit ihrem Schwerpunkt „Die Aussauger“ viel Kritik geerntet hatte. Das Titelbild zeigte „ein Insekt mit Stars-and-Stripes-Zylinder und langem Rüssel im Anflug“. Elsässer verhöhnte die Kritiker: „nirgends hatte die IG Metall Juden erwähnt und auch nicht Synonyme [!] wie Zionisten oder amerikanische Ostküste verwendet.“ Nachweislich kennt er die antisemitischen Chiffren aber bereits seit 1992, als er sich noch für einen Linksradikalen hielt und ein Buch gegen Antisemitismus schrieb. – Auch dieses Material ist in das Gutachten von Prof. Monika Schwarz-Friesel für den Prozess eingegangen.

Seit einigen Jahren jedoch gehört die strukturell antisemitische, künstliche Trennung des „bösen, raffenden, unproduktiven, anglo-amerikanischen, jüdischen Finanzkapitals“ vom vermeintlich „guten, schaffenden, produktiven, deutschen Industriekapital“ zu Elsässers Repertoire. Die kapitalistische Krise vorwiegend dem „angloamerikanischen internationalen Finanzkapital“ in die Schuhe zu schieben ist ein klassisches, antisemitisches Muster, ein Urbild antisemitischer Ideologie seit dem 19. Jahrhundert.

In seiner Rede bei einer „Friedensdemo“ der „Mahnwachen“ am 21. April 2014 in Berlin übernahm Elsässer das törichte Occupy-Klischee von den 1:99 Prozent. Elsässer: 1 Prozent der „internationalen Finanzoligarchie“ erwürge und erdrossele „die 99 Prozent, darunter Arbeiter, Arbeitslose, Elende und auch viele Unternehmen [!] und Firmen [!] in ihrer Zinsschlinge“. Und wem „internationale Finanzoligarchie“ zu „abstrakt“ sei, dem nannte er Namen: „Die Herren Rockefeller, Rothschild, Soros, Chodorkowski, das englische Königshaus und das saudische Königshaus. Und warum soll es Antisemitismus sein, wenn man darüber spricht, wie diese winzig kleine Schicht von Geldaristokraten die Federal Reserve benutzen, um die ganze Welt ins Chaos zu stürzen?“

Vier der Genannten haben möglicherweise jüdische Vorfahren, zwei Namen dienten ihm lediglich als Dekoration, es „fehlen“ Legionen von christlichen Ausbeutern.

Das bei modernen Antisemiten beliebte Bild der 1:99 Prozent ignoriert jede halbwegs intelligente Analyse sozialer Schichten und Klassen, aber es geht ja auch nicht wirklich um Kritik und Analyse des Kapitalismus.

Liest man Elsässers Reden und Texte der letzten sechs Jahre, stößt man auf ein ideologisches Wahnsystem, das nicht nur aus den meisten Juden „Zionisten“ macht, sondern, oft nur notdürftig verhüllt, Israel mit dem NS-Regime gleichsetzt und die Shoa auf diese Weise relativiert. Auf der bundesweiten Friedensdemonstration der Montagsquerfront am 21.7.2014 in Berlin sagte er: „Mein Name ist Jürgen Elsässer und meine Zielgruppe bleibt das Volk […] Wer vom Zionismus nicht reden darf, muss auch vom Faschismus schweigen.“

Den Titel von Viktor Klemperers Meisterwerk "LTI – Notizbuch eines Philologen" (LTI = Lingua Tertii, Sprache des Dritten Reichs) missbrauchte Elsässer für seine Wortschöpfung "Lingua Quarti Imperii, die Sprache des anglo-amerikanischen Imperiums", die es zu analysieren gelte und er fügte hinzu: "Unsere Volksinitiative organisiert den Bruch mit der Political Correctness, den Widerstand gegen das internationale Finanzkapital und seine Kriegsbrandstifter in Washington, London und Jerusalem."

Wessen Interessen Elsässer tatsächlich vertritt, verriet er beispielsweise in einer Rede
in der Schweiz im Juli 2014: Das „anglo-amerikanische Finanzkapital“ betreibe „im wesentlichen Hütchenspiele“, während „vernünftige und sozial eingestellte“ deutsche „Unternehmer“ „wirkliche Werte“ herstellten. Die „deutsche Schwerindustrie“ sei zwar irgendwie mit dem NS-Regime verbündet gewesen und habe „die Waffen für den Zweiten Weltkrieg geliefert“, um „im Osten […] irgendwelche Rohstoffe“ [!] zu erobern und hatte deshalb einen schlechten Ruf, aber heute sei „der ganze deutsche Maschinenbau […] sehr friedlich“.

Für diese wirre Vorstellung musste Elsässer verschweigen, dass Deutschland auf Platz 3 der Rüstungsexporteure der Welt steht. Auch an den sozialen, ökologischen, ökonomischen und militärischen Folgen der von ihm gelobten „sehr guten [deutschen] Geschäfte […] mit Russland und China“ und „guten Geschäfte“ mit den arabischen Staaten und dem Iran hat er nichts auszusetzen. Er steht ganz auf Seiten der Geschäftsinteressen seiner Bündnispartner. „Der Russe“, „der Chinese“, „der Perser“ zahlten nämlich, so Elsässer, im Unterschied zu „den Amerikanern […] mit echtem Geld“.

Elsässer, der sich gern als radikalen „Systemkritiker“ inszeniert, ist bei näherer Betrachtung lediglich ein völkischer Lobbyist bestimmter Fraktionen des mittelständischen deutschen Kapitals.

Immer wieder trat er mit Antisemiten auf Kundgebungen auf. Zu ihnen gehört Ken Jebsen, ein ehemaliger Radiomoderator von Radio-Brandenburg-Berlin (RBB), dessen bürgerlicher Name Moustafa Kashefi lautet. Beide unterstützten die „Mahnwachen“ und interviewten sich gegenseitig. Jebsen alias Ken FM ist bekannt für eine Flut von antisemitischen Äußerungen. Beispielsweise schrieb er: „Warum ist folgendes antisemitisch? Nationalzionisten haben Israel okkupiert wie Nazis 33 Deutschland okkupiert haben.“ Die Nazis kamen vom Mars, überfiel das Land der Dichter und Denker, arme deutsche Opfer, und die Shoah wird relativiert. In einem Brief an einen Radio-Hörer schrieb Jebsen, bevor der RBB ihn feuerte: „ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat. der neffe freuds. bernays. In seinem buch propaganda schrieb er wie man solche kampagnen durchführt. goebbels hat das gelesen und umgesetzt.“ [Originalschreibweise] Ein Jude ist schuld am Massenmord, das ist die Botschaft.

Gern vergleicht Jebsen Israel mit dem NS-Regime und erklärt, dass es vor allem „radikale Zionisten mit US-Pass“ seien, „deren Lieblingssport im Schlachten von Arabern bestehe“. Und: „Was Adolf Hitler mit den Juden während der Shoa nicht gelungen ist, hätten radikale Zionisten mit den Palästinensern dann erreicht. Die Endlösung.“

Ein weiterer Elsässer-Kollaborant über Monate war Lars Mährholz, einer der Gründer der sogenannten „Mahnwachen“. Der erklärte Voice of Russia in einem Interview am 7. April 2014 dass letztlich die Juden selbst die Mörder der Juden seien – und außerdem schuld an zwei Weltkriegen und „allen“ anderen Übeln der letzten hundert Jahre: "Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles 'n bisschen auseinander klabüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht."

Nicht Nazi-Deutschland hat demzufolge sechs Millionen jüdische Menschen ermordet und ist schuld am Zweiten Weltkrieg, sondern eine (angeblich private, angeblich jüdische) US-amerikanische Bank – die Federal Reserve Bank (FED). Es ist die infame Verschlüsselung des antisemitischen Mythos von der jüdischen Weltverschwörung. Als Jebsen und Mährholz wegen ihrer antisemitischen Äußerungen kritisiert wurden, versicherte Elsässer beide öffentlich seiner „ausdrücklichen Solidarität“.

Elsässer arbeitet eng mit Shoah-Leugnern zusammen. Er nahm 2009 an einer Konferenz in Moskau teil, wo er dem Vortrag des Holocaust-Leugners Israel Shamir lauschte, der die Protokolle der Weisen von Zion für echt hält und vielfältige Verbindungen zur europäischen Neo-Naziszene besitzt. Andere Konferenzteilnehmer vertraten die „Eurasische Bewegung“ des grossrussischen Nationalisten und Putin-Beraters Aleksandr Dugin. In seiner eigenen Rede plädierte Elsässer für „eine gemeinsame Plattform für den Widerstand der christlichen und der islamischen Welt, weil die Anglo-Amerikaner [sic!] die Christen und Moslems gegeneinander aufhetzen wollen […] eine gemeinsame Widerstandsfront in Europa […] für die Substitution der Europäischen Union durch eine Konföderation souveräner Nationalstaaten, die sich von Bordeaux bis Wladiwostok erstreckt. Eine Eurasische Union also.“

Ebenfalls 2009 begrüßte Elsässer die Wiederwahl des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad und ließ sich drei Jahre später im Rahmen einer Audienz sogar stolz beim Handschlag mit dem Holocaust-Leugner fotografieren. Für die gefolterten Oppositionellen im Iran hatte er nur Hohn übrig.

2014 folgte er einer Einladung des bekannten Schweizer Holocaustleugners Ivo Sasek und seiner AZK (Anti-Zensur-Koalition) in die Schweiz und hielt dort eine Rede. Über Sasek schrieb der schweizerische Tagesanzeiger: „Amerika ist für Sasek des Teufels und richtet ein orchestriertes Chaos an, wie es in den Protokollen der Weisen von Zion beschrieben ist. Das geheime Papier von Anfang des letzten Jahrhunderts enthält angeblich das Konzept, wie jüdische Politiker und Banker heimlich eine Weltregierung anstrebten.“

Es gibt eine lange Reihe weiterer Beispiele dafür, dass Elsässer spätestens seit 2009 einem völkischen, antisemitischen, rassistischen, homophoben und antifeministischen Netzwerk angehört. In jenem Jahr gründete er seine „Volksinitiative für das Finanzkapital“, einen völkischen Zusammenschluss gegen das „angloamerikanische Finanzkapital“. Der stellvertretende Vorsitzende der NPD Holger Apfel beglückwünschte ihn: Mit seinen Forderungen habe sich Elsässer NPD-Positionen nicht nur „angenähert, nein, er vertritt NPD-Positionen“. Die NPD ist die der NSDAP programmatisch am nächsten stehende bundesdeutsche Partei.

Bei einer Konferenz dieser „Volksinitiative“ im Jahr 2010 traten dann auch Rechtspopulisten wie Nigel Farage (UKIP, Großbritannien) und Prof. Karl Albrecht Schachtschneider auf. Im selben Jahr referierte Elsässer in Wien auf Einladung der rechtsradikalen „Initiative Heimat & Umwelt“ (IHU), die in ihrer Zeitung Wegwarte „gegen die angebliche ‚Befreiung’ Deutschlands und Österreichs im Jahre 1945“ wettert.

Elsässer unterstützt auch die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD), die inzwischen in mehreren Landesparlamenten und im Europa-Parlament sitzt, und im Oktober 2014 begrüßte er den Aufmarsch von Nazi-Hooligans in Köln (HogeSa): „Es ist ein großer Schritt nach vorne, dass die Hools sich nicht mehr hauptsächlich gegenseitig verkloppen, sondern gemeinsam etwas für ihr Land tun wollen.“

Im November 2013 veranstaltete er mit seiner Zeitschrift Compact einen homophoben Kongress in Leipzig zu dem neben anderen rechtspopulistischen Referenten ausgerechnet die russischen Duma-Abgeordneten Olga Batalina und Jelena Misulina eingeladen waren, die zu den Urhebern des berüchtigten russischen Gesetzes 'gegen homosexuelle Propaganda' gehören. Es referierte auch Béatrice Bourges, eine dogmatische Katholikin, die 2013 in Frankreich Millionenproteste gegen die Homo-Ehe mobilisiert hatte.

Anlässlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für ein prinzipielles
Adoptionsrecht für Homosexuelle drehte Elsässer vollends durch: Nicht nur werde die „Institution der Ehe (…) zerstört“ und somit „die Grundlage für die Reproduktion des Volkes“. Er fürchtete sich auch vor einer „anderen Lebensform“, welche das „menschliche Zusammenleben“ bedrohe. Es handele sich keineswegs um „Außerirdische“. „Motor“ des Angriffs sei „eine winzige globale Finanzoligarchie, die mit neuen Reproduktions- und Gentechnologien ihr tausendjähriges Reich errichten will“. Das ist nichts anderes als eine moderne Variante der klassischen antisemitischen Wahnvorstellung vom bösen, fremden „Anderen“, dem Juden.

Elsässer ist zudem ein erklärter Rassist. Anlässlich eines Fussball-Spiels 2012 (das deutsche Team unterlag dem schwedischen) hetzte er: „Wie kann man 4:0 vorne liegen und das Spiel nicht nach Hause schaukeln? Das wäre früher in Deutschland unmöglich gewesen. Das gab’s vielleicht in Afrika, wo man aus Spaß an der Freud herumkickt. […] Jedem das Seine. Kein Volk ist schlechter als das andere. Aber absolut TÖDLICH ist das Vermischen“.

Obwohl ich meine Meinung zu Jürgen Elsässer ausführlich begründen konnte und belegt habe, ist meine Meinungsfreiheit aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts München I jetzt eingeschränkt. Mir drohen im Fall der Wiederholung 250.000 Euro Strafe oder 6 Monate Ordnungshaft. Meine Meinung ist nicht mehr frei.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht am 28. Juli 2014 die Meinungsfreiheit gegen die permanente Einengung durch die Überbewertung von Schmähkritik sehr deutlich verteidigt: „Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das 
Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben“.

Die Linguistin Prof. Monika Schwarz-Friesel (TU Berlin) hat für den Prozeß ein Gutachten geschrieben und den Fall in ihr neues Buch „Gebildeter Antisemitismus“ (2015) aufgenommen. Dass Staatsanwaltschaften und Richter*innen den antisemitischen Charakter mancher Parolen, Texte und Reden nicht sehen wollen, zeige
„einen eklatanten Mangel an historischer Kenntnis zur Bandbreite der Artikulationsformen von Judenhass. Es belege zudem, dass in den sozialen und juristischen Klassifikationsprozessen oft eine unzulässig enge, das gesamte Spektrum des Antisemitismus nicht erfassende Definition zugrunde gelegt wird. Nur denjenigen als einen Antisemiten zu begreifen, der 'den Holocaust leugnet und das Dritte Reich verteidigt' (siehe den Gerichtsprozess um Jutta Ditfurth am 8.10.2014) führt dazu, die Mehrzahl der aktuellen antisemitischen Einstellungen und Äußerungen zu ignorieren oder zu bagatellisieren.“ Das erstinstanzliche Urteil belege, „dass auch Jurist*innen in Deutschland weder hinreichend über die lange Geschichte der Judenfeindschaft noch über die modernen, seit 1945 verbreiteten, von der Antisemitismusforschung beschriebenen Sprachgebrauchs - und Argumentationsmuster informiert sind.“ So ist es.

 Die Auseinandersetzung über die neuen antisemitischen, rassistischen und völkischen Bewegungen, um AfD, Mahnwachen, Querfronten, Hogesa und Pediga sind – wer könnte das leugnen? –, „die Öffentlichkeit wesentlich berührende Fragen“. Die Münchner Richter des Landgerichts aber stellten sich auf Elsässers Seite, u.a. mit folgendem Argument: Vor allem in Deutschland könne, aufgrund der „deutschen Geschichte“, der Vorwurf des Antisemitismus geschäftsschädigend sein. Ich hätte zwar das Recht auf meine freie Meinung, aber diese sei einzuschränken, wenn Elsässers berufliche (geschäftliche) Interessen geschädigt werden könnten. Das nämlich hatte er behauptet.

Tatsächlich jedoch nützt der juristische Konflikt Elsässer, sich Rechtsextremen in aller Welt bekannt zu machen. Im Gegensatz zur fürsorglichen Annahme des Landgerichts verkündete er stolz, dass sich zum Beispiel die Auflage seiner Zeitschrift Compact während des Konflikts mit mir von 30.000 Anfang 2014 auf 42.000 im September 2014 gesteigert habe. Die neueste Meldung liegt bei 50.000 Exemplaren.

Auch seine Compact-Konferenz Ende 2014 war mit mehr als 800 Teilnehmern, die 
zwischen 69 und 350 Euro Eintritt bezahlten, ein wirtschaftlicher Erfolg.
Doch selbst wenn es anders gewesen wäre: die Meinungsfreiheit darf nicht durch Geschäftsinteressen eingekerkert werden. Ein … [verboten] muss ein … [verboten] genannt werden dürfen. Und das ist eben nicht nur mein Problem.

Nachtrag: Bei den Spendensammlungen, als ich auch einige frühere Bekannte ansprach, habe ich einiges über Menschen und über die gegenwärtigen politischen Verhältnisse gelernt. Ein wohlhabender Mensch, den ich für aufgeklärt hielt, sagte z.B. zu mir: "Jutta, ich schätze Dich, aber die Sache mit den Juden sehe ich anders." Da war alles klar und das Gespräch beendet.

Quelle: Zusendung per Email durch die Autorin am 3.11.2015