Die DKP vor ihrem Parteitag (14./15. November)

Dabei sein ist nicht alles!

von Thomas Mehner

11/2015

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onlinezeitung

Red. Vorbemerkung: Wohin sich die DKP entwickelt, sollte schon deshalb von Interesse sein, weil die klassenorientierte Linke in der BRD vor der Aufgabe steht, die Einheit der Klassenlinken herzustellen, wenn sie überhaupt eine Chance auf politische Wirkungsmacht haben will. Die DKP spielt dabei in gewisserweise eine ideologische Negativrolle, weil sie mit ihrer DDR-Nostalgie und durch ihren ständigen Blick zurück in Sachen Klassenanalyse und Staatstheorie  strategisch notwendige Debatten blockiert. Unbeschadet dessen dokumentieren wir in Abständen - im Sinne von Bruch und Kontinuität in der DKP - ihre ideologische Entwicklung, die immer dann in Schwung kommt, wenn Parteitage nahen (siehe dazu div. TREND-Artikel). In dieser Ausgabe sind es vor allem die Kritik an der ideologischen Entwicklung der DKP vor dem 21. Partei durch Frank Braun und dazu die Stellungnahme des stellvertretenden DKP-Vorsitzenden Hans-Peter Brenner. Der nachstehende Artikel befasst sich mit der (antimonopolitischen) Bündnisarbeit der DKP gegen die "menschenfeindlichen Politik des Monopolkapitals" - also einem echten DKP-Ladenhüter aus der 1970er Jahren, der auch beim kommenden Parteitag wahrscheinlich leider wieder fröhliche Urstände feiern wird. / kamue

Bürgerliche oder kommunistische Bündniskonzeption?

Äußerungen über den grundsätzlichen Charakter und die Zielrichtung der politischen Aktivitäten unserer Partei beinhalten fast immer Bemerkungen zur Bündnisarbeit. Oft werden Bündnisaktivitäten und die Mitarbeit in Bewegungen hervorgehoben – manchmal bis zur Ausschließlichkeit. Nun ist Bündnisarbeit, früher unter dem Begriff Volksfrontpolitik geläufig, durchaus richtig, wichtig und unverzichtbar. Jedoch drohen hier zwei Fallen: Die eine ist die Verabsolutierung, die alleinige Fokussierung auf die Bündnisarbeit unter Weglassung der ebenso richtigen, wichtigen und unverzichtbaren eigenen kommunistischen Politik innerhalb der Arbeiterklasse, früher als Einheitsfrontpolitik bekannt. Die andere ist die Missachtung der Tatsache, dass auch Bündnispolitik für Kommunisten nur unter klassenmäßigen Gesichtspunkten, in bewusster Verfolgung unserer revolutionären Ziele, ihren Zweck, etwa im Hinblick auf Übergangsstrategien zum Sozialismus, erfüllt. Auch wenn die Notwendigkeit eigener revolutionärer Politik der DKP in der Arbeiterklasse unter Kommunisten wohl kaum offen bestritten wird, so wird sie doch oft genug schlichtweg ignoriert, während der Verzicht auf eine klassenbasierte Bündnispolitik häufig sogar offen im Sinne breiterer Akzeptanz und besserer Wirksamkeit als notwendig begründet wird.

Übergang zum Sozialismus, oder was?

Der ehemalige Bezirksvorsitzende von Rheinland-Westfalen, Gen. Klaus Stein, hielt auf der BV-Tagung am 22.3.2015 ein umfangreiches Grundsatz-Referat [1]. Klaus führt einige allgemeine politische Widerstandsaktivitäten der letzten Zeit auf und bezieht diese auf unser Programm: „Unser Parteiprogramm fügt derartige Aktivitäten in einen strategischen Plan. Es heißt dort unter der Überschrift ,Für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt‘: ,Unter den gegebenen Bedingungen werden Abwehrkämpfe im Zentrum einer ganzen Kampfetappe stehen. Schon in diesen Auseinandersetzungen wird es nur dann wirkliche Erfolge geben, wenn ein qualitativ neues Niveau bei der Mobilisierung der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben und Verwaltungen, der Erwerbslosen, der Rentner, aller von der Demontage sozialer und demokratischer Errungenschaften Betroffenen, wenn ein neuer Aufschwung der Friedensbewegung und anderer demokratischer Bewegungen erreicht werden kann. Zugleich können und müssen in den Kämpfen um die Verteidigung des Erreichten die Kräfte gesammelt werden für fortschrittliche Reformen, für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt. Der Vernetzung der Kämpfe und Bewegungen über Ländergrenzen hinweg kommt unter den Bedingungen der Globalisierung eine immer größere Bedeutung zu‘ (Abschnitt IV).“ Dann gibt er dessen vermeintlichen Sinn wieder: „Diesen strategische Plan hat Anne Frohnweiler auf der Kölner KV-Klausur in Gestalt folgender Etappen bzw. Übergänge knapp zusammengefasst:

  1. Sammeln fortschrittlicher und demokratischer Kräfte für eine Wende zum demokratischen und sozialen Fortschritt mit dem Ziel, das Kräfteverhältnis zu verschieben.
  2. Bildung von Allianzen und Stabilisierung der Bündnisbeziehungen.
  3. Bildung eines festen gesellschaftlichen Blocks mit dem Ziel der weiteren Verschiebung der Kräfteverhältnisse, so dass gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommen.
  4. Antimonopolistischer Block mit tiefer außerparlamentarischer und parlamentarischer Verankerung und der Möglichkeit der Regierungsbildung
  5. Revolutionärer Bruch.“

Nur noch Bündnisse und Bewegungen?

Dieser „Plan“ lässt die Hälfte kommunistischer Politik komplett unter den Tisch fallen: nämlich die notwendige eigene Arbeit mit und in der Arbeiterklasse. Es gibt nur noch Bündnisarbeit. Die Führung von Klassenkämpfen gegen das Kapital, unser Kampf gegen bürgerliche Ideologie, die Entwicklung von Klassenbewusstsein und die Gewinnung von Hegemonie für eine marxistische Sicht auf die Gesellschaft werden in Annes bzw. Klaus‘ „strategischem Plan“ mit keinem Wort erwähnt. Beide Arbeitsgebiete gehören jedoch für Kommunisten untrennbar zusammen, sie ergänzen und bedingen einander. Mit dem Entfallen einer wirksamen und attraktiven kommunistischen Klassenpolitik wird auch deren dialektisches Verhältnis zur übrigen Bündnispolitik ignoriert – vor allem der Aspekt, dass sie die wichtigste und unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, in Bündnissen überhaupt Wirksamkeit im antimonopolistischen Sinne entfalten zu können, indem sie auf die antimonopolistischen Bündnisse ausstrahlt und ihren gesellschaftlichen Rückhalt bildet.

Fortschritt ohne Klasseninhalt?

In diesem „Plan“ fehlt den Bündnissen jede inhaltliche Bestimmtheit. Damit fehlt auch ein Maßstab, nach dem politische Ziele und Strategien von Bündnissen bewertet werden können. Die „Wende zum demokratischen und sozialen Fortschritt“, der „Antimonopolistische Block“ und die „gesellschaftliche Alternative“ bleiben seltsam unbestimmt und inhaltsleer. An Hand welcher objektiven Kriterien die Willensbildung innerhalb von Bündnissen ausgerichtet werden soll, bleibt offen. Die angestrebten Bündnisse können sich so allein auf die subjektiven Ideen und Vorlieben ihrer Mitglieder gründen, was diese für fortschrittlich halten und sich für ihre Zukunft wünschen. Hier ist die Breite der Bündnisse dann beliebig offen, die Klassenlinie ist verschwunden und uns Kommunisten fehlt die Richtschnur dafür, worin der Fortschritt bestehen soll. Damit lässt sich vielleicht eine breite „Allianz“ bauen, ein zielgerichtetes Handeln und eine gemeinsame Perspektive können so aber nicht erreicht werden.

Mehrheiten für’s Regieren?

Der „Plan“ von Klaus und Anne lässt als Bündnisziel allein das abstrakte und verabsolutierte Sammeln von (beliebigen) Kräften zum Zweck der Koalitions- und Mehrheitsbildung übrig – d.h. Bündnisse als Gespenster: Leere Hüllen mit reiner Quantität, ohne Qualität und Inhalt; Hauptsache, breit und viel. Sie sollen Kräfte sammeln, Beziehungen herstellen und stabilisieren, Allianzen schmieden, einen festen gesellschaftlichen Block bilden, eine parlamentarische Verankerung und Mehrheiten gewinnen mit der „Möglichkeit zur Regierungsbildung“. Das ist keine kommunistische Strategie, sondern eine Beschreibung von bürgerlicher Koalitionsbildung: Wofür diese Regierung dann eintritt, wird nicht durch antimonopolistische Klasseninteressen bestimmt, sondern ist freie Verhandlungssache der Beteiligten, erreicht durch Kompromisse zwischen verschiedenen politischen Zielen. Wie auf diese Art antimonopolistische Ziele erreicht werden können, bleibt unerfindlich.

Bündnisarbeit im Klasseninteresse

Es gibt für Volksfrontpolitik bzw. Bündnisse aus marxistischer Sicht aber durchaus Merkmale, durch die ihre Stoßrichtung bestimmt wird. Zur Erinnerung: Der Unterschied der beiden Politikfelder liegt darin, dass sich in der Einheitsfrontpolitik die zu vertretenden Klasseninteressen durch die Klassengrenze zwischen der Arbeiterklasse und den anderen Klassen, also mit antikapitalistischer Zielsetzung, bestimmen, während dies in der Bündnispolitik entlang der Trennlinie zwischen dem Monopolkapital und seinen Protagonisten einerseits und den nichtmonopolistischen Schichten des Kapitals und der Arbeiterklasse andererseits passiert, also mit antimonopolistischer Zielsetzung. Die Klasseninteressen des deutschen Monopolkapitals, als Träger der nach innen und außen aggressiven, sozial- und demokratiefeindlichen imperialistischen Politik in Deutschland, und anderen imperialistischen Ländern stehen den unseren und denen anderer nicht-monopolistischer Bündnispartner antagonistisch entgegen. Der Kampf für die gemeinsamen Interessen bedarf mehr als der klassenübergreifenden Zusammenarbeit im Hinblick auf die jeweiligen Einzelziele der Bewegungen. Unsere spezifische Aufgabe besteht darin, genau diese Klassenlinie zu klären, die jeweiligen Interessen als Klasseninteressen und das Monopolkapital als den Gegner zu erkennen sowie als Ziel die Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals zu begreifen. Inhalt von Bündnispolitik ist also aus unserer Sicht immer bestimmt durch die objektiven antimonopolistischen Interessen aller Bündnispartner.

Offenes Visier

Unsere Bündnisarbeit zielt auf die Zusammenarbeit von Menschen, die von der menschenfeindlichen Politik des Monopolkapitals betroffen sind und sich dagegen wehren – in gemeinsamen Bündnisorganisationen, in denen die Kämpfe organisiert werden. Wir handeln dabei auf Basis unserer Klasseninteressen. Wir sind eben nicht nur „dabei“ und dienen uns an, machen die praktische Arbeit und halten uns ansonsten bescheiden im Hintergrund. Nein, wir erwarten für unsere Anschauungen von unseren Bündnispartnern den gleichen Respekt, den wir auch ihren Motiven und Haltungen entgegenbringen! Unsere marxistischen Ansichten in Bündnissen bedeckt zu halten, uns anpassen und mitlaufen, macht uns nur unglaubwürdig oder gar lächerlich – schlimmstenfalls zu nützlichen Idioten. Nein, neben zuverlässiger Mitarbeit, ist es gerade unser konsequenter, offener Marxismus, unsere theoretische Klarheit und Erklärungsstärke, die uns interessant machen sowie glaubwürdig und attraktiv. Menschen da abzuholen, wo sie stehen, hat nur Sinn, wenn wir wissen, wo wir mit ihnen hin wollen. Kommunisten wollen mitorganisieren, mitkämpfen, aber auch orientieren, die Linien der widerstreitenden Klasseninteressen klären, die Ergebnisse der Kämpfe auswerten, die Begrenztheit reiner Reformen herausarbeiten, die Perspektiven weitere Kämpfe diskutieren, auf die Notwendigkeit des Sozialismus verweisen, sprich: politisches Bewusstsein entwickeln. Und: Menschen für unser Ziel, den Sozialismus, ansprechen, werben und begeistern [2].

Quellen und Anmerkungen:
[1] http://www.dkp-rheinland-westfalen.de/index.php/partei/2402-die-rasante-entwicklung-der-produktivkraefte-und-ihre-revolutionaere-rolle-in-geschichte-und-gegenwart
[2] Vgl. W. Gerns und R. Steigerwald, Antimonopolistischer Kampf heute, 1983, S. 50 ff.

Quelle: https://theoriepraxis.wordpress.com/ vom 3.11.2015