Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Frankreichs Neokolonialismus in Afrika
r die Medien des Landes tabu? Oder ist gleich Mitmachen angesagt?

11/2015

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Mit einer lächerlich wirkenden Kopfbedeckung, die einer traditionellen bretonischen Frauentracht nachempfunden ist, sitzt der Moderator vor der Fernsehkamera und verkündet, nun beim eigenen obersten Boss „die Nerven testen“ zu wollen. Jener wird zwar nicht beim Namen genannt, sondern taucht nur als „der bretonische Industrielle Vincent-der-Choleriker“ auf. Doch niemand dürfte sich darüber im Unklaren bleiben, dass damit der Multimilliardär Vincent Bolloré gemeint ist, der im Sommer dieses Jahres das Kommando über den Fernsehsender Canal+ übernommen hat und dessen familiäre Wurzeln in der Bretagne liegen. Die Sendung vom vergangenen Samstag (25. Oktober 15), die diese Passage enthält, zählt zur satirischen Serie Groland und läuft auf ebendiesem privaten Kanal.

Wenige Sekunden später gibt der Moderator, im bürgerlichen Leben Christian Borde oder mit Künstlernamen Jean-Edouard Moustic, das Wort aus dem Studio an seinen Kollegen draußen ab. Dieser verlautbart, demonstrativ in die Kamera schwitzend, er befinde sich „im Hafen von Abidjan“. Dabei sieht ein Blinder mit Krückstock, dass er sich in den Straßen von Paris aufhält. Nunmehr kündigt er an, er werde sich „einer explosiven Untersuchung“ zuwenden. Diese führt ihn in eine bretonische Crêpe-Küche, wo er sich nach dem Rezept für eine regionale Spezialität (Kouign Amann) erkundigt. Kurz darauf ist die Szene vorbei.

Es blieb am vergangenen Wochenende (25./26. Oktober 2015) bei Anspielungen auf Themen, die manche als explosiv betrachten mögen, und wurde inhaltlich nicht wirklich ernst. So viel Spiel mit seinen Nerven dürfte auch der neue Medienmogul Bolloré, der ansonsten eher für seine Eingriffsfreude gegenüber dem Redaktionsleben bekannt ist – erst zu Anfang des Monats behaupteten Gerüchte hartnäckig, der Moderator einer anderen Sendung, Patrick Menais, sei von Entlassung gedroht (diese wurde dann jedoch zurückgezogen) -, noch durchgehen lassen. Denn bei aller subversiven und rebellischen Pose wurde kein heißes Eisen wirklich angefasst. Benannt wurde immerhin eines, in Gestalt der „afrikanischen Aktivitäten“ von Großunternehmer Bolloré.

Kommen diese zur Sprache, findet Bolloré das in aller Regel weder unterhaltsam noch für die Ohren der Öffentlichkeit geeignet. Ende Oktober läuft auf Canal + eine neue Thrillerserie an, Panthers, die allem Anschein nach ein Erfolg zu werden verspricht. Sie spielt zwischen Paris, London und Belgrad. Für die bereits geplante Fortsetzung der Serie sollte es auch nach Westafrika gehen, im Kontext wirtschaftlicher Interessen und krimineller Aktivitäten. Dagegen erging ein Veto des Big Boss: Es kam für Vincent Bolloré nicht in Frage, dass ökonomische Hintergründe zum französischen Kapitalismus in Afrika thematisiert werden. Bolloré, der als Tabakunternehmer anfing, leitet heute einen Transport- und Infrastrukturkonzern und kontrolliert (ganz oder teilweise) u.a. die Häfen von Abidjan – eben -, Conakry, Lomé und Douala. Dort nutzt er die Geschäftsvorteile, die für ihn aus der traditionellen neokolonialen Präsenz Frankreichs in West- und Zentralafrika erwachsen. Dies durfte natürlich nicht zur Sprache kommen. Jetzt soll die Fortsetzung der Serie in Russland spielen. Auch dort gibt es mafiöse Intererssen, aber Bolloré hat seine Finger nicht im Spiel.

Französisches neokoloniales Auftreten und Geschäftsinteressen in Afrika sind aber im französischen Mediensektor nicht allein bei Bolloré anzutreffen. Am Freitag, den 09. Oktober 15 protestierten im nördlichen Pariser Zentrum, im Marais-Viertel, Oppositionelle aus dem Erdölstaat Gabun gegen die in der Nähe ansässige Pariser Tageszeitung Libération und riefen zu ihrem Boykott auf. Deren Direktor, Laurent Joffrin, eröffnete am selben Tag ein zweitägiges „Bürgerforum“in Gabuns Hauptstadt Libreville. Oppositionelle in dem Staat, der seit 1967 durch dieselbe Familie regiert wird – 42 Jahr lang war der Autokrat Omar Bongo ohne Unterbrechung an der Macht, seit seinem Ableben 2009 regiert nun sein Sohn Ali Bongo – und wo Frankreich mächtige Interessen im Erdöl- und Metallerzbereich hat, bezeichneten es als einen Hohn. „Die Jugend“ des Landes wurde etwa durch einen „Jugenddelegierten“ der seit 1967 regierenden Partei, PDG, vertreten, Vivien Péa, während das Regime erst vor wenigen Wochen auf protestierende StudentInnen schießen ließ. Regierungssprecher Alain-Claude Billié Bi Nzé saß neben Joffrin auf der Tribüne, während einer der wenigen zu den Debatten eingeladenen Oppositionellen – der Regenwaldschützer Marc-Ona Essangui – durch den in Paris als linksliberal geltenden Joffrin mit den Worten unterbrochen wurde: „Dies ist keine Wahlkampfveranstaltung hier!“

Hintergrund des Ganzen dürfte nach Auffassung von afrikanischen BürgerrechtlerInnen sein, dass das gabunische Regimes trotz Rückgangs der Erdöleinnahmen auf gefüllten Kassen sitzt, während etwa Gesundheits- und Bildungssystem im Land sich in einem katastrophalen Zustand befinden. 500 Millionen Euro soll die Veranstaltung das Regime gekostet haben, aber nebenbei dürften einige weitere Mittel an die französischen Co-Veranstalter (neben ihnen war u.a. auch die Weltbank mit im Boot) geflossen sein. Der Medien- und Telekommunikations-Tycoon Patrick Drahi hat die Mehrheitsanteile an Libération vor etwa zwei Jahren aufgekauft, übernimmt sich aber derzeit finanziell aufgrund seiner rauschartigen Politik des Unternehemensaufkaufs besonders in den USA. Er braucht dringend Geld - und dürfte auf das der gabunischen Diktatur nicht gespuckt haben. Aber auch die Konkurrenten von Le Monde, obwohl sie über die Umtriebe in Gabun eher die Nase rümpften, suchen ihr ökonomisches Heil zum Teil in Afrika. Am 10, und 11. September richteten sie in Abidjan, der Wirtschaftsmetropole in der unperfekten Demokratie Côte d'Ivoire, ein Forum mit der Privatwirtschaft zu „Wachstumschancen in Afrika“ aus. Die Elfenbeinküste, deren soeben wiedergewählter Präsident Alassana Ouattara im April 2011 infolge einer französischen Militärintervention eingesetzt wurde, wird derzeit von französischen Unternehmen als Investitionsparadies entdeckt. Warum sollten Medienunternehmen da abseits des Booms stehen?

Editorische Hinweise

Den Artikel bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.