trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Über die notwendige Solidarität mit dem Widerstand in Kosova

von Max Brym

11/2015

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In Kosova ist scheinbar die Hölle los. Insgesamt sechs Parlamentssitzungen wurden von der Opposition bzw. von der“ Bewegung für Selbstbestimmung“ gesprengt. Dabei wurde Tränengas eingesetzt. In den westlichen Medien wird hauptsächlich darüber berichtet. Der Opposition wird „antidemokratisches Verhalten“, sowie „Nationalismus“ vorgeworfen. Erstaunlich ist, dass die Berichterstattung in den bürgerlichen Medien fast deckungsgleich ist mit der Meinung bestimmter Linker in Deutschland. Der innerparteilich ziemlich isolierte Stadtrat der Linken in Leipzig, Alexej Danckwardt, unterstellt dem Autor dieser Zeilen, in unzähligen Facebook Postings Zusammenarbeit mit Nationalisten und Rassisten. Es ist daher wieder einmal an der Zeit, einige Eckpunkte linker Politik zu Kosova darzulegen.

Es gibt Nationalismus und Nationalismus

Grundsätzlich sind Marxisten Gegner des Nationalismus und plädieren für die internationale Zusammenarbeit aller Unterdrückten. Dennoch müssten Marxisten eigentlich wissen ,wie wichtig die Unterscheidung zwischen dem Nationalismus einer unterdrückenden Nation und dem Nationalismus einer unterdrückten Nation ist. Letzterer enthält progressive Elemente Der Nationalismus einer unterdrückten Nation bekämpft ein wirkliches Repressionsverhältnis. Deshalb sprach sich Lenin immer für das Selbstbestimmungsrecht bzw. für das Recht auf staatliche Loslösung aus. Das Recht auf nationale Selbstbestimmung ist vergleichbar mit dem Recht auf Ehescheidung. Es würde keinem vernünftigem linken Politiker einfallen das Scheidungsrecht Infrage zu stellen. Aber beim Selbstbestimmungsrecht der Nationen wird dieser reaktionäre Unfug betrieben. Bezogen auf Kosova kann bilanziert werden: Der Bevölkerung wird das Selbstbestimmungsrecht verweigert viele Linke speziell in Deutschland betrachten Kosova genauso wie die serbische Regierung als Bestandteil Serbiens. Was die Menschen in Kosova in ihrer überwältigenden Mehrheit wollen interessiert sie nicht im geringsten. Verschiedene Linke haben die „Heiligkeit“, sowie die „Unverletzlichkeit von Grenzen“ auf ihr Panier geschrieben. Dieser metaphysische Unsinn negiert, dass alles fließt, alles sich bewegt und man niemals mehr in denselben Fluss baden geht. Bekanntlich ist das Römische Reich mit seinen Grenzen Geschichte .Die Unabhängigkeit Algeriens wurde 1962 erkämpft. Dies obwohl Algerien nicht als Kolonie, sondern als „unveräußerlichen Bestandteil Frankreichs“ galt . Kein Linker außer vielleicht der damaligen französischen KP wandte sich gegen den algerischen Unabhängigkeitskampf . Das Recht auf Selbstbestimmung muss auch für Kosova gelten. Dieses Recht wird den Menschen in Kosova bis heute verweigert. Der Hauptverweigerer ist der bürgerliche serbische Staat, im Bündnis mit der EU. Für Kosova wurde durch die EU extra eine eigene Fahne konstruiert und eine Nationalhymne geschaffen. Diese abstrusen Dinge haben nichts mit der Geschichte und dem Selbstverständnis der dort lebenden Menschen zu tun.

Aber die serbische Minderheit

Immer wieder behaupten bürgerliche Ideologen, der serbische Staat, sowie bestimmte pseudolinke Spinner in Deutschland, dass der Protest der Opposition sich gegen die in Kosova lebenden Serben richten würde. Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage. Der bekannteste Aktivist der „Bewegung für Selbstbestimmung“ Albin Kurti erklärte:“ Wir wollen endlich mit den in Kosova lebenden Serben sprechen, was uns verweigert wird.“ In der Tat, am 25 August wurde in Brüssel auf Druck der EU, zwischen der serbischen und der kosovarischen Regierungsdelegation ein Abkommen namens Zajednicës abgeschlossen. Das Abkommen teilt Kosovo auf ethnischer Grundlage. 30 % des Landes werden faktisch unter die Kontrolle Belgrads gestellt. Die EU ist dabei ein zweites Bosnien auf dem Balkan zu schaffen. Der Protest der Opposition richtet sich nicht gegen die in Kosova lebenden Serben, sondern gegen ein ethnisches Teilungsabkommen welches der nationalen Konflikt nicht eindämmt, sondern nur befördern kann. Siehe dazu den Artikel -Schlägt in Kosova die Stunde der Opposition ? Einige grundsätzliche Bemerkungen- unter http://kosova-aktuell.de/i

Es geht nicht darum serbische Menschen in irgendeiner Form zu diskriminieren oder gegen ihre Sprache oder Kultur zu sein. Es geht nur darum den Machtanspruch des serbischen Staates zu bekämpfen. Jeder klar denkende Mensch weiß, dass die Beziehungen zwischen Albanern und Serben in Kosova immer dann am besten waren, wenn Prishtina und Belgrad möglichst weit voneinander entfernt lagen. Dies belegt unter anderem ein Blick auf die auf die Zahl der Eheschließungen zwischen Serben und Albanern. In der Zeit in der Kosova eine relativ große Autonomie innerhalb Jugoslawiens hatte, zwischen 1974-1989 gab es ziemlich viele Ehen zwischen albanischen und serbischen Menschen. Die Opposition bekämpft jetzt ein Abkommen welches Serben und Albaner in Kosova dauerhaft voneinander auf ethnischer Basis trennt. Dies verunmöglicht nach den Aussagen des Vorsitzenden von VV Visar Yimeri , „den gemeinsamen Kampf um elementare soziale Rechte“.

Die Nichtakzeptanz des Parlaments

Die Opposition erkennt das Parlament Kosovos nicht mehr an. Das Abkommen in Brüssel wurde ohne jegliche parlamentarische Debatte unterzeichnet. Die Regierungsparteien verweigern jegliche Diskussion und Abstimmung, über das Abkommen von Brüssel im Parlament. Das Parlament Kosovas ist damit offen zu einer theatralischen pseudodemokratischen Farce verkommen. Aber nicht nur Diskussionsprozesse im Parlament werden verweigert sondern jegliche öffentliche Stellungnahmen gegen das Abkommen von Brüssel - wird kriminalisiert. In Kosova werden Menschen welche an Informationsständen Unterschriften gegen Zajednicës sammeln von Polizisten angegriffen und geschlagen. Dennoch haben bereits mehr als 180.000 Menschen mit ihrer Unterschrift gegen das Abkommen protestiert. Gefordert wird ein Referendum. Das will die Regierung unter allen Umständen verhindern. Es soll weder ein Referendum, noch eine Debatte im Parlament stattfinden. Zunehmend werden auch Abgeordnete kurzfristig verhaftet. Mehrere Aktivisten von VV befinden sich seit Wochen in Haft. Kürzlich versuchte ein Zivilpolizist im Büro des Vorsitzenden der „Bewegung für Selbstbestimmung“ Abhöranlagen zu installieren. In Kosova ist jeder demokratischen Protest mit faschistoiden staatlichen Polizeimaßnahmen konfrontiert. Wer in dieser Situation Solidarität verweigert, oder die ganze Kosova Frage ignoriert kann nur bedingt als linker Politiker gelten. Diskussionen über die Verbindung zwischen sozialer und nationaler Frage, auf solidarischer Grundlage, wünscht sich die „Bewegung für Selbstbestimmung“. Auch solidarischen Kritik vom Standpunkt der permanenten Revolution her, ist erwünscht und angebracht. Unmöglich ist es allerdings in der Kosova Frage genauso zu argumentieren, wie die serbische Regierung und die EU-Kommission in Brüssel.