1.
Es gibt drei Arten von Flüchtlingen bzw. Migranten: a)
solche, die in ihrer Heimat aus politischen Gründen
und/oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen,
religiösen und/oder sonstigen Gruppen (z.B. sexuelle
Orientierung) verfolgt werden; für diese hat das Asylrecht
zu gelten; b) solche, die vor kriegerischer Gewalt fliehen,
die ihnen nicht individuell gilt, und c) solche, die aus
ökonomischen Gründen fliehen bzw. auswandern. Bei den
letztgenannten muss unterschieden werden zwischen denen,
die vor manifestem Elend (z.B.Hunger) fliehen, und denen,
die „nur“ nach einem besseren Leben streben. Die Motive
aller drei Gruppen sind legitim.
2.
Es gibt eine politische, ökonomische und folglich
moralische Mitverantwortung der imperialistischen
Industrieländer für die Lage in den Herkunftsländern der
Flüchtlinge und Migranten. Es kann nur die Rede von einer
unterschiedlich stark ausgeprägten „Mit“verantwortung sein,
weil die Entwicklung eines Teils der Gesellschaften dieser
Erde zu imperialistischen einen relativen
Entwicklungsrückstand der übrigen menschlichen
Gesellschaften bereits zur Voraussetzung hatte. Die
Unterschiede sind naturräumlich, demographisch,
geopolitisch und – daraus abgeleitet - kulturell bedingt.
3.
Die „linke“ Forderung nach „offenen Grenzen“ ist legitim,
setzt aber eine weltweite Angleichung des sozioökonomischen
Entwicklungstands voraus und also eine globale
kommunistische Gesellschaft .
4.
Die Forderung nach offenen Grenzen und somit einer
unkontrollierten und potentiell unbegrenzten Einwanderung
aus den mehr oder weniger zurückgebliebenen oder sogar
durch die Strukturen des globalen Imperialismus
zurückgehaltenen Ländern dieser Welt ist weitgehend
moralisch gerechtfertigt, aber politisch unrealistisch.
Eine „Linke“, die auf dieser Grundlage das Pferd vom
Schwanz her aufzäumt (s. These 3.), organisiert wieder
einmal ihre unausbleibliche Niederlage und schafft den Raum
für weitere Erfolge rechter Strömungen verschiedenster Art.
Unter den weltweit herrschenden sozioökonomischen
Verhältnissen würde eine unbegrenzte Einwanderung der
vergleichbar „Armen“ in die Länder der „Reichen“ potentiell
das Lebensniveau der „Reichen“ – oder genauer: in erster
Linie der „Armen“ der reichen Länder - deutlich senken.
Immer wieder zu lesende Hinweise, wie die, dass z.B.
Deutschland und insbesondere auch die BRD in der
Vergangenheit viel größere Zahlen an Einwandern integriert
habe (z.B. Polen im Ruhrgebiet, Vertriebene nach dem 2.
Weltkrieg, Gastarbeiter“) stimmt zwar, ist aber in
doppelter Hinsicht ein schwaches oder eben gar kein
ernstzunehmendes Argument. Diese Einwanderer trafen auf
eine fordistisch organisierte Industriegesellschaft, die
z.B. nach dem 2.Weltkrieg einer Periode des Wiederaufbaus
und dann einer völlig untypisch langen Zeit
kapitalistischer Stabilität entgegensah. Die Zahl der
Einwanderer (inkl. deutsche Flüchtlinge und Vertriebene)
war im Prinzip übersehbar und im Fall der „Gastarbeiter“
kontingentiert. Nicht so aber, wenn unter dem Motto „offene
Grenzen“ theoretisch die Mehrheit der vergleichsweise Armen
aus dem „Süden“ frei in den „Norden“ einwandern dürfte.
Wenngleich es natürlich wahr ist, dass noch massenhaft Geld
und Wohnraum – insbesondere auch leerstehender – auf Seiten
der “Reichen“ (wie jüngst von „Crédit Suisse“ festgestellt
verfügt 1% der Menschen weltweit über die Hälfte „aller
posiven Vermögenswerte“, und natürlich hat Sarah
Wagenknecht recht, wenn sie im Bundestag darauf hinweist,
dass „die wirklich teuren Flüchtlinge die
Steuerflüchtlinge“ sind) vorhanden ist, setzt doch deren
Nutzung im Gemeininteresse – darunter, aber nicht
ausschließlich, dem der Flüchtlinge - ein völlig neues
Kräfteverhältnis zwischen den sozio-ökonomischen Klassen
der imperialistischen Länder voraus. Diese Umwälzung der
Macht der verschiedenen Klassen kann aber nicht in erster
Linie – falls überhaupt – über die Willkommenheißung von
Fremden in Angriff genommen werden, sondern muss an die
unmittelbaren Bedürfnisse der einheimischen Arbeiterklasse
und ihrer potentiellen Verbündeten aus dem Kleinbürgertum
anknüpfen. Moral hin oder her: kein Volk der Erde wird eine
im Prinzip unbegrenzte Einwanderung kampflos akzeptieren.
Das Ergebnis wäre nicht eine allgemeine Humanität der
betroffenen Gesellschaften, sondern deren Rückfall in
Gesetzlosigkeit und Barbarei (die „Barbaren“ wären dabei
keineswegs in erster Linie die Migranten, sondern die
einheimische Bevölkerung)
5.
Das reiche Europa kann schon unter den bestehenden
Bedingungen bei gutem Willen, die aktuell aus der
Peripherie einwandernden Menschen aufnehmen und
integrieren. Das ändert nichts an der Tatsache, dass es
hier Grenzen gibt. Die „Linke“,die – soweit sie diesen
Namen verdient – ja ohnehin auf die grundsätzliche
politische und ökonomische Verantwortung desImpoerialismus
für die Massenflucht hinweist, sollte darüber hinaus aber
(soweit das überhaupt notwendig ist) deshalb eine
Konkretisierung des Asylrechts fordern und gleichzeitig ein
Einwanderungsgesetz. Dieses Einwanderungsgesetz wird keinen
anderen Maßstab als den der ökonomischen
Integrationsmöglichkeit von Einwanderern anlegen können.
6.
Solange es Staaten gibt, muss es auch Grenzen geben, und
diese müssen solche zwischen denen innerhalb und denen
außerhalb und entsprechend schützbar sein. Wie und wieweit
das geschehen soll und überhaupt erfolgreich geschehen
kann, ist eine andere Frage. So oder so wird es zu
moralisch unangenehmen Maßnahmen und Folgen kommen. Es wird
unvermeidlich sein, zwischen diesen zu gewichten.