Betrieb & Gewerkschaft

Kein Lohn, keine Ruhe!
Lohnzahlung bar vor laufender Kamera

von FAU Berlin

11/2015

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FAU erfolgreich gegen Lohnbetrug. Die FAU Berlin protestierte am Samstag, den 24. Oktober, vor dem Restaurant „Cancún“ und konnte ihren Kampf für das FAU-Mitglied Luca erfolgreich beenden, dem noch über 1.000 Euro geschuldet worden waren – eine beachtliche Summe für einen prekären migrantischen Arbeiter in Berlin. Der Betrieb gehört zu jenen „Arbeitgebern“, die nun offenkundig in einer zunehmend neoliberalen Bundesrepublik sogenannte Null-Stunden-Verträge einführen. Solche Null-Stunden-Verträge, die keinerlei Minimum an Arbeitsstunden bzw. Bezahlung garantieren, verlagern das unternehmerische Risiko ganz auf die Beschäftigten.

Der Arbeitsvertrag im Cancún sieht weiterhin vor, dass – während teils nur der Mindestlohn gezahlt wird – eine Schadenersatzzahlung von 1.000 Euro an den Chef zu leisten ist, falls die zweiwöchige Kündigungsfrist nicht eingehalten wird! Neben den bescheidenen Verträgen gibt es Berichte von Beschäftigten über verschiedene Fehltritte des Managements. So schlug ein Manager, bei einer Gelegenheit, einer Kellnerin die nicht korrekt gemachte heiße Schokolade aus der Hand und „feuerte“ sie illegalerweise an Ort und Stelle.

Vor den Protesten am 24. Oktober hatte die FAU Berlin den Chefs Jeannette und Badol Shek mehrere Briefe geschickt und sie mit zwei persönlichen Besuchen bedacht: die zurückbehaltenen Löhne sollten umgehend gezahlt werden. Als der zweite Brief übergeben wurde, weigerte sich der Chef zu bezahlen und wies die Manager an, die elf FAU-Mitglieder bis zum Eintreffen der Polizei im Restaurant einzusperren. Die FAU verließ den Ort ruhig und friedlich, während der Chef vor den Augen der Kunden hinter ihr her schrie – es war eindeutig an der Zeit, dass die FAU einen Schritt weiterging.

Es war ein netter Samstagabend, so gegen 19 Uhr: Unweit des Alexanderplatzes, vor dem Restaurant „Cancún“ im Herzen Berlins hatte die FAU rund 40 energische ArbeiterInnen aus Griechenland, Schottland, Südafrika, den USA, Italien, Irland, Kanada, Finnland, Schweden, Argentinien, England und Deutschland versammelt – nicht unbedingt eine Gruppe, mit der man sich als Boss anlegen will.

Recht ungewöhnlich für Gewerkschaftsauseinandersetzungen in Berlin, hatten die Chefs 16 ihrer Freunde und loyalen Lohndrücker versammelt, um die FAU gleich zu Beginn von ihrer Kundgebung abzudrängen. Natürlich leugnete der Chef, die Briefe der FAU erhalten zu haben; die Leute des Chefs wollten handgreiflich werden, wurden aber schnell von der FAU zurückgedrängt, die sich ihren Raum nicht nehmen ließ und Slogans rief wie „Kein Lohn, keine Ruhe!“, „Cancún, pay your workers!“ und „So- So- So- Solidarität!“ Ein FAU-Mitglied drehte Runden mit einer Trillerpfeife, während andere Flugblätter an neugierige KundInnen und PassantInnen ausgaben, die sich angesichts des Spektakels schnell versammelten. Die Chefs zogen sich zwar zurück, aber – in ihrer Verzweiflung und Verbitterung – kritisierten sie die nicht-deutschen Protestierenden dafür, keine guten Deutschen zu sein oder nicht Deutsch zu sprechen: „Das ist Deutschland hier, sowas macht man nicht in Deutschland!“ hieß es etwa, oder „Wir sind die Steuerzahler!“

45 Minuten später, es ist 19:45 Uhr: Eine Menge von Zuschauern hat sich versammelt, studiert die Flugblätter und sieht den Protesten zu, demgegenüber die zwei oder drei Verbliebenen auf der Seite des Chefs. Eine Familie aus Großbritannien blieb stehen und erklärt laut und deutlich ihr Entsetzen darüber, dass es nun auch in Deutschland Null-Stunden-Verträge gibt; eine andere Gruppe junger Leute hatte sich offensichtlich entschieden, dass es ein guter Beginn für den frühen Samstagabend ist, sich die Auseinandersetzung anzuschauen. Jeannette und Badol Shek stehen am Eingang des Restaurants, die Arme verschränkt, die Gesichter zu sorgenvollen Grimassen verzogen; sie sprechen sehr ernst mit einem Arbeiter des Cancún, den sie als Vertreter für die Verhandlungen mit der FAU ausgewählt haben – es ist Zeit, die Niederlage einzugestehen.

Nachdem sich die Sheks ins Restaurant zurückgezogen hatten, zahlen die Cancún-Manager den zurückgehaltenen Lohn Lucas von 1.000 Euro bar und vor laufenden Kameras aus, direkt vor dem Restaurant, wie die FAU es gefordert hatte. Unter lauten Jubel verkündet die FAU den umstehenden Zuschauern ihren Sieg – die Gewerkschaft hat einmal mehr einen Kampf gewonnen durch selbstorganisierte, direkte Aktion.  

Quelle: https://berlin.fau.org/news/no-wage-no-peace