Bringt das Rückspiel den französischen
Neofaschisten ihren nächsten Sieg, statt nur den erwarteten
Trostpreis? Der Wettkampf vom Frühsommer dieses Jahres, bei dem
es darum ging, ob es der rechtsextremen Französin Marine Le Pen
oder dem britischen Rechtsnationalisten Nigel Farage gelingen
würde, eine Fraktion im Europaparlament um sich zu scharen, ging
vor kurzem in eine neue Runde. So sah es jedenfalls am 16. und
17. Oktober 14 vorübergehend aus.
Im Juni dieses Jahres hatte zunächst Nigel
Farage das Rennen gemacht. Am 19. Juni hatte er die Bildung
einer Fraktion unter dem vordergründig wohltönenden Namen
Europe of Freedom and direct Democrazy Group (EFDD)
verkündet. Ihr gehörten 48 Abgeordnete aus insgesamt sieben
Mitgliedsländern der Europäischen Union an. Damit lag die
Parlamentariergruppe deutlich über der erforderlichen
Mindestzahl von 25 Mandatsträgern; aber hart am Limit, was die
Anzahl der beteiligten Nationalitäten betrifft. Denn die
Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments erfordert, dass
mindestens Abgeordnete aus einem Viertel der Mitgliedsstaaten
zusammenkommen müssen, um eine Fraktionsbildung zu ermöglichen.
Also Parlamentarier aus mindestens sieben EU-Ländern.
Farage hatte es geschafft, indem er neben dem
unberechenbaren italienischen Politclown Beppe Grillo und seinen
Anhängern - Beppe Grillo, der in jüngerer Zeit auch offen gegen
Einwanderer hetzt, verhandelte allerdings parallel dazu auch mit
den Grünen im Europaparlament - auch Parteien mit in seine
Fraktion aufnahm, die zuvor mit Marine Le Pen und dem
französischen Front National mehr als nur geliebäugelt hatten.
Insbesondere die rechtsextremen „Schwedendemokraten“ (SD). Die
Partei von Jimmie Akesson war bei ihrer Gründung im Jahr 1988
eine offene Neonazigruppierung gewesen, hatte sich jedoch in den
letzten Jahren als „geläutert“ zu präsentieren versucht. Mit
einigem Erfolg, bei den schwedischen Parlamentswahlen vom 14.
September 2014 erzielte sie mit knapp 13 Prozent der Stimmen
einen historischen Erfolg. Die SD hatten am 15. November 2013 an
einem Treffen in Wien teilgenommen, bei dem es darum ging, die
Weichen für die Bildung einer rechtsextremen
Europaparlamentsfraktion nach den Wahlen von Ende Mai 14 zu
stellen. Dort nahmen neben der FPÖ als Gastgeberin unter anderem
auch der französische Front National (FN), der belgische Vlaams
Belang die italienische Lega Nord teil.
Doch möglicherweise wollte die
schwedische Partei im Juni d.J. dann ihre Wahlchancen auf
nationaler Ebene für die Zeit nach der Sommerpause nicht
gefährden. Deswegen schloss sie sich lieber dem Engländer Nigel
Farage ein, der im Vergleich zu Marine Le Pen und anderen Chefs
von einwandererfeindlichen Parteien ein etwas saubereres Image
genießt.
Die britische UKIP hatte seit ihrer Gründung 1993 zunächst
vorwiegend auf einen Anti-EU-Kurs gesetzt. Erst in jüngerer Zeit
wurde auch die Agitation gegen Einwanderer zu ihrem zweiten
Standbein. (Vgl. dazu ausführlich auch AN 21/2014)
Auf europäischer Ebene werden nun
möglicherweise die Karten neu gemischt. Denn wie am Donnerstag,
den 16. Oktober 14 bekannt wurde, verlässt die einzige lettische
Abgeordnete der Fraktion von Nigel Farage nun dieselbe. Es
handelt sich um Iveta Grigule von der „Union der Grünen und der
Bauern“, die kürzlich Ambitionen auf den Vorsitz der
Europaparlaments-Delegation für die Beziehungen zu den Staaten
Zentralasiens – in ihrer Mehrheit früherer Sowjetrepubliken wie
Lettland – anmeldete. Ob darüber hinaus auch inhaltliche
Differenzen für ihren Austritt mit verantwortlich waren, wurde
nicht bekannt. Wenn, dann dürften diese mit der Positionierung
gegenüber Russland unter Wladimir Putin zusammenhängen. Nigel
Farage ist, ähnlich wie Marine Le Pen, ein bekennender
„Putin-Versteher“ respektive Putin-Fan. Paradox wirkt dabei
allerdings, dass der Notnagel, der am Montag (20. Oktober 14)
auftauchte und der Farage-Fraktion doch noch Rettung zu bieten
versprach, ausgerechnet auf einem polnischen
Europaparlamentarier beruhte – während polnische Nationalisten
in aller Regel Russlandhasser sind.
Der polnische Rechtsnationalist
Robert Jaroslaw Iwaszkiewicz, Mitglied der
Formation „Kongress der Neuen Rechten“ (KPN) und bislang als
fraktionsloser Abgeordneter im Europaparlament unterwegs, gab an
dem Tag bekannt, dass er sich der Farage-Fraktion anschloss.
Damit wäre diese gerettet, weil ihr damit erneut sieben
Nationalitäten angehören würden, falls sich die Nachricht
bestätigt.
Marine Le Pen machte sich zwischenzeitlich
ernsthafte Hoffnungen darauf, mehrere Verbündete unter den
Trümmern der Farage-Fraktion finden zu können. Neben den
„Schwedendemokraten“, die sie zurückgewinnen möchte, hatte sie
dabei besonders die Litauer von der rechtsnationalistischen
Gruppierung „Ordnung und Gerechtigkeit“ (TT) im Visier. Im Juni
dieses Jahres hatten ihr Abgeordnete aus zwei Mitgliedsländern
bei der Fraktionsbildung gefehlt. Infolge ihres damaligen
Scheiterns hatte ihr Bündnispartner Geert Wilders von der
niederländischen „Partei für die Freiheit“ (PVV) sein eigenes
Mandat im Europaparlament aufgegeben und an den Nachrücker auf
der Liste abgegeben.
Anfang Oktober 14 allerdings hatte die Chefin
des französischen Front National erneut von ihren Ambitionen auf
europäischer Ebene reden gemacht. Am 03. Oktober d.J. kündigte
sie an, eine Stiftung in Brüssel zu gründen und eine
supranationale Partei unter dem Namen „Europa der Nationen und
der Freiheitsrechte“ (Europe des nations et des libertés).
Dabei wollten aber zunächst nur die FPÖ und die Lega Nord
mitziehen. Es sah aus wie ein Trostpreis, anstatt einer
Fraktion. Auf Letztere machte Marine Le Pen sich dann allerdings
ab Mitte des Monats Oktober doch wieder neue Hoffnungen, siehe
oben.
Würde Marine
Le Pen die Fraktionsbildung tatsächlich gelingen, so stünden ihr
laut Berechnungen aus dem Frühsommer jährlich 2,974 Millionen
Euro an Mittelzuwendungen dafür zur Verfügung. Vorläufig bleiben
die FN-Chefin und ihr Anhang davon jedoch ausgeschlossen.
Editorische
Hinweise
Den Artikel
bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.
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