Kommentare zum Zeitgeschehen
"Nur die Wahrheit ist revolutionär"(A.Gramsci)
Was ist dann die SWP?

von Anton Holberg

11-2013

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Zweifellos hat A. Gramsci die Haltung von Karl Marx zur Bedeutung der Wahrheit für den revolutionären Kampf des Proletariats richtig zusammengefasst. Das bedeutet nun nicht, dass es leicht oder eventuell überhaupt möglich wäre, die Wahrheit in ihrer Gänze zu erfassen. Allerdings dürfte es wohl bedeuten, dass eine absichtliche Verfälschung der Wahrheit nicht nur nicht revolutionär sein kann, sondern sogar konterrevolutionär ist. Wenn dem so ist, muss leider wieder einmal auf die britische „Socialist Workers’ Party“(SWP) und mit ihr auf ihre deutschsprachigen Ableger „Marx21“ oder „Linkswende“ zurückgekommen werden und hier insbesondere auf ihre Berichterstattung über Syrien.

In der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung der SWP, dem „Socialist Worker“ gibt die Partei abermals Simon Assaf Raum, sich über Syrien zu verbreiten obwohl gerade dieser bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Problem des „Takfirismus“ als Fälscher entlarvt wurde ( siehe: http://www.linkezeitung.de/ und  http://www.cpgb.org.uk).
Herr Assaf aber besteht auf seiner alten Methode. Er schreibt hier u.a.: „Inzwischen hat sich die Behauptung, dass Rebellen hinter dem Gasangriff auf Damaskus im August stehen, als Fälschung erwiesen. Kurz nach dem Angriff, der mehr als 1.500 Menschenleben gefordert hat, erschien eine Geschichte unter dem Namen eines angesehenen Journalisten von ‘Associated Press’ (AP) und eines syrischen „Korrespondenten“. In ihr wurde behauptet, dass Ortsansässige gesagt hätten, dass Rebellen falsch mit von Saudi Arabien gelieferte Sarin-Vorräte umgegangen seien. Der AP-Journalist hat inzwischen dementiert, diese Geschichte geschrieben zu haben, und es wurden Zweifel über die Glaubwürdigkeit des zweiten Journalisten vorgebracht. UN-Waffeninspekteure haben ebenso wie unabhängige Waffenexperten die Vermutung geäußert, dass der Angriff von einer Basis der Syrischen Republikanischen Garde ausgegangen sei. Das Assad-Regime hat seitdem zugegeben, dass es über große Vorräte dieser Waffen verfügt.“

In der Tat ist es natürlich möglich, dass es sich bei dem erwähnten Artikel des AP-Journalisten um eine Fälschung von Seiten der „Feinde der syrischen Revolution“ oder gar von „Freunden Assads“ handelt. Die Wahrheit ist, dass wir immer noch nicht wissen (können), wer dieses Verbrechen zu verantworten hat. Hier aber geht es um etwas Anderes, nämlich darum, dass Herr Assaf behauptet, diese Darstellung des Verbrechens habe sich „als Fälschung erwiesen“. Das behauptet er auf der Grundlage von Informationen, die sogar in seiner Darstellungsform völlig korrekt sind, aber gar keinen Beleg für den „Beweis“ einer „Fälschung“ ergeben. 1. Die Tatsache, dass der AP-Journalist nachträglich seine Autorenschaft leugnet, kann alle möglichen Gründe haben, unter ihnen natürlich auch den, dass er den Artikel in der Tat nicht geschrieben hat. 2. Die Tatsache, dass die „Glaubwürdigkeit“ des syrischen Korrespondenten bezweifelt wird, besagt ebenso wenig. Gerade die „Freunde der syrischen Revolution“ berufen sich immer wieder auf – sinnvoller Weise nicht mit Name und Adresse genannte – „Korrespondenten“ oder Quellen aus dem Land selbst. Von denjenigen, die der syrischen „Revolution“ kritisch oder gar ablehnend gegenüberstehen, wird deren Glaubwürdigkeit natürlich auch bezweifelt. Aber selbst, wenn es bewiesen wäre, dass weder der AP-Journalist den Artikel geschrieben hat, noch dass der „Korrespondent“ auch nur am Ort des Geschehens gewesen wäre und dort mit irgendeinem Bewohner gesprochen hätte, wäre damit keineswegs bewiesen, dass die Behauptung, dass Rebellen (immerhin bemerkenswert, dass Herr Assaf und mit ihm der SW nicht mehr umstandslos von „Revolutionären“ spricht) hinter dem Gasangriff gestanden hätten, eine Fälschung ist. Bewiesen wäre lediglich, dass sich diejenigen, die die beiden Journalisten als Zeugen für ihre Behauptung angeführt haben, einer Fälschung schuldig gemacht haben. Im einen oder anderen Fall ist damit (fast) nichts darüber ausgesagt, wer den für den Gasangriff verantwortlich ist. Das Gleiche gilt im Übrigen für Herrn Assafs entsprechende Schlussfolgerung aus den Befunden der Waffeninspekteure und dem Eingeständnis der syrischen Regierung. Die Waffeninspekteure, deren politische Neutralität selbst natürlich ebenso wenig wie die eines Jeden, der mit derart politisch brisanten Gegebenheiten umzugehen hat, außer Frage steht, haben – wie Assaf ja selbst formuliert – nur eine „Vermutung“ geäußert, und die syrische Regierung, hat zwar den Besitz solcher Waffen zugegeben, betont aber nach wie vor, sie habe sie nicht eingesetzt. In der Tat schließt natürlich der Besitz solcher Waffen seitens des syrischen Staates keineswegs aus, dass auch andere Kräfte über solche Waffen verfügen.

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen: es geht hier keineswegs darum zu behaupten, Assafs Annahme, das syrische Regime sei für das Verbrechen verantwortlich, sei widerlegt. Es geht darum, dass Assafs Behauptung, die gegenteilige Auffassung sei widerlegt, nicht einmal aus den von ihm selbst vorgebrachten Informationen abzuleiten ist. Seine Methode ist wieder einmal die der Demagogie.

Mir scheint, er ist genau darauf angewiesen, um Argumente gegen eine möglich „friedliche Lösung“ etwas via Genfer Konferenz zu finden. Diese lehnt er ab, obwohl er implizit zustimmend einer FSA-Kommandanten dahingehend zitiert, dass dieser bestätigt habe, dass die Sommeroffensive der Rebellen ihre Kraft verloren habe und der Bürgerkrieg in eine blutige Sackgasse geraten sei. Der Krieg – so der FSA-Kommandant – sei jetzt ein Dreifrontenkrieg geworden, in dem immer hoffnungslosere Rebellen sowohl gegen die Regimekräfte als auch die Militanten der [Al-Qaida zugehörigen. A.H.] ISIS kämpften. Wenn dem aber so ist, sollte man sich als „Sozialist“ oder überhaupt als jemand, der am Wohl der syrischen Bevölkerungsmehrheit interessiert ist, dann nicht fragen, ob es nicht an der Zeit wäre, mit diesem perspektivlosen Gemetzel aufzuhören – selbst, wenn das Regime dann in der einen oder anderen Form für’s Erste überleben würde?

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.