In zahlreichen Publikationen wird hervorgehoben, daß es sich bei
der Wohnung um eine Ware handele und daß alle Probleme der
Wohnungsversorgung im Kapitalismus auf den Warencharakter der
Wohnung zurückzuführen seien.(1) Diese Bestimmung gibt zwar ein
grundlegendes Moment wieder, macht aber vor der Untersuchung der
ökonomischen Gesetzmäßigkeiten halt, die für die
Wohnungsversorgung ausschlaggebend sind. - Im Unterschied zu
anderen Waren wird die Wohnung in der Regel nicht verkauft,
sondern vermietet. Die Vermietung wird häufig als ratenweiser
(Weiter-)Verkauf angesehen.(2) Das scheint auf den ersten Blick
zuzutreffen: Der Mieter nutzt die Wohnung ab und zahlt dafür in
monatlichen Abständen einen Preis. Doch erwirbt er nicht das
Eigentum an der Wohnung, sondern nur das Recht, sie zu nutzen.
Der Vermieter seinerseits ist kein - wie die häufige Gleichsetzung
von Miete mit Profit nahelegt (3) - Händler, der sein Kapital
dafür einsetzt, eine Ware - die Wohnung - zu kaufen und sie dann
wieder zu verkaufen, um bei diesem Geschäft einen Handelsprofit zu
realisieren, und der die gleiche Transaktion mit dem
zurückgeflossenen Kapital wieder einleitet. Der Vermieter
verkauft seine Ware nicht - auch nicht ratenweise -, sondern er
verleiht sie und verlangt dafür einen Zins. Für ihn ist die
Wohnung Warenkapital, das er verleiht. Zwar stellt er für die
Abnutzung der Wohnung eine Abschreibung in Rechnung, aber diese
ist kein - entsprechend der Abnutzung ratenweise gezahlter
-Kaufpreis, sondern Rückerstattung des entliehenen Kapitals: »[. .
.] alles verliehene Kapital, welches immer seine Form und wie die
Rückzahlung durch die Natur seines Gebrauchswerts modifiziert sein
mag, ist immer nur eine besondre Form des Geldkapitals. Denn was
hier verliehen wird, ist immer eine bestimmte Geldsumme, und auf
diese Summe wird denn auch der Zins berechnet. Ist das, was
ausgeliehen wird, weder Geld noch zirkulierendes Kapital, so wird
es auch zurückgezahlt in der Weise, wie fixes Kapital
zurückfließt. Der Verleiher erhält periodisch Zins und einen Teil
des verbrauchten Werts des fixen Kapitals selbst, ein Äquivalent
für den periodischen Verschleiß. Und am Ende der Frist kehrt der
unverbrauchte Teil des verliehenen fixen Kapitals in natura
zurück. «(4)
Die Höhe des Mietpreises wird häufig einfach auf das jeweilige
Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt
zurückgeführt.(5) Da jedoch das Vermieten des Hauses bzw. der
Wohnung als Verleihen von Kapital (das Haus bzw. die Wohnung also
als zinstragendes Kapital) zu bestimmen ist, zeigt sich, wovon vor
allem die Miethöhe abhängt: Der Hauseigentümer ist an einer
möglichst hohen Verzinsung seines langfristig angelegten Kapitals
interessiert, und er wird nur dann bereit sein, sein Kapital in
Form der Wohnung anzulegen, wenn ihm eine im Verhältnis zu anderen
Kapitalanlagesphären zumindest durchschnittliche Verwertung
gewährleistet erscheint. Die Miete muß deshalb diese Verwertung
garantieren - neben der Abschreibung, den laufenden Kosten für
Instandhaltung und Betrieb sowie neben einer Rente für den zur
Verfügung gestellten Grund und Boden. Der quantitativ wichtigste
Bestandteil der Miete ist der Zins auf das vorgeschossene Kapital.
Die Verzinsung ist es, die sich der Hauseigentümer von der
Wohnungsvermietung erhofft und die ihn deshalb zum Bau oder Kauf
des Hauses veranlaßt hat. Die Höhe dieses Zinses ist von zwei
Faktoren abhängig: von der Größe des vorgeschossenen Kapitals und
von dem Zinssatz, der auf dem Wohnungsmarkt erzielt werden kann.
Anmerkungen
1) Vgl. Johannes Feig, Nachfrage und Angebot auf dem
Wohnungsmarkt, in: Die Wohnungs- und Siedlungsfrage nach dem
Kriege, a.a.O., S. 37 f.; Rolf Kornemann, Fehlsubventionierungen .
. ., a.a.O., S. 13 ff.
2) Vgl. Helmut W. Jenkis, Die Unternehmensmiete. Die Notwendigkeit
und Problematik der Neuorientierung der Mietenpolitik, Münster
1968, S. 9.
3) Vgl. z. B. Rainer Neef, Die Bedeutung des Grundbesitzes in den
Städten, in: Kursbuch 27, Mai 1972, S. 32 ff., insbesondere S. 57
ff.
4) Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, a.a.O., S. 356.
5 Vgl. Richard Bräutigam, Mietpreisbildung und Mietpreise, in:
Handwörterbuch des Wohnungswesens, Jena 1930, S. 550 f. Siehe auch
die Ausführungen auf S. 46 ff.
Editorische Hinweise
Der Text erschien in: H. Brede, B. Kohaupt & H.-J. Kujath,
Ökonomische und politische Determinanten der Wohnungsversorgung,
Ffm. 1975, S. 24f.
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