Kapitalistischer Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Eine Art (polemischer) Basistext?
Berlin 12. - 18.11.2012 -
tritt ein: Situation einer Im-Mobilie

von radi0.tv

11-2012

trend
onlinezeitung

Wohnen ist Ware, wie jede andere auch. Kiez ist eine Marke. Allgemeinplätze, aber keine Commons. Egal, ob da ein Zins zu zahlen ist für ein Kapital, das investiert wurde oder ob eine siebenstellige  Gewinnerwartung in der Luft liegt. Zahlen tut 'der Mieter' ja für das, was er selbst hergestellt hat: das Haus, das Trinkwasser, die Energie,  das Pflaster. Und man sieht jeden Tag, dass ökonomisch gesehen das alte Germanische Recht "Hur bricht Koop" (Miete geht vor Kauf) eben nicht stimmt, weil das Mieten schon das Erkaufen der Nutzung von  umbautem Raum, Infrastruktur und Umgebung ist. Der Kauf der eigenen vier Wände (auf Kredit) oder der Wohnung ist der Alltag. Ein  Rechtsanwalt des Mieterschutzbundes machte kürzlich ganz illusionslos deutlich: "Sie müssen wissen was sie wollen. Wenn sie klagen wollen, verdiene ich daran." Soviel zum Selbstverständnis der Republik und  ihrer Rechtsorgane, die laut ihres Präsidenten angeblich Staat und Klasse nicht mehr in den Mittelpunkt stellen. Es ist Klischee, aber  am 19. Mai 1871 beschloss die Pariser Kommune die Beschlagnahmung leerstehender Wohnungen. Die Bank zu übernehmen hatte sie vergessen. Man kann fragen, ob die Blockade einer Zwangsräumung bloßer  Defensivkampf ist und ob der Vorwurf, der Vermieter würde zuviel Geld verdienen, schon der erste Schritt zur Enteignung der Enteigner ist.

Oder geht es nur Kommerzkritik und nicht um Kritik am Kapital? Gibt es  einen fairen Zins für 80qm ohne Bad, ohne Zentralheizung, Toilette halbe Treppe? Können nicht jeden Tag 150 Aktivisten vor jedem Haus stehen? Die Parteilose im grünen Kleid nervt, wenn sie bildtechnisch auf der Titelseite der Grünen zur Anführerin der Frauen gemacht wird, die sich ohne Partei gegen steigende Mieten zu wehren versuchen, indem sie Forderungen an die offizielle Politik stellen. So genannte Akteure stressen, weil sie mit dem Ziel der Resozialisierung des Raums <billige Wohnungen für sozial Schwache> die Profitmaschine skandalieren und an Repräsentanten appellieren, anstatt zu erklären -- was vielleicht weitreichendere Folgen hätte. Die so genannte Linke war so vermessen, mitregulieren zu wollen. Der Soziologe verwischt, wenn er die Ursachen mal dem Markt mal bösem Willen unterstellt. Der Pirat will armen potentiellen Käufern von alten Häusern von Staats wegen Geld dafür geben und sagt "Die Häuser denen, die darin wohnen". Gilt das auch für den zu denunzierenden Millionär an der Ecke, der mit dem Pool auf dem Penthouse? Kann man wissen, welches Co jetzt comanagen möchte? Kampganeros trommeln und lehnen Theorie gerne ab,  dabei ist ihre oft genug die einer kalkuliert kritischen Masse. Mietenstreik? Wer kann sich das leisten? Voluntaristische Gecekondus können wohl nur mutige Zwischenlösungen sein. Berlin ist nicht  Istanbul, das einmal Vorbild für informelle, 'selbst'gemachte Ökonomien war, weil die Genehmigungen das Bauen (ver)ordnen und die Renditen steigen im neuen New York + Rio + Tokyo + Lagos genauso. Welches Eigentum ist da besser? Warum also immer Reclaim the Street  und nicht Declaim the City? Wieso hat jedes Kind "eine Chance" verdient? Warum Glück per Charity im SOS-Kinderdorf, warum nicht  andere Verhältnisse?

Könnten sich die Verlierer nicht selbst de/kolonialisieren, indem man  die hippen Stadtteile verlässt, unter dem Druck der Pioniere und Gentrifizierer absterben lässt und woanders weiter macht? Runter vom  Milieu, seinem Schutz und der Berliner kosmopolitianischen Mittelmäßigkeit. In Marokko sollen Frauen nicht Fischen gehen dürfen.  Hier sollen Menschen nicht mehr wohnen dürfen. Aber nicht, weil man (nur) gegen Ausländer wäre, sondern, weil noch Gewinne drin stecken.

Das ist ein Prinzip, das die soziale Marktwirtschaft mit  Mietobergrenzen, sozialem Wohnungsbau und angemessenem Wohnraum nur abfedert, aber nicht beendet. Dort wo der Mittelstand Einzug hält,  kann der bezahlen, der etwas mehr hat, gegen die, die weniger haben, die wiederum etwas mehr haben als die, die weniger haben als wenig.  Der Zins, der Preis macht also einen Unterschied. Da hilft keine Umverteilung, die Haben und Brauchen wieder ausbalancieren würde. Oder begnügt man sich mit einem niedrigeren Niveau? Sind 4,- pro qm  nicht immer noch zuviel? Ist es im Souterrain billiger? Kein größeres Stück vom Kuchen, kein aus dem Verwertungskreislauf angeblich herausgenommenes Haus, kein zum Erliegen gebrachtes Geschäft mit der Liegenschaft beendet den strukturellen Zusammenhang aus Lohnarbeit, ihrer Enteignung vom Produkt und der Angst um das Dach über dem Kopf. Nocheinmal: Städte stehen nicht unter Belagerung, wie man hollywoodisierend vermutete. Das nur im Fall ihrer Verteidigung. Sie sind was den Besitzlosen ohne Kapital weggenommen wurde, um es ihnen  für einen Großteil Ihres Lohns wieder zu verkaufen. Warum sollte man die Stadt idealistisch also nur neu denken?

Kann man das mit einem selbst-gekauften Haus? Mit mieterinnenverträglicher(er), niedrigerer Miete? Kapitalverwertung
kann so schön sein, wie nationaler Sozialismus in einem Land. Genau an dem Platz und ein paar Meter weiter, wo der Protest gegen "strukturellen Rassismus" formiert wird und wo von der Logik einer Teilhabe am Wohlstand ausgegangen wird, die etwas mehr abhaben will, aber sonst alles beim Alten lassen will, wird die Überwachung aus Kameras und Biomarkt, langen Öffnungszeiten und kultigen Superspätis mit Niedriglöhnen ausgebaut. Technologien für "nachhaltige und lebenswerte Städte der Zukunft". Was als Öffentlichkeit bekannt war,  sieht aus wie eine Tapete aus dem 19. Jahrhundert, oder auch wie ein Mural. Wozu Durchmischung, warum keine Aufhebung der Schichten? Der Zuckerberg wächst schließlich, Facebook hat 1 Milliarde Nutzer, inklusive aktiver Karteilleichen. Mit jedem legalen LadyGagadownload  zahle ich irgendeine Villa in Monaco. Ist das Social Justice oder  Soziales Internetz? Und eine Generation lernt, was die vorherige längst via Syndikate in Besitz umwandeln konnte. Verhandler von damals  sind heute vielleicht schon pensionierte Architekten. Dabei muss eine Stadt erst produziert werden. Der Haussegen "Grüß Gott tritt ein bring Glück herein" versprach einmal die Boomtown im verspäteten deutschen  Kapitalismus. "Go home and love your own city" sagt lediglich, dass die ganz neuen undefinierten fluiden Migrationskulturen ihre Grenzen haben. Der "Youth on Action" reiches den SO36 artig street-artig abzufotografieren. Und der Mix aus Angry German Youth und billigen Angry Chicken?

Zwischen dem 12. und 18. November 2012 wird es in der Manteuffelstr. 70 in Kreuzberg und in der Nähe dieses Hauses diverse Spiele, Konzerte, Aktionen, Gespräche, Videos, Praktiken, Kritik und eine Ausstellung geben, um die Situation der Im-Mobilie zu bewegen. Das Projekt wurde (leider nur Projekt und nicht der große Wurf, der lange Marsch usw.)
konzipiert und realisiert von radi0.tv in Berlin. tritt ein versucht  den ganz normalen Häusermarkt zu reflektieren und die Defensive zu verstehen.

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/\ radi0.tv


Unterstützt aus Mitteln der Kulturförderung Friedrichshain-Kreuzberg.

Programm

Di., 13.11. - So., 18.11.2012: "Berlin's the New Brooklyn", T-Shirts  von t-shirtz.org während der Veranstaltungen in der Manteuffelstr. 70 (siehe Wegweiser). Argumente an- und ausziehen.

Di., 13.11. - So., 18.11.2012: "Baustelle Kampagne" (Arbeitstitel) mit  Juan Pablo Diaz und Pablo Hermann. Manteuffelstr. 70 (siehe Wegweiser). Kampagne machen oder den Kiez? Für was oder wen?

Mi., 14.11. - Sa., 17.11.2012 täglich 17:00 - 20:00 Uhr: "Wem gehört die Stadt?". Spiel am Tisch. Café Commune, re. neben Eingang am Fenster, achteckiger Tisch, 2 Sessel, 1 Sofa, Reichenberger Straße 157,  10999 Berlin, http://goo.gl/maps/RjbkV . Die Grundproblematik ist  nicht erst 40 Jahre alt: Im Jahr 1972 wurde dem Kursbuch 27: Planen Bauen Wohnen das Spiel "Wem gehört die Stadt?" beigelegt. Ohne den schon verinnerlichten Kleinbürger, also nicht wie in Monopoly, werden die Mechanismen, wie und warum das mit der Miete und dem Gewinn  funktioniert, deutlich. Wir laden zum Spielen ein.

Do., 15.11. (o. 16.11.2012) 20:30 Uhr: "Gerechte Miete? Zu Strategien solidarisch akuter Hilfe, Blockaden, Verkürzungen und Versprechungen". Gespräch im Café Commune oder in der Manteuffelstr. 70, 2. Stock.  Oder: Texte zum Mietenkampf. Bitte www.trittein.org  beachten!

Fr., 16.11.2012 21:00 Uhr: "Rhythmanalysis? Rhythmsynthesis!".  Superstolk (Offenbach) live. Manteuffelstr. 70, 2. Stock. Raum ist die Produktion sozialer Praxis, Henri Lefebvre? Zu abstrakt. Superstolk  macht eine andere Rhythmussynthese. 1 "Einfache Leute" - Klare Overground-gewinnt-Kritik, dadaeskomatisch. 2 "Ich baue mir ein Häuschen aus festem weissen Schnee" - Irgendwie elegisch-instrumentös  ... naja, ist ja nur ein Post-prä-Acid-Rock-Märchen. 3 "Neuerdings" - Das will ich live hören (böse), die andern natürlich alle auch. 4  "Professor sucht Wohnung" - Kenn ich -- ah, aber soundtechnisch aufgewertet, gentrifziert sozusagen. 5 "The Perfect Flat" - Das ist  doch English. Ist das 1977 erlaubt gewesen in Berlin? Käffies right around the corner. Ohne zynisch zu werden: MP3-Download aller Stücke  via www.trittein.org.

Sa., 17.11.2012 20:30 Uhr: "Hausaufnahmen". Improvisationen zu Sounds aus dem Haus von Tri Top (Kassel). Till Mertens: Saxophon, Klarinette - Angela Dersee: Violine - Matze Schmidt: Samples, No-Input. Manteuffelstr. 70, 2. Stock. Die Schwierigkeit ein Haus zu repräsentieren. Spezifische Klänge sind zu 'dokument', Atmo zu  unbestimmt, Fieldrecording vielleicht zu sehr modisch Levi's oder ethnologisch Lévi-Strauss.

Sa., 17.11.2012 22:00 Uhr: "Comité Télévision à la Commune de Paris?". Videos über/zu/von ... . Manteuffelstr. 70, 2. Stock. Die Pariser Kommune im Fernsehen? Wie sehen solche Bilder aus? Oder gibt es  aktuelleres Material?

Eintritt frei

Aktuellster Stand immer auf www.trittein.org

Editorische Hinweise

Die Informationen erhielten wir vom Veranstalter.