Vom 40. Jahrestag des chilenischen Putsches trennt uns ein Jahr
Für eine breit angelegte Aufklärung-Kampagne

Ein Vorschlag
von Bernhard Gestermann

11-2012

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Noch ist es mein 11. September! Doch mein Ziel ist, dass es unser 11. September wird! „Wir“ wären dann alle die Menschen, die es für unverzichtbar halten, der Gehirnwäsche der herrschenden Klasse und ihrer Handlanger in der Politik, in den Medien und in den Wissenschaften unsere kritische, reale Sicht der Gesellschaft, in der wir Leben, entgegen zu setzen. Deshalb ist "unser" 11. September nicht der des Jahres 2001? sondern der des Jahres 1973!

Am 11. September 1973 putschte das faschistoide chilenische Militär die demokratisch gewählte sozialistische Regierung aus dem Amt. Ihr Präsident Salvador Allende wurde ermordet oder beging angesichts seines sicheren und gewiss nicht ohne bestialische Grausamkeit vollzogenes Todes durch die Pinochet-Schergen. Das ist bis heute strittig und ändert auch nichts an der Sache! Drei bis vier Tausend als politisch gefährlich eingestufte Menschen wollten oder konnten diese Wahl nicht treffen und wurden in den ersten Tagen nach dem Militärputsch umgebracht. Einige Zehntausend Chilenen haben fluchtartig ihr Land verlassen, um deren Schicksal zu entgehen. Eine rd. 20 Jahre währende Militärdiktatur vollzog die radikale neoliberale Wende.

Wer sich über die chilenische Konterrevolution recht umfassend informieren will, besorge sich die von Chilenen verfasste Schrift „Salvador Allende. Das Ende einer Ära.“ Herausgegeben von Fernando D. Garcia und Oscar Sola. Essay von Alejandra Rojas. Vorwort von Isabell Allende“. Aufbau-Verlag 1998. ISBN 3-351-02483-5.

Nach jahrelangen Terror- und Sabotageakten hatte sich die herrschende Klasse Chiles mit tatkräftiger US-amerikanischer Unterstützung – sprich CIA – entschlossen, der demokratisch gewählten sozialistische Regierung und deren Reformen zum Wohle des chilenischen Volkes gewaltsam ein Ende zu bereiten. Ein halbes Liter Milch für jedes Kind, Enteignung der Großgrundbesitzer und Verstaatlichung der Kupferminen waren die wichtigsten Maßnahmen der sozialistischen Regie?ung. Der Gro?grundbesitz wurde Kleinbauern übereignet, der sklavischen Ausbeutung der Minenarbeiter und dem Transfer der Profite aus den Reichtümern des Landes ins Ausland war ein Ende gesetzt. Das nationale und internationale Großkapital regierte, wie es immer reagiert, wenn Demokratie aufhört, eine Regierungsform zur Wahrung ihrer Interessen zu sein. "Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden, damit sie fortbestehen kann" hat Pinochet, der militärische Führer des Putches und der Diktator der folgenden 17 Jahre seiner Gewaltherrschaft einmal sein Tun begründet. Alles, was Marx, Engels, Lenin, Rosa Luxemburg u. a. zum Wesen des Kapitalismus gesagt haben, ist so aktuell wie es vor einhundert und mehr Jahren war!

Vom 40. Jahrestag des chilenischen Putsches trennt uns ein Jahr; ein Jahr, welches genutzt werden sollte, eine in Form und Inhalt breit angelegte Aufklärung-Kampagne zu organisieren.

Inhaltlich könnte dazu unsere Sicht auf den 11, September 2001 gehören, aber auch die zahllosen Mordversuche, Morde und Putsche des 20. Und 21. Jahrhunderts. Das könnte, so meine ich, mit den Mordopfern der deutschen November-Revolution – zuvörderst Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht – den Fememorden der Weimarer Republik einschließlich Walter Rathenau und Matthias Erzberger, der Nazi-Terror mit seinen vielen Tausend Morden an Antifaschisten, den Morden an Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke, der Umgang mit der RAF im Vergleich mit der Behandlung von ungefähr 200 neonazistischen Morden zwischen 1990 und 2012, aber auch die unzähligen Kriege der USA in allen Teilen der Welt zur Installierung von ihnen dienstbaren Regimen. Da würden dann Namen wie Sakko und Vanzetti, das Ehepaar Rosenberg, Lumumba, Che Guevara, Sukarno, genannt werden müssen. Das sind meine vorläufigen Überlegungen. Was davon sinnvoll und machbar ist, was der Kunst der Beschränkung zum Opfer fallen muss, wird sich im Prozess eines gemeinsamen, solidarischen Diskurses herausstellen.

Alle denkbaren politischen Aktionsformen sind in Betracht zu ziehen. Und wenn ein kreativer Geist mit einer neuen käme, dann würde ich dies als einen Glücksfall betrachten.

Diese Webadresse - http://unser-11-september.de - soll die Diskurs- und Ideen-Zentrale für mein Projekt werden. Wenn nötig und sinnvoll kann sie auch durch eine andere ersetzt oder ergänzt werden.

Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Alles von mir zu Form und Inhalt gemachten Aussagen sind als Vorschläge zu betrachten. Das Einzige, was für mich nicht verhandelbar ist, ist die radikal-kritische Ausrichtung des Gedenktages zur 40. Wiederkehr dieses Ereignisses.

Ich bitte alle, die mein Anliegen teilen für eifrige Weiterverbreitung.

Editorische Hinweise

Den Vorschlag erhielten wir am 25.10.2012