trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Gewalt gegen Abgeordnete und Demonstranten - Was passiert in Kosova?

von Max Brym am 23.10.2012

11-2012

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In Kosovo wird es immer schwerer zu demonstrieren und seine Meinung zu artikulieren. Gestern gab es einen wüsten Polizeieinsatz gegen Aktivisten und Abgeordnete der „Bewegung für Selbstbestimmung“ ( VV) auf der Mutter Theresa Straße im Zentrum Prishtinas. Knapp 60 Personen wurden schwerer verletzt. Darunter Parlamentsabgeordnete von VV. Nach Berichten wurden festgenommene Demonstranten, in den Polizeistationen geschlagen und malträtiert. Durch Schläge in der Polizeistation wurden verschiedene Aktivisten verletzt, darunter Bojken Abazi.

Um was ging es ?

Die Aktivisten von VETËVENDOSJE ( VV) demonstrierten gegen die von der EU angeregten Gespräche zwischen Hashim Thaci und dem serbischen Premier Dacic. Ahnungslose Linksliberale und Pseudo- Linke in Deutschland werden -die Ablehnung der Gespräche durch VV- vielleicht als nationalistisch verleumden und dabei über den Polizeiterror in Prishtina hinwegsehen. Diese Haltung ist grundfalsch. Serbien betrachtet Kosova laut Verfassung als Bestandteil des serbischen Staates, Dem ehemaligen Minister von Milosevic- Dacic- geht es um die weitere ethnische Teilung Kosovas. Dies nennt sich diplomatisch - „ Gespräche über die substanzielle Autonomie von Nord Kosova“- . Die VV ist völlig im Recht die Gespräche mit dem Mordgehilfen Dacic abzulehnen. Serbien muss Kosova anerkennen, die in Belgrad eingefrorenen Gelder aus dem kosovarischem Pensionsfond , sowie die gesperrten Bankeinlagen kosovarischer Bürger freigeben. Im letzten Krieg wurden in Kosova 12.000 Zivilisten getötet und etwa 20.000 Frauen vergewaltigt. Voraussetzung für Gespräche sind Schadenersatzzahlungen, sowie eine offene Entschuldigung für diese Verbrechen. Jede bürgerliche Partei in Serbien wird dazu nicht bereit sein, es kann daher nur mit einer wahrhaft internationalistischen Linken in Belgrad verhandelt werden. Solange der serbische bürgerliche Chauvinismus in Belgrad regiert kann es keine zielführenden Gespräche geben. Der Polizeiterror versucht die Tatsache zu verdecken, dass Hashim Thaci, permanenten sozialen und nationalen Hochverrat an den Bürgern Kosovas begeht.

Gewalt und Privatisierung

Auch am vergangenen Donnerstag kam es zu gewaltsamen Aktionen der Polizei gegen Abgeordnete und Aktivisten der VV. An diesem Tag wurde gegen die Privatisierung der Elektroverteilstation an ein türkisches Konsortium protestiert. Kosova ist das ärmste Land in Europa, allerdings nähert sich Griechenland dem sozialen Status von Kosova an. In Griechenland, Spanien und Portugal gibt es massive Privatisierungsorgien und den massiven Abbau von sozialen Leistungen. Oft wird der Protest von Arbeitern und Jugendlichen in diesen Ländern repressiv mit Polizeigewalt beantwortet. In Kosova haben die „ Internationalen“ die „ Pflicht zur Privatisierung“ in die Verfassung schreiben lassen. Die Privatisierung kostete in Kosova nach Berechnungen der Gewerkschaft BSPK 76.000 Arbeitsplätze. Polizeieinsätze gegen sozialen Widerstand gehören mittlerweile zur traurigen europäischen Realität. Dieser repressive Prozess kann von Portugal bis Kosova beobachtet werden. Dennoch hat die Lage in Kosova einige Besonderheiten zu bieten.

Besonderheiten

Kosova ist in der Realität kein selbständiger bürgerlich demokratischer Staat . Kosova muss in einer Fußnote bei internationalen Konferenzen auf die UN Resolution 1244 verweisen. Nach dieser Resolution ist Kosova ein Bestandteil Serbiens. In Kosova bestimmen die „ Internationalen“ alles. Der „Autokrat Thaci“ ( Zitat Jakub Krasniqi) ist nur die Fußnote der USA und der EU Mission EULEX. Laut „Koha Ditore“ wünschen sich die „ Internationalen“ Ruhe während der Verhandlungen mit Serbien. Diese Ruhe soll durch den Polizeiknüppel hergestellt werden. Es wird sogar fleißig an der Ablösung von Parlamentspräsident Jakub Krasniqi gearbeitet. Am vergangenen Donnerstag unterbrach Krasniqi, die Parlamentssitzung weil der Innenminister Polizei in das Parlamentsgebäude holte. Krasniqi verlangte den Abzug der Polizei. Zwischenzeitlich war die Abgeordnete Albana Gashi von VV verhaftet worden. Jakub Krasniqi tat nur seine elementare demokratische Pflicht. Aber elementare demokratische Rechte interessieren weder die Regierung Thaci, noch die „ Internationalen“. Die Repression gegen sozialen und demokratischen Protest ist eine reaktionäre europäische Tendenz. Die Kolonie Kosova wird dabei offensichtlich als besonderes Experimentierfeld betrachtet. Es ist in Europa noch nicht normal, dass Parlamentsabgeordnete geschlagen und verhaftet werden. Aber der Widerstand in Kosova geht weiter. Heute demonstrieren wieder Menschen in Prishtina für das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit.

 

Editorische Hinweise

Der Text wurde uns von Max Brym zur Verfügung gestellt.